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Denkst du, solche Kurzeinsätze sind wichtig... ...für dich ganz persönlich? Ja, man lernt andere Menschen und Kulturen kennen und kann so besser die fremde Perspektive einnehmen. Ich kann nun sagen: Ich habe mal mit diesen Menschen zusammenge- wohnt und gegessen, als Ausländer in ihrer Heimat. Ich ver- stehe auch, wie das afrikanische Leben für Afrikaner/innen aussieht. Zudem habe ich gelernt, dass ich besser verzichten kann als gedacht. ...für die Projektleitenden, welche dich vor Ort betreuen? Manchmal dachte ich, dass es mich hier gar nicht braucht. Aber das gilt nicht für Lernhelfer/innen. Ohne sie wäre ein Langzeiteinsatz oft gar nicht möglich. Am Schluss hatte ich noch ein Gespräch mit Amélie und San- dro, den Projektleitenden. Ich war mir nicht sicher, was ihre Erwartungen an mich gewesen waren und ob sie allenfalls enttäuscht waren. Aber das waren sie nicht, sondern sie ha- ben meine Stärken erkannt und gesehen, dass ich mir viel Zeit für die Leute vor Ort genommen habe. Die Kontakt- pflege ist mir gelegen und ich durfte erleben, wie das ganz natürlich vonstatten ging. ...für die Menschen vor Ort? Für Kurzeinsätze ist das etwas schwierig zu beurteilen, da ein Jahr doch eher kurz ist und sich die Menschen vor Ort im- mer wieder auf neue Leute einlassen müssen. Aber langfris- tig gesehen lohnen sich die Einsätze und auch wenn es nicht alle super finden, dass wir da sind, haben wir viel positives Feedback. Die Leute schätzen uns, unsere Art und Kultur und auch unsere Ehrlichkeit und den Umgang miteinander. Gerade letzteres kann auch dazu führen, dass sie sich für den Glauben an Christus, der uns prägt, zu interessieren beginnen.

Macht es dir nichts aus, dass du nicht unbedingt die erhofften Auswirkungen gesehen hast? Man darf nicht den ganzen Wert des Einsatzes davon abhän- gig machen, was es für andere gebracht hat. Sonst ist man am Schluss enttäuscht. Ich sage mir: «Was ich für die Lernenden gemacht habe, ist gut und einzelne nehmen vielleicht etwas davon mit.» Ich jedenfalls durfte sehr viel profitieren. Das andere kann ich halt nicht messen und hier darf ich auch auf Gottes Hilfe zählen. Wichtig ist auch, dass man sich nicht zu viel Druck macht. Man darf sich ruhig von Gott führen las- sen, aber natürlich ist die Chance kleiner, einen positiven Ein- fluss zu haben, wenn man sich im Zimmer verbarrikadiert. Mit Saliou habe ich immer wieder über den Glauben disku- tiert. Er kennt sich nicht nur im Koran gut aus, sondern weiss auch schon einiges aus der Bibel. Zusammenfassend kann ich sagen: Man sollte nicht zu viel Wert darauflegen, was man diesen Menschen in einem Kurz- einsatz «bringen» kann. Schön ist, wenn ich am Schluss sa- gen kann: «Ich habe sehr viel gelernt, das hat mir echt et- was gebracht». Werden solche Kurzeinsätze auch in Zu- kunft für junge Menschen attraktiv sein? Es wird immer einfacher werden, einen Auslandeinsatz zu leisten. Man kann heutzutage problemlos nach Hause tele- fonieren, erhält auch im Ausland sehr viele Produkte und so wird die Umstellung immer leichter, wodurch die Hürde für junge Leute sinken wird. Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht auf vieles verzichten musste. Je weiter entwickelt die- se Länder sind, desto kleiner werden die Unterschiede. Das hat auch einen Haken: Man lernt nicht mehr ganz so gut, zu verzichten. Viele Leute haben zu mir gesagt: «Das könn- te ich nicht, was du da machst.» Aber sie würden bestimmt merken, dass sie das auch schaffen würden. Ich denke, in zehn Jahren werden Einsätze «im Busch» nicht mehr wirklich «im Busch» sein. Die Lebensweisen werden sich aneinander anpassen und man wird auf noch weniger verzichten müssen. Ob das besser ist, sei dahingestellt… der Lerneffekt und Nutzen für dich selbst wird evtl. so kleiner. Je fremder, desto grösser vielleicht der Schock, aber auch die Chance, sehr viel zu profitieren. Du lernst z.B., wie schnell man sich an etwas Neues gewöhnen kann. Das fand ich sehr eindrücklich. Als ich beispielsweise zum dritten Mal nach Co- nakry kam, war ich nicht mehr beeindruckt. Die Armut, der Dreck, das Chaos – ich hatte mich daran gewöhnt.

Jakob Marty Ehem. in Guinea im Einsatz

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