01-2019 D

A M S g l o b a l l l

SERVE AND MULTIPLY 1/2019

HISTORY MAKERs

1/2019

. ..ganz persönlich:

EDITORIAL

History Makers

Geschichte schreiben – abseits der Geschichtsbücher Die Anfänge von SAM global lassen sich auf 1889 zurückdatieren – das sind jetzt 130 Jahre! Zum Ver- gleich: 1889 ist gerade der Eiffelturm eingeweiht worden, der damals von einem grossen Teil der Bevölkerung als «Schandfleck» angesehen wurde. Auf der Weltkarte finden sich noch Staaten und Regionen wie «Deutsch-Südwestafrika», «Kaiser- Wilhelm-Land» und «Goldküste». Die Schallplatte, die Glühbirne, das Auto und Coca-Cola sind gerade erst erfunden worden, den Zeppelin, den Teddybär, die Zündkerze und die Zahnpasta gibt es aber noch nicht. Auch bis zum ersten Motorflugzeug dauert es noch ein paar Jahre – und vermutlich kann sich zu diesem Zeitpunkt kaum jemand vorstellen, dass Fliegen dereinst für viele etwas Selbstverständliches sein wird. Mehrere Jahrzehnte entfernt sind wir na- türlich auch noch von Computer und Internet. Die Welt hat 1889 definitiv anders ausgesehen. Was damals war, ist heute Geschichte. Die Leute, die damals mit SAM global im Einsatz waren, leben nicht mehr. Die meisten von ihnen sind nicht in die offizi- ellen Geschichtsbücher eingegangen. Aber sie und alle anderen, die sich in den letzten 130 Jahren in un- seren Einsatzländern investiert haben, haben defini- tiv Geschichte geschrieben! In den Leben der Men- schen um sie herum, in ihrem Dorf, in ihrer Region, manchmal im ganzen Land. Vielleicht wären einige von ihnen gar nie ausgereist, wenn sie gewusst hät- ten, was Gott alles durch sie bewirken würde … aber sie haben den Schritt im Vertrauen gemacht und es hat sich gelohnt! History Makers, Geschichtsschreiber, gibt es nicht nur in der Vergangenheit. Gerade heute sind unsere Mitarbeitenden in den zehn Einsatzländern dabei, Geschichte zu schreiben. Ein paar von ihnen kom- men in diesem Focus zu Wort. Sie stehen stellvertre- tend für die vielen engagierten Mitarbeitenden, die in den letzten 130 Jahre mit uns im Einsatz waren, und die unzähligen wundersamen Geschichten, die wir erleben durften. Es gäbe noch so viel mehr zu er- zählen, als in diesem Focus Platz hat! Unsere ehemaligen und aktuellen Mitarbeitenden würden sich wohl alle selber nicht als History Ma- kers bezeichnen. Aber im Wissen, dass Gott unsere Bereitschaft nutzt, um Grosses zu bewegen, können wir mit Zuversicht sagen: Sie alle haben Geschichte geschrieben. History Makers – damals und heute

Begegnung im Café Kürzlich sass ich in meinem Lieblingscafé und ging einigen administrativen Arbeiten nach. Da ich nun schon eineWei- le in Kambodscha lebe und gerne auf Menschen zugehe, kennen mich die Angestellten des Cafés inzwischen bes- tens und helfen mir bei meinen Besuchen jeweils, meine Sprachkenntnisse in Khmer, der lokalen Sprache hier, zu verbessern. Die Sprache als Türöffner An diesem Tag sass ein Vater mit seiner ungefähr 7-jäh- rigen Tochter am Tisch neben mir. Er beobachtete mich, während ich mich mit den Angestellten unterhielt, und nach einerWeile fragte er mich schüchtern, wieso ich denn so gut Khmer sprechen könne. So kamen wir ins Gespräch. Ich erfuhr, dass sein Spitzname Dembo ist und er aus einer benachbarten Provinz kommt. Auf die Frage, was er denn in Battambang mache, antwortete er mir, dass seine Frau es geliebt hatte, dieses Café zu besuchen. Sie war jedoch leider vor einer Woche verstorben und er war nun herge- kommen, um sich an die gemeinsamen Zeiten zu erinnern. Zeit verschenken Ich hatte an diesem Morgen eigentlich noch einen Termin, aber ich entschied, dass dieses Gespräch jetzt wichtiger war und alles andere warten musste. Ich setzte mich zu Dembo hin und er erzählte mir dann, wie einsam er sich ohne seine Frau fühlte und dass er nicht wusste, wie er die gemeinsame Tochter alleine grossziehen sollte. Ich hätte ihm gerne irgendwie geholfen, aber in diesem Moment gab es nicht viel, was ich hätte tun oder sagen können – und so hörte ich ihm einfach weiter zu. Als ich mich über eine Stunde später verabschiedete, bedankte er sich gefühlte hundert Mal bei mir. Ich glaube, es hat ihm sehr gutgetan, einfach einmal darüber zu sprechen, wie es ihm wirklich ging – das ist in Kambodscha sonst eher untypisch. Lieber Dembo, du bist ein herzensguter, toller Vater, und auch wenn ich dir ausser meiner Zeit nichts geben konnte, so hoffe ich, dass wir uns eines Tages wiedersehen und un- sere Geschichte noch weitergeht!

Elias GERBER, Lighthouse Battambang, Kambodscha

Nachtrag: Vor kurzem habe ich hier in Battambang mit mei- nem Studium in sozialer Arbeit angefangen – und wen treffe ich dort am ersten Tag? Dembo! Er ist Lehrer an meiner Uni- versität. Es war ein sehr herzliches Wiedersehen und ich freue mich darauf, ihm in Zukunft öfter zu begegnen!

Sarah BRÜHWILER, Kommunikation

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MEILENSTEINE AUS 130 JAHREN

Wenn wir uns zur Verfügung stellen, schreibt Gott Geschichte

Gründung der Deutschen Allianz-China-Mission durch Fredrik Franson

1889

Der erste Schweizer reist mit der Deutschen Allianz-China-Mission aus

1896

Gründung der «Philafrikanischen Mission» durch Héli Chatelain und Start der Arbeit in Angola

1897

Gründung eines Schweizer Komitees der Deutschen Allianz-China-Mission

1902

1922

Umbenennung in Allianz-China-Mission

Der Krieg in Deutschland erschwert die Arbeit. Der Schweizer Verein wird selbständig und übernimmt die Weiterführung einiger Bereiche unter dem Namen «Allianz-China-Mission». (Der deutsche Verein nimmt seine Tätigkeit später eigenständig wieder auf und heisst heute «Allianz-Mission».)

1940

Die Kommunisten übernehmen die Kontrolle in China. Alle ausländischen Mitarbeitenden müssen ausreisen. Die «Allianz-China-Mission» muss sich neu orientieren und beginnt eine Zusammenarbeit mit der «Philafrikanischen Mission».

