Betriebe
Die Tram am Tor zum Harz
125 Jahre Straßenbahn Nordhausen Klein, aber fein und bis heute vielfältig – diese Zusammenfassung beschreibt pas- send den Straßenbahnbetrieb in Nordhau- sen, dem südlichen Eingangstor zum Harz. Abseits der anderen Thüringer Straßen- bahnbetriebe, die wie an einer Perlenschnur aufgereiht entlang der Autobahn A4 lie- gen, füllt Nordhausen ganz im Norden des Landes buchstäblich eine Nische aus
E nde des 19. Jahrhunderts lebten 27.000 Menschen in Nordhausen, welches sich bereits zu einem Eisen- bahnknoten entwickelt hatte. Kein Wunder also, dass Forderungen nach einem innerstädtischen Verkehrsmittel laut wur- den. Folgenlos blieb zunächst ein Projekt von 1878 einer sogenannten „Tramwai- Bahn“. Auch für die Idee von 1882 einer elektrischen Straßenbahn vom Bahnhof zum Gehege war die Zeit noch nicht reif. 1897 wurden diese Pläne wieder aktuell: Zum Bau und Betrieb der Straßenbahn und eines E-Werks schloss die Stadt am 31. Oktober 1898 einen Vertrag mit der „Electricitäts- Gesellschaft, vormals Schuckert & Co“ aus Nürnberg. Dieser sah eine kostenfreie Über- nahme der Straßenbahn mit allen Grundstü- cken und Fahrzeugen durch die Stadt nach 50 Jahren vor. Außerdem konnte sie jene erstmals nach 15 Jahren und danach je alle fünf weiteren Jahre käuflich erwerben. Die elektrische Straßenbahn fährt Die feierliche Eröffnung der meterspuri- gen Straßenbahn fand am 25. August 1900 statt. Die Betriebsspannung betrug 500 Volt Gleichstrom. Zu Beginn der 1930er-Jahre erfolgte eine leichte Erhöhung auf 550 Volt. Die ersten beiden Tage verkehrte nur eine „Weiße Linie“. Nach Beseitigung von bau-
lichen Mängeln zwischen Kornmarkt und Kranichstraße starteten zwei Tage später die Rote und die Grüne Linie. Die meisten Streckenabschnitte waren eingleisig mit Aus- weichen angelegt. Doppelgleisig waren die Teilstücke Bahnhof – Neustadtstraße und der Abzweig an der Kreuzung Bahnhofstraße – Hallesche Chaussee (heute Grimmelallee – Arnoldstraße) auf einer Länge von etwa 200 Metern. Die Bahnen verkehrten schaffnerlos mit Zahlboxen. Die Anfangsausstattung bestand aus 13 zweiachsigen Triebwagen der Hannover- schen Waggonfabrik mit offenen Plattfor- men. Bei einer Generalüberholung 1928/29 wurden die Plattformen verglast, aber nicht rundum geschlossen. Keiner dieser Trieb- wagen ist erhalten geblieben. Die Fahrzeuge waren im neuen Depot auf dem Gelände des E-Werks an der Grimmelallee beheimatet. Offiziell waren 13 Trieb- und vier Beiwagen vorgesehen, doch hatte der Nordhäuser Be- trieb niemals Beiwagen. Direkt neben der
Wagenhalle war eine Werkstatt angeschlos- sen. Die Straßenbahn erfreute sich großen Zuspruchs: Im Jahr 1902 nutzten 624.000 Fahrgäste die Bahnen, 1906 waren es bereits 800.000. Die Einnahmen reichten nicht für eine Kostendeckung aus und die Verluste mussten durch die Gewinne des E-Werks ausgeglichen werden. 1908 fanden erstmals Verhandlungen zwischen Stadt und Elektri- zitäts-AG zum Kauf der Straßenbahn und des E-Werks statt, doch kam es aufgrund des geforderten Preises zu keinem Abschluss. Der Erste Weltkrieg und seine Folgen Auch in Nordhausen ersetzten Frauen die an der Front befindlichen Männer. Sie arbeiteten als Schaffnerinnen, später auch im Fahrdienst. Nach Kriegsende verhan- delte die Stadt erneut über eine Übernah- me des Betriebs und konnte zum 1. April 1920 Straßenbahn und E-Werk für 3,25 Millionen Mark erwerben. Nach dem Be- sitzerwechsel blieb die Zukunft der Stra-
Linien zu Betriebsbeginn
Weiße Linie Rote Linie Grüne Linie
Bahnhof – Kornmarkt – Wallrothstraße – Geiersberg (Gehege), Länge 2,3 km Bahnhof – Kornmarkt – Barfüßerstraße – Grimmelallee – Bahnhof, Ringlinie, 2,2 km
wie Rote Linie, jedoch in der Gegenrichtung
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STRASSENBAHN MAGAZIN 9 | 2025
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