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den Container, ein, der es empfängt und mit ihm interagiert, wodurch etwas Neues geschaffen wird. Die Verwendung der Symbole ♂ und ♀ wirft Licht auf den biologischen Charakter der Psyche und bezieht auch Freuds und Kleins Auffassungen der Sexualität und der ödipalen Konfiguration mit ein. In seinen späteren Schriften betonte Bion die Wechselseitigkeit der beiden Teile sowie ihr Wachstums- und Austauschpotential. Die Paradoxie der dynamischen Container-Contained-Beziehung ist ihre Reziprozität: Etwas, das containt, und etwas anderes, das containt wird, erfüllen zugleich die Funktion, sich gegenseitig zu containen und containen zu lassen. Auf die Entwicklung bezogen heißt dies, dass die Brust als Container für die Ängste des Babys auch das Gegenteil sein kann: Das Baby wird dann zum Container für bestimmte Aspekte der mütterlichen Persönlichkeit. Später wird diese Reziprozität im klinischen Kontext besonders hervorgehoben: „Den entscheidenden Anhaltspunkt liefert die Beobachtung der Fluktuationen, die den Analytiker in einem Moment zum ♀ und den Analysanden zum ♂ machen und die Rollen im nächsten Augenblick umkehren“ (Bion 2006 [1970], S. 125). Durchgängig betont Bion, dass „containen“ eine Aktivität und einen Prozess bezeichnet, die zur Bildung von Gedanken und zu deren Transformation in Worte führen; dies ist das Gegenteil einer trivialisierten, verengten Verwendung von „Containing und Receiving“ als lediglich passive Aufnahmebereitschaft und Empfänglichkeit. In seiner ganzen Komplexität und Facettenvielfalt legte Bion das Konzept der Transformationsprozesse 1965 in seinem Buch Transformations: Change from Learning to Growth ( Transformationen ; Bion 1997 [1965]) dar. Hier führte er das metatheoretische Konzept „O“ ein, das den Anfang, aber potentiell auch den Endpunkt des multidirektionalen Transformationsprozesses beschreibt. Das Konzept „O“ umfasst die undenk- und unsagbare „namenlose Angst“, die „Beta-Elemente“ und die „Dinge an sich“, aber auch die „letzte Realität“, „Verehrung“, „Ehrfurcht“ (Bion 1997 [1965]; Grotstein 2011a, S. 506). Weil das Container-Contained-Modell Teil von Bions wissenschaftlichem Deduktionssystem, der Theorie des Gedankens und des Denkens (Bion 1990 [1962a], 2013 [1962b], 1992 [1963], 1997 [1965], 2006 [1979]) ist, muss es in diesen Kontext eingeordnet werden. Dieser allgemeinen Theorie zufolge haben „Gedanken“ und der „Denkapparat“ unterschiedliche Ursprünge; zudem existieren Gedanken unabhängig von einem Denkapparat: „Gedanken“ werden nicht vom Denkapparat hervorgebracht. Für beide ist die Container-Contained-Beziehung grundlegend, die man folglich als den Embryo des psychischen Lebens betrachten könnte. Gemäß dieser Theorie ist die Entstehung eines „Gedankens“ ein Prozess, in dem die Container-Contained-Beziehung den ersten Schritt darstellt. Damit ein psychischer Inhalt (Emotion, Sinneswahrnehmung) psychische Qualität erlangen kann (repräsentiert oder gedacht werden kann), ist die Existenz des Containers, der diesen Inhalt in sich aufnehmen kann, unabdingbar. Das prototypische Objekt dieser Funktion („Container“, ♀) ist die Brust der Mutter, eine angeborene Präkonzeption, die ihrer
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