Keine Übermenschen Solche Menschen gab es in der Geschichte von SAM global immer wieder: Normale Personen, die bereit waren, zu gehen, sich einzusetzen, anderen zu dienen. Durch sie konnte die Ar- beit in Angola, Brasilien, China, Guinea, Japan, Tschad, Kamerun und so weiter gestartet wer- den, durch sie wurden Schulen, Spitäler und Gemeinden gegründet, Brunnen gebaut und Landwirtschaftsprojekte lanciert, durch sie er- hielten unzählige Menschen eine Ausbildung, erfuhren Hilfe und erlebten Gottes Liebe ganz praktisch. Sie alle waren keine Übermenschen, aber sie entschieden sich, ihre Zeit und Ressour- cen zu geben. Und Gott hat ihre Bereitschaft ge- nutzt und durch sie etwas bewirkt – manchmal sichtbar, manchmal unsichtbar. Doch egal, ob es kleinere oder grössere Auswirkungen sind, ob man schon Ergebnisse sieht oder noch nicht, ob es ein steiniger Weg war oder ob es relativ einfach vorwärts ging: Ihre Arbeit hat Ewigkeits- wert und es entstand und entsteht Frucht, die bleibt (vgl. Johannes 15,16) – und das lohnt sich.

Dieses Jahr feiern wir 130 Jah- re SAM global. Wow! Wenn wir zurückschauen, können wir nur darüber staunen, was in dieser Zeit alles passiert ist, wo Gott uns überall hingeführt hat und welche Geschichte er mit den Menschen geschrieben hat, die sich auf einen Einsatz im Ausland eingelassen haben. Angefangen hat alles mit zwei nor- malen Männern: 1889 hörte Fredrik Franson, ein schwedisch-amerikani- scher Evangelist und Mobilisator, von der grossen Offenheit in China für die gute Nachricht von Jesus Christus und dem Mangel an Mitarbeitenden. Er reiste nach China und gründete die «Deutsche Allianz-China-Mission». Etwas später, 1897, reiste der Neuen- burger Héli Chatelain nach Angola, um den durch den Sklavenhandel entwürdigten Afrikanern ganzheit- lich zu dienen. Er startete mit fünf ehemaligen Sklaven eine kleine Ge- meinde, aus der später die grosse De- nomination IESA entstand, und grün- dete die «Philafrikanische Mission». Später schlossen sich die beiden Or- ganisationen zur «Philafrikanischen und Allianz-Mission» zusammen, die 1967 in Schweizer Allianz Mission umbenannt wurde und seit 2017 den Namen SAM global trägt. Fredrik Franson und Héli Chatelain waren zwei normale Männer, die etwas verändern wollten und sich dafür Gott zur Verfügung stellten – ohne zu wissen, was auf sie zukom- men würde, und ohne zu erfahren, was seither aus ihrer Initiative alles Grossartiges entstanden ist.

1951

Fusion der beiden Organisationen und Umbenennung in «Philafrikanische und Allianz-Mission». Es gibt fortan einen französisch- und einen deutschsprachigen Zweig.

1952

Japan wird als neues Einsatzland aufgenommen

1953

Politische Unruhen und Kriegszustand in Angola – Arbeit wird vorübergehend verunmöglicht

1961

1963

Start der Arbeit in Brasilien

Namenswechsel zu Schweizer Allianz Mission (SAM)

1967

Der Zweig in der französischsprachigen Schweiz heisst neu Alliance Missionaire Evangélique (AME). SAM und AME arbeiten als Partner eng zusammen und verwalten mehrere Projekte gemeinsam. Die Schweizer Allianz Mission und die Alliance Missionaire Evangélique werden eine Organisation

1968

1981

Start der Arbeit in Guinea

1992

Start der Arbeit in Sri Lanka. Beziehungen zu chinesischen Organisationen werden wieder intensiviert.

1993

2003

Neues Logo

Wir alle können Geschichte schreiben

Ü bergabe der Arbeit in Japan an die ÜMG und Integration der meisten verbleibenden Mitarbeitenden

2008

Auch heute noch schreiben unsere Mitarbei- tenden Geschichte. Und wir alle können dazu beitragen, dass Geschichte geschrieben wird! Indemwir gehen, wenn wir können – oder indem wir beten, unterstützen, das Anliegen bekannt machen ... Lassen Sie uns alle History Makers sein!

Integration der Organisation Vision Africa (VIA) und Übernahme der Projekte in Kamerun, Tschad und Burkina Faso

2011

Die Schwerpunkte werden neu gegliedert: Theo- logische Bildung und Praxis, Medizinische Bildung und Prävention, Grund- und Berufsbildung, Verbes- serung der Lebensgrundlagen, Sensibilisierung

2014

Indien und Kambodscha kommen als neue Einsatzländer dazu

2015 2016

Umbenennung von SAM und AME zu SAM global . SAM steht neu für S erve A nd M ultiply . Die Vision wird neu definiert: Mit Bildung Leben verändern

Jürg PFISTER, Leiter SAM global

2017

SERVE AND MULTIPLY

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Einer der ersten History Makers in unserer Geschichte: Fredrik Franson

starken Willen und einer enormen Flexibi- lität. Jesus Christus bildete für ihn die ver- bindlicheMitte des Glaubens und der bereits angebrochenen Herrschaft Gottes. Gleich- zeitig war er erfüllt von der Hoffnung auf das zweite Kommen von Jesus, das jederzeit geschehen könnte. Deshalb sollten die Men- schen in Evangelisationsveranstaltungen die Gute Nachricht hören und die Gemeinden motiviert werden, Jesus Christus auf allen Kontinenten bekannt zu machen. Franson wollte möglichst rasch mehr Mitarbeitende in die Weltmission entsenden. Die von ihm gegründeten Missionsgesellschaften und freikirchlichen Gemeindeverbände dienten als Instrument dieser Vision. Praktische Dienste: Zur Missionsmethodik Fransons gehörten eine Vielfalt sozialdia- konischer Dienste wie medizinische Arbeit, Waisenhäuser, Schulen und eine Suchtkran- kenarbeit unter Opiumrauchern. Damit soll- ten Gottes Liebe und Fürsorge für den gan- zen Menschen und besonders für Schwache, Kranke und Ausgegrenzte sowie etwas von der verändernden Kraft des Evangeliums sichtbar werden. Innovation: Franson setzte für seine Ar- beit neue christliche Lieder ein und sandte interkulturelle Mitarbeitende ohne lange theologische Ausbildung aus. Für die Um- setzung seiner Vision nutzte Franson unein- geschränkt das Potenzial der Frauen in Ver- kündigung, Musik, Leitung, Seelsorge und sozialdiakonischen Aufgaben, was damals äussert ungewöhnlich war.

