Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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III. D. FREIES ASSOZIIEREN DES ANALYTIKERS Viele Konzipierungen der frei assoziierenden Aktivität des Analytikers leiten sich von Freuds bereits erwähnter Telefonmetapher her, die auf das innere Erleben des Analytikers als Orientierungshilfe, um das psychische Leben des Patienten zu verstehen, fokussiert (Freud 1912e). Otto Isakower (1963) formulierte mit seinem Konzept des „analysierenden Instruments“ ein beinahe konkretistisches Verständnis dieses Prozesses. Wenn der Analytiker selbst angemessen analysiert ist, so seine Ansicht, wird ihm die korrekte Deutung automatisch in Form einer freien Assoziation einfallen. Zwar scheint Isakower versucht zu haben, dem „analysierenden Instrument“ eine gewisse räumliche Dimension und materielle Struktur zu verleihen, doch sind manche Analytiker der Meinung, dass es mit Freuds ursprünglichem Konzept des Systems Ubw identisch sei (Arlow 1979a). Die korrekte Deutung taucht durch einen Intuitionsprozess im Bewusstsein des Analytikers auf, so wie dem Patienten der Abkömmling eines unbewussten Triebimpulses bewusst wird. Jacob Arlow (1979b) skizziert drei innere Prozesse, die an der Entstehung einer analytischen Deutung beteiligt sind: Introspektion, Intuition und Empathie. Er beschreibt eine facettenreiche, mehrschichte Ereigniskette, in der die innere Position des Analytikers zwischen der eines eher passiven Beobachters und der des aktiv Teilnehmenden und Deutenden oszilliert. Die freien Assoziationsprozesse des Analytikers spielen in einer solchen Abfolge von Ereignissen eine herausragende Rolle. Erstens, so Arlow, identifiziert der Analytiker sich mit dem Patienten und nimmt den „fremden“ Gedanken in sich auf. Zweitens repräsentieren seine freien Assoziationen seinen inneren Kommentar und seine beginnende Wahrnehmung der unbewussten Denkprozesse des Patienten. Drittens repräsentieren die freien Assozationen des Analytikers eine Form der inneren Kommunikation mit sich selbst, einen ersten Schritt in der bewussten Wahrnehmung der Einsicht, zu der er gelangen wird. Viertens ist das, was der Analytiker durch Introspektion wahrgenommen hat, das Resultat eines Intuitionsprozesses. Intuition ist die Fähigkeit, schweigend, ohne Anstrengung und außerhalb des Bewusstseins die unzähligen Beobachtungen, Eindrücke, Fakten und Erfahrungen zu organisieren, denen die ganze Vielfalt verbaler und nonverbaler Erfahrungsmodi zugrunde liegt: Verhalten, Gesichtsausdrücke, Körperhaltung, Gesten, Stimmfall, Sprechgeschwindigkeit, metaphorische Äußerungen und die Konfiguration des Materials – allesamt mitunter subliminal wahrgenommen und unbewusst, d.h. intuitiv, verarbeitet und konzeptualisiert. Dieser Funktionsmodus des Analytikers ist laut Arlow in höchstem Maß ästhetisch und kreativ. Stanley Leavy (1973) fasst die Interaktion zwischen der metaphorischen Rede des Patienten und dem metaphorischen Zuhören des Analytikers wie folgt zusammen: “Freie Assoziation […] ist für Analytiker unverzichtbar, denn sie ist der innere Prozess, durch den wir von ‚gleichschwebender‘ Aufmerksamkeit zur Auflösung verbaler Aussagen und zur Resynthese ihrer imaginalen Fragmente

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