03-2019 D

Wenn ich mal

gross bin ...

Zuerst vor der

eigenen Haustüre kehren?

…dann will ich glücklich sein. Das hat zumindest John Lennon ge- sagt. Wir alle haben unsere Träume von einem erfüllten Leben und wir alle werden nie müde, danach zu suchen. Im amerikanischen Grundgesetz ist sogar verankert, dass jeder Mensch das Recht hat, nach Glück zu streben. Aber ist das wirklich der Sinn des Lebens? Irgendwie ist es doch paradox, dass so viele an die Spitze der Karri- ereleiter und des gesellschaftlichen Lebens klettern, aber trotzdem kei- nen Lebenssinn finden. Der Hunger nach «Mehr» treibt uns an. So war es auch bei mir: Ich wollte das wilde Leben schmecken und frei sein. Ich liebte nichts so sehr, wie die Momente, in denen mir das Herz bis zum Hals schlug. Sehnsucht nach Leben Diese Sehnsucht ist von Gott in uns hineingelegt. Wie uns der Durst zu einer Quelle treibt, so treibt uns unsere Sehnsucht nach Leben zu Gott. Aber um den Sinn des Lebens zu finden, müssen wir unser Leben auf- geben. Eine der herausforderndsten Aussagen Jesu bleibt für mich die folgende: «Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir» (Matthäus 16,24). Selbstver- leugnung bedeutet, dass man nicht gemäss dem eigenen Willen und den eigenen Wünschen handelt. Jesus fordert hier einen kompletten Autoritätswechsel in allen Bereichen des Lebens. Aber genau darin liegt das Geheimnis: «Wie Christus die Blüte der Menschheit ist, so ist die Blüte je- des Menschen der Christus, der in ihm zur Vollendung kommt. Die treibende Kraft der Menschlichkeit in ihm ist Christus, er ist seineWurzel – der Anfänger und Vollender seiner Individualität.» (Major Ian Thomas, Gründer der Fa- ckelträger) Je mehr Jesus in mir Gestalt annimmt, desto mehr werde ich zu dem Menschen, den Gott im Sinn hatte, als er mich geschaffen hat. Oft glau- ben und handeln wir so, als ob wir am besten wüssten, wer wir sind und wie wir ganz wir selbst sein könnten. Wir lieben unsere Individualität und merken nicht, dass wir auf dem Holzweg sind. Wer unsere Persönlichkeit zur wirklichen Entfaltung bringt, ist Gott. Leidenschaft wecken In dem Augenblick, als Jesus mir ein neues Leben gab, habe ich erst angefangen, richtig zu leben. Ich durfte die Welt zum ersten Mal mit seinen Augen sehen. Und dann hat er mich gerufen, ihm nachzufolgen. Und derselbe Ruf gilt auch Ihnen. Wie sieht dieses Nachfolgen aus? Ein wichtiger Schritt ist, dass Gott un- ser Herz seinem Herz angleicht. Das tut er, indem er in uns eine Leiden- schaft für das weckt, was ihm wichtig ist. Das Herzstück Gottes sind wir Menschen! Er liebt die Menschen. Und je mehr wir Jesus nachfolgen, desto mehr Liebe werden wir auch haben. Jesus kam auf die Welt und wurde der Diener von allen (Markus 10,45). Würde er heute durch unsere Strassen laufen, würde er wieder dienend lieben. Und genau das tut er auch! In Ihnen und in mir läuft er heute durch die Strassen, wenn wir bereit sind, ihm nachzufolgen.

Am Praisecamp stellten wir hunderten von Jugendlichen die Frage: «Wo siehst du Not in dieser Welt?» Die Antworten sammelten wir mit roten Punkten auf einer riesigen Weltkarte. Viele nannten Gebiete, die wir aus den Nachrichten kennen, wie den Nahen Osten oder Nordkorea. Doch fast genauso viele sahen die grösste Not in der Schweiz, direkt vor der Haustür. Die Schweiz war auch das Land, in demdie meisten Jugendlichen etwas ge- gen diese Not unternehmen wollten. Dieses Beispiel zeigt, dass das Bewusstsein dafür, dass man sich auch in der Schweiz engagieren kann und soll, inzwischen sehr gross ist. Und es nimmt weiter zu: Einerseits gibt es immer mehr Initiativen für Gemeindegründungen, andererseits steht auch die Arbeit unter Ausländern in der Schweiz in vielen Ge- meinden zunehmend im Fokus. «Schön und gut, aber ich bleibe lieber hier» Durch dieses Bewusstsein für die Not von Migrantinnen und Migranten wurde schon viel Gutes bewirkt. Es hält die christlichen Gemeinden aber auch sehr auf Trab – und das hat Folgen. Wenn bei uns privat und bei der Arbeit viel läuft, liegt unser Fokus darauf, unsere eigenen Aufgaben so gut und schnell wie möglich zu erledigen. Wir lassen uns dann nur wenig von der Not ablenken, die um uns herum herrscht. So geht es auch den Gemeinden in der Schweiz: Vor der Haustüre gibt es so viel zu tun, dass nur wenig Zeit bleibt, um einen Blick über die Grenzen hinauszuwerfen. Wennwir erzählen, dass wir in Kürze als interkulturelleMitarbeitende ins Ausland reisen möchten, dann werden wir darin meistens ermutigt – gefolgt von: «Aber ich bleibe lieber hier, es gibt hier noch so viel zu tun. Und wir haben ja auch hier viele Ausländer.» Die Arbeit im Ausland wird zwar als gut und wichtig erachtet, wird aber von allen anderen Nöten verdrängt. Dadurch haben immer weniger Personen und Gemeinden Kontakt zu Mitarbeitenden im Ausland. Insbesondere die jüngere Generation kam oft noch gar nie mit dem Thema Auslandmission in Berührung oder hat ein veraltetes und verdrehtes Bild davon. Die Arbeit im Ausland kann nicht ersetzt werden Doch interkulturelle Arbeit in der Schweiz ist nicht dasselbe wie die Arbeit im Ausland. So begegnen wir imAusland ganz anderen und oftmals viel existenziel- leren Problemen. Auch kann Auslandmission durch die Arbeit unter Ausländern im eigenen Land nicht ersetzt werden: Der Leiter der Diaspora-Arbeit bei OMF erklärte kürzlich, dass sich relativ viele chinesische Austauschstudenten ausser- halb von China für ein Lebenmit Jesus entscheiden. Nur 10 Prozent von ihnen le- ben jedoch ihren Glauben nach ihrer Rückkehr nach China weiterhin aus. Wenn also die lokalen Gemeinden im Ausland, in den Herkunftsländern dieser Perso- nen, nicht ebenfalls aufgebaut und gestärkt werden, ist auch die Nachhaltigkeit der Arbeit unter Ausländern in der Schweiz nicht gesichert. Es ist daher wichtig, dass in unseren Gemeinden und theologischen Schulen auch Auslandmission ein Thema ist und bleibt. Junge Erwachsene sollen erfah- ren, wie die Arbeit im Ausland heute wirklich aussieht – und die Gelegenheit haben, sich selber vor Ort zu engagieren. Wir möchten Sie und uns ermutigen: Setzen wir uns weiterhin dafür ein!

Samuel TOM, ProVIDA, Brasilien

Daniel & Tabea FREI, interkulturelle Mitarbeitende von OMF

An dieser Stelle geben jeweils junge Erwachsene und Kurzzeitmitarbeiten- de etwas aus ihrem Leben weiter.

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