te ihn für den interkulturellen evangelis- tischen Dienst, der ihn in über 50 Länder führte. Seine Missionsmethodik entstand aus der Praxis seines interkulturellen Diens- tes und aus Studienreisen. Das sorgfältige Beobachten, Vergleichen und Analysieren unterschiedlicher missionsmethodischer Ansätze veranlasste ihn, seine Erkenntnisse und Ergebnisse schriftlich festzuhalten und zur Publikation vorzubereiten. Vernetzung: Franson legte viel Wert auf die Vernetzung von Leitenden, interkultu- rellen Mitarbeitenden und evangelischen Missionsgesellschaften. Er prägte Netzwer- ke wie die Weltweite Evangelische Allianz, die Heiligungsbewegung und die internati- onal tätige Sonntagschulvereinigung. Durch sein rastloses Wirken in 22 Jahren und sein ausgeprägtes Organisationstalent sind zahlreiche Gemeinden, vier freikirch- liche Gemeindeverbände und fünfzehn Missionsorganisationen entstanden, von denen viele bis heute in irgendeiner Form aktiv sind. Die Doktorarbeit zeigt, dass die Dringlich- keit der weltweiten Arbeit, die Notwendig- keit kontextualisierter, flexibler und innova- tiver Methoden sowie die Berechtigung und Vorteile der Vernetzung die Arbeit im 19. und 20. Jahrhundert positiv geprägt haben und auch im 21. Jahrhundert einen hohen Stellenwert haben sollten. Eine solide theo- logische Ausbildung und anthropologische Sensibilität für fremde Kulturen und Religi- onen bleiben grundlegende Voraussetzun- gen für einen nachhaltigen Dienst.

Fredrik Franson war 1889 mitverantwort- lich für die Gründung der «Deutschen Al- lianz-China-Mission», aus der später SAM global entstand. Hans Ulrich Reifler, der von 1976 bis 1991 mit SAM global als Ge- meindebauer, Dozent und Buchautor in Brasilien im Einsatz war, hat sich in seiner Doktorarbeit an der Evangelischen Theo- logischen Fakultät Leuven intensiv mit dem Leben und Wirken von Fredrik Fran- son auseinandergesetzt: Fredrik Franson kam 1852 in Pershyttan, Mit- telschweden als Kind eines Grubenarbeiters zur Welt. Die Familie litt unter der skandinavi- schenWirtschaftskrise und wanderte deshalb in die USA aus, als Franson 17 Jahre alt war. Das bäuerliche Leben imBundesstaat Nebras- ka war gekennzeichnet von materiellen Ent- behrungen und Krankheit. Der einfache Le- bensstil bereitete Franson auf ein Leben vor, das durch das Vertrauen auf Gottes Fürsorge geprägt war. Bereits im Alter von 23 Jahren wurde Franson Laienprediger. Später organisierte er Gros- sevangelisationen mit Nachversammlungen und führte Evangelisationskurse durch, um Menschen für die weltweite Arbeit zu gewin- nen und auszubilden. Er gründete freikirchli- che Gemeindeverbände und Missionsgesell- schaften und bereiste mehr als 50 Länder. Folgende Punkte fallen bei der Auseinander- setzung mit Fredrik Fransons Denken und Handeln auf: Motivation: Fransons Dienstleben war ge- prägt von einer tiefen Spiritualität, einem

Die Anfänge von SAM global Franson reiste 1889 zur Herbstkon- ferenz der Neukirchener Waisen- und Missionsanstalt. Dort traf er sich mit dem Waisenhausinspektor Heinrich Mandel und dem Kaufmann Carl Pol- nick zum gemeinsamen Mittagessen. Franson berichtete über die grossen missionarischen Herausforderungen Chinas. Mandel, Franson und Pol- nick beschlossen, dass diese neue Aufgabe von Barmen aus übernom- men werden sollte. Im November 1889 führte Franson in Barmen einen Evangelisationskurs durch, aus dem sich einige Missionskandidaten und -kandidatinnen für China meldeten. 1890 reisten die ersten aus. Das wa- ren die Anfänge der Deutschen Chi- na-Allianz-Mission, der zweitältesten Glaubensmission in Deutschland, aus der später die Allianz-Mission und die Schweizer Allianz Mission (heute SAM global) hervorgingen.

Zusammengefasst aus der Dok- torarbeit «Zur Missiologie Fredrik Fransons (1852-1908): Eschatologie, Missionsmethodik und Transnationale Vernetzung» von Hans Ulrich Reifler

Auseinandersetzung mit anderen Kultu- ren: Fransons Sprachbegabung prädestinier-

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Gott schreibt auch heute Geschichte durch uns

Eine «crazy idee» – und dannWunder umWunder

Wir waren seit fünf Jahren als Projektleiter von ActionVIVRE Nord in Guinea im Einsatz, als vom Länderverantwortlichen Jürg Pfister die crazy Idee kam, eine Schule zu bauen. Wir waren damals ein kleines Team und definitiv keine mu- tigen Helden – das Projekt schien uns viel zu gross und zu teuer. Doch zusam- men mit dem einheimischen Pastor stellten wir uns zur Verfügung. Wir spürten einen grossen Frieden und beschlossen, einfach mal Schritte zu machen und zu schauen, was dabei rauskommen würde. Und dann ging es los, Schlag auf Schlag. Gott öffnete die Türen so schnell, dass wir uns ziemlich sputen muss- ten, um hindurchzugehen ... Es folgten extrem intensiveWochen. Das Geheim- nis für das Gelingen war, dass wir trotz unmöglicher Herausforderungen und Anfechtungen in einer grossen Einheit unterwegs waren. Auch ergänzten wir uns wunderbar in unseren Gaben, sodass jeder eigenständig und kompetent einen Teil zum Ganzen beitragen konnte. Für lange Diskussionen war keine Zeit. Wir erlebten Wunder um Wunder: Innert weniger Wochen hatten wir ein Grundstück, Baupläne, 80'000 Franken, einen Bauunternehmer, einen Schuldi- rektor und die nötigen Bewilligungen. Jeder gab, was er konnte, es gab kaum Pausen. Nach nur acht Monaten wurde die Schule eingeweiht – fertig wurde sie wenige Stunden vor der Einweihungsfeier. So sehr wir uns über «unsere» Schule freuten – es bestand kein Zweifel: Das war nicht unser Projekt. Das wa- ren nicht wir, die da Geschichte schrieben. Das machte und macht ein anderer. Schon seit Jahrtausenden. Besser so. Adrian Förster (ehemals Leiter von Action- VIVRE Nord, Guinea; heute Leiter TearFund)

Gott hat durch unsere Mitarbeitenden in den letzten Jahrzehnten auf unterschiedliche Art und Weise Geschichte geschrieben und durch einzelne Personen Grosses entstehen lassen – und er ist immer noch dran:

