Zurück zum Inhaltsverzeichnis
V. C. FREIE ASSOZIATION ALS ZENTRAL FÜR DIE PSYCHOANALYTISCHE ARBEIT V. Ca. Freie Assoziation und ihre Formulierung Ähnlich wie in Nordamerika (Lichtenberg & Galler, 1987) wurde auch in Lateinamerika unter Mitgliedern und Kandidaten der Columbian Psychoanalytic Society (Laverde & Bayona 2011) eine Befragung zur freien Assoziation durchgeführt. Die qualitative Analyse ergab, dass die Grundregel von Analytikern unterschiedlich formuliert, die explizite Anleitung aber übereinstimmend praktiziert wird. Manche Befragte beschrieben, dass sie die Patienten detailliert auffordern, ihre Gedanken, Erinnerungen, Sensationen, Erfahrungen, Träume und Phantasien auszusprechen, ohne zu bedenken, ob sie peinlich, unangemessen oder lächerlich sein könnten. Was das Timing betrifft, so erläutern einige Befragte die Grundregel am Ende des Erstgesprächs, andere erst, wenn der Patient auf der Couch liegt, und wieder andere führen sie in allgemein gehaltenen Formulierungen zu Beginn ein, um sie dann im Laufe der Arbeit detaillierter zu fassen. Die Autoren des Fragebogens kommen zu dem Schluss, dass die Grundregel ein Handeln zwar nicht explizit ausschließt, das Setting und die liegende Position des Patienten aber implizieren, dass die verbale Kommunikation präferiert wird. In der kinderanalytischen Praxis scheint hingegen das kleinianische Erbe zu überwiegen, denn die Befragten erklärten, dass der Grundregel die Betonung des Spiels und des Malens in der Kinderanalyse entspreche (siehe den Eintrag OBJEKTBEZIEHUNGSTHEORIEN). V. Cb. Die Formulierung der „Grundregel“ Gestützt auf mehrere zeitgenössische Berichte von Ana Matia Chabalgoity and de Souza Brito (2019) und anderen Autoren (Laverde, Bayona & Barios 2011, Laverde & Bayona 2012; Lapaco & Laverde 2012) betonen lateinamerikanische Analytiker, dass sich Behandler seit Freud Gedanken über die – zumindest in manchen Phasen oder Sitzungen einer Analyse – kontinuierlichen Verstöße gegen die Grundregel gemacht haben. Solche Verstöße treten in Form von Schweigen oder Verheimlichen als Ausdruck eines Widerstandes auf oder als Versuch, die Intimsphäre und die selbsterklärte bewusste Identität zu schützen. Die Reaktionen auf die Anleitung zum freien Assoziieren reichen von der zwanghaften Aufzählung minuziöser Details dessen, was in der Umwelt passiert, bis zu Reaktionen von frühtraumatisierten Patienten, die das, was ihnen zugestoßen ist, nicht als Gedanken repräsentiert haben, sondern als Aktion oder Erfahrung, und es deshalb nicht verbal assoziieren können. In Anerkennung der großen Bandbreite dessen, was als freie Assoziation betrachtet werden kann, fassen Laverde and Bayona (2011, 2012) jeglichen Diskurs des Patienten zwischen den „phantasmatischen“ und den „realen“ Inhalten von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunftserwartungen, Bezugnahmen auf das, was in der Analytiker-Patient-Beziehung geschieht, sowie auf die Beziehungen zur sozialen
148
Made with FlippingBook - Online magazine maker