Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Sprache begrenzt sah. Roussillon zieht den Schluss, dass die Assoziativität polymorph und das Zuhören des Analytikers in der Sitzung unweigerlich polyphon ist. Diese Konzeptualisierung der „Assoziativität“ wirft Fragen bezüglich der Interaktion mit der Übertragung und den sie organisierenden Prozessen auf. Dem Prozess der Verschiebung, der als das zentrale Element der Übertragung gilt (Lagache 1952), sind weiterere organisierende Prozesse der Übertragungsbeziehung (Freud 1937d) hinzuzufügen, etwa der Rollentausch. Im Laufe von 30 Jahren hat Roussillon (1991, 1999a) die unterschiedlichen Übertragungskonfigurationen hervorgehoben. Er hat insbesondere intersubjektive Aspekte der Mechanismen der Verkehrung von Passivität in Aktivität erforscht (A. Freud 1936). Eine solche Verkehrung (wenn das Subjekt vom Standpunkt des Objekts aus spricht und der Analytiker infolgedessen die Position bezieht, die zuvor das Subjekt innehatte) impliziert gemäß Roussillons komplizierter theoretischer Herleitung eine Spaltung der Übertragung, die sich auch auf die Gegenübertragung auswirkt und dem Analytiker den Eindruck eines Zusammenbruchs, einer Fremdheit oder Ruptur der Assoziativität des Patienten vermittelt. Dieser Eindruck in der Gegenübertragung gibt häufig den Wechsel auf einen Schauplatz anderer Formen von Sprache und Assoziativität zu erkennen Roussillon 2009a, b, 2013). Festzuhalten ist, dass Roussillons Überlegungen mit denen zahlreicher Autoren der modernen Psychoanalyse, die mit Kindern und mit Patienten mit schweren Pathologien arbeiten, übereinstimmen. Diese Arbeit warf Licht auf die Notwendigkeit, auch die Kommunikation jenseits verbaler Sprache zu berücksichtigen. Das Konzept der freien Assoziation wird daher, auch wenn es in verbaler Sprache wurzelt, in Verbindung mit den nonverbalen Ausdruckelementen verstanden. Ein Beispiel sind kleinianische Analytiker, deren Konzept der projektiven Identifizierung erklärt, dass der Analytiker einen Teil des psychischen Lebens seiner Patienten nicht nur durch die verbale Kommunikation kennenlernt, sondern durch alles, was damit einhergeht. Weitere relevante Zusammenhänge bestehen mit O’Shaughnessys Beitrag „Beyond the words“ (O’Shaughnessy 1983) und zu Betty Josephs Arbeit über die „Übertragung als Gesamtsituation“ (Joseph 1985). IV. C. FREIE ASSOZIATION IN DER ITALIENISCHEN PSYCHOANALYSE Folgende italienische Analytiker haben die freie Assoziation näher untersucht. Savo Spacal (1990) erforschte, wie sich die Methode der freien Assoziation seit ihren Anfängen entwickelt hat. Er identifizierte einen spezifischen introspektiven Modus , der seiner Meinung nach von Beginn an für das freie Assoziieren charakteristisch war. Die Methode hat an Bedeutung eingebüßt, weil die investigative Funktion der analytischen Behandlung und insbesondere die Einstellung der Selbsterforschung nach Freud, der sie immer für ausgesprochen wichtig erachtete, an Wert verloren haben. Deutung und Haltung des Analytikers rückten in späteren

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