04-2017 D

In die Wiege gelegt

Im Alter von acht Monaten kann man meistens noch nicht viel selber entscheiden, sondern man geht einfach dorthin, wo die Eltern hingehen. So bin ich damals nach Brasilien gekommen – denn dort waren meine Eltern als interkulturelle Mitarbeitende im Einsatz. Ich wusste schon früh, dass ich irgendwann selber auch in diesem Bereich arbeiten wollte – am liebsten als Pilot, wünschte ich mir da- mals. Ich glaube, es hatte wenig damit zu tun, dass ich wirklich be- griff, was die Arbeit bedeutete. Vielmehr war es ein Lebensstil, der mir «in die Wiege gelegt» wurde: Es war das Leben, das ich kannte und genoss, und es gab für mich gar keine andere Option. Das beeinflusste auch meine Berufswahl: Ich entschied mich für eine Lehre als Automechaniker, da ich mir sicher war, dass ich die- se Fähigkeiten und Kenntnisse auch im Ausland würde gebrauchen können. Für die Berufsausbildung kehrte ich damals in die Schweiz zurück – keine einfache Zeit: Die Schweizer Kultur unterscheidet sich sehr von der brasilianischen, in der ich aufgewachsen bin. Ich durfte mich aber stark auf Gott stützen und erleben, wie er mich trug. Mit der Zeit gelang es mir immer besser, mich an diese «neue» Kultur zu gewöhnen und viel Positives zu sehen und zu lernen, bei- spielsweise in den Bereichen Arbeitsmoral und Organisation. Das Wichtigste … Auch während den Jahren in der Schweiz blieb mein Plan bestehen – ich wollte zurück ins Ausland und in die interkulturelle Arbeit! So besuchte ich eine theologische Ausbildung in Kanada. In dieser Zeit begann ich mehr und mehr zu verstehen, dass Gott mit mir persön- lich einen Weg ging. Es war nicht mehr länger so, dass ich einfach dem Lebensstil meiner Eltern folgte, sondern Gott zeigte mir Schritt für Schritt auf, wo er mich gebrauchen wollte und was ich dort tun sollte. Während einem Praktikum durfte ich zudem klar erkennen, wo meine Stärken liegen – und wo nicht. Ich lernte auch: Das Wichtigste ist, Gott zu dienen und seine Liebe zu leben – egal, wo er uns hinstellt. Das gilt nicht nur für ein paar einzelne Auserwählte, sondern ist ein Auftrag an alle Christen, in der Schweiz genauso wie in Afrika oder Südamerika. Zurück nach Brasilien Dass ich jetzt wieder in Brasilien bin und dort im gleichen Projekt wie meine Eltern arbeite, ist Führung von Gott. Er hat mir eine Lei- denschaft dafür gegeben, junge Christen zu begleiten. Zu sehen, wie sie mit Gott unterwegs sind und ihre Berufung entdecken, be- geistert mich. Durch verschiedene Ereignisse in den letzten Jahren hat Gott mir zudem aufgezeigt, dass Brasilien meine nächste Station sein soll. Für mich muss es aber nicht unbedingt für immer Brasili- en sein. Vielleicht führt mich mein Weg danach auch in ein anderes Land – und ich werde Gott ganz einfach dort dienen, wo er mich hinschickt. Denn dort gehöre ich hin.

Joel ROGGENSINGER ist in Brasilien aufgewachsen und seit Oktober für einen Langzeiteinsatz im ProSERTÃO

In dieser Rubrik geben jeweils Kurzzeit-Mitarbeitende und Kinder von Mitarbeitenden etwas aus ihrem Leben weiter.

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