Rechtsextremismus und Rassismus als Themen in der IJA

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Einführung ins Thema

und seine Tochter Timnit. Er wollte sei­ ner Tochter nicht mehr aus dem von ihr geliebten Kinderbuch „Die kleine Hexe“ von Otfried Preußler vorlesen, da dort das Wort „Negerlein“ auftaucht. Mekonnen Meshgena ist schwarz und stammt ge­ bürtig aus Eritrea. Er erzählt: „Aber dann hat sie gesagt: Wenn das so ist, dann sag den Buchmachern, dass sie das ändern müssen.“ Daraus entstand ihr bekannt gewordener Brief an den Thienemann Verlag, der schließlich bekannt gab, in der Neuauflage in Abstimmung mit dem Autor eine Überarbeitung vorzunehmen. Für viele überraschend hatte auch der be­ tagte und inzwischen verstorbene Autor der Veränderung kolonial-rassistischer Wörter zugestimmt, da sie nicht mehr zeitgemäß seien.

Trotz der Zustimmung des Autors und des Verlages entstand eine intensive öffentli­ che Debatte über angebliche Zensur, in der die verwendeten Begriffe in ihrer Wir­ kung verharmlost wurden. Die Verände­ rung von Kulturgütern wurde in den Feuil­ letons beklagt. Spätestens als rassistische Sprache bei Pippi Langstrumpf kritisiert wurde, fühlten sich anscheinend nicht wenige erwachsene Menschen gleich fast um ihre ganze Kindheit gebracht, statt auch hier die Chance zum Dazulernen zu nutzen. Dabei ging und geht es doch nur um behutsame Anpassungen der Spra­ che an sich verändernde gesellschaftliche Realitäten. Durch eine Veränderung un­ serer Gesellschaft hin zu einer Einwande­ rungsgesellschaft, durch die Veränderung gesellschaftlicher Normen und durch

sprachlichen Wandel kann sich die Bedeu­ tung eines Wortes verändern und mit der Zeit zu einem nicht beabsichtigten rassis­ tischen Wortgehalt führen. Doch gleich war wieder von einer Sprachpolizei die Rede und es fiel schwer, den problemati­ schen Umgang mit rassistischen Wörtern in der Debatte zu platzieren – das eigent­ liche Thema. Es ging viel stärker um den Kampf um Deutungshoheit und Definitionsmacht als um das Bemühen um einen sensiblen Um­ gang mit rassistischer und ausgrenzender Sprache, der Rücksicht auf Minderheiten in Deutschland nimmt. Sprache ist immer auch eine Willensäußerung, durch seinen Sprachgebrauch positioniert man sich selbst und bezieht auch Stellung dazu, zu wem man spricht und an wen man sich nicht ausdrücklich richtet. Hinter der Debatte steckte aber auch die Frage, wer Teil dieser Gesellschaft ist und ein Mitspracherecht über den Sprach­ gebrauch beanspruchen darf – und wer nicht. Einfacher ausgedrückt: Wer gehört zum „Wir“ dazu? Und damit kommen wir auch am Thema Rassismus nicht mehr vorbei, auf das ich jetzt noch einmal zu­ rückkommen möchte.

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