Zurück zum Inhaltsverzeichnis
Sinn definiert, kann die Übertragung ein psychischer Zustand in der Analyse sein, d.h. nicht lediglich ein Abbild früherer Objektbeziehungen. Heutige Analytiker können erklären, inwiefern der Schutz eines fragilen Selbstzustandes zu einer aggressiven Übertragung führen kann oder wie die Angst zu lieben jemanden dazu bewegt, auf Distanz zu gehen. Gleichwohl scheint Freuds Verständnis der Übertragung als Wiederholung einer früheren Objektbeziehung unsere Sichtweise auch weiterhin zu prägen. Die Übertragung als Resultat eines psychischen Zustands schien als Kausalfaktor in den Hintergrund getreten zu sein. Die Übertragungsäußerung muss vom Analytiker zuerst empathisch erfasst und dann geklärt werden . Nur durch diese Klärung kann der Analytiker beurteilen, ob die Abwehr dick oder dünn ist. Die Klärung dünner Widerstände in der agierten Übertragung führt zu weiteren Assoziationen und bereichert die Ich-Fähigkeiten. Das Auftauchen dieser Perspektive nähert die Ich-Psychologie bestimmten Aspekten der Arbeit André Greens, Betty Josephs und Nino Ferros – um nur einige wenige Namen zu nennen – an. III Bfb. Trauma und posttraumatisches psychisches Funktionieren: „Zero- Prozess“ Es hat lang gedauert, bis das Trauma für die Ich-Psychologie zu einem Thema von zentralem Interesse wurde. Historisch gesehen, waren es drei verschiedene Geschehnisse, die die Notwendigkeit deutlich machten, auf diesem Gebiet zu einem tieferen Verständnis zu gelangen: die im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg verursachten Traumata großen Umfangs, die schweren Traumatisierungen durch den Holocuast und die neuen, unabweisbaren Belege für den Missbrauch von Kindern (vgl. Bergmann & Jucovy 1982; Blum 1986; Bohleber 2007; Kempe, Silverman, Steele et al. 1962; Shengold 2000). In einem Band der IPA Classic Books über „Reconstruction of Trauma“ schrieb Harold Blum (1986): „Ein massives, prolongiertes Trauma unterscheidet sich von dem üblichen Traumakonzept, das einen lähmenden Ich-Schock von kurzer Dauer beschreibt. Die massiven Traumata im Erwachsenenleben sind in ihrer globalen Auswirkung, dem Zusammenbruch bereits bestehender Struktur, mit dem Trauma im Kindesalter vergleichbar, das die Strukturbildung beeinträchtigt oder blockiert. Je höher die Vulnerabilität und je massiver das Trauma, desto tiefgreifender und pervasiver die Strukturschädigung. Die Vulnerabilität ist, was die Entwicklung betrifft, während der präödipalen strukturellen Differenzierung höher als während der postödipalen strukturellen Konsolidierung“ (S. 26). In einem von Sidney Furst (1967a) herausgegebenen Buch diskutierten mehrere Ich-Psychologen die Konzeptualisierung des Traumas und betonten dessen Spezifität und die enger gefasste Definition (A. Freud 1967), die auf eine völlige Überwältigung des Ichs und eine unkontrollierte Regression abhebt, die das Trauma von anderen Situationen des Konflikts oder emotionalen Aufruhrs unterscheiden. Furst (1967b, 1978) beschrieb als Ausgangspunkt des traumatischen Prozesses eine
155
Made with FlippingBook - Online magazine maker