Lok Magazin

MITFAHRT AUF DER V 200

stellt, bevor am nächsten Tag um null Uhr das Dampflokverbot bei der Deut- schen Bundesbahn in Kraft trat. Zwar stand im Bw Gelsenkirchen-Bismarck bis November 1979 noch 044 377 unter Dampf und fuhr immer freitags aus ei- gener Kraft zum Bekohlen und Wasser- nehmen aus dem Schuppen, doch buchmäßig war sie nur eine Heizlok. Schnell schieße ich in Salzbergen aus dem Führerstand „meiner“ 221 ein paar Fotos von dem Öl-Jumbo. Mit et- was Fantasie könnte man meinen, sie wartet die Überholung ab, um uns dann mit mächtigem Krawall nach Em- den zu folgen. Erst zwei Jahre und elf Monate ist es her, dass tatsächlich noch Dampf in ihren stählenden Adern pul- sierte und ihre Treibstangen über dem Schienenstrang wirbelten. Ach, ich ver- liere mich wieder in wehmütigen Erin- nerungen … Von Löhne kommend hing zwischen Rheine und Salzbergen und weiter zur niederländischen Grenze hinter Bad Bentheim Mitte 1975 bereits die Ober- leitung, war aber noch nicht in Betrieb. Von daher bin ich gespannt, wie die Emslandstrecke nun hinter Salzbergen aussieht, denn bei meinem letzten Be- such im Spätsommer 1977 säumten noch herrliche Telegrafenleitungen an vielen Stellen den Weg in Richtung Norden. Mich trifft der Schlag: Die fei- nen, surrenden Kupferdrähte sind ver- schwunden, jetzt ist die Strecke mit hässlichen Betonmasten „zugestellt“. Durch die Aneinanderreihung der Masten entsteht auf den langen Gera- den vom Führerstand aus bei Tele- schüssen der Eindruck, zwischen Be- tonwänden hindurchzufahren. Grässlich! Ob unten vom Bahndamm aus fotografisch überhaupt noch was zu machen ist? Ach, was hat man die Ems- landstrecke optisch verschandelt! Ich muss mich fast für ein Foto überwin- den, als uns bei Leschede 221 130 mit einem D-Zug entgegendieselt. Das mechanische Stellwerk besteht heute noch Dann erreichen wir den Bahnhof Lin- gen. Er sieht mit den vielen Quertrag- werken und Oberleitungen völlig an- ders aus. Auch hier ziert seit 1972 gegenüber dem ehemaligen Ausbesse- rungswerk eine Denkmalslok den Bahnhofsbereich. Die 82 008 ist schon sehr heruntergekommen und wird auf

dem Sockel noch weitere 23 Jahre ihr Dasein fristen, bevor sie über Zwi- schenstationen in Neumünster und Siegen schließlich 2014 im DB-Muse- um Koblenz landet und dort ihre vor- erst letzte Ruhestätte findet. Bei der Bahnhofsausfahrt mache ich schnell noch ein Foto vom Stellwerk. Damals hätte wohl niemand geahnt, dass von hier aus auch noch 45 Jahre später der Zugverkehr mechanisch ge- regelt wird. Die anschließende Fußgän- gerbrücke, die zur Dampflokzeit ein begehrter Fotostandpunkt war, musste aber der Elektrifizierung weichen. Der Zufall will es, dass uns nur we- nige Meter weiter der als „Langer Hein- rich“ bekannte, 4.000 Tonnen schwere Erzzug mit V 200 1 -Doppeltraktion an einer für mich besonderen Stelle ent- gegenkommt. Genau an dem kleinen Bahnübergang habe ich zum allerletz- ten Mal in meinem Leben eine DB- Dampflok im „Streckeneinsatz“ foto- grafiert. Zugegeben, ein nicht gerade aufregendes Bild. 042 113 stand gelang- weilt vor einem Arbeitszug säuselnd in der Sommerhitze, während man einige Meter weiter hinten den Oberleitungs- mast aufstellte, den 221 121 nun 1980 passiert. Der Haltepunkt Geeste fliegt an uns vorbei. Wieder lasse ich mir wie einst auf 012 075 den Fahrtwind um die Nase wehen. Aber diesmal ist irgend- wie alles anders. Das besondere „Fee- ling“ der Dampflokära ist unwieder- bringlich vorbei. Und in wenigen Stunden wird hier auch die Dieselepo- che Geschichte sein. Aber das habe ich, wie schon erwähnt, irgendwie noch nicht so richtig verinnerlicht. Vielleicht mag ich sie ja doch Schon klappert die Hase-Brücke in Meppen unter uns auf. Auch dieser Bahnhof ist komplett verdrahtet – ein gewöhnungsbedürftiger Anblick. Na, wenigstens sind auch hier die „Klapper- signale“ nicht der Modernisierung zum Opfer gefallen. Viele Jahre später wer- den sie mir noch oft als Motiv für die letzten DB-140er dienen, die ich in Meppen ablichte. Aber das ist eine an- dere Geschichte. Dann taucht vor uns der Lathener Einschnitt auf. Mann, was sind wir da 1975 mit dem dampfenden Edelrenner durchgeheizt! Ich habe das Echo der Auspuffschläge noch gut im Ohr. Aber

Kartenausschnitt von 1983: 208,2 Kilometer sind es von Münster bis Norden Slg. G. Nagel

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LOK Magazin 09 | 2025

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