NATIONAL GEOGRAPHIC
„Als die Nachricht kam, fühlte es sich an wie ein lebensverändernder Verlust“, sagte Peel. „Ich war wie in Trauer.“ Während viele langjährige Mudlarks um ihr geliebtes Hobby bangen, könnten die neuen Regeln weitreichende Folgen auf das Ufergebiet der Themse und die Arte- fakte selbst haben. Bei der Bergung ist Zeit ein entschei- dender Faktor. Ist ein Objekt einmal aus dem schützenden Schlamm gelöst, kann es durch Strömung und Oxidation rasch beschädigt werden. Es braucht geschulte Augen, um bedeutende Relikte rechtzeitig zu erkennen. „Es gibt nicht genug Ressourcen für pro- fessionelle Archäologen, um das gesamte Ufer zu überwachen“, sagt Kate Sumnall, Kuratorin der archäologischen Samm- lung am Museum of London. „Mudlarks schließen eine wichtige Lücke. Sie sind sehr erfahren, sachkundig und bei jeder Gezeitenbewegung vor Ort.“ MUDLARKING, LANGE ZEIT ein eher abseitiges Hobby, ist heute viral gegangen. Mitver- antwortlich für den neuen Hype sind unter anderem Claire Mudd und ihr Partner Laurence Paige, die während der Covid- 19-Lockdowns die historische Schatz- suche für sich entdeckten. Im Sommer 2020 beantragten sie online eine Geneh- migung, die ihnen auch erteilt wurde, und begannen, mehrmals im Monat das Ufer zu durchstreifen. Ihre Funde – darunter Goldschmuck aus der Regency-Zeit oder mittelalterliche Schnallen – posteten sie auf Instagram, um Unterstützung bei der Identifizierung ihrer Schätze zu erhalten. Ein Jahr später begann Mudd mit kur- zen „Ich sehe was, was du nicht siehst“- Videos vom Flussbett, in denen Zuschauer Schätze selbst erspähen konnten, bevor die Kamera langsam heranzoomte. Ein Video mit einem Ring aus georgianischer Zeit wurde über 1,9 Millionen Mal angesehen.
„Mudlarking ist die Freude an der Suche und der Nervenkitzel beim Entdecken.“ —Lara Maiklem
Ihr Account @muddlarks wuchs schnell von etwa 4000 auf inzwischen mehr als 30 000 Follower an. Auch auf TikTok, Facebook und You- Tube teilen andere Mudlarker ihre Abenteuer am Flussufer. So machten sie ein einstiges Nischenhobby zum Main- stream. „Wir Mudlarks haben es so popu- lär gemacht, dass es uns am Ende selbst schadet“, sagte Paige. Zwischen 2019 und 2022 verdoppelte sich die Zahl der Genehmigungsinhaber auf über 5000. Die PLA reagierte 2022 mit einem Stopp neuer Anträge. In den folgen- den zwei Jahren führte die Behörde Stu- dien durch, um herauszufinden, inwieweit Mudlarking nachhaltig betrieben werden könne, ohne die empfindliche Struktur des Flussufers zu beeinträchtigen. Das Ergeb- nis, das nicht öffentlich gemacht wurde: Maximal 4000 Genehmigungen gleich- zeitig seien für das Flussbett verträglich. Ende 2024 begann die PLA erneut mit der Vergabe – aber viele Veteranen müssen womöglich aussetzen. „Wir wollten es so fair wie möglich gestalten“, sagt Pippa Bar- ber von der PLA. „Deshalb gibt es jetzt die Warteliste – damit nicht dieselben Leute auf Dauer alles blockieren.“ Man wolle nicht, dass „15 000 Menschen das zentrale Londoner Flussufer betreten und alle his- torischen Funde herausreißen“. Auch relative Neulinge sind betroffen. Jenny Ridgwell, seit 2022 aktiv und bis vor Kurzem mehrmals die Woche unterwegs,
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