Schiff Classic

)$6=,1$7,216&+,))

$%6(+%$5(6(1'( Die Fritz Heckert nach Außerdienststellung als Hulk im Hafen Stralsund Foto: Sammlung Flohr und des Hafens Mukran fungierte. Im Jahre 1991 nach Hamburg verkauft, lag es noch eini- ge Zeit unter dem Namen Gulf Fantasy als Hulk in Dubai und ist 1999 in Indien abge- wrackt worden. Was blieb, sind die Erinnerungen und auch der bis heute anhaltende Stolz der Wis- marer Werftarbeiter. Immerhin fuhr das Schiff zwischen 1960 und 1972 insgesamt 494.345 Seemeilen, dabei wurden über 63.000 Passagiere befördert und 59 Häfen in 24 Län- dern angelaufen. Jedoch nutzten zwischen 1961 und 1989 insgesamt 225 DDR-Bürger eine ihnen zugeteilte Traumreise auf einem der drei Kreuzfahrtschiffe zur Flucht in den „Goldenen Westen“. Für die DDR ein Prestige- verlust ohnegleichen. natürlich die allmächtige Staatssicherheit davor zurückschreckten, Häfen im soge- nannten nichtsozialistischen Ausland anzu- laufen. 6DQJXQGNODQJORVHU$EJDQJ Unabhängig davon gab es Versuche, das Schiff auf reinen Dieselantrieb umzurüsten. Das scheiterte allerdings daran, dass es so- wohl in der DDR als auch in der Bundes- republik keine geeigneten Schiffsdiesel mit den geforderten Parametern gab. Auch wären die Kosten dafür zu hoch gewesen. DDR- Führung, FDGB und auch die Bezirksleitung Rostock der SED mussten schließlich einge- stehen, dass das „Prestigeobjekt und Aus- hängeschild des Sozialismus Fritz Heckert gescheitert war. Stillschweigend und ohne Begleitung der Medien wurde das Schiff nach seiner letzten Ostseereise am 21. Oktober 1970 außer Dienst gestellt, sollte aber zumindest noch als schwimmende Seefahrtsschule verwendet werden. 1972 lag es ohne Wissen der Öffent- lichkeit einige Wochen im Rostocker Stadt- hafen als Wohnschiff für den Berufsnach- wuchs der DSR und wurde Ende April 1972 nach Stralsund verholt, wo es wiederum als Wohnschiff für Werftarbeiter und später für Erbauer des Kernkraftwerkes Lubmin

67(,1'(6$167266(6 Die Gasturbine mit dem zugehörigen Gaserzeuger des vermeintlichen Vorzeigeschiffes Fritz Heckert Foto: MTW

tär, das allein zwischen 1967 und 1969 mit 20 Millionen DDR-Mark unterstützt wurde. Hinzu kamen Devisensubventionen in Mil- lionenhöhe. 9HUNDONXOLHUW Die ursprüngliche hehre Absicht, vor allem Arbeitern und Bauern Urlaubsreisen anzu- bieten, ging völlig ins Leere. Der Preis einer Kabine an Bord war für viele Normalverdie- ner zu hoch. Der FDGB versuchte dies dadurch zu lösen, dass die Betriebe angewie- sen wurden, den größten Teil des Fahrpreises „Wir sind doch hier nicht auf der Fritz Heckert !“ Damit waren unerfüllbare Ansprüche im Alltag gemeint (der Volksmund lästerte auf seine Weise). aus den Kultur- und Sozialfonds zu überneh- men, Bestarbeiter auszuwählen und mit Urlaubsreisen zu belohnen. Zu diesen Schwierigkeiten kam der Ausfall der Gasturbine, die durch einen Import ersetzt werden musste. Dennoch rissen die Klagen nicht ab. Vor allem die Deutsche See- reederei, der das Schiff mittlerweile vom FDGB-Bundesvorstand übergeben worden war, vertrat eine kritische Meinung zu dem angeblichen „Traumschiff“. Vizeadmiral a.D. Heinz Neukirchen, seit 1964 Präsident der Direktion Seeverkehr und Hafenwirtschaft, bezeichnete Fritz Heckert als einen „Experimentalbau“, der die hohen

*$6785%,1(1 Technisch unzulänglich „Die Maschinenanlage Fritz Heckert war eine typische durchgepeitschte Entwicklung des damaligen Projektleiters der MTW und des späteren Technischen und General- direktors der VVB Schiffbau, Alfred Dudszus. Er wollte einen ,Durchbruch' erzwingen, genauso wie mit der späteren Entwicklungs- aufgabe des Diesel-Kreiskolbenmotors, an der ich selbst mitwirken musste und die auch scheiterte. Die Anlage der Heckert erfüllte die Anforderungen nur bedingt. Die importierten Freikolbengaserzeuger erfüllten die Qualitätsanforderungen nicht und dann versagten die Gasturbinen in Verbindung mit den pulsierenden Gas- strömen. Das Schiff lief überwiegend nur mit den beiden NZD-Motoren, was für die Passagiere natürlich von Vorteil war.“ Professor Dr. (Ing.) Spychala, Anforderungen an ein Luxusschiff keines- wegs erfüllen konnte, und empfahl die baldi- ge Stilllegung. Das Schiff blieb zwar in Fahrt, aber vor allem in Ost- und Nordsee, im Mittelmeer oder im Schwarzen Meer. Diese Reiseein- schränkungen waren aber auch der Tatsache geschuldet, dass auf einer Reihe von Reisen immer wieder Passagiere und Besatzungs- mitglieder in westlichen Häfen an Land blie- ben oder einfach über Bord sprangen. Allein 1962 auf der sogenannten „Ärztefahrt“ nach Nordafrika blieben 27 Personen in Casa- blanca und Tunis an Land zurück. Die Folge war, dass sich FDGB und Seereederei und

langjähriger Technischer Direktor des Dieselmotorenwerkes Rostock

55

SCHIFF Classic 6 | 2025

Made with FlippingBook flipbook maker