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V. Da. Wenn der Patient nicht frei assoziieren kann Unter Berufung speziell auf die französische psychoanalytische Tradition (Marty, de M’Uzan, Roussillon, C. Botella und S. Botella) haben lateinamerikanische Analytiker Patienten erforscht, die infolge früher psychischer Traumata Schwierigkeiten oder Defizite beim verbalen freien Assoziieren aufweisen. Im Folgenden spezifische Konzeptualisierungen, die diesbezüglich in der lateinamerikanischen Psychoanalyse von Belang sind. Pierre Marty und Michel de M'Uzan zufolge ist das „operationale“ oder „operative Denken“ ein bewusstes Denken, das zur Phantasieaktivität keinerlei Verbindung aufweist (Marty & de M’Uzan 1978 [1963]). Diesen Patienten fehlt jeder Fähigkeit, metaphorisch zu denken und zu sprechen oder in Objektbeziehungen wechselnde Identifizierungen vorzunehmen. Trotz sehr unterschiedlicher klinischer Bilder schildern solche Patienten ihre Erfahrungen als isolierte Ereignisse, zwischen denen kein Zusammenhang besteht. Zum Analytiker entwickeln sie keine verbindliche Beziehung. Sie schildern lediglich ihre Symptome und erwarten, geheilt zu werden. In Bezug auf die analytische Arbeit mit psychosomatischen Erkrankungen, bei denen keine ausreichende psychische Verarbeitung stattgefunden hat, spricht Marty statt von „psychischem Apparat“ von einem „mentalen Apparat“, von „mentaler Repräsentation“ statt von „Wortvorstellung“ usw. Sachvorstellungen evozieren Marty zufolge innere Realitäten, ohne dass sie von den ursprünglich wahrgenommenen Sachen unterschieden werden, da keine „mentale Mobilisierung“ und mentale Verarbeitung im Licht neuer Erfahrungen stattfindet. Ebenfalls einflussreich war René Roussillons (1999b) Arbeit mit dem Bild (Darstellung) als eine erste Form der Repräsentation, die den Übergang zum Wort unterstützt, um einen Raum für emotionale Weiterentwicklung zu öffnen. Wie oben im Abschnitt über die europäischen Entwicklungen detailliert dargelegt, nutzt Roussillon die Arbeit der Darstellbarkeit in der Analyse von Kindern wie auch Erwachsenen als konzeptuelle Erweiterung der freien Assoziation mit dem Ziel, die Bandbreite der Repräsentationen zu vergrößern und einen Akt und/oder ein Bild verstehbar und der weiteren psychischen Bearbeitung zugänglich zu machen. Wichtig für die Arbeit lateinamerikanischer Analytiker mit Patienten, die Symbolisierungsdefizite aufweisen, waren César und Sára Botellas Untersuchungen der „Darstellbarkeit“ als fundamentaler psychischer Vorgang, in dem eine Aktion und ihr Bild dem Denken und der Wortvorstellung vorausgeht (Botella & Botella 1983). Diesen Autoren zufolge muss diese Arbeit u.U. im Analytiker stattfinden. Sie kann mit einer Regression auf die visuelle Symbolisierung des Primärvorgangs einhergehen und in ein Bild (Darstellung) münden, das die Fragmente der archaischen Erfahrungen des Patienten, die nicht repräsentiert oder (bewusst oder unbewusst) nicht symbolisiert worden sind, konsolidiert. Die Arbeit transformiert die „Erinnerung ohne Wiedererinnern“, indem Fragmente aus dem psychosomatischen Bereich einer visuellen Symbolisierung in Träumen und ihrer Artikulation in Gedanken/Wörtern
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