Schiff Classic

TECHNIK & GERÄT

Verglichen mit den europäischen Rah- segeln des Mittelalters war das Lateinersegel beim Segeln in den Wind dem Rahsegel weit überlegen: Mit ihm konnten die Schiffe um einige Grad höher am Wind steuern. Nach- teilig zeigte es sich beim Aufkreuzen im en- gen Fahrwasser: Dann musste die Rute bei etwas gefierter Rack an den Mast herange- holt werden, bis sie senkrecht stand, und dann vor dem Mast herum auf dessen andere Seite gebracht werden. Vielseitiges Lateinersegel Bis zum 13. Jahrhundert war im Mittelmeer- raum ausschließlich das Lateinersegel in Ge- brauch, das wahrscheinlich von den Arabern ins Mittelmeer eingeführt wurde und sich entlang der europäischen Küsten ausbreitete. Hier ist es heute noch in Gebrauch und in ab- geänderter Form auch auf Rahseglern und Schonern zu finden: Aus dem hinteren Teil des Lateinersegels entwickelte sich das Gaffelsegel, aus dem vorderen Teil das Stag- segel. Der bekannteste Schiffstyp, der Lateiner- segel führte, dürfte die Galeere gewesen sein, die sowohl gerudert als auch gesegelt werden konnte. In der Regel hatte die Galeere zwei Masten: den Fockmast im vorderen Teil des Schiffes und den Großmast auf etwa zwei Drittel der Schiffslänge, beide mit Lateiner- segeln versehen. Das Großsegel der Reale , das 50 Meter lange Flaggschiff Don Juan d’Austrias in der Seeschlacht von Lepanto 1571, hatte an der 50 Meter langen Rute eine Fläche von 565 Quadratmetern, das kleinere Focksegel brachte es noch auf 126 Quadratmeter. Allge- mein hielten sich die Galeeren in der See nicht gut, auch weil sie durch das Manövrie- ren mit ihren großen Segeln und das Ge- wicht ihrer Artillerie im Vorschiff behindert waren. Ihre Stärke zeigte sich bei ruhiger See, wenn die Ruderer mit bis zu fünf Mann an einem Riemen dem Schiff Geschwin- digkeit gaben. Raum durch Stagsegel genutzt Im 16. Jahrhundert tauchten an den Nord- seeküsten zwei weitere Segeltypen auf: das Sprietsegel und das Stagsegel. Ausgehend von der Unmöglichkeit, im engen Fahrwas- ser mit Rahsegeln zu kreuzen, hatten die Hol- länder diese Art Schratsegel entwickelt. Das Sprietsegel war ein rechteckiges Tuch, dessen vorderes Liek an den Mast angereiht war und durch eine schräg stehende Spiere gespannt wurde, wobei das untere Ende der Spiere am Mast befestigt war. Es zeigte schnell seine Vorteile auf den engen Gewässern der ka-

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Vom Gaffelsegel zum Spinnaker: 1 Gaffel-undGaffeltoppsegeleinesSchoners 2 Marconisegel 3 „Drittelsegel“,Loggersegel 4 „Viertelsegel“ 5 Sprietsegel

6 GiekbaumsegeloderBriggsegel 7 Klausegel 8 Bilandersegel 9 Schafsschinken 10 Spinnaker

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SCHIFF Classic 5 | 2022

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