30 Jahre Leben teilen mit Folgen Natürlich kann man in wenigen Augenblicken Geschichte schreiben. Usain Bolt brauchte nicht ein- mal neun Sekunden dafür. Wir brauchten annähernd 30 Jahre. Aber wir wissen, dass die Früchte un- seres Dienstes unvergänglich sind. Zurück zum Anfang: Ursula war als ausgebildete Lehrerin Kandidatin für die Schule von SAM global in Brasilien. Ich war Kandidat für einen Einsatz im Bereich Gemeindebau. Wir lernten uns durch SAM global kennen und reisten 1990 mit unserem Erstgeborenen aus. Unsere Zeit in Brasilien können wir in drei Jahrzehnte aufteilen: Erstes Jahrzehnt: Gründung einer Gemeinde mit angehängter christlicher Schule. Das waren unsere «Junggesellenjahre». Zweites Jahrzehnt: Leitung des Gemeindegründungsprojekts ProPIAUI – durch die Ausbildung von Jungpastoren und das Motivieren von bestehenden Gemeinschaften wurden rund 40 Gemein- den gegründet. Drittes Jahrzehnt: Gründung der brasilianischen Organisation ProSERTÃO, die im Nordosten Brasi- liens unter Menschen arbeitet, die noch nie von Jesus gehört haben. Ausbildung von Pastoren, Leitenden und Mitarbeitenden, um ihnen die Vision von ProSERTÃO weiterzugeben. Als wir letztes Jahr von Brasilien Abschied nahmen, erzählten uns viele Personen von Situationen und Begegnungen, die wir teilweise schon lange vergessen hatten, die für sie aber wichtig waren und immer noch sind. Durch verschiedene Zeugnisse erfuhren wir, dass Menschen sich durch unse- ren Dienst gesegnet und bereichert fühlten. Viele unserer brasilianischen Freunde wurden motiviert, Jesus kennenzulernen und haben Hoffnung und Lebenssinn gewonnen. Immer wieder sagten uns Leute, dass unser Verzicht auf Wohlstand, Heimat, Verwandtschaft und Berufskarriere sowie unsere Nächstenliebe und Hingabe für Gottes Arbeit sie inspiriert hat. Viele fanden ihre Berufung oder Be- gabung und eine Vision für ihr Leben in der Nachfolge. Nicht wenige sind zu Nachahmern geworden. Wir sind Teil ihrer Geschichte. Abschliessend und zusammenfassend können wir sagen, dass sich der Langzeiteinsatz gelohnt hat. Wir haben Glaubwürdigkeit und Anerkennung erhalten, weil wir den Brasilianern Brasilianer wurden, weil wir mit ihnen Leben teilten, uns mit ihnen freuten und mit ihnen litten. Wir durften erleben, wie dadurch Geschichte geschrieben wurde, die jetzt noch weitergeht und Kreise zieht – im Leben von Einzelnen und in den Gemeinden. Beat Roggensinger (ProSERTÃO, Brasilien)

Heute leiten Einheimische die ganze medizinische Arbeit Ich bin 1984 für meinen ersten Einsatz als Krankenschwester nach Nordkame- run gereist. Damals wurden in Kamerun gerade Impfungen eingeführt, AIDS wurde entdeckt und ein staatliches Gesundheitssystem aufgebaut. Telefone gab es nur in den Städten. Zum Ausreisegepäck gehörte unter anderem eine Schreibmaschine. Nur wenige Einheimische sprachen Französisch – man muss- te die lokale Sprache erlernen. Die Leitenden in der Kirche und der medizini- schen Arbeit waren in der Regel Europäer. Ich war in einem Gesundheitszen- trum tätig, wo ich unter anderem einheimische Mitarbeitende ausbildete. In den darauffolgenden Jahren konnte immer mehr Verantwortung an gut aus- gebildete Kameruner übergeben werden und die Zahl der Auslandmitarbei- tenden nahm kontinuierlich ab. Ab 1993 half ich mit, eine Augenklinik sowie ei- nen Basisgesundheitsdienst in den Dörfern aufzubauen. Heute ist die gesamte medizinische Arbeit, bestehend aus acht Gesundheitszentren, in afrikanischen Händen. Die Verantwortlichen werden von Europa aus und bei regelmässigen Besuchen beraten und ermutigt. ZumGesundheitszentrum, in dem ich zu Beginn arbeitete, gehörte eine damals noch sehr kleine Kirche – heute besuchen jede Woche rund 400 Personen den Gottesdienst dort. Ich durfte in meiner Zeit in Kamerun zudemmiterleben, wie unter einem islamischen Volk mehrere Hauskreise entstanden. Diese Christen haben Verfolgung erlebt, einige wurden ermordet. Doch viele wurden durch das Leiden in ihrem Glauben gestärkt.

Wegen der Grenznähe zu Nigeria und Übergriffen durch Boko Haram mussten wir im Juni 2014 den Norden von Kamerun endgültig verlassen. Ich verbrachte daraufhin zwei Jahre in der Hauptstadt des Tschads, um mich neu zu orientieren. Seit zwei Jahren arbeite ich nun im Regierungsspital einer Oase mitten in der Wüste im Norden des Tschads mit. Wir leben und arbeiten unter einemVolk, das in den letzten Jahren durch Goldfunde und moderne Kommunikationsmittel innert kürzester Zeit von ihrer jahrhundertealten Lebensweise in die Moderne katapultiert wurde. Die traditionellen gesellschaftlichenWerte verändern sich rasant. Den jungen Menschen fehlt es häufig an Bildung und Orientierung. Als internationales Team wollen wir ihnen durch unser Vorbild helfen, eine sinnvolle Lebensgrundlage zu finden. Noch gibt es Christen gegenüber viele Vor- urteile. Wir werden stark beobachtet und hoffen, dass unser Lebensstil (Lebens-)Fragen aufwirft. In meinen über 30 Jahren Einsatz gab es Zeiten, in denen ich das Gefühl hatte, mein Engagement bringe nichts. Inzwischen weiss ich, dass Gott oft hinter den Kulissen durch uns wirkt, ohne dass wir es im Alltag realisieren. Manchmal erhaschen wir einen Blick dahinter und dürfen ermutigt weitergehen. Helen Müller (Tschad und Kamerun)

