Im Fokus
mit der DB befasste sich auch die DR mit dem Thema Ölhauptfeuerung. Der Grundgedanke war hier aber, die Lokheizer von ihrer schweren körperlichen Arbeit zu entlasten. Das galt vor allem für die Männer auf den Maschinen der Baureihe 44. Im Bw Halle G lag beispielsweise der durchschnittliche Verbrauch eines rostge- feuerten „Jumbos“ zwischen 52 und 62 Tonnen Kohle auf 1.000 Streckenkilometern. In den Wintermonaten stieg der Verbrauch auf bis zu 74 Tonnen an. Der Leiter der Fahrzeug-Versuchs- anstalt Halle (Saale), Max Baumberg, griff das Thema auf und erläuterte am 12. März 1959 in einem Referat verschiedene Alternativen zur herkömmlichen Rostfeuerung. Dabei handelte es sich um Kohlenstaub-, Stoker- und Ölhaupt- feuerungen. Mit der Kohlenstaubfeuerung des Systems Wendler hatte die DR bereits Erfah- rungen gesammelt. Die zuständige Hauptver- waltung der Maschinenwirtschaft hatte jedoch in erster Linie aus Kostengründen den Umbau weiterer „Jumbos“ verworfen. Auch die Stoker- feuerung kam für Baumberg nicht in Betracht, da derartige Versuche bei der Neubaudampflok 25 001 ernüchternd verlaufen waren. Zwar gab es bei den Polnischen Staatsbahnen PKP, den Sowjetischen Staatsbahnen SŽD und den Tsche- choslowakischen Staatsbahnen ČCSD betriebs- sichere Stokerfeuerungen, doch für deren Be- schaffung standen der DR keine finanziellen Mittel zur Verfügung. Für Nachbauten durch die DDR-Industrie fehlten die Kapazitäten. Damit blieben nur noch die Ölzusatz- bzw. Ölhauptfeuerung. Die Ölzusatzfeuerung lehnte Baumberg ab, da sie nur zur Abdeckung von Leistungsspitzen geeignet war. Der Leiter der FVA Halle (Saale) sprach sich daher für die Ölhauptfeuerung aus. Das dafür benötigte schwere Heizöl stand der f DR damals in ausreichender Menge zur Ver- fügung, denn die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands hatte auf ihrem V. Parteitag Mitte
Im Sommer 1965 legt 44 504 mit einem Gipszug einen Halt in Berga-Kelbra ein Slg. Dirk Endisch
1970er-Jahre nicht weiterverarbeitet werden konnte. Sie besaß jedoch einen hohen Heizwert, der mit rund 9.600 Kilokalorien je Kilogramm etwa 30 Prozent über dem von guter Steinkohle lag. Dieser hochwertige, preisgünstige Brenn- stoff stand in großen Mengen zur Verfügung, da Erdöl zu 50 Prozent und mehr aus diesen soge- nannten Asphalten besteht. Bereits 1964 fielen im PCK Schwedt rund eine Million Tonnen des schweren Heizöls an. Die Verteilung des Brenn- stoffs oblag der Staatlichen Plankommission, die der DR schweres Heizöl für das Befeuern von rund 300 Lokomotiven in Aussicht stellte. Brenner unter der Feuertür Daher beschloss die DR, einige ihrer am höchs- ten belasteten Dampflokomotiven mit einer Ölhauptfeuerung auszurüsten. Bereits am 10. Februar 1959 entstand unter der Leitung von Hans-Joachim Krauss die Studienkommission „Mechanisierung der Lokfeuerung“, die auch für die Ölhauptfeuerung plädierte. Die HvM gründete am 14. März 1959 eine Arbeitsgruppe, die eine einfache und robuste Ölhauptfeuerung konstruieren sollte. Das von Krauss geführte Team wertete zunächst die Fachliteratur aus und schlug danach den Einbau eines Flachbren- ners unterhalb der Stehkesselvorderwand vor. Dazu musste die Feuerbüchse teilweise ausge- mauert werden. Die HvM stimmte dieser Idee zu und genehmigte den probeweisen Umbau der 44 195. Hans Schulze als zuständiger Refe- rent für die Bauart der Dampf- und Dieselloks änderte jedoch den Entwurf für die Ölhaupt- feuerung. Die beiden Schlitzbrenner wurden abweichend unterhalb der Feuertür eingebaut. Nach etwa 2.500 Arbeitsstunden konnte 44 195 am 23. September 1959 erstmals angeheizt wer- den. Die erste Probefahrt folgte am 29. Septem-
Juli 1958 das sogenannt Chemieprogramm be- schlossen. Damit begann der großzügige Aus- bau der chemischen Industrie in der DDR. Dazu zählte auch der Auf- und Ausbau der erdölver- arbeitenden Industrie. Zu den wichtigsten In- vestitionsvorhaben gehörten u. a. der Bau des VEB Petrolchemischen Kombinats Schwedt, der Erdölverarbeitungsanlagen in Leuna II und der etwa 4.000 Kilometer langen Erdölleitung „Freundschaft“ zwischen Schwedt und dem westsibirischen Kuibyschew. Die DDR bezog über diese Pipeline preiswertes Rohöl aus der Sowjetunion, das durch Destillation weiterver- arbeitet wurde. Dabei entstanden verschiedene Benzine, Paraffine, Diesel-, Leicht- und Schmier- öle. Als Rückstand fiel bei der Destillation eine bitumenähnliche schwere Masse an, die als Bunkeröl D bezeichnet wurde und bis Ende der
Das Bahnbetriebswerk Sangerhausen war über Jahre hinweg eine bedeutende Einsatzstelle für die DR-Baureihe 44 mit Ölhauptfeuerung. Am 22. September 1981 stehen hier 44 0040, 0093 und 0378 beisammen Slg. Klaus-Dieter Baedermann
16
Made with FlippingBook flipbook maker