Clausewitz

STRENG

GEHEIM!

I m Sommer 1940 ist der Westfeldzug erfolg- reich abgeschlossen: Frankreich und die Benelux-Staaten sind von der Wehrmacht besetzt. Der Krieg mit der UdSSR ist noch nicht ausgebrochen und die USA verhalten sich offi- ziell noch neutral. Das einzige Land, das Hitler zu diesem Zeitpunkt noch Widerstand leistet, ist Großbritannien. Nun stehen dem „Führer“ zwei Optionen zur Auswahl, um auch Lon- don in die Knie zu zwingen: entweder über den Ärmelkanal setzen und England erobern (Unternehmen „Seelöwe“) oder dessen „Fel- senfestung“ im Mittelmeer, Gibraltar, erobern. Ersteres wäre bei gelungener Durchführung zwar der finale Schlag gegen Churchill, aber „Seelöwe“ ist ein komplexes Großmanöver und nur schwer durchzuführen. Viele hohe Militärs sind deshalb der Mei- nung, Option zwei wäre die bessere: ver- gleichsweise leichter durchzuführen, via Francos Spanien, ist das Angriffsziel relativ einfach zu erreichen und die Konsequenzen für England wären ebenfalls recht harsch – es wäre von seinen Kolonien östlich des Suez- kanals abgeschnitten und Deutschland wäre nur noch einen Katzensprung vom westlichen Nordafrika entfernt. Im großen Ganzen des Konfliktes betrachtet könnte die Eroberung Gibraltars durch die Wehrmacht sogar so etwas wie die Entscheidung im Westen sein.

Der Zweite Weltkrieg hätte dann vielleicht 1941 auf diesem Kriegsschauplatz geendet. So jedenfalls das Kalkül Hitlers und seiner Entourage. Dem vielversprechenden Unter- nehmen gibt man den Namen „Felix“, was auf Lateinisch „glücklich“, aber auch „erfolg- reich“ heißt. „Nomen est omen“ hat man sich dabei wohl gedacht. Nur leider wurde bei der Planung eine wichtige Kleinigkeit über- sehen … Blitzkrieg in Spanien Wie stellt man sich beim Oberkommando der Wehrmacht den Ablauf der Operation vor, die Ende August 1940 von Hitler genehmigt wird? Nun, im Prinzip möchte man das Erfolgsre- zept des Westfeldzuges auf die Iberische Halb- insel übertragen, das heißt, eine Kombination von mechanisierten Einheiten und Infanterie soll über die Pyrenäen nach Spanien und dann so schnell wie möglich nach Süden direkt auf Gibraltar stoßen: Die 16. Infanteriedivision (mot.) besetzt dabei das nordspanische Valla- dolid, die 16. Panzerdivision bezieht Position in Cáceres in der Extremadura und starke SS- Einheiten (3. SS-Panzerdivision „Totenkopf“) quartieren sich in Sevilla in Südspanien ein, oberhalb von Gibraltar. Damit ist eine gerade Verteidigungslinie von den Pyrenäen im Nor- den bis ans Mittelmeer im Süden gezogen, die

Ich bin nur Gott und der Geschichte gegenüber verantwortlich.“ Generalísimo und Caudillo Francisco Franco (1892–1975). Der spanische Diktator hält sich insofern daran, als dass er sich weder von Hitler noch von Mussolini in den Zweiten Weltkrieg ziehen lässt. Beide versuchen es, doch scheitern an Franco, der letztendlich auch dafür verantwortlich ist, dass „Felix“ nicht ausgeführt wird.

HINTERGRUND

Gibraltar, ein Felssporn an der spanischen Südküste, ist seit 1704 britisch. Nach der Eroberung Frankreichs durch die Wehr- macht im Juni 1940 ist der englische Außenposten das ein- zige in Westeuropa verbliebene Territorium der Alliierten. Bei Ausbruch des Krieges wird der Großteil der zirka 20.000 dort lebenden Zivilisten nach Nordafrika beziehungsweise nach Eng- land evakuiert. Gibraltar sichert den westlichen Zugang zum Mittelmeer und ist ein Brückenkopf nach Nordafrika – und damit von immenser strategischer Bedeutung. Der Felsen ist deshalb immer wieder Ziel der Achsenmächte: Er wird rund um die Uhr von Abwehragenten observiert, jedes ein- oder ausgehende Schiff und Flugzeug registriert. Neben Hitlers Invasionsplan ist Gibraltar Ziel italienischer und vichy-französischer Bomber sowie Opfer italienischer Sabotageaktionen der Marine-Spe- zialeinheit Decima Flottiglia MAS. Die Briten ihrerseits bauen ständig an den Verteidigungsanlagen – insgesamt wühlen sie 40 Kilometer Tunnel in den Felsen, in denen sich Quartiere, Werkstätten, Munitions- und Vorratsdepots befinden. Mit dem Bergematerial verlängern die Briten eine Start- und Landebahn ins Mittelmeer hinein. Gibraltar wird nicht erobert und ist bis heute britisch – sehr zum Ärger der Spanier. Gibraltar: die britische Felsenfestung

EINGEIGELT: Die Briten haben sich im wahrsten Sinne des Wortes eingegraben – tiefe Stollen sind in den Felsen geschla- gen. Die Abbildung zeigt eine Übung in einem Untergrundhos- pital 1941. In den Tun- neln können auch die Bombardements der Achsenmächte über- standen werden und KLHUEHƂQGHWVLFKDXFK das Hauptquartier General Eisenhowers während der alliierten Landung in Nordafrika im November 1942 Abb.: Imperial War Museum

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Clausewitz 5/2025

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