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Damit es weitergeht Wir sind 2008 auf SAM global gestossen. Die ausgeschriebene Stelle zum Aufbau einer HIV/AIDS-Behandlung hat mich sofort angesprochen. Im November 2010 sind wir mit damals zwei Kin- dern nach Macenta, Guinea ausgereist. Innerhalb von vier Jahren konnte ich mit den einheimischen Mitarbeitenden ein HIV-Zen- trum aufbauen, welches mittlerweile mehr als 1200 Patienten behandelt und betreut. Schnell habe ich dabei realisiert, dass ich mich in meiner Arbeit nicht nur auf mein Konsultationszimmer beschränken kann – Personalführung, Kontakte zu Behörden und anderen Organisationen, Mittelbeschaffung, Buchhaltung und Rapportwesen gehören auch dazu. Ich musste und durfte viel lernen, fand aber auch Gefallen an diesen Zusatzaufgaben. Seit der krankheitsbedingten Abreise des Projektleiters im Jahr 2015 bin ich für das Spital verantwortlich. Eine meiner grössten Aufgaben besteht nun darin, dieses Spital, welches 1981 von SAM global als Behandlungszentrum für Leprakranke gegründet und seither kontinuierlich ausgebaut wurde, auf eine neue Grundlage zu stellen, sodass es dereinst selbständig und unabhängig funk- tionieren kann. Eine sehr spannende, aber auch komplexe Auf- gabe. Mittlerweile durften wir ein wichtiges Etappenziel feiern: 2018 hat der Gesundheitsminister ein Abkommen unterzeichnet, wel- ches dem Spital unter dem neuen Namen «Centre Hospitalier Régional Spécialisé (CHRS) Macenta» den Autonomiestatus ver- liehen hat. Neben der Umsetzung dieses wichtigen Schrittes gibt es weiterhin viele alltägliche Aufgaben, in denen es gilt, nicht nur gute Lösungen zu finden, sondern auch die einheimische Spi- talleitung zu schulen und ihnen die Verantwortung Schritt für Schritt zu übergeben – beispielsweise für die Medikamentenlo- gistik. In all dem ist es gut zu wissen, dass wir den gleichen Herrn haben, der auch in Zukunft über dem CHRS Macenta und seinen Mitarbeitenden und Patienten wachen wird! David Leuenberger (ProESPOIR, Guinea)

«Offenes Land» in guineischen Buschdörfern

Ich weiss nicht genau wieso, aber fast seit ich denken kann, bin ich von zwei Dingen fasziniert: Afrika und Kindergarten. So erstaunt es wahrscheinlich nicht, dass ich zwischen mehreren Kurzeinsätzen in Afrika die Ausbildung zur Kindergärtnerin absolvierte. Nach ein paar Jahren Berufstätigkeit in der Schweiz und einem Jahr Bibelschule lan- dete ich schliesslich im ActionVIVRE Nord in Guinea, wo ich mit mei- nem Job im Kindergartenprojekt sozusagen «dä Füüfer und s’Weggli» habe. Bei meiner Aussendung in der Gemeinde habe ich mir das Lied «Off- nigs Land» von ICF Zürich gewünscht, in dem es heisst: «Ich lasse alles zurück und schaue nur auf dich. Vor mir liegt offenes Land und du begleitest mich.» Diese Zeilen gingen mir in der Zeit vor meiner Aus- reise immer wieder durch den Kopf, obwohl ich nicht genau wusste, was das «offene Land» für mich bedeutete. Inzwischen glaube ich, ein kleines Stück davon zu sehen. Ursprünglich dachte ich, dass wir nach meiner Ankunft in Guinea ein- fach eine zweite Kindergartenklasse im bestehenden Kindergarten eröffnen und eine zweite einheimische Person ausbilden würden. Inzwischen haben wir bereits drei Klassen und zudem zwei Kinder- gärten in benachbarten Dörfern gestartet. Ein Kindergarten in einem dritten Dorf ist in Planung. Nie hätte ich gedacht, dass ich «kleines Schweizer Mädchen» ein- mal in afrikanische Buschdörfer reisen würde, um mit ehrwürdigen Dorfältesten zu verhandeln und mitzuerleben, wie praktisch aus dem «Nichts» ein Kindergarten entsteht. Diese Aufgabe ist mir häufig eine Schuhnummer zu gross. Doch Gott begleitet mich, wie im Lied be- schrieben. Wir dürfen mit unseren Kindergärten in den Dörfern ein Licht sein. Neben der Moschee und der Koranschule steht unsere Kin- dergartenhütte, wo die Kinder Geschichten von unserem liebenden Gott hören und einen Grundstein für ihre weitere schulische und be- rufliche Zukunft legen können. Vielleicht ergeben sich dadurch noch ganz andere Möglichkeiten, der Dorfbevölkerung zu dienen und Got- tes Liebe weiterzugeben? Ich sehe jedenfalls noch mehr offenes Land und bin gespannt, was Gott noch vor hat mit dem Kindergartenprojekt. Naemi Schelling (ActionVIVRE Nord, Guinea)

Dann haben wir uns jedoch für ein Jahr Bibelschule eingeschrieben und einen Auslandaufenthalt von drei Jahren in Afrika ins Auge gefasst. Schliesslich haben wir drei Jahre lang studiert und sind mehr als zehn Jah- re im Tschad geblieben. Nach jeder Etappe zeigte uns Gott den nächsten «Pfos- ten» und gab uns die Kraft und den Mut, ihn anzupei- len. Manchmal hatte es Nebel und wir konnten nicht klar erkennen, wo es weiterging – zum Beispiel, als wir uns während einem Heimataufenthalt entscheiden mussten, ob wir mit unseren vier kleinen Kindern wie- der in den Tschad zurückkehren sollten, obwohl Boko Haram gerade einen Anschlag auf den Markt unserer Stadt verübt hatte. Doch wir vertrauten, gehorchten und gingen vorwärts. Und heute bedauern wir es nicht – im Gegenteil: Wir sind so froh, dass wir durchgehal- ten haben, wenn auch manchmal mit zusammenge- bissenen Zähnen. Mit den Jahren begannen uns die

Menschen im Tschad zu vertrauen und zu respektieren. Mehr und mehr kamen sie, um uns um Rat zu fragen. Lang- sam aber sicher beherrschten wir die Sprache genügend gut, um auch die Feinheiten in der Kommunikation zu ver- stehen. Die Beziehungen zu unseren Mitarbeitenden ver- tieften sich und gemeinsam konnten wir zum Aufbau eines christlichen Kindergartens und einer christlichen Grund- schule beitragen. Wir konnten viel von unserem Wissen und unseren praktischen Fähigkeiten an verschiedene Per- sonen weitergeben. Kein Krieg und keine Wirtschaftskrise kann ihnen das Gelernte jetzt wieder wegnehmen. Nach zehn Jahren sind wir um sehr vieles reicher wieder in die Schweiz zurückgekehrt: Reich an zahlreichen Erfahrun- gen mit Gott und Beziehungen mit Menschen, bereichert durch die Entdeckung der verschiedenen Arten, das Leben zu sehen und zu bewältigen … und nun sind wir daran, den nächsten «Pfosten» zu suchen! Patricia und Andreas Moser (ProRADJA’, Tschad)

«Hätten wir das vor 14 Jahren gewusst …»

Uns wurde erzählt, dass bei einer Autofahrt durch die Wüste rot-weiss angestrichene, hohe Pfosten den Weg weisen. Dabei sieht man nie mehrere Pfosten gleichzei- tig – erst wenn man einen erreicht hat, kann man den nächsten sehen. Wir mögen dieses Bild, denn es steht sinnbildlich für unsere Geschichte. Hätten wir vor 14 Jah- ren gewusst, was alles auf uns zukommen würde, hätten wir wohl Angst bekommen und wären in der Schweiz geblieben. Als wir heirateten, liebte Patricia das Abenteuer und Andreas die Berge. Und wir beide hatten den Wunsch, Gott zu dienen. Wir wollten etwas Spezielles erleben und planten, eine Kurzbibelschule zu besuchen und anschliessend einen sechsmonatigen Einsatz zu leisten.

