Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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So gesehen, ist es vielleicht kein Zufall, dass Freud beide Wörter verwendete. Tatsächlich haben wir es hier mit einer weiteren seiner ambiguösen Formulierungen zu tun, in denen er gegensätzliche Bedeutungen nebeneinanderstellt. Hier sind es der scheinbar zusammenhanglose „spontane Einfall“ und die „Assoziation/Verbindung“, die einen Zusammenhang impliziert. Das heißt, dass die Grundregel nicht ohne beide Charakteristika verstanden werden kann, da die freie Assoziation unbewusste Phänomene durch das Bewusstsein aufzudecken versucht.

II.

HISTORISCHE ENTWICKLUNG DES KONZEPTS

II. A. DIREKTE UND INDIREKTE VORANALYTISCHE EINFLÜSSE Die Vorstellung einer angeborenen menschlichen Fähigkeit, beim Denken – Erkennen, Vorstellen, Erinnern und Fühlen – psychische Verbindungen herzustellen, ging aus dem monadischen Konzept der „Ideenassoziation“ hervor. Insbesondere mit Blick auf die Abfolge von Erinnerungen behaupteten Platon und Aristoteles , dass Ideen durch Ähnlichkeit, Kontiguität und Gegensatz miteinander zusammenhängen. Die alten Griechen haben offenbar eine Form der „Therapie“ praktiziert, bei der sie die Couch, die Traumaanalyse, eine Variante der freien Assoziation sowie Rhetorik, Dialektik und Katharsis einsetzten (Laín-Entralgo 1970). Die Komödie „Die Wolken“ des Aristophanes enthält zum Beispiel die Karikatur einer von Sokrates durchgeführten Konsultation. Sokrates fordert Strepsiades auf, sich auf eine Couch zu legen und seine Gedanken ungehindert „auftauchen“ zu lassen, dieweil er selbst aus jeder Unstimmigkeit seine Rückschlüsse zieht. Zu weiteren indirekten Einflüssen zählen die Meditations- und Interpretationstechniken des mittelalterlichen Kabbalisten Abulafia und des Zohar (Mahony 1979). Später, im 17. und 18. Jahrhundert, übten die britischen Empiristen John Locke, David Hume und Thomas Hartley einen indirekten Einfluss aus, indem sie die Bedeutsamkeit der Elemente empirischer Erfahrung betonten, die sie neben oder sogar noch über die Bedeutung des rationalen Denkens als vornehmste Quelle unseres Wissens über die Welt und uns selbst stellten. Weiterentwicklungen des Empirismus durch James Mill und einen seiner Söhne, den „radikalen Empiristen“ John Stewart Mill , haben im 19. Jahrhundert die Entwicklungen auf den Gebieten der Sprachwissenschaft, der Logik sowie der Assoziationspsychologie beeinflusst. Freuds Denken, seine Überlegungen bezüglich der freien Assoziation inbegriffen, wurde durch all diese Einflüsse mitgeprägt. Aufgrund seiner mehrsprachigen humanistisch-liberalen Ausbildung und seiner Teilhabe am intellektuellen, kosmopolitischen kulturellen Leben Wiens war Freud mit den antiken, mittelalterlichen und neuzeitlichen Philosophien des Humanismus,

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