Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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als Wegweiser zu den unbewussten Prozessen benutzt, die sich im Patienten und zwischen Analytiker und Patient abspielen (Civitarese 2008; Ferro und Civitarese 2013). Ferros Konzept des bipersonalen Feldes (Ferro 2003 [1999]), einer aus den konvergierenden subjektiven Feldern des Analytikers und des Patienten hervorgehenden Struktur, ist eine radikale Möglichkeit, Intersubjektivität zu denken. Was die Interaktion der beiden Subjektivitäten hervorbringt, ist etwas Neues und mehr als die Summe der beiden individuellen Felder, die von der neuen Struktur eingenommen werden. „Insofern das bi-personale Feld zu dem gegenwärtigen ‚Hier und Jetzt‘ gehört, das von den beiden Subjekten, die die psychoanalytische Reise unternehmen, hervorgebracht wird, bleibt die zeitliche Dimension der Individuen unberücksichtigt, da man eine Art horizontaler Modellbildung der Intersubjektivität, eine Art horizontaler Konzeption des Unbewussten, skizziert“ (Bohleber 2013, S. 812).

III. Bd. Intersubjektivität – Subjektivierung, Intersubjektivierung

In einem anderen Bezugsrahmen wird Intersubjektivität als ein Prozess verstanden, der sich im Laufe der Zeit abspult. Der zeitlichen Dimension trägt das Konzept der „Subjektivierung“ Rechnung. Der Begriff wurde 1991 von Raymond Cahn eingeführt, der damit den Prozess der Subjekt-Werdung bezeichnete. Dieser Prozess ist aufgrund der entscheidenden Rolle, die der Objektumwelt von Anfang an zukommt, seinem Wesen nach intersubjektiv (Cahn 1991, 1997, 2006). In den vergangenen Jahren erlebte diese Terminologie – Subjektwerdung, Subjektivierung, Intersubjektivierung – einen Aufschwung und ersetzte die bis dato zur Beschreibung der Selbstentwicklung übliche französische (Wainrib 2012) und italienische (Bastianini 2014; Ruggiero 2015) psychoanalytische Terminologie. III. Be. Intersubjektivität – das Subjekt und die Person Diese unterschiedlichen Verwendungen von Begriffen, die sich von „Subjekt“ herleiten, machen eine detaillierte Klärung der Bedeutung erforderlich. Dies ist der Grund, weshalb Stefano Bolognini die unterschiedlichen Bedeutungen von „interpsychisch“, „intersubjektiv“ und „interpersonal“ beleuchtet. Bolognini (2008; 2014a; 2014b; 2015a; 2015b; 2016) unterscheidet das „Interpsychische“ vom „Intersubjektiven“ und vom „Interpersonalen“: diese drei Termini überschneiden sich gelegentlich und werden austauschbar benutzt, haben aber seiner Ansicht nach unterschiedliche Bedeutungen. Er beschreibt das „Subjekt“ als einen Menschen mit hinreichend kohärentem Selbstkontakt, der seine Emotionen mit einem sicheren Gefühl der Selbstkontinuität

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