01-2020 D

INHALT

...ganp zersönlich: Ein besonderer Monat

ISLAM

Schon um fünf Uhr morgens weckt mich das Klimpern von Geschirr. Warum sind die Nachbarn schon so früh auf? Ach ja, der Fastenmonat Ramadan hat begonnen. Jeder nimmt ein Frühstück zu sich, denn zwischen dem Sonnenaufgang um ungefähr 6 Uhr und dem Sonnenuntergang um 19.30 Uhr verzichten die Mus- lime auf jegliches Essen UND Trinken, und dies wäh- rend dreissig Tagen. In dieser Zeit bringen mir verschiedenste Nachbarn jeden Morgen ein bis zwei Flaschen Wasser, damit ich sie für sie kalt stelle. Keiner meiner Nachbarn hat einen Kühlschrank. Ich schreibe die Flaschen mit den Namen an und stelle sie in meine Kühlbox. Am Abend nach 19 Uhr kommt ein Nachbarskind nach dem anderen, um die Flaschen für seine Familie abzuholen. Die Freude über das eiskalte Wasser ist jedes Mal gross. Damit lässt sich das tägliche Fasten gut brechen. Ich bete, dass sich all diese Menschen auch einmal an Jesus, der das leben- dige Lebenswasser gibt, so freuen dürfen. Nichts trinken – bei 40 Grad im Schatten Die ersten Tage sind die Leute sehr motiviert, das Fas- ten einzuhalten. Auch Kinder ab ungefähr zwölf Jahren fasten mit. Aber mit der Zeit geht die tägliche Arbeit im- mer schwerer von der Hand. Kein Wunder, bei 40 Grad im Schatten. Auch die kleineren Kinder bekommen nicht mehr täglich etwas zum Mittagessen. Sie müssen notgedrungen ebenfalls bis zum Abend warten – oder kommen bei mir vorbei und fragen nach Brot undMilch. Geschafft! Wie freuen sich alle, wenn die dreissig Tage dem Ende zugehen. Ist der Fastenmonat geschafft, findet ein grosses Fest statt. Für diesen Tag kaufen sich alle neue Kleider und Schuhe, welche dann auch mit Stolz ge- tragen werden. Für die Kinder gehören natürlich auch Sonnenbrille und Plastik-Armbanduhr dazu. Die Haare der Mädchen werden wunderschön geflochten. Was für ein Festtag! Ab zwölf Uhr gibt es für alle ein reichhalti- ges Mittagessen. Nun darf man auch wieder tagsüber Musik hören.

Für mich stellt sich jedes Jahr die Frage: «Wie würde wohl Jesus den Fastenmonat angehen?»

Daniela SEITZ, ActionVIVRE Nord, Guinea

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