Rechtsextremismus und Rassismus als Themen in der IJA

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Prävention, Intervention und Bildungsarbeit: Möglichkeiten und Methoden

• Lernwunsch und Verzicht auf Allmacht Wenn der Versuchung widerstanden wer­ den kann, sich selbst als unfehlbar, als „Expert/-in“ oder sonst als besonders dis­ kriminierungsfrei darzustellen, ist es einfa­ cher, eigene Unzulänglichkeiten anzuspre­ chen und an ihnen zu arbeiten. Ein Aspekt, der gerade für Menschen in Leitungsfunk­ tionen sehr bedeutend ist. Wer nicht be­ haupten muss, schon am Ziel zu sein, kann sich noch aufmachen, ihm näher zu kom­ men, sich kleine Schritte auf dem Weg dahin aussuchen und sie gehen. Auch dem Anderen zuzugestehen, Fehler machen zu dürfen und bei der Aufarbeitung von, bei näherer Betrachtung beschämenden, Ge­ wohnheiten Hilfe zu erfahren, kann unge­ ahnte Entwicklungen unterstützen. • Vertraulichkeit Lernen bedeutet immer auch, die eigene Komfortzone zu verlassen. Antidiskrimi­ nierungsarbeit bedeutet, sich mit eige­ nen diskriminierenden Gewohnheiten auseinanderzusetzen. Das bedeutet auch, eigenes „Fehl“verhalten zu entdecken. Dies kann umso besser wahrgenommen und verändert werden je geschützter der Rahmen ist, in dem es besprochen und bearbeitet wird. Ist mit Denunziation und Skandalisierung zu rechnen, werden be­ deutende Eingeständnisse und daraus re­ sultierende Schritte der Veränderung nur schwer entstehen.

Umsetzung

Inhalte

Eine bewährte Praxis ist, sich zu Beginn einer Veranstaltung darüber auszutau­ schen, was die Teilnehmenden brauchen, um sich sicher und respektiert zu fühlen. Diese Diskussion soll sensibilisieren und gewährleisten, dass alle Positionen ver­ treten werden können und dass bei Kon­ flikten oder Grenzüberschreitungen keine Schuldigen identifiziert und verurteilt werden müssen. Sie soll Auseinander­ setzungen darüber ermöglichen, was für einzelne (Anwesende, aber auch nicht An­ wesende) schmerzhaft oder unerträglich ist und wie das Miteinander gerechter und respektvoller gestaltet werden kann. Dies ist eine der Voraussetzungen, um Diskri­ minierung und Gewalt grundsätzlich und nicht nur anhand von speziellen Sympto­ men zu bekämpfen: ihr Auftreten sichtbar zu machen, und nach Wegen zu suchen, sie zu unterbrechen. Je nach Gruppe, Zielsetzung oder zur Ver­ fügung stehenden Zeitrahmen kann es sinnvoll sein, Vorgaben zu machen oder die Vereinbarungen offen zu entwickeln. Gut ist es, die Beteiligten zu ermutigen, ihre eigenen Wünsche und Befindlichkeiten einzubringen – daraus ergeben sich unab­ hängig von Inhalt und Ergebnis persönlich bedeutsame Diskussionen, die große Lern­ potenziale für die Beteiligten beinhalten. Ein formelles Ritual, etwa eine gemeinsa­ me Unterzeichnung der Vereinbarungen, oder eine Thematisierung in regelmäßi­ gen Abständen, können die Bindung ver­ bessern oder eine regelmäßige Weiter­ entwicklung unterstützen.

Inhaltlich sind folgende Themen beson­ ders relevant und hilfreich, um sich mit dem eigenen ausgrenzenden Potenzial auseinander zu setzen und nach Wegen zu suchen, dessen Ausschöpfung in aku­ ten Situationen zu umgehen: • Selbstbezug und Übernahme von Verantwortung Hier wird geklärt, wie jede/-r selbst dafür verantwortlich sein kann, das eigene Um­ feld gewaltfreier zu gestalten. Es soll kla­ rer werden, wie bestimmte, vermeintlich belanglose, Verhaltensweisen unabhän­ gig von Intention und Kontext andere tief verletzen können und es oft einfach ist, dies nach bewusst werden zu unterlassen. Dazu gehört auch, die inhaltliche Verant­ wortung für Beiträge zu übernehmen und sich der Verwendung von Stereotypen und diskriminierenden Redewendungen bewusster zu werden. • Respekt für andere Positionen und Dialog Wie kann ich eine Position als real begrei­ fen, die meiner eigenen Überzeugung entgegensteht? Wie ihre Entstehung nachvollziehen und wie sie kritisieren, ohne ihre/-n Vetreter/-in zu diskreditieren und in die Verteidigung oder den fortge­ setzten Angriff zu treiben? Nur so kann ein Dialog entstehen: Indem ich dem an­ deren zugestehe, seine Position darzule­ gen und deren Hintergründe transparent zu machen, erlange auch ich das Recht ge­ hört zu werden und meinen Standpunkt darlegen zu können.

• Selbstoffenbarung und Umgang mit Ängsten

Gewalt und Unterdrückung erzeugen Angst – bei den potenziellen und rea­ len Opfern, aber auch bei denen, die sie

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