03-2019 D

wieso nicht?

OFFEN bleiben für Gottes Wegweisung

Jesus sagt in Matthäus 28,19-20: «Mir ist alle Macht im Himmel und auf der Erde gegeben. Darum geht zu allen Völkern und macht die Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.» Somit ist die Antwort auf die Frage «Wieso?» eigentlich ganz einfach:Weil Jesus gesagt hat, dass wir gehen sollen! Ich stelle mir da eher die Frage: «Gibt es überhaupt Gründe, nicht zu gehen?» Jesus hat uns den Auftrag gegeben, die gute Nachricht sei- ner Liebe und Erlösung nicht für uns zu behalten, sondern mit allen Menschen auf der ganzen Welt zu teilen. Und so frage ich mich manchmal schon, weshalb wir als Familie hier in der Schweiz sind und nicht im Ausland, um benach- teiligten Menschen zu dienen. Theoretisch weiss ich viele «gute» Antworten darauf: Wir haben vier Kinder im Alter von 6 bis 10 Jahren. Bis vor kurzem waren wir als Eltern oft am Rande unserer Kräfte und sind es zeitweise immer noch. Und das in einer Umgebung, in der man sich alles, was man braucht, nach Hause liefern lassen kann – die Pizza, die Grossbestellung an Milch und die Weihnachtsgeschenke. Wir haben selbstverständlich eine Waschmaschine, einen Kühlschrank, der immer funktioniert, und einen Backofen, den wir programmieren können. Aus eigener Erfahrung wissen wir, wie herausfordernd das Leben im Ausland ohne all diese Hilfen sein kann – waren wir doch mit unseren zwei älteren Kindern (damals 3- und 1-jährig) während andert- halb Jahren mit SAM global in Guinea im Einsatz. Eine lange Liste mit guten Argumenten Was könnten wir im Ausland denn jetzt schon bewirken, wenn wir beide mit unserem Familienleben beschäftigt sind und kaum Kapazität für die Aufgaben vor Ort hät- ten? Auch sind die Kosten, die benötigt werden, um eine sechsköpfige Familie ins Ausland zu senden, nicht zu unter- schätzen, zumal ja nur eine dieser sechs Personen wirklich arbeiten könnte. Macht es da nicht mehr Sinn für uns, in der Schweiz zu arbeiten und unsere Finanzen grosszügig zu in- vestieren? Und die Schulbildung der Kinder? Unser Ältester kommt bald in die Oberstufe – da lohnt es sich doch nicht, jetzt nochmals einen Einsatz im Ausland ins Auge zu fassen ... Ich könnte die Liste der guten Argumente noch ziemlich lange fortsetzen und zusammengefasst sagen, dass die Antwort auf die Frage, wieso wir keinen Einsatz mehr ma- chen, lautet: «Weil das in unserem Fall keinen Sinn macht.» Wie wichtig ist die Sinnfrage? Doch beim Bibellesen stelle ich fest, dass so einiges, was ich

da lese, keinen Sinn zu machen scheint: Ist es sinnvoll, dass Noah ein Schiff mitten auf dem Land baut? Ist es sinnvoll, wenn ein Hirte 99 Schafe allein zurücklässt, um ein verlo- renes zu suchen? Macht es Sinn, dass Maria Jesus mit Öl imWert eines Jahreslohnes salbt? Und wie viel Sinn macht denn der Tod von Jesus in den Augen der Welt? So frage ich mich, wie relevant die Sinnfrage bei Gott überhaupt ist – beziehungsweise ob Gott nicht vielleicht ganz anders über Sinn und Unsinn denkt als wir. Ohne die Liebe ist alles nichts wert Der Auftrag von Jesus ist klar. Deshalb bin ich überzeugt, dass das Thema «interkulturelle Arbeit» nicht nur ein paar wenige, sondern jeden betrifft. Doch ich glaube auch, dass wir aus Liebe zu Gott und den Mitmenschen handeln sollen und nicht einfach aus blossem Gehorsam. Paulus schreibt, dass ohne die Liebe alles nichts wert ist. Somit ist es unser Gebet, dass Gott uns Liebe schenkt für ihn und für unsere Mitmenschen; dass es uns ein Herzensanliegen wird, den Segen, den er uns geschenkt hat, nicht für uns zu behalten, sondern mit anderen zu teilen. Wir brauchen einander, um uns zu ergänzen, voneinander zu lernen und einander zu helfen, ein bisschen ein grösseres Bild von unserem unfass- bar grossen Gott zu erhalten. «Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein» – auch heute Gott hat uns Schweizer mit enorm vielem gesegnet: Wir haben ein ausgezeichnetes Bildungssystem, materiellen Wohlstand, Sicherheit, politische Stabilität und Glaubens- freiheit – und ich kann mir nicht vorstellen, dass er uns das alles nur für uns selbst gegeben hat. Der Gott, der zu Ab- raham sagte: «Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein», ist auch unser Gott. Deshalb bin ich der Überzeu- gung, dass der Segen, den wir empfangen haben, anderen wieder zum Segen werden soll. Wir dürfen Gottes Liebe weitergeben. Wir dürfen den Menschen, die noch nie von ihm gehört haben, die gute Nachricht bringen, dass es ei- nen vergebenden, liebenden Gott gibt, der Gemeinschaft mit ihnen haben will. Und wir dürfen die Gaben, die wir empfangen haben, mit unseren Mitmenschen teilen – sei dies unser landwirtschaftliches, medizinisches, handwerk- liches oder theologisches Wissen, unser Geld oder was auch immer wir bekommen haben. Jeder, der schon einen Einsatz gemacht hat, wird bestätigen können, dass Men- schen in anderen Ländern mit anderen Dingen gesegnet wurden: mit Gelassenheit, mit der Kreativität, aus nichts etwas zu machen; mit einem viel konkreteren Bewusstsein für die unsichtbare Welt, mit der Bereitschaft, einen hohen

Preis für ihren Glauben zu be- zahlen, und mit vielem mehr. Paulus sagt, ein Körper habe viele Glieder – wir brauchen einander weltweit. Doch wir können uns nur ergänzen und voneinander lernen, wenn immer wieder Men- schen bereit sind, zu gehen. Gott um sein Reden bitten Was bedeutet dies nun für uns als Familie? Wir haben erlebt, dass Gott Türen öffnet und schliesst. So bitten wir ihn, uns klar zu zeigen, wenn wir – auch entgegen all dem, was uns sinnvoll erscheint – wieder einen Einsatz machen sollen. Derzeit haben wir das Gefühl, unser Platz sei mo- mentan hier in der Schweiz, und so möchten wir den Se- gen, denwir empfangen, jetzt hier anderen zum Segen wer- den lassen. Wir versuchen, in einem normalen, turbulen- ten Schweizer Familienalltag mit unseren Gaben, unseren Gebeten, unserem Geld, un- seren Kontakten und unserer Zeit den Auftrag zu leben und Gottes Liebe weiterzugeben – inWort und in Tat, so wie Je- sus es uns vorgelebt hat. Das gelingt uns nicht immer, aber manchmal.

Martina ROHNER war mit ih- rer Familie 2011-2012 in Gui- nea im Einsatz

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