Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Differenzierung hinaus von konzeptuellen, räumlichen und zeitlichen Bezugsrahmen abhänge. Laut Freud (1911c) entwickelt sich eine Psychose, wenn die Realitätsprüfung infolge eines vollständigen Rückzugs der libidinösen Besetzung von der Objektrepräsentanz zusammenbricht. Eine spätere, auf dem Strukturmodell beruhende Formulierung (Arlow und Brenner (1964) postulierte eine regressive / defensive Abnahme der Realitätsprüfung zur Abwehr von Angst und von anderen dysphorischen Affekten. Die verzerrte Realitätsprüfung des Psychotikers wird auch einer Verneinung der schmerzvollen emotionalen Zustände anderer Personen zugeschrieben (Modell 1968). Beeinträchtigungen der Realitätsprüfung können aus unzulänglicher Selbstbeobachtung resultieren. Hier unterschied Freud (1923b) zwischen Realitätsprüfung und Selbstbeobachtung als Ich-Funktionen, während er Selbstvorwürfe als eine Funktion des Gewissens – später als Über-Ich-Funktion bezeichnet - betrachtet (Freud 1914c, 1918b). Ein intaktes Über-Ich ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine angemessene Realitätsprüfung (Waelder 1936b). Wenn in der Entwicklung alles gut geht, verwandeln sich Selbstbeobachtung und Selbstbeurteilung mehr und mehr von einer Über-Ich- zu einer Ich-Funktion (Hartmann 1956; Stein 1966). Ganz allgemein könnte das unbewusste Phantasieren ein wesentlicher Faktor der Beeinträchtigung sowohl des Wahrnehmungsvermögens als auch der Realitätsprüfung sein (Arlow 1969). Heinz Hartmann (1964/ 1972) hat sich in den meisten seiner Beiträge mit Aspekten der Realität auseinandergesetzt, z.B. mit der äußeren Realität (vgl. sein Konzept der durchschnittlich erwartbaren Umwelt, 1939/ 1972), sowie mit kulturellen Faktoren (1944/ 1972), mit moralischen Werten (1956/1972) und mit der „inneren Realitätsprüfung“ (1947/1972, 1953/1972, 1956/1972). Diese lässt sich zusammenfassend beschreiben als „Einsicht, psychologische Sensibilität und Gewahrwerden innnerer Zustände. Innere Realitätsprüfung würde dann das Bewußtsein dieser inneren Zustände und ihre genaue Einschätzung umfassen“ (Hurvich 1970/1972, S. 870). Hartmann (1939/1975, 1953/1972) zufolge wurzeln die Realitätsbeziehung und die damit zusammenhängenden Prozesse in der primären Ich-Autonomie. Weitere Entwicklungen in der Ich-Psychologie versuchten diese Auffassung mit der psychischen Entwicklung zu integrieren, indem sie zwei Entwicklungslinien annahmen – eine als Komponente der primären Autonomie und die andere als Aspekt der Differenzierung zwischen innerem/äußerem Selbst und dem Objekt (Jacobson 1964), die durch Separations-Individuationsprozesse unterstützt wird (Mahler, Pine und Bergman 1975). Die aufmerksame „Neulektüre“ von Freuds Entwicklung des Konzepts der Realitätsprüfung mit seiner zentralen Unterscheidung zwischen innerlich und äußerlich erzeugter Erregung, die die französischen Analytiker Laplanche und Pontalis (1967/1973) ohne die von der Ich-Psychologie bereitgestellten Instrumente durchführten, ergab nach Meinung dieser Autoren, dass es „in Wirklichkeit unbestimmt und verworren“ bleibe (S. 433).

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