dogs

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Hundemenschen

4. 2022

››Die Gesetz- gebung ist oft unfassbar ungerecht. Die Tiere haben keine Stimme, sie leiden stumm‹‹ Birgitt Thiesmann Reporterin gearbeitet. Damals ist sie erstmals Tier- rechtsverletzungen begegnet, hat unter anderem auf Netzfarmen recherchiert. 2009 wechselte sie die Seiten und heuerte bei der Tierschutzorganisation „Vier Pfo- ten“ an. Seitdem ist die gelernte Journalistin europaweit unterwegs, um die Geschäfte der Hundemafia aufzude- Birgitt Thiesmann, 59, kämpft gegen den illegalen Welpenhandel Es gibt Bilder, die vergisst man nicht. Drei Jahre ver- folgt Birgitt Thiesmann schon die Spur der Welpenma- fia, als sie endlich, Seite an Seite mit der Polizei, vor einem Schuppen im Nirgendwo in Polen steht und die Tür öffnet. Hinter dem Verschlag findet sie das ganze Elend der skrupellosen Hundezucht. Sie sieht eingeker- kerte Hundemütter, krank und traumatisiert. Apathi- sche Welpen, die wie tot daliegen. Die Tiere vegetieren vor sich hin – ohne Tageslicht, ohne frisches Wasser. Der Geruch von Ammoniak in der Luft beißt Birgitt Thiesmann in den Augen. Die richtigen Tränen kommen ihr erst später, als die Razzia vorbei ist und das Verar- beiten beginnt. Seit Jahrzehnten boomt der illegale Han- del mit Tieren, insbesondere mit Hundewelpen. Der Ge- setzgeber schaut weg. Birgitt Thiesmann schaut hin. 22 Jahre lang hat sie für die Jugendzeitschrift „Bravo“ als

cken. Dafür muss sie nicht unbedingt weit fahren. Die Vermehrer des Leids sitzen entgegen den Klischees nicht nur in Osteuropa. Auch Belgien und die Nieder- lande sind große Umschlagplätze, weiß Thiesmann. Ge- nauso wie Deutschland. Hier hat Vier Pfoten zuletzt den bisher größten Fall von illegalem Welpenhandel vor Gericht gebracht: der sogenannte Kreuztal-Fall, bei dem es um organisierte Bandenkriminalität geht. Thiesmann hatte Hunderte Strafanzeigen dokumentiert, wieder gab es eine Razzia, wieder wurden tote, misshandelte Hunde entdeckt. Im April wurde gegen eine Mittäterin eine Geldstrafe von 1300 Euro verhängt. „Viel zu lasch“, schnaubt Thiesmann. „Es ist die unfassbare Ungerech- tigkeit der Gesetzgebung, die mich antreibt. Die Tiere haben keine Stimme, die leiden stumm.“ Manchmal so- gar im Wortsinn, ergänzt Thiesmann. Damit die Schreie der gequälten Muttertiere keine Aufmerksamkeit erre- gen, werden ihnen manchmal die Stimmbänder durch- trennt – ohne Narkose. Deshalb kämpft Thiesmann wei- ter. Ihre Mission: Die EU-Kommission zu einem neuen Gesetz zu bewegen. Danach würden alle Tiere lebens- lang zu ihrem Verkäufer und Züchter rückverfolgbar. Der illegale Handel würde ausgetrocknet. Und das Leid der Tiere und ihrer Menschen gestoppt. www.vierpfoten.de

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