Rechtsextremismus und Rassismus als Themen in der IJA

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Einführung ins Thema

Sprechen über andere

Das mag jetzt für den einen zu idealistisch, für die andere zu ethisch-moralisch und für den nächsten zu gutmenschenhaft, für eine andere zu ideologisch klingen. Ich glaube wir alle würden an dem Anspruch scheitern, in jedem Moment jedes mög­ liche Missverständnis unseres Sprechens und Agierens vorauszudenken. Ich glaube eher, dass es um die Vergewisserung über eine gemeinsame Zielsetzung, über die Ausrichtung unserer Internationalen Ju­ gendarbeit geht. Also um gemeinsam ge­ fasste Grundsätze wie „Wir wollen auf un­ serer Internationalen Jugendbegegnung niemanden diskriminieren“ oder „Wir wollen eine offene Atmosphäre für alle teilnehmenden jungen Menschen schaf­ fen“ oder „Bei uns sollen insbesondere benachteiligte junge Menschen Schutz vor (weiteren) Diskriminierungserfahrun­ gen und Verletzungen finden.“ Und gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass wir auf keiner Internationalen Ju­ gendbegegnung eine komplette Gegen­ welt zur „realen Welt da draußen“ erschaf­ fen werden. Aber ein Raum mit möglichst wenig Rassismus oder möglichst wenig Diskriminierung, das könnte durchaus ein gemeinsames Ziel sein, das meines Erach­ tens auch ganz gut zum Format „Interna­ tionale Jugendbegegnung“ passt. Oft wird Toleranz und Meinungsfreiheit insofern falsch verstanden, dass sie auch Raum bieten für menschenfeindliche Äu­ ßerungen. Daher erscheint es mir an die­ ser Stelle noch einmal sinnvoll, deutlich zu machen, dass es – insbesondere bei Formaten der Jugendarbeit – auch einen Schutzauftrag für die Verantwortlichen in

Hinter fast allem, was ich angesprochen habe – in der Politik wie in der konkre­ ten pädagogischen Situation – steht das Sprechen über andere Menschen, also eine Situation, von der klar ist, dass sie eine sensible ist und an die wir eigentlich immer den Anspruch haben sollten, dass die Menschen, um die es geht, sie mithö­ ren können und dürfen müssten. Denn oft wissen wir nicht, ob Jüdinnen oder Juden, Lesben oder Schwule im Raum sind, oft wissen wir nicht, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder persönlichen Diskriminierungserfahrungen uns anver­ traute junge Menschen mitbringen. Oft outen sich Sinti und Roma nicht als solche – aus gutem Grund übrigens. In viel mehr Situationen als wir es oft wahrnehmen, sind die Menschen, die explizit oder impli­ zit beschimpft oder diskriminiert werden, über die wie über abwesende Dritte gere­ det wird, mitten unter uns und brauchen ggf. unseren Schutz, sind darauf angewie­ sen, dass wir in unserer pädagogischen Rolle mitdenken, dass sie dabei sind oder jedenfalls dabei sein können, dass sie ge­ nauso Teil unserer gesellschaftlichen Nor­ malität, unserer Diskurse und vor allem auch unserer Zielgruppe in der Kinder- und Jugendarbeit sind. Und wir sind auf­ gerufen, sehr sensibel mit der Situation umzugehen, sie vor Diskriminierung und Verletzungen zu schützen, ohne sie auch in derartigen Situationen immer wieder zu „den Anderen“ zu machen. Denn sie verdienen es als Menschen geschützt zu werden vor Grenzüberschreitungen, nicht (nur) als Angehörige einer bestimmten Gruppe.

sensfähig war. Es werden Mechanismen des institutionellen Rassismus für so gut wie alle Sicherheitsbehörden im Land beschrieben, aber das Wort Rassismus er­ schien dann doch zu hart. Ähnliches erlebe ich bei Vorträgen oder Workshops, bei denen es um Alltags­ rassismus geht. Alltagserfahrungen von Menschen mit Migrationshintergrund erst einmal zur Kenntnis zu nehmen, das geht oft noch. Ob sie typisch sind oder nicht und ob sie im Einzelfall Diskriminie­ rung bedeuten, darüber kann man schon streiten, weil es natürlich immer auch um Wahrnehmungen und subjektive Antei­ le geht. Dass Rassismus aber nicht nur in einzelnen Alltagssituationen vorkommt, sondern es auch einen breit in der Gesell­ schaft verankerten alltäglichen Rassismus im Sinne von Konstruktionen über die zu anderen gemachten gibt, das wird häu­ fig bestritten, bestätigt sich aber gleich in der nächsten Äußerung der Sprechen­ den schon wieder – und da wird es dann schwierig.

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