brüllt wird, weil er die sofortige Erschießung Lützows verhindern will. Stumm stehen die Konspirateure und ihre Kameraden noch eine Weile am Ort der Tat. »Na ja, also«, meint der soeben mit dem Tod bedrohte Wortführer schließlich, »dann gehen wir doch erst mal was essen …« Blitzschnell fallen nun die Entscheidun- gen. Günther Lützow erfährt noch während
»Herr Reichsmarschall«, gibt der Atta- ckierte nicht klein bei, »so hat es keinen Zweck. Ich bitte nunmehr im Namen aller anwesenden Kameraden darum, daß wir von unseren Ämtern und Dienststellen enthoben werden. Ich selbst stelle mich zur Verfügung, um als kleiner Infanterist an der Ostfront zu beweisen, daß ich nicht feige bin, wie Sie nicht müde werden zu behaupten.«
mal seine Sekretärin darf Lützow noch in Jüterbog anrufen, um sich die notwendigsten Reiseutensilien nach Berlin bringen zu las- sen. Einige Tage später trifft er in Verona ein. Die Meuterei verpufft In der Zwischenzeit spielt Göring seine rest- lichen Gegner an die Wand. Adolf Galland, unter Gestapo-Aufsicht im Urlaub, wird nach Berlin zurückbefohlen, kaum daß Lützow die Stadt verlassen hat. Gordon Gollob, nun sehr schnell als Gallands Nachfolger inthronisiert, findet gleich nach seinem Amtsantritt Grün- de, ein Kriegsgerichtsverfahren gegen seinen Vorgänger wegen des Vergeudens von Treib- stoff und angeblicher Schiebereien mit Mar- ketenderwaren anzustrengen. Mitangeklagt sind Gallands engste Mitarbeiter. Keiner, der je in Gallands Stab diente, kehrt auf seinen Platz zurück. Unter sich installiert Gollob jenen Walter Dahl als Inspekteur der Tagjäger, den Göring vor gerade zwei Monaten noch wegen Befehlsverweigerung und Feigheit vor dem Feind hinrichten lassen wollte. An Dahl berichten Josef Priller als Inspizient West und Karlfried Nordmann für die Ostfront. Das nunmehr kopflose Häuflein der Kon- spirateure wird nach bewährtem Verfahren beschwichtigt und auf neuen Positionen ruhiggestellt. Eduard Neumann und er hät- ten sich noch einmal in der gebotenen Ruhe mit dem Reichsmarschall ausgesprochen, hält Hannes Trautloft in seinem Tagebuch bieder-erleichtert fest; der Oberbefehlshaber wolle, daß nun endlich wieder Ruhe in die Jagdwaffe komme. »Rödel, Neumann, von Maltzahn und ich sollen Jagddivisionen bekommen. Ich bitte den Reichsmarschall um die 4. Fliegerschuldivision als Nachfolger von Franzl Lützow. Die Bitte wird erfüllt; damit bin ich wieder meinem alten Schleißheimer Kommandeur, General von Massow (General der Fliegerausbildung in Werder) unterstellt. Bevor ich meine neue Dienst-stelle übernehme, bekomme ich noch acht Tage Urlaub, die ich in Oberstdorf verbringe …« Johannes Steinhoff ist mit unbekanntem Ziel verschwunden. 30 Jahre später wird er unter dem Titel In letzter Stunde. Verschwö- rung der Jagdflieger einen Beststeller veröffentlichen, mit dem er das konfuse Aufbegehren von damals in die Nähe echten Widerstands zu rücken sucht – nicht ohne seine Beteiligung daran in bestes Licht zu setzen. So viel Mut jedoch Einzelne aufbrachten, um diese Meuterei der Jäger zu organisieren: Mehr als eine Fußnote kommt ihr in der Geschichte des »Dritten Reiches« und des Zweiten Weltkriegs nicht zu.
Im Nebenraum brüllt Göring Karl Koller an, weil er verhindern will, dass Lützow erschossen wird
des Mittagsmahls, daß gegen ihn die »Reichs- acht« verhängt ist. Diese Strafe hat Göring eigens für ihn erfunden. Er hat das Reichs- gebiet unverzüglich zu verlassen und soll Eduard Neumann als Jagdfliegerführer Oberitalien in Verona ablösen. Eine ordent- liche Übergabe hält Göring für überflüssig, Hauptsache: weg mit dem Mann. Nicht ein-
»Einen Dreck werden Sie tun! Ich werde Sie füsilieren lassen! Und Sie –«, wendet er sich an die Offiziere hinter Lützow, »scheren Sie sich alle zu Ihren Geschwadern zurück! Ich will Sie nicht mehr sehen!« Damit verschwindet er in einen Neben- raum, wo Karl Koller, sein Generalstabschef, noch einige weitere Minuten von ihm ange-
Erst einer der Hauptverschwörer, dann vor Göring eingeknickt:
Oberst Hannes Trautloft, hier noch als Major und Kommodore des JG 54
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