Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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beiden Fällen muss die Deutung des durch Entstellung abgewehrten Inhalts durch das Auftauchen frischer Einfälle bestätigt werden. Strachey erklärt zwar in einer Fußnote, dass er es nach Möglichkeit vermeidet, das deutsche Wort Einfall mit „association“ zu übersetzen, gibt aber Freuds Formulierung freier Einfall durchaus mit „free association“ wieder. Wo Freud das Wort Einfall in seinen Texten ohne das Adjektiv frei verwendet, übersetzt Strachey es gewöhnlich mit „occurence“, was seiner Meinung nach der deutschen Bedeutung näher kommt. Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass die Einwände gegen Stracheys Übersetzung des Begriffs freie Assoziation nur bedingt gerechtfertigt sind. Erstens weil Strachey selbst die Schwierigkeiten erläutert, das Wort Einfall – vor allem mit vorangestelltem Adjektiv – zu übersetzen, und diese Schwierigkeiten in der erwähnten Fußnote näher ausführt. Und zweitens übersetzt er Einfall auch nicht durchgehend mit „association“. Zu den Kritikern der Übersetzungen Stracheys zählte auch Charles Rycroft (1968), der in seinem „Critical Dictionary of Psychoanalysis“ Stracheys Übersetzung des freien Einfalls mit „free association“ für eine Fehlübersetzung hält, weil Einfall seiner Ansicht nach in Wirklichkeit gleichbedeutend sei mit dem Hereinplatzen einer Idee, einer plötzlichen Idee, und das Konzept „die Ideen bezeichne, die spontan, ohne Anstrengung, in den Sinn kommen (S. 59). Gleichwohl halten Autoren wie Auchincloss, E.L. Samberg und E. Samberg (2012) die Formulierung „free association“ für gerechtfertigt, weil diese „sich von dem theoretischen Prinzip des psychischen Determinismus herleitet: Alle psychischen Vorgänge werden durch vorangegangene verursacht, und zwischen zwei oder mehr psychischen Elementen besteht eine unbewusste Verbindung oder ‚Assoziation‘“, so dass der Analytiker „Rückschlüsse ziehen kann über die unbewussten assoziativen Verbindungen, die dem bewussten, subjektiven Erleben des Patienten zugrunde liegen und es partiell determinieren“ (S. 89). Thomä und Kächele (1987), zwei deutsche Autoren, erweitern die Komplexität der Übersetzung zusätzlich, indem sie ausführen: „Streng genommen, bestehen signifikante Bedeutungsunterschiede zwischen den beiden deutschen Wörtern Einfall und Assoziation , die traditionell mit „association“ ins Englische übersetzt und im Deutschen oft als Synonyme verwendet werden. Ein guter Einfall (eine spontane Idee) ist kreativer Natur, während das Wort Assoziation eine Verbindung betont. Zumindest im subjektiven Erleben ist Einfall der spontane, zu einer neuen Konfiguration führende Ausdruck des Gedankenprozesses. Die Assoziationen des Patienten aber werden vom Analytiker in ein bedeutsames Ganzes gebracht. Ein Einfall hat eine integrative Funktion, die einer Einsicht nahe kommt“ S. 222).

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