Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Kris 1988), hat klinische Implikationen für die analytische Arbeit mit erweiterten Patientenpopulationen, die nach jeweils unterschiedlichen Wegen der Förderung von Entwicklungstransformationen verlangen. Klinische Interventionen, die die schlummernde Veränderungsfähigkeit aktivieren können (Lament 2003; Olesker und Lament 2008), dienen als Sprungbrett für die Weiterentwicklung (Olesker 2011) und können analytische Konstruktionen (Freud 1937d) und Rekonstruktionen der Bedeutung von Erinnerungen beinhalten, die zu einer Reorganisation zahlreicher Selbst- und Objektrepräsentanzen führen (Blum 1994, 2019). Von Sitzung zu Sitzung und von Minute zu Minute kann diese Konstruktions- und Rekonstruktionsarbeit „schlingernde“ [„rolling“] metaphorische deutende Übersetzungstransformationen zwischen verschiedenen Erfahrungsbereichen erforderlich machen – von präpsychischen, präsymbolischen Erfahrungsmodi (Aktions-, somatosensorische, viszerale Modi) zur unbewussten Symbolik von Träumen und schließlich zur vorbewussten Symbolik der Sprache (Papiasvili 2016). Hier ergeben sich u.U. auch Berührungspunkte mit einigen von Wilfred Bions sowie André Greens Konzipierungen der Veränderung (Grotstein 2014; Green 2006). III Bcb. Das Konzept eines zentralen Ichs: Ein Körper-Ich und verwandte Konzepte Freud (1923b) erklärte an zentraler Stelle: “Das Ich ist vor allem ein körperliches, es ist nicht nur ein Oberflächenwesen, sondern selbst die Projektion einer Oberfläche “ (S. 253). Er war überzeugt, dass die ersten Wurzeln psychischer Strukturen in den Körpersensationen und -gefühlen des Säuglings zu finden sind, und zwar in den innerlich wie auch äußerlich generierten. In den Jahren vor 1960 und in den frühen 1970er Jahren wurde das Körper-Ich klinisch im Zusammenhang mit Schmerz, Orgasmus, Kastrationsangst oder bestimmten Symptomen wie etwa der Depersonalisation untersucht. Wilhelm Reich (1933) beschrieb die Abwehrmechanismen des Ichs als “Charakterpanzer”. Psychosomatische Studien von Franz Alexander (1965) und anderen widmeten sich den Auswirkungen von Gefühlen auf köperliche Erkrankungen. Psychische Repräsentanzen der Körperteile, Bilder, Phantasien und Sensationen wurden von Edith Jacobson (1964) detailliert in ihrer Beziehung zum Ich, zum Selbst und zu seinen Objekten beschrieben. Konzipierungen, die aus der psychoanalytischen Entwicklungsforschung und aus den Mutter-Säuglingsbeobachtungen der1970er bis 2000er Jahre (z.B. Mahler, Pine und Bergman 1975; Stern 1985; Beebe und Lachmann 2002; Tronick 2002) hervorgingen und an die Forschungen über das frühe Ich unter verschiedenartigen Umweltbedingungen (Spitz 1950; Bowlby 1958; Winnicott 1971) anknüpften, hielten das Interesse am Körper wach.

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