BahnEpoche | FILM
„Zug des Lebens“ Flucht ohne Fahrplan Ein Spielfilm zum Thema Holocaust? Noch dazu mit komischen Elementen dabei? Was kaum möglich scheint, gelang dem rumänisch-französischen Regisseur Radu Mihaˇileanu im Jahr 1998. Im Mittelpunkt der Handlung: die Bewohner einer jüdischen Siedlung (des „Schtetl“) und ein Zug Von Dr. Stefan Vockrodt Mit einem eigenen Zug, getarnt als Deutsche und deportierte Juden, haben die Bewohner eines Schtetl die Flucht vor den Nationalsozialisten angetreten. Unterwegs warten viele Herausforderungen, die den einfallsreichen Fliehenden manches abverlangen Picture-alliance/United Archives (2)
I m Krieg, so heißt es, stirbt als erstes die Wahrheit. Als letztes dann die Hoffnung und als allerletztes der Humor. Und Hoffnung und Humor sind die Essenzen dieser Groteske, die den Holocaust in Form einer Tragikomödie behandelt. Der Film „Zug des Lebens“ von Radu Mihaˇileanu ent- stand zeitgleich mit Roberto Benignis Os- car-prämiertem Werk „Das Leben ist schön“ und steht in dessen Schatten, doch das völ- lig zu Unrecht. Angesiedelt ist „Zug des Le- bens“ im Sommer 1941 im ukrainisch-ru- mänisch-polnischen Grenzgebiet, dem früher so genannten „Ansiedlungsrayon“, in dem jüdische Menschen sich während des
„Wir deportieren uns selber!“ Er kann die Dorfältesten überzeugen und bald werden die Rollen verteilt, besonders die der deut- schen Wachmannschaft. Deren Komman- dant (der Holzhändler Mordechai) und sei- ne Soldaten lernen korrektes Deutsch, damit sie sich nicht durch ihr Jiddisch ver- raten, Uniformen werden geschneidert, Geld für einen Zug wird gesammelt, man findet einige schrottreife Güter- und Schnell- zugwagen (für die „Deutschen“) sowie eine Lok und nach ein paar Wochen intensiver Arbeit kann die Fahrt losgehen. Ein jüdi- scher Eisenbahner besetzt den Führerstand der P 8 und der Zug dampft los – von den
Zarenreiches ansiedeln durften. Hier tobt nun der Zweite Weltkrieg. „Wir deportieren uns selber“ Das „Schtetl“, um dessen Bewohner sich der Film dreht, liegt isoliert abseits der zugehö- rigen Gemeinde, verfügt aber über einen Gleisanschluss. Nachdem Hitler-Deutsch- land die Sowjetunion überfallen hat und die Einsatzgruppen von Wehrmacht und SS mit der Ermordung tausender Juden begonnen haben, weiß man auch hier, was drohen kann. Und überlegt verzweifelt mit viel Haare- und Bartraufen, was zu tun ist. Da kommt dem Dorfnarren Schlomo die Idee:
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BAHN EXTRA 4/2022
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