03-2014 D

LERNEND bleiben

Jenny Koelbing ist gebürtige Schweizerin, die in Guinea lebt und arbeitet. Ousmane Diallo ist gebürtiger Guineer, der zurzeit in Deutschland zu Hause ist. Beide erzählen im folgenden Inter- view, wie sie ihr Fremdsein erleben, wie sie dadurch beschenkt, aber auch herausgefordert werden. Jenny, wie kam es dazu, dass du nicht mehr in deinem Ursprungs- land lebst? Als Kind beeindruckten mich die Erzählungen meiner Grossmutter über Afrika. Sie kam 1890 an der damaligen Goldküste (heute Ghana) zur Welt. Da wurde eine besondere Verbundenheit mit dem Konti- nent Afrika in mein Kinderherz gepflanzt. Als Teenie faszinierten mich fremde Länder und Kulturen weiter; ich unternahm Weltreisen mit dem Atlas. Schon früh konnte ich mir vorstellen, später einmal mit dem Roten Kreuz oder einer ähnlichen Organisation internationale Einsätze zu machen. Als ich dann anfing, bewusst mit Jesus zu leben, kam noch die Dimension hinzu, ihn dort bekannt zu machen, wo er noch nicht bekannt ist oder aber verkannt wird. Ousmane, wie wurdest du zum Fremden? Ich wurde in eine Peul-Familie im Norden des Fouta-Djallon in Guinea hineingeboren. Wie jedes Peul-Kind wurde ich mit sieben Jahren zu einem Koran-Lehrer geschickt, um im Koran unterrichtet zu werden. Erst zwei Jahre später haben meine Eltern mich in der Grundschule angemeldet, obwohl mein Vater selbst Lehrer ist. Ich muss zugeben, dass ich, bis ich 22 Jahre alt war, nie die Erfahrung gemacht hatte, irgendwo fremd zu sein. Aber dann habe ich mein Elternhaus verlas- sen, um in einer anderen Stadt die gymnasiale Oberstufe zu besu- chen, allerdings war diese immer noch in der gleichen Region und Kultur. Das erste Mal wirklich fremd gefühlt habe ich mich, als ich mich entschloss, mein Leben mit Jesus zu gestalten. Dadurch wurde ich für alle zu einem Fremden, denn die muslimischen Peul verstan- den mich nicht mehr und umgekehrt. Seit Februar 2013 bin ich mit Gitte, einer deutschen Missionarin in Guinea, verheiratet. Vier Monate nach unserer Hochzeit sind wir nach Deutschland gekommen, damit ich ihre Sprache und Kultur kennen lerne.

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