Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Ich-Operationen sind gewöhnlich unbewusst, abgesehen von Notfallsituaten, in denen aktue Bedürftigkeit herrscht oder ein lebenswichtiges Interesse auf dem Spiel steht. Beispiele für die bewusste Intensivierung der Realitätsprüfung, die Schärfung des Intellekts und die Stärkung der Selbsterhaltung (Ich-Funktionen) sind etwa das nächtliche Lernen für eine Prüfung, die bewusste Impulskontrolle (Ich-Stärke) von abstinenten Alkoholikern oder die bewusste Unterdrückung der Gedanken (Abwehr) bei einem trauernden Chirurgen, der einen Eingriff vornehmen muss. In der psychoanalytischen Behandlung wird zudem das „Mentalisieren“ als Krönung des psychoanalytischen Denkens betrachtet (Busch 2013), weil es den Ausschlag für ein erfolgreiches Behandlungsergebnis geben kann. III Bda. Autonome Ich-Funktionen Die autonomen Ich-Funktionen wurden zunächst von Freud (1911b, 1916-17f), Hartmann (1964) und anderen beschrieben und schließlich von Bellak, Hurvich and Gediman (1973) in 12 Kategorien eingeteilt und in Bezug auf Intaktheit oder Defizit charakterisiert. Eine der aktuelleren Listen von insgesamt 26 autonomen Ich- Funktionen wurde zu diagnostischen Zwecken (siehe oben) zur Idenfizierung von Defiziten und/oder Hemmungen von Jerome Blackman (2003, 2010) zusammengestellt. Sie enthält, ist aber nicht begrenzt auf, folgende Funktionen: • Realitätsprüfung (Freud 1950c [1895], 1911b), ein Gefühl für die Realität der Welt und des Selbst als „Beziehung zur Realität“ (Frosch 1966) sowie die damit zusammenhängende Ich-Aktivität; • Schlaf-Wach-Zyklus, Bewusstsein und Sensorium; • Wahrnehmung (5 Sinne) und Gedächtnis (Freud 1900a, 1911b; Hartmann 1939/1960) • Integration/Synthese/Organisation (Freud, 1911b; Nunberg 1931; Hartmann, 1939/1960; Rose, 1991); • Primärprozesshaftes Denken, charakterisiert durch Symbolisierung, Verdichtung und Verschiebung (Freud, 1900a; Arlow & Brenner, 1964); • Sekundärprozesshaftes Denken (Logik und Zeitsinn [Freud, 1900a]); • Psychomotorische Kontrolle (Mahler, Pine and Bergman 1975); • Intelligenz (Hartmann, 1939/1960; Piaget, 1952) und Sprechen, Sprache, Symbolisierungsfunktion (Blum 1978, Leavy 1983); • Gefahrenbeurteilung (Hoch und Polatin, 1949) und Antizipation von Konsequenzen; • Konzentration und Aufmerksamkeit (Freud, 1900a);

142

Made with FlippingBook - Online magazine maker