Titel | BEISPIEL
Bevor der Lokführer im Sommer 1989 mit seiner erst wenige Monate alten 199 871 in die Einsatzstelle Wernigerode einrückt, hält er einen kurzen Plausch. Die Maschine ist noch heute auf den Schmalspurbahnen im Harz im Einsatz Thomas Rieger/Slg. Dirk Endisch
ven aus dem westlichen Ausland geprüft. Dies scheiterte aber an fehlenden Devisen. Ein Neubau war in der DDR aufgrund der beschränkten Kapazitäten der Industrie ausgeschlossen und aufgrund der geringen Stückzahl wirtschaftlich auch nicht vertret- bar. Damit blieb als letzte Möglichkeit der Umbau vorhandener Diesellokomotiven. Hier bot sich die Baureihe 110 an, von der durch die fortschreitende Streckenelektrifi- zierung vermehrt Lokomotiven freigesetzt wurden. Um die auf den Schmalspurbahnen des Harzes erlaubte Achsfahrmasse von 10Ton- nen nicht zu überschreiten, mussten die Ma- schinen der Baureihe 110 mit neuen drei- achsigen Drehgestellen ausgerüstet werden. Dadurch stieg die Höhe der Fahrzeuge (Dachoberkante) von 4.225 Millimeter auf 4.355 Millimeter über Schienenoberkante an. Dies stellte für die Harzquer- und Bro- ckenbahn sowie die Verbindung Eisfelder Talmühle – Hasselfelde/Silberhütte kein Problem dar, da beide Strecken für den Roll- wagen-Verkehr zugelassen waren. Lediglich auf der Strecke Gernrode (Harz) – Harzge- rode/Silberhütte musste die notwendige Profilfreiheit geschaffen werden. Außerdem fehlte im Bw Wernigerode die Infrastruktur für den Einsatz und die Unterhaltung von Streckendiesellokomotiven. Nachdem die Rbd Magdeburg die Nachweise für die Ent-
„Neubauloks“ oder „Neubau-VII K“ be- zeichneten 1‘E1‘h2t-Maschinen hatten ihre Nutzungsgrenze erreicht. Eine gründliche Modernisierung war seinerzeit nicht mög- lich. Zum einen war der finanzielle Auf- wand wirtschaftlich nicht zu vertreten, zum anderen waren die Fertigungskapazitäten des für die Erhaltung der Schmalspur- Dampfloks zuständigen Reichsbahnaus- besserungswerkes Görlitz erschöpft. Daher beschloss die HvM im Herbst 1987, für die Strecken mit 750-Millimeter-Spurweite Die- selloks aus Rumänien zu importieren. Die Maschinen sollten sich an der Reihe 77 der Bulgarischen Staatsbahnen (BDŽ) orientie- ren, die Dank ihrer Endführerstände nur mit einem Lokführer besetzt werden konn- ten. Im Hinblick auf eine möglichst kosten- günstige Beschaffung und Instandhaltung wollte die DR die Maschinen mit Dieselmo- toren und Dreiwandler-Strömungsgetrie- ben aus DDR-Produktion ausrüsten. Das bis 1989 aufgestellte Lastenheft sah eine Leistung von 675 kW (Motor 12 KVD A-5), zwei dreiachsige Drehgestelle, eine Höchst- geschwindigkeit von 50 km/h und eine Dampfheizung vor. Am 3. Dezember 1989 erfuhr schließlich die Öffentlichkeit von den Planungen. Heinz Schnabel, Leiter der Ab- teilung Triebfahrzeug-Unterhaltung in der HvM, kündigte in der Eisenbahner-Zeitung „Fahrt frei“ an, dass im Herbst 1990 die Er-
probung der ersten 750-Millimeter-Diesel- lok auf der Strecke Freital-Hainsberg – Kur- ort Kipsdorf beginnen werde. Bis 1994 sollten bis zu 30 Maschinen in Dienst ge- stellt werden. Doch die tiefgreifenden politi- schen und wirtschaftlichen Ereignisse der Jahre 1989/90 vereitelten dasVorhaben. Dieselloks für den Harz Völlig anders verlief die Entwicklung bei dem Meterspurnetz im Harz. Ab Mitte der 1980er-Jahre nahm der Güterverkehr auf der Harzquer-, Brocken- und Selketalbahn deutlich zu. Allerdings konnte das Bw Wer- nigerode mit den vorhandenen Fahrzeugen die Transportaufgaben im Harz langfristig nicht mehr erfüllen. Aus diesem Grund hat- Ein Einkauf im Westen und ein Eigenbau in der DDR schieden aus. Also baute die DR vorhandene Loks um te die Rbd Magdeburg bereits im Herbst 1983 einen „Aufgaben- und Kontrollplan zur Herstellung und Sicherung der Leis- tungsfähigkeit des Harzer Schmalspurnet- zes“ erstellt, der am 20. Juni 1984 vom MfV bestätigt wurde und die Grundlage für den Traktionswechsel im Harz schuf. Ursprünglich hatte die DR die Beschaf- fung neuer meterspuriger Diesellokomoti-
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BAHN EXTRA 5/2025
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