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Kleine Zeichen und Bestätigungen von Gott

Eine wachsende Arbeit im «verheissenen Land»

Die fünfplätzige Cessna dreht eine letzte Linkskurve über der breiten Bucht von Por- tel und schwebt dann ruhig auf die schma- le Flugpiste zu, die eingeklemmt zwischen der «Altstadt» und dem Ortsteil «Neustadt» in der heissen Mittagssonne verlassen da- liegt. Nach kurzem Ausrollen, eine beacht- liche Staubwolke hinter sich herziehend, steht die Maschine. Wir steigen zusammen mit zwei anderen Passagieren aus, recken die steifen Glieder und schauen uns um. Ein kleiner Mann mit vergnügtem Lächeln kommt auf uns zu – Pastor Aristeu aus Ajará. «Herzlich willkommen in Portel und Gottes Segen für die neue Arbeit an den Flüssen!», begrüsst er uns. Das war Ende Januar 1993. Ein paar Monate zuvor hatte die Leitung von SAM global uns die Frage gestellt, ob wir die Verantwortung für den Start des ProRIBEIRINHO-Projekts in Brasilien übernehmen würden. Die Ent- scheidung war nicht einfach. Für die letz- ten Jahre vor der Pensionierung hatten wir eigentlich andere Pläne gehabt. Einerseits zog es uns zurück in den Nordosten Brasi- liens, aber auch andere Aufgaben waren im Gespräch. Wir beteten über Monate ernst- haft. Besonders Elsbeth konnte sich mit dem Gedanken nicht so recht anfreunden. Ich hatte etwas weniger Mühe – ich kann- te dieses Gebiet bereits aus meinem ersten Sprachpraktikum. Beide kamen wir schliess- lich zu der Überzeugung, dass wir uns im Flussprojekt investieren sollten. Wie in all den Jahren vorher gab Gott uns kleine Zeichen, dass wir die richtige Ent- scheidung getroffen hatten. Da die Orga- nisation in Portel kein Haus besass, würden wir vorerst in Ajará, einem kleinen Dorf am gleichnamigen Fluss, wohnen. Bevor wir die dreistündige Fahrt unter den Bootskiel nah- men, erklärte ich: «Pastor Aristeu, mir wurde gesagt, dass ich hier unbedingt noch Abí- lio treffen muss. Ich kenne ihn zwar nicht, weiss nicht wo er wohnt, aber ich muss mit ihm sprechen.» «Kein Problem», entgegne- te Aristeu, «er steht dort drüben vor dem kleinen Postgebäude.» Schon kurz darauf war Abílio bei all unseren Aktivitäten dabei und ist seither treuer Mitarbeiter im ProRI- BEIRINHO-Team. Das war die erste Bestäti- gung Gottes. Klar war, dass Ajará nur eine vorüberge- hende Lösung sein konnte. Wir mussten eine geeignete Wohngelegenheit in Portel finden. Die Suche begann. Wir fanden ein

Dezember 1998 : Ich habe gerade drei Monate Fackelträger-Bibel- schule hinter mir und bin überzeugt, dass Gott mich in der interkultu- rellen Arbeit haben möchte. Also gehe ich zum «Mission 99»-Kongress in Holland, um herauszufinden, wo es hingehen soll. Doch Gott sendet mich zurück in die Schweiz mit dem Auftrag, bis auf Weiteres dort zu arbeiten. 1999 : Ich werde Teil der Godi-Gründungsbewegung in Frauenfeld, mit der wir ein Stück Geschichte in der Schweiz schreiben dürfen. 2006 : Als Leiter der Factory Frauenfeld begleite ich zehn Jugendliche für einen Kurzeinsatz nach Kambodscha. Und ich weiss sofort: Das ist nicht mein letzter Besuch in diesem Land. Als ich nach diesem Einsatz wieder in der Schweiz lande, werde ich an den Dezember 1998 und meine Überzeugung, dass Gott mich ins Ausland schicken möchte, erinnert. Kambodscha lässt mich über die nächsten Wochen und Mo- nate nicht mehr los. Wie stellst du dir das vor, Gott, was soll ich dort machen, wie lange, wozu? In dieser Zeit werde ich eingeladen, eine Predigt über Abraham zu halten. Beim Vorbereiten wird mir klar: Gott ruft mich, wie er damals Abraham gerufen hat. September 2007 : Im Glauben und ohne zu wissen, was mich erwar- ten wird, mache ich mich auf in mein «verheissenes» Land Kambod- scha. 2008 : Ein Mädchen vom Land braucht einen Platz zumWohnen in der Stadt, um die Highschool besuchen zu können. Ich frage herum, kann aber keine Unterkunft ür sie finden. Sie ist nicht die Einzige mit diesem Problem. Kurzerhand öffne ich meine Wohnung für vier Highschool- Schüler: Lighthouse Battambang ist entstanden. 2017 : Inzwischen habe ich meine Frau Somaly geheiratet und wir leiten gemeinsam mit unserem kambodschanischen Team das wach- sende Projekt. Seit dem Start haben über 100 Jugendliche im Light- house Living gewohnt. Jedes Jahr wählen wir aus über 40 Bewerbun- gen 20 neue Schülerinnen und Schüler aus ländlichen Gebieten aus. Die meisten von ihnen haben vorher noch nie von Jesus gehört. Zum Projekt gehören heute neben dem Studentenwohnheim noch weitere Bereiche: Das Jugendzentrum Lighthouse Learning bietet verschiede- ne Kurse an und wird jeden Tag von über 60 Jugendlichen besucht. Mit dem Landwirtschaftsprojekt Lighthouse Serving bringen wir Bau- ern auf dem Land praktische Hilfe. Lighthouse Training ist eine praxis- orientierte Leiterschaftsausbildung mit internem Praktikum. Ende 2018 : Soeben haben wir in der Nachbarprovinz Lighthouse Li- ving Pursat gestartet. Die zwei Leiterinnen sind ehemalige Lighthouse Living- und Lighthouse Training-Schülerinnen. Ähnlich wie bei Abraham war mein Weg teilweise steinig – manchmal ging es durch die Wüste, dann erlebten wir wieder fruchtbare Zeiten, in denen langsam etwas heranwuchs. Es gab «Hungersnöte», ich floh nach «Ägypten» und brachte mich dadurch in Schwierigkeiten. Aber Gott ist treu und so bin ich wieder auf dem richtigen Weg gelandet. Gott hält nicht Ausschau nach Menschen ohne Fehler, sondern nach Menschen, die ihm nachfolgen, vermeintliche Sicherheiten aufgeben und aufbrechen, ohne zu wissen, wohin es geht. Er sucht Menschen, die umfallen, danach aber wieder aufstehen undmit ihmweitergehen. Gott schreibt Geschichte, wann immer wir es zulassen und ihm folgen. Lukas Bernhardt (Lighthouse Battambang, Kambodscha)

