Wenn das KIND zum VIS-à-VIS
Meine Frau und ich haben mit Gottes Hilfe zwei Kinder grossgezogen. Unser Ziel war es, dass sie eines Tages ohne uns gut zurechtkommen und wissen, wie sie für ihr Leben Verantwortung übernehmen können. Der Moment, in demdie Kinder ausziehen und selber Entschei- dungen treffen, ist für viele Eltern nicht einfach. Umgekehrt ist ja genau dies das Ziel! Unsere Kinder sind jetzt erwachsen und nicht mehr von uns abhängig. Die Beziehung ist anders, aber nicht weniger tief. Wir begegnen uns auf Augenhöhe, treffen uns regelmässig und nehmen aneinander Anteil. Es ist eine Freundschaft herangewachsen. Das Ziel: Partnerschaft auf Augenhöhe Interkulturelle Mitarbeitende reisen aus, um mit ihren Gaben und ihrem Fachwissen den Menschen vor Ort zu dienen und ihnen die Chance zu bieten, Jesus persönlich kennen zu ler- nen. Ziel dabei ist, die Einheimischen so gut auszubilden und zu begleiten, dass sie die Arbeit mit Motivation und dem nöti- gen Knowhow selber weiterführen können, ohne von der SAM abhängig zu sein. Trotzdem kann die Beziehung weiter ge- pflegt und eine Partnerschaft auf Augenhöhe gelebt werden. Paulus hat uns das eindrücklich verdeutlicht: Er hat Gemein- den gegründet und sofort damit begonnen, Menschen zu trai- nieren und Ausschau nach Personen zu halten, welche Verant- wortung übernehmen konnten. Man nimmt an, dass Paulus in Ephesus rund dreieinhalb Jahre arbeitete, bevor er die Verant- wortung abgab und weiterzog. Obwohl die Leute an den ver- schiedenen Orten wussten, dass er nicht ewig bleiben würde, hatten sie manchmal trotzdem Mühe, ihn ziehen zu lassen. Die Drei-Selbst-Bewegung bringt es auf den Punkt Was bedeutet denn „Nationalisierung“ und Selbständigkeit? Hierzu ist das „Three Self Patriotic Movement“ (fortan abge-
kürzt als TSPM) in China ein gutes Beispiel. In China arbeiteten viele Missionare und es flossen beträchtliche Summen Geld aus dem Ausland. Damit das Christentum in China vom Wes- ten unabhängig werden und als nationale Bewegung Akzep- tanz gewinnen konnte, haben die Missionare damals, zuerst Henry Venn und dann Rufus Anderson, die „Drei-Selbst“-Be- griffe geprägt. Diese wurden 1892 von der Konferenz der ver- schiedenen Missionen in Shanghai aufgenommen. Sie waren sich bewusst, dass die chinesische Kirche eine einheimische Leitung und eine eigene Identität brauchte, um langfristig überleben zu können. 1951 hat Y. T. Wu (1893-1979), ein chine- sischer Christ, die Drei-Selbst-Bewegung (TSPM) initiiert und die drei Begriffe von Venn und Anderson übernommen: 1. Self-governance / Selbstverwaltung: Die Kirche soll ohne ausländischen Einfluss verwaltet und geleitet werden. 2. Self-support / Selbsterhaltung: Die Kirche soll finanziell selbstständig sein und ohne ausländische Hilfe auskommen. 3. Self-propagation / Selbstverbreitung: Das Evangelium soll durch einheimische Kräfte verkündet werden. Ich möchte hier nicht über die TSPM schreiben, sondern ein- fach die drei Begriffe aufnehmen, die es aus meiner Sicht kurz und knapp auf den Punkt bringen, worum es bei der Nationa- lisierung geht: Es muss immer unser Ziel sein, dass einheimische Leitende die Verantwortung tragen und den Dienst, das Projekt oder die Kirche verwalten und leiten. Es gilt, darauf hin zu arbeiten, dass keine finanzielle Abhängig- keit entsteht und die gegründete Kirche, Schule, Spital oder ähnliches ohne Unterstützung aus dem Ausland überlebens- fähig ist. Dies ist allerdings bei medizinischen Projekten sehr herausfordernd. Lepra-, Tuberkulose- und Aidskranke sind in verschiedenen Ländern (z.B. Guinea) gratis zu behandeln. Da ist finanzielle Unabhängigkeit vom Ausland nur möglich, wenn der Staat oder sonstige nationale Unterstützer Verant-
8
Made with FlippingBook flipbook maker