01-2016 D

GOTT hält einen

neuen WEG bereit

mer getroffen: Tausende Kame- runer und Nigerianer mussten flüchten, ihre Region verlassen und sich in anderen Gebieten oder Flüchtlingslagern nieder- lassen. Viele haben alles verlo- ren, auch Angehörige. Wie weiter? Als ich nach der Evakuation in die Schweiz kam, wurde mir eine Stelle als Hebamme im Tschad angeboten. Eigentlich wollte ich nicht wieder aus- reisen und hatte kein volles Ja dazu. Bei einem Kurs an der Akade- mie für Weltmission wurde mir dann klar, dass das doch der Weg war, den Gott für mich bereithielt und den ich gehen sollte. Ich hatte Frieden über der Entscheidung, konnte mich aber nicht so richtig freuen. Trotzdem bin ich ausgereist und habe mir damals ein Jahr Zeit gegeben, um mich einzu- arbeiten und einzuleben. Die- ses ist jetzt fast um – und ich beginne langsam, mich hier zu Hause zu fühlen. Trotzdem fehlen mir das Leben auf dem Land und die Beziehungen zur einfachen Bevölkerung. Nach wie vor kann ich aber in Kontakt stehenmit Verantwort- lichen der Kirche und weiteren Freunden in Kamerun. Und es freut mich, dass die Arbeit auch ohne unsere Anwesenheit gut weitergeht.

Maltam, März 2013: Nach der überraschenden Entführung einer französischen Touristenfamilie in der Nähe war klar, dass wir die Nächsten sein könnten. Wir schliefen plötzlich unruhig, die sonst vertrauten Geräusche in der Nacht weckten uns auf. Wir mussten weg. Eine Woche hatten wir Zeit, um die wichtigsten Angelegen- heiten zu klären, dann reisten wir in die Schweiz. Reisen nur mit Begleitschutz Einige Monate später konnten wir nach Kamerun zurückkehren. Wir gingen nach Maroua, die Hauptstadt der Region, rund 250 Ki- lometer südlich von Maltam, da dort unsere Unterstützung drin- gend benötigt wurde. Obwohl ich viele spannende und sinnvolle Aufgaben übernehmen durfte, schlug mein Herz nach wie vor für Maltam. Das war mein Zuhause, dort hatte ich meine Beziehun- gen, und ich hoffte, bald zurückkehren zu können. Immer wieder hörte ich in dieser Zeit von den schrecklichen Din- gen, die im Nachbarland oder in den Grenzregionen passierten. Das Thema Christenverfolgung war allgegenwärtig. Auf Reisen hatten wir jeweils Begleitschutz, was zuerst ungewohnt, aber auch beruhigend war. Wir fühlten uns ernst genommen und von den Behörden wertgeschätzt. Muslime und Christen leben engagierter Im Laufe des Jahres verschärfte sich die Situation zusehends. Im November fand eine Entführung nur wenige Kilometer von uns entfernt statt. Die Gefahr rückte immer näher und die Aktivitäten der Extremisten prägten die Gespräche des Alltags. Das Ganze hatte sichtbare und spürbare Auswirkungen: Die Muslime prakti- zierten ihren Glauben engagierter – Freitagsgebet in der Moschee, der Fastenmonat wurde strikt eingehalten, Frauen besuchten den Unterricht in den Moscheen. Eine der Triebfedern dafür war Angst: Vielleicht war ja der Nachbar ein Anhänger der Extremisten und beobachtete das Verhalten ...? Gleichzeitig bemerkten wir bei Muslimen ein grosses Interesse am christlichen Glauben. Und wir durften auch feststellen, dass die Christen in Kamerun durch die Bedrohung ihren Glauben nun viel ernsthafter und engagierter lebten. Tausende auf der Flucht Auch Unser eigener Alltag war nun zunehmend von Unsicherheit geprägt: Inwieweit sind auch wir hier in Maroua gefährdet? Wie lange können wir noch bleiben? Im Sommer 2014 kam dann die Antwort – wir wurden endgültig evakuiert. Nach den Geschehnissen der vorhergehenden Mona- te war ich ein Stück weit darauf vorbereitet, aber es war und ist schmerzhaft zu wissen, dass ich nicht mehr zurück kann und es nie mehr so sein wird, wie es war. Andere hat es aber viel schlim-

Helen MÜLLER, Mitarbeiterin im Tschad

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