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Hans Loewald (1960, 1962, 1978) entwickelte eine Ich-Psychologie, die die Triebtheorie mit den Objektbeziehungen zusammenführte, die aus dem Zentrum des noch unreifen, sich in der Mutter-Kind-Beziehung entwickelnden kindlichen Ichs hervorgehen. Er beschreibt nicht allein das Ich, sondern auch das Es als eine Organisation mit Beziehungen zur Realität und zu Objekten. So gesehen, hängen die Triebe von Anfang an mit Objektbeziehungen zusammen, werden in Objektbeziehungen organisiert, organisieren ihrerseits die Realität und vice versa. Auch das neue, in der Analyse gefundende Objekt ist Objekt der infantilen Triebe. Für die Analogie zwischen dem therapeutischen Prozess und der Mutter-Kind-Interaktion benutzt Loewald die Metapher einer höheren Organisation (Analytiker) in Interaktion mit einer niedrigeren Organisation (Patient), um den therapeutischen Prozess zu charakterisieren. Zwischen beiden entsteht ein Spannungsfeld, das der Patient zu überwinden sucht. Loewald entwickelte auch das Konzept einer in der Analyse stattfindenden Desorganisation und Reorganisation mit anschließender Integration auf höhere Ebene. Dabei griff er zurück auf die von Kris konzipierte Regression im Dienste des Ichs und beschrieb einen zweiseitigen Deutungsansatz, der einerseits via Regression und Dekonstruktion in die ursprüngliche Tiefe zielt und andererseits via Deutung und Rekonstruktion auf eine höhere Ebene. Loewald verstand die Übertragung als intrapsychische Entsprechung des Interpersonalen. Sie gewinnt verlorene Tiefen zurück und ermöglicht es, dass „Gespenster“ (unbewusste Komplexe) im Laufe einer „dämonischen“ (oder regressiven) Übertragungsphase in Vorfahren (gut integrierte psychische Strukturen) verwandelt werden. Laut Loewald ist die Übertragung nicht nur pathologisch, sondern besitzt auch eine entscheidende Bedeutung für die Gesundheit. Die „ersehnte Integrationserfahrung“ ist eine der Entwicklung und der Analyse inhärente Tendenz zu höherer Integration. Eine zentrale Rolle in Loewalds Arbeit spielt die organisierende Internalisierungsaktivität als Entwicklungs- und klinische Tendenz. Innerhalb dieses Bezugsrahmens rekontextualisierte er zahlreiche triebpsychologische Begriffe als organisierende Aktivitäten. Loewald unterstreicht erneut die zentrale Bedeutung des Ödipuskomplexes für die gesamte klinische Arbeit, indem er insbesondere die ödipale Phase neu definiert und hierbei das Auftauchen der Fähigkeit zu Selbstreflexion, persönlicher Verantwortung und Individualität betont – die Fähigkeit, ein Individuum zu sein. Objekt, Objektbeziehungen und Selbst sind im analytischen, intrapsychischen Sinn vor der ödipalen Phase noch nicht existent. In einer diffizilen Erörterung von Elternmord und Inzest bindet er das Narzisstische und das Präödipale direkt in den ödipalen Kern ein. In seiner Betonung von Schuldgefühl und Wiedergutmachung finden sich Anklänge an Melanie Kleins depressive Position sowie an Kohut und Winnicott in der Beschreibung des symbiotischen und transitorischen Charakters der ödipalen Erfahrung, wie Loewald sie beschreibt. Die Anfänge von Otto Kernbergs Version der Objektbeziehungstheorie im Rahmen von Freuds Strukturmodell und Hartmanns Ich-Psychologie gehen auf die 1970er Jahre zurück. Selbst- und Objektrepräsentanzen werden dieser Theorie zufolge durch Affektdispositionen miteinander verknüpft. Das Augenmerk gilt den frühen Konflikten von Menschen mit Borderline-Pathologien. Kernberg (1977, S. 38)
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