Haus, solide gebaut, nicht allzu gross, äusserst günstig gelegen und unbe- wohnt. Als Elsbeth das Häuschen sah, meinte sie: «Da möchte ich wohnen.» Es gab nur zwei Schwierigkeiten: Die Frau des Besitzers wollte nicht verkau- fen und wir wollten nicht mieten, denn der geforderte Mietzins war völlig überrissen. Die Verhandlungen wur- den abgebrochen. Und nun kam Got- tes zweiter Händedruck. Kurze Zeit da- nach rief der Besitzer an: «Meine Frau ist zu 96 Prozent bereit, das Haus zu verkaufen. Ich setze den Vertrag auf.» Einige Tage später zogen wir in unser neues Zuhause. Das Projekt konnte starten. Das Kon- zept war einfach – die Ausführung etwas weniger. Es sollte eine Arbeit sein, die den ganzen Menschen mit seinen Bedürfnissen erreicht. Besse- re Lebensbedingungen durch kleine Landwirtschaftsprojekte, medizinische Versorgung und Prävention, Schulun- gen und dieWeitergabe der guten und einzigartigen Botschaft von Gottes Lie- be und Vergebung. In den knapp zehn Jahren, in denen wir an den drei gros- sen Flüssen Portels arbeiteten, entwi- ckelte sich das Projekt langsam, aber stetig. Einiges hat sich im Lauf dieser Zeit verändert. Zum Beispiel entstan- den viele kleine Gemeinden und so hat sich das Bild an den Flüssen verändert – bei den Fahrten tauchen heute im- mer wieder Häuser mit dem Schriftzug «Igreja Cristã Evangelica» («Evangeli- sche Gemeinde») auf. Heute liegt die Verantwortung für das ganze Projekt in den Händen von Bra- silianern. Gleich geblieben sind die gute, fröhliche Zusammenarbeit im Team, die Besuchsreisen an den Flüs- sen und die oft lustigen «Ribeirinho- Geschichten». Wir haben Gottes Führung immer wie- der erlebt. Auch die Mitarbeitenden aus dem Team können bezeugen, dass sie Gottes Händedrucke immer wie- der spüren, wie es in einem alten Kir- chenlied heisst: «Der ist gut, in dessen Dienst wir stehn.» Ari Aeberhard (Brasilien)

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Geschichte schreiben – im Leben einzelner Menschen

Geschichte schreiben bedeutet nicht immer, ein ganzes Dorf oder eine Region zu prägen. Geschichte schreiben kann man auch im Leben von Einzelnen – und durch die Investition unserer Mitarbeitenden wurde schon manch eine Lebensgeschichte umgeschrieben.

Ein grosser, neu entdeckter Schatz

Die Veränderung von «Rasta-Mann»

Vom Alkoholiker zum Mitarbeiter

Ein 800 Gramm schweres Wunder

Fabio war erst 18 Jahre alt, als es anfing, das mit dem übermässigen Alkoholkonsum. Immer häufiger trugen seine Schritte ihn zu einer Bar – jeweils mit dem Resultat, dass er mit einem Gefühl des Versagens und einem lee- ren Geldbeutel betrunken nach Hause torkelte. Er fühlte sich zunehmend unwohl und seine Stimmung wurde im- mer schlechter. Fabios Eltern waren sehr besorgt um ihn und seine Zukunft. Vor gut fünf Jahren, Fabio war damals 25, half er mir bei den Feldarbeiten. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass ich diesen jungen Mann dauerhaft anstellen sollte. Er willigte ein. Seite an Seite arbeiteten wir nun zusammen. Fabio beobachtete, hörte zu, und zu meinem Erstaunen stoppte er auf einmal seinen regelmässigen Gang zur Bar. Gott arbeitete in seinem Leben. Fabio lernte, von seinem verdienten Geld etwas zur Seite zu legen. Er fing an, die Gottesdienste zu besuchen, und hörte die gute Nach- richt der Rettung und Vergebung. Nach einem arbeit- samen Tag fragte ich ihn: «Was hindert dich noch, dein Leben Jesus anzuvertrauen?» «Eigentlich gar nichts, ich weiss, dass dies der Weg für mich ist», antwortete Fabio. So begann er seine ersten Schritte im Glaubensleben. An Gespött und Gelächter fehlte es nicht auf dem neu- en Weg. Oft wurde Fabio versucht, wieder zu trinken, aber er blieb standhaft. Vor gut zwei Jahren wurde Fabio in die Gemeindeleitung berufen. In ihm wuchs zuneh- mend der Wunsch, den Menschen im Inland Gottes Lie- be zu zeigen. Seit letztem Jahr ist Fabio nun offiziell als Projektmitarbeiter von ProSERTÃO angestellt. Er gibt oft Zeugnis, wie Jesus ihn frei gemacht hat. Seit Juni leitet er mit einem Freund einen Hauskreis in einem Inlanddorf. Gelacht wird über Fabio nicht mehr – sein solides Leben hinterlässt unübersehbare Spuren.

Als die kleine Fatime zu uns kam, wog sie nur gerade 800 Gramm. Trotz ihres niedrigen Gewichts schien es ihr aber gut zu gehen und sie machte sich durch lautes Weinen bemerkbar. So waren wir guter Hoffnung, dass sie durch- kommen würde. Doch nur zwei Wochen später mussten wir um ihr Leben bangen: Während mehrerer Tage konn- te sie nicht mehr stuhlen. Ihr Bauch war ganz aufgebläht. In unseren Gebetszeiten legten wir sie Gott hin. Und er antwortete … Fatime erholte sich und nach vier weiteren Wochen konnte sie die Säuglingsstation gesund und mit ei- nem Gewicht von 1500 Gramm verlassen. Regelmässig kommt sie nun zur Gewichtskontrolle. Es ist eine Freude zu sehen, wie gut sie sich entwickelt. Während der Zeit, in der Fatime bei uns in Behandlung war, hatte auch ihre Mutter Gelegenheit, etwas von Got- tes Liebe zu erfahren. Mit anderen Frauen schaute sie sich mit grossem Interesse den Jesusfilm an. Wir hoffen und beten, dass der Film und die Begegnungen mit den Mitarbeitenden in ihrem Herz etwas bewegen und ver- ändern dürfen. Fatime ist eines von 21 frühgeborenen Babys, die wir in den letzten drei Monaten bei uns aufgenommen haben. Bei sieben von ihnen kam leider jede Hilfe zu spät. Doch die anderen konnten nachmehr oder weniger langer Zeit nach Hause zurückkehren. Es ist jedes Mal ein Geschenk, wenn uns ein so kleines Baby gesund verlassen kann und eine Chance auf das Leben erhält.

