aber hatte ich andererseits gehabt, dass die Kamera am Vortag noch funktionierte. So ging es bei zunehmender Bewölkung zurück in Richtung des heimischen Enztales. Angesichts der geschilderten komplizier- ten Betriebsabwicklung plante die Bundes- bahn seit den 1960er-Jahren die Ablösung des Hauptbahnhofes. Fast fünf Jahre nach meinem ersten Besuch dort wurde das Vor- haben Realität. Im Mai 1977 verlagerte die DB den Personenverkehr zum inzwischen erweiterten Bahnhof Miltenberg Nord. Der alte Hauptbahnhof wurde noch für den Gü- terverkehr und zur Abstellung überzähliger Güterwagen genutzt, aber ab 2005 stillgelegt. Die Gleisanlagen wurden bis 2007 vollstän- dig abgebaut und die freigewordene Fläche für ein Gewerbegebiet verwendet. Der zwei- ständige Lokschuppen wurde schon längst abgebrochen, während das Empfangsgebäu- de eine Umwidmung zu Wohnzwecken er- fahren und als Kulturdenkmal überlebt hat. Somit bleibt nur die Erinnerung an ein nicht nur eisenbahntechnisch sehr interes- santes Wochenende. Besonderer Dank gilt posthum auch meiner Mutter, die stets ein offenes Ohr für meine Dampflokwünsche hatte. Vor dem zweiständigen Lokschuppen der Lokstation Miltenberg wartet die 064 305 auf den nächsten Einsatz. Rechts neben dem Lokschuppen ist die Mutter des Bildautors samt Familienhündin Micky zu erkennen
hatte ich verschiedene Traktionen und Lok- Generationen direkt beieinander. Besichtigung von Stadt und Bahn Nachdem sich die Geduld der Eltern langsam zum Ende neigte und der Hunger größer wurde, standen das Mittagessen und die Stadtbesichtigung an. Nach einer kleinen Schiffsrundfahrt auf dem Main und Bezug des Nachtquartiers ging der Weg nochmals zum Hauptbahnhof bzw. zu der kleinen Lokstation mit zweiständigem Lokschuppen. Vor diesem ruhte sich die inzwischen mit ei- nem Nahverkehrszug angekommene 064 305 bis zur Rückleistung aus. Beeindruckende Eisenbahnromantik strahlten sowohl der alte Lokschuppen als auch die bestens gepflegte 64er aus. Das rasenmäßig niedrige Gras, das die Gleisanlage umgab, und die um die Loko- motive herumspazierenden Hühner gaben der Szene eine anmutige, warme Ausstrah- lung. Am Abend verfolgte ich noch, wie die 064 mit ihrem Nahverkehrszug nach Aschaf- fenburg ausfuhr. Am nächsten Morgen führte der Heimweg natürlich über den Hauptbahnhof, wo soeben die 065 018 mit einem Nahverkehrszug ein- gefahren war. Allerdings musste ich betrübt feststellen, dass der Verschluss meiner Voigt- länderkamera inzwischen nicht mehr richtig funktionierte; er löste ohne weiteres Zutun schon beim Filmaufzug aus und versagte schließlich seine Dienste völlig. Welch Glück
verkehr wurde also wie in einem Spitzkeh- renbahnhof abgewickelt. So kam es, dass ich den erwähnten N 3310 von Miltenberg Nord nach Aschaffenburg mit der 065 018 zunächst nach dem Überque- ren der Mainbrücke in Vorwärtsfahrt und gleich im Anschluss daran in Rückwärtsfahrt beim Zurückdrücken in den Hauptbahnhof auf der Brücke über das Flüsschen Mud ab- lichten konnte. Auch die Ausfahrt des N 3310 aus dem Hauptbahnhof hielt ich fotografisch fest. Die bayerischen Ausfahrsignale mit ih- ren pfeilförmigen Flügeln bildeten hierbei ei- nen reizvollen Kontrast zur DB-Neubaulok. Bemerkenswert war hier außerdem die Kom- bination der bayerischen Signale mit Gleis- sperrsignalen der Einheitsbauart. Inzwischen lief die Schweinfurter 051 558 im Hauptbahn- hof mit ihrem N 3311 von Aschaffenburg ein. Diese Maschine fiel vor allem durch ihren miserablen Pflegezustand (schwarz in Schwarz) auf, was aber bei Schweinfurter Lokomotiven keine Ausnahme dargestellt haben soll. Um den Bahnhof richtig voll zu bekommen, war kurz zuvor noch ein Schie- nenbus der Baureihe 795/995 als N 3620 von Seckach (über Amorbach) eingetroffen. So Bayerische Ausfahrsignale, Einheits- und DB-Neubauloks - das alles bot Miltenberg Hbf
77
BAHN EXTRA 4/2022
Made with FlippingBook flipbook maker