Bahn Extra

großen Windleitblechen zu erspähen! So fotografierte ich in der ersten Morgensonne wenigstens die beiden 52 mit den bekann- ten kleinen Blechen. Reichlich frustriert fragte ich beim Bahnhofsvorstand nach. Der zuckte erst die Achseln, telefonierte dann aber länger und fragte in Linz nach. Die Sache nahm ihren Lauf: Der Bahnhofs- vorstand entschuldigte sich bei mir (!) für das Ausbleiben der 50, das durch eine grö- ßere Reparatur eines Pumpendefekts verur- sacht worden war. Und er meinte, ich solle am Sonntag, dem 27. Juli, wiederkommen. Dann sei die 50 mit großen Blechen mor- gens sicher wieder da, das frühe Aufstehen würde sich dann doch lohnen. Selzthal und ein zweiterVersuch Zur Verkürzung der dreitägigen Wartezeit stattete ich am 26. Juli 1969 dem Bw Selzthal einen Besuch ab. Ich bewunderte die riesige Bekohlungsanlage und genoss den umfang- reichen Dampfbetrieb. Die elegante 78 624 erschien mir wie eine moderne deutsche 78. 52 6972 zeigte sich ganz ohne Bleche und sah so für mich etwas unvollkommen aus. Dann erlebte ich einen besonderen ÖBB-Service: Auf meine vorsichtige Frage hin zog man kurzerhand mit einer Rangierlok die kalte 52 4364 aus dem Schuppen. Mit ihrem deut- lich sichtbaren Mischvorwärmer auf der Rauchkammer war sie ein Sonderling in der Selzthaler 52er-Flotte und war bis 1970 mit einem Messtender für Brennkraftversuche gekuppelt. Insbesondere die Qualität gelie- ferter Import-Kohle konnte so genau über- prüft werden. Bis 1975 war die Lok noch im Bw Linz im normalen Dienst aktiv. Endlich klingelte am 27. Juli 1969 der We- cker wieder um 5 Uhr und der Tagesbeginn wiederholte sich: frühes Aufstehen, schneller Kaffee, die gleiche Sommersonne wie drei Tage vorher, die Anfahrt nach Spital am Pyhrn mit jaulender 2045 bergauf und durch den kilometerlangen Bosruck-Tunnel. Und da stand sie friedlich in der Morgensonne: 50 685 mit den ersehnten großen Windleitblechen, fast in dem Zustand, wie sie 1940 aus der Wie- ner Lokfabrik gerollt war. Reichsbahn pur! Das Bw Linz hatte die Lok offensichtlich re- pariert und dabei ganze Arbeit geleistet. Ich kam sogar zu Vergleichsfotos mit der klassi- schen 52 6966, die gleich nebenan rangierte. Dann hörte ich von Norden her einen ho- hen Pfiff: An der Spitze eines einfahrenden Güterzugs erschien die Schwesterlok 50 1171 – eine echte Sensation. Gleich zwei 50er mit alten Blechen tummelten sich heute im Bahn- hof! Der Bahnhofsvorstand, mit dem ich schon am 24. Juli gesprochen hatte, grinste breit: „Na, das frühe Aufstehen hat sich doch gelohnt!“ Er erklärte mir, dass das Bw Linz schon drei Tage vorher in dem Telefonat ein großes Trostpflaster für den enttäuschten Lokfan zugesagt hatte. Daher hatte die Lok- leitung statt einer planmäßigen 52 als Aus-

Die bis auf den Giesl-Ejektor ganz „normale“ 52 7358 des Bw Linz übernimmt im Bahnhof Spital am Pyhrn am frühen Morgen einen Güterzug. Planmäßig hätte es eine 50 mit großen Blechen („großen Ohren“) sein sollen. Und dafür war ich schon früh um 5 Uhr aufgestanden. Künstlerpech!

Hochbetrieb im Bw Selzthal am 26. Juli 1969. Verschiedene 52er, mit Rund-Esse oder mit Giesl- Ejektor, finden sich zu einem morgendlichen Stelldichein zusammen. Die Güterzugloks flankieren die flotte österreichische 78 624, die wie eine moderne Version der deutschen 78 (pr. T 18) aussieht Sonderservice für den Fotografen im Bw Selzthal: Am 26. Juli 1969 zieht eine Rangierlok die einmalige Kohleanalyselok 52 4364 aus dem Schuppen. Mit Misch- vorwärmer und Messtender ist sie bestens für ihre Spezialaufgabe gerüstet

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BAHN EXTRA 5/2025

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