03-2014 D

verstehen würde, ich mir gut zu helfen wüsste. Ich habe angefangen, Deutsch zu lernen und ich verstehe so lang- sam, wie der öffentliche Verkehr funktioniert. Ich kann auch einige kleine Einkäufe selbst erledigen und allein un- terwegs sein, wenn ich einen Stadtplan habe. Das ist ein Fortschritt. Was löst das Fremdsein in dir persönlich aus? OUSMANE: Die Tatsache, ein Fremder zu sein, lässt mich viel über mich, meine Kultur und meine Sprache nachden- ken, mich aber auch Fragen über andere Leute, Kulturen und Sprachen stellen. Ich merke, dass keine Kultur über der anderen steht. JENNY: Mir ist realer geworden, dass wir auf dieser Erde nirgendwo eine bleibende Heimat haben, sondern unter- wegs sind zu unserem eigentlichen Daheim: bei Gott. Ich lebe mit leichterem Gepäck. Wie findest duMotivationundKraft, wenndir das Fremd- sein zu anstrengend wird? JENNY: Ich finde Kraft in bereichernden Beziehungen zu Einheimischen wie zu Kollegen in Guinea, zu Familie, Ge- meinde und Freunden weltweit. Gottes Herz für die„Frem- den“ ummich her motiviert mich immer wieder neu. Auch die Tatsache, dass ich völlig freiwillig in Guinea bin und im Unterschied zu den Menschen hier das Privileg habe, je- derzeit auch anderswo leben zu können, ist eine Hilfe. OUSMANE: Wenn mir alles fremd, unverständlich und an- strengend wird, dann finde ich meine Kraft in Gott und in seinem Wort. Ich bin froh, ein Fremder in Deutschland zu sein, denn das erlaubt mir, mein sprachliches und kultu- relles Wissen zu erweitern. Ausserdem erfahre ich, wie es ist, in einem entwickelten Land zu leben. Ich lerne dadurch meine Frau in ihrer Kultur kennen, aber auch sie lernt mich besser kennen. Unsere Erfahrung hier wird uns später, wenn wir wieder in Guinea leben, helfen, unsere kulturell

gemischte Ehe besser leben zu können. Was mich aber am meisten freut, ist die Tatsache, dass ich Himmelsbürger bin. Dort gibt es keine Unterschiede in Sprache, Kultur, Hautfarbe und Entwicklung. Mein Traum ist die Erfüllung von Offenbarung 7,9-10, wo der Autor beschreibt, dass er eine riesige Menschenmenge aus allen Stämmen und Völkern, Sprachen und Kulturen sah, die ge- meinsam Gott anbeteten. Was würdest du jemandem als Vorbereitung empfehlen, der sich in der Fremde niederlassen will? JENNY: Auf alle Fälle hilft es, ein Kurs in Sprachlernmetho- dik (z.B. „Prestolingua“ von Wycliffe) zu besuchen und sich im Vorfeld so stark wie möglich mit der Geschichte, Kultur und Sprache des entsprechenden Landes oder der Volks- gruppe zu beschäftigen. Es ist enorm wichtig, dass man als lernender Mensch kommt, nicht als Experte – und lernend bleibt! Was könntenwir für den Umgangmit Fremdem/n lernen? OUSMANE: In Guinea gehen wir auf Fremde zu und scheuen uns nicht, Fragen zu stellen. Wir nehmen Anteil am Leben der anderen, weil unsere Kultur stärker auf Ge- meinschaft ausgerichtet ist. Wir sind auch zu denen gast- freundlich, die wir nicht kennen. Hier ist es das Gegenteil. Es passiert mir, dass Leute aufstehen und gehen, wenn ich mich in der Bahn neben sie setze. Ich würde empfehlen, den Schritt auf Fremde zu zu wagen und keine Angst zu haben. JENNY: Mir ist es wichtig, um von Gott arrangierte Begeg- nungen zu beten, Beziehungen zu knüpfen und sich Zeit zu nehmen, sie zu pflegen. Ich empfehle sehr, dass man sich bewusst dem Fremdartigen / den Fremden öffnet und von ihnen lernen will. Herzlichen Dank für eure Offenheit und die Einblicke in euer persönliches Erleben!

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