Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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interagieren kann (Hirsch 2015). Grundlegend für diesen Wandel war die Arbeit von Edgar Levenson (1972, 1991, 2017; Levenson, Hirsch und Iannuzzi 2005), Benjamin Wolstein (Bonovitz 2007; Wolstein 1953, 1959, 1983; Hirsch 2015) und später von Merton Gill (1982, 1995). Levenson beschrieb die unbewusste Transformation des Analytikers durch das Feld , geprägt durch die unbewussten interpersonalen Gefühls-, Denk- und Verhaltensmuster mit ihren Ursprüngen in der Herkunftsfamilie, die unbewusst geworden sind und auf die Psyche des Patienten einen dauerhaften strukturierenden Einfluss ausüben. Levenson verstand die Behandlung als ein Ringen des Analytikers, diese Transformation zu verstehen und sein Verständnis dann zum Wohle des Patienten zu nutzen. Levenson war der erste, der annahm, dass der Analytiker innerlich auf dieselbe Weise mit dem Patienten beschäftigt ist wie der Patient mit ihm und dass beiden diese Involvierung zu einem großen Teil nicht bewusst ist. Donnel B. Stern (2013a, 2013b, 2013c) hat die Grundsätze der analytischen Feldtheorie eloquent dargelegt und beschrieben, wie Analytiker und Patienten unweigerlich und unausgesetzt, bewusst und unbewusst miteinander interagieren. Diese Interaktion hängt mit dem zusammen, was sie in Gegenwart des Anderen erleben, speziell mit den affektiven Aspekten ihres Erlebens, und wie sie sich verhalten. Das Feld besteht hier sowohl aus der Gesamtsumme aller bewussten und unbewussten Einflüsse , die jeder der beiden analytischen Teilnehmer auf den Anderen ausübt, als auch aus dem Ergebnis all dieser Einflüsse, der Bezogenheit und der Erfahrung, die zwischen den beiden Personen durch die Art, wie sie miteinander umgehen, erzeugt werden. Sobald sich im Feld ein Resultat abzeichnet – sobald sich das Feld in Reaktion auf die von den Teilnehmern ausgeübten Einflüsse verändert -, wird dieses Resultat Teil des auf den nächsten Moment der Bezogenheit einwirkenden Einflusses. Ebenso wie die hin und her verlaufenden Einflüsse werden auch die Ergebnisse im Feld nicht zwangsläufig bewusst. In einer kontinuierlich evolvierenden Abfolge interagiert jedes Einflussmoment im Feld mit den Persönlichkeiten derer, die beeinflusst werden, und erzeugt die nächsten Momente der Bezogenheit; und diese Momente der Bezogenheit sind wiederum Teil der bewussten und unbewussten Beeinflussung der Art und Weise, wie beide Beteiligte den anschließenden Moment jeweils erleben. Selbst wenn sich der Prozess der Formulierung bewusster Erfahrung ohne ungebührliche defensive Hemmung, Unterbrechung oder Abweichung entfalten kann, zeichnet sich die Richtung dieser Formulierung nach Meinung der meisten Theoretiker des interpersonalen Feldes in ebendiesem Moment der Formulierung ab. Ihre endgültige Form erhält sie daher erst, wenn sie unsere Psychen erreicht. Vor diesem Moment ist das, was formulierte Erfahrung werden wird, für viele interpersonale und relationale Analytiker lediglich eine Möglichkeit. Bewusstes Erleben, bewusste Erfahrung, ist ihrer Formulierung nicht vorgängig; bewusste Erfahrung ist nicht prädeterminiert, sondern emergent; sie stellt nicht etwa eine Offenbarung, ein

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