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GLEICHE Generation – ANDERE Kultur

Situation verändern zu wollen. Natür- lich hat eine gewisse Gelassenheit auch viele positive Aspekte. Doch es schmerzt mich zu sehen, dass junge Menschen mit so viel Potential passiv in schlechten Umständen verweilen. Ich denke, die Angst, einen Fehler zu machen, ist sehr gross. Gerade weil das Ansehen und der Status so entscheidend sind in der Kultur, unternimmt man lieber nichts,

selbe Absicht auf eine eher subtile Art verfolgen, scheuen sich Kambodscha- ner/innen überhaupt nicht, in der Öf- fentlichkeit für Fotos zu posieren oder den Facebook-Feed in aller Lautstärke in Kaffees oder im Bus durchzuscrollen. In der Freizeit lieben es die städtischen Jungen, mit dem Roller Ausflüge zu un- ternehmen, im Park Badminton oder Khmer (ein einheimisches) Hacky Sack zu spielen, mit Freunden in Kaffees zu gehen oder oft auch einfach zu Hause in der Hängematte zu entspannen. Doch eigentlich ist Freizeit nicht so klar definiert wie bei uns. Auf dem Land hel- fen die Jugendlichen bei den Feldarbei- ten mit und in der Stadt im Familienbe- trieb oder im Strassenrestaurant. Wenn es Arbeit gibt, wird gearbeitet und um- gekehrt d.h. wenn es keine offensicht- liche Arbeit gibt, kann man auch mal gut nichts tun. Ferien hat man an den öffentlichen Feiertagen und sonst wird oft auch das ganze Wochenende «ge- arbeitet». Diese unscharfe Trennung von Arbeit- und Freizeit ist für mich als Schweizerin eine Herausforderung, die mich noch länger begleiten wird. Ich wünsche den jungen Menschen in Kambodscha, dass sie den Mut finden, Verantwortung und Initiative zu ergrei- fen, um ihr Leben und ihr Umfeld ak- tiv zu gestalten und dass sie weiterhin ein Vorbild darin sind, die ältere Gene- ration zu ehren und gemeinsam mit ihr unterwegs zu sein.

Universitätsabschluss, guter Job oder eigenes Business und eine glückliche Familie – davon träu- men junge Kambodschanerinnen und Kambodschaner. Familienzu- sammenhalt und Status sind dabei entscheidende Werte, welche tief in der Kultur verwurzelt sind.

wofür man im Nachhinein beschuldigt werden könnte. Das führt oft nicht nur zu Passivität, sondern auch dazu, dass kaum freiwillig Verantwortung über- nommen wird. Sobald die Verantwortung klar dele- giert ist oder es niemand anderen be- trifft, können die jungen Menschen al- lerdings sehr kreativ und einfallsreich sein. Ich bin immer wieder erstaunt, wie unkompliziert und einfach Lösun- gen gefunden werden und wie sie ihre Talente nutzen, um beispielsweise fan- tastisches Essen zuzubereiten, Anlässe zu organisieren, Dekorationen herzu- stellen, Dinge zu reparieren oder ge- meinsam einen Auftrag auszuführen. Freizeit ist Arbeitszeit Was die junge Generation wie noch nie zuvor vereinnahmt, ist die Selbstdarstellung auf Social Me- dia. Mit sehr auffälligen und inte- ressanten Filtern versucht man mit den Trends und dem Wohlstands- ideal mitzuhalten. Das ist bei der westlichen Jugend ähnlich, aber der Umgang mit Social Media und die Aufnahme von Selfies und Fo- tos ist in Kambodscha eine viel öf- fentlichere Angelegenheit als in der Schweiz. Wo wir in der Schweiz die-

Das sind sehr ambitionierte Pläne für den Grossteil der Bevölkerung, insbe- sondere für junge Menschen auf dem Land, die kaum die Möglichkeit ha- ben, die 12. Klasse abzuschliessen und eine Ausbildung zu absolvieren. Es ist ein grosser Andrang in die Städte zu beobachten, motiviert von der Hoff- nung, genug Geld zu verdienen, um die Familie auf dem Land zu unterstützen. Als ich vor 1.5 Jahren nach Kambo- dscha kam, verstand ich nicht, wie- so viele der Jugendlichen ein Studi- um machen, das sie wenig interessiert. Und manchmal entspricht das ge- wählte Studium kaum den Begabun- gen der jungen Person. Doch solange die Überzeugung besteht, dass ein Ba- chelor-Abschluss für einen guten Job notwendig ist und die Eltern es unter- stützen, wird sich dies nicht so schnell ändern.

Sandra G. Junior Projektmanagerin Lighthouse Battambang, Kambodscha

Passivität und Verantwortung

Du möchtest Sandra live hören? Sandra ist am 4.12.22 in der FEG Effretikon und berichtet von ihrer Projektarbeit bei Lighthouse Battambang in Kambodscha. Weitere Infos: www.feg-effretikon.ch

In meiner Arbeit mit Lighthouse Bat- tambang ist mir aufgefallen, dass Ju- gendliche oft eine etwas passive Einstel- lung haben. Im Gegensatz zur Schweiz sehe ich viel weniger das Bedürfnis, eine

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