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FREIE ASSOZIATION Tri-Regionaler Eintrag
Interregionales Editorial Board: Felipe Muller (Lateinamerika), Jerome Blackman (Nordamerika), Antonio Pérez-Sánchez (Europa) Interregionaler Koordinierender Chair: Eva D. Papiasvili
I. EINFÜHRUNG UND EINFÜHRENDE DEFINITION
“Sagen Sie also alles, was Ihnen durch den Sinn geht. Benehmen Sie sich so, wie zum Beispiel ein Reisender, der am Fensterplatze des Eisenbahnwagens sitzt und dem im Inneren Untergebrachten beschreibt, wie sich vor seinen Blicken die Aussicht verändert.” (Sigmund Freud, Zur Einleitung der Behandlung, S. 468) Freuds Einführung der freien Assoziation war ein bedeutsamer technischer Fortschritt, weil sie es ermöglichte, die dynamischen Prozesse der Psyche, das Zusammenspiel zuvor verborgener Beweggründe und Bedeutungen, unmittelbar zu beobachten. Die Technik entwickelte sich in den Jahren zwischen 1892 und 1898 in mehreren Schritten: Von der modifizierten klinischen Hypnose über die luzide Konzentration auf eine bestimmte Idee bis zur Betonung spontaner verbaler Äußerungen des Selbst. Wie wir aus den Studien über Hysterie wissen, haben die Patientinnen selbst von Anfang an zu dieser technischen Entwicklung beigetragen. Die Methode des freien Assozierens ist nur allmählich kodifiziert worden und bildet nun einen Eckpfeiler des psychoanalytischen Prozesses und der Behandlung. Im Einklang damit definieren moderne nordamerikanische Wörterbücher “Freie Assoziation” als eine Form der mentalen Aktivität, die durch die Suspendierung bewusster Kontrolle (der Zensur) über subjektive Erfahrung charakterisiert ist und alles umfasst, was den Patienten durch den Kopf geht, z.B. Ideen, Gefühle, körperliche Sensationen, Erinnerungen, Träume usw. (Auchincloss & Samberg 2012; Akhtar 2009). Das Adjektiv “frei” impliziert, dass “es keinen vorab bestimmten Punkt gibt, an dem die Sitzung beginnt, und keine Lenkung des Gedankengangs durch den Analytiker” (Akhtar 2009, S. 115). Als Grundprinzip der Strukturierung der psychoanalytischen Situation wird die freie Assoziation zu einer “Grundregel” (Freud 1913c; Auchincloss & Samberg 2012; Akhtar 2009) oder, wie es der modernen nordamerikanischen psychoanalytischen
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