Lin* ist eine erfahrene Pastorin einer grossen Kirchge- meinde in Sichuan. Ich lernte sie vor acht Jahren als dy- namische Leiterin kennen. Auch inmitten aller Heraus- forderungen, denen sie und ihr Mann, ebenfalls Pastor, begegnen, ist sie eine sehr fröhliche Person geblieben. Zum dritten Mal besuchte sie nun unsere Pastorenretrai- te. Diesmal half sie im Team mit und leitete eine Klein- gruppe. In der Auswertungsrunde berichtete sie: «Hören auf Gott und sein Wort in der Stille – das ist wirklich ein Lernprozess. In China sind wir es uns gewohnt, einen Bi- beltext in erster Linie kognitiv, verstandesmässig aufzu- nehmen. Ihn tiefer sinken und auf sich wirken zu lassen, das war für mich völlig neu. Ich brauchte mehrere Retrai- ten, bis ich langsam aber sicher anfing zu begreifen, was es bedeutet, auf Gott zu hören, und zu lernen, wie ich darin wachsen kann. Stille ist in der chinesischen Kul- tur eigentlich überhaupt nicht fremd – aber wir haben nicht gelernt, sie mit dem Hören auf Gott zu verbinden. Wir haben hier durchaus Zugang zu verschiedensten Schulungsinhalten, aber die Förderung unserer ganz persönlichen Beziehung zu Gott und die Ausrichtung auf ihn in der Stille, das ist ein grosser, neu entdeckter Schatz. Aus ihm fliesst so viel Energie und Freude. Die Aufgaben müssen nicht aus eigener Kraft und unter dem Erwartungsdruck von Menschen bewältigt werden. Im- mer wieder erhalte ich dank der Retraiten Orientierung in der Ausrichtung auf Jesus. Genau das brauchen wir in unserer manchmal anspruchsvollen Situation in China. Wir haben in unserer Gemeinde nun begonnen, in Grup- pen in dieser hörendenWeise die Bibel zu lesen, denn ich möchte diesen wertvollen Schatz teilen. » *Name geändert

Als Lehrerin habe ich die Erfahrung gemacht, dass es in jeder Klasse immer einen bis zwei Schüler gibt, de- ren Namen man sich sofort merken kann. Sie stechen durch irgendein Merkmal aus der Masse heraus. Genau so erging es mir auch mit unserer letzten Gruppe von Lehrlingen. Schon vom ersten Tag an wusste ich, wie der «Rasta-Mann» hiess. Es ist hier sehr ungewöhnlich, dass Männer lange Haare tragen. Uns wurde rasch klar, dass der junge Mann tatsächlich ins Klischee passte: Er rauchte – und zwar nicht nur Zigaretten – und hatte nicht die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Lehre. Nach wenigen Monaten meldete er sich aber bei mir mit dem Wunsch, mehr über Jesus zu hören. Wir begannen, zusammen in der Bibel zu lesen, und ich betete auf sein Ersuchen für seine Familie. Voller Freude erzählte er mir kurz darauf, dass es in seiner Familie viel besser laufe, und er war motiviert, mehr über Jesus zu erfahren. Bald nahm er an der wöchentlichen Bibelgruppe bei guineischen Freunden von uns teil und brachte sogar noch einen Kol- legen, einen anderen Lehrling, mit. Immer wieder unterhielt er uns mit Geschichten von frü- her, über die wir nur staunen konnten. Zum Beispiel er- zählte er uns, dass er einmal mit Freunden an einem See sass und sie sich einen Joint nach dem anderen gönnten, als plötzlich völlig unerwartet eine Schlange vom Baum fiel, genau in die Mitte der Gruppe. Sie wirkte ziemlich benommen – wahrscheinlich hatte der Qualm sogar das Reptil high gemacht … Die jungen Männer sprangen schnell auf und rannten weg. Wir alle lachten Tränen über diese Geschichte. Doch vor allem freuten wir uns, als unser Rasta-Mann uns berichtete, dass sich durch das Bibellesen einiges in seinem Leben verändert habe und er zum Beispiel keine Joints mehr rauche. Vor einigen Monaten liess er sich dann taufen.

Anne-Marie Aellig, Bakan Assalam, Tschad

Sandra, ActionVIVRE Süd, Guinea

Martin Baumann, ProSERTÃO, Brasilien

Martin Voegelin, Supportgruppe China

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Geschichte schreiben unter den Fulbe Geschichte schreiben natürlich nicht nur interkulturelle Mitarbeitende, sondern auch die Menschen in unseren Einsatzländern. Ein Beispiel ist Hamsa* aus Kamerun.

«Wenn du stirbst, wirst du wie ein Hund verscharrt werden!» Das waren die zornigen Drohworte von Hamsas Cousin, nachdem dieser in der Ra- diosendung «Laawol Goongaaku» (Weg der Gerechtigkeit) die Stimme von Hamsa erkannt hatte. Nach einer Nacht voller Angst verliess Hamsa am darauffolgenden frühen Morgen sein Gehöft ziemlich fluchtartig. Eine Begegnung mit Folgen Hamsa stammt aus einer Adelsfamilie der Fulbe und wuchs in Nordka- merun auf. Die Fulbe, in anderen Ländern auch Peul genannt, sind eine mehrheitlich muslimische Volksgruppe, zu der mehrere Millionen Men- schen gehören. Die Fulbe leben vor allem in der Sahelzone in Afrika. Nach dem frühen Tod seines Vaters und einem weiteren traumatischen Erlebnis wurde Hamsa depressiv und besuchte das Gesundheitszentrum, das zu unserer Partnerkirche UEEC gehört. Dort begegnete ihm Sanda, ein Mitarbeiter, der Patienten seelsorgerlich begleitet und ein grosses Herz dafür hat, Menschen von Gottes Liebe zu erzählen. Die beiden kann- ten sich bereits aus ihrer Schulzeit, hatten sich danach aber aus den Au- gen verloren. Hamsa öffnete schon bald sein Herz. Er war einer der ersten Fulbe in unserer Region, die Jesus kennenlernten. «Ich will etwas für mein Volk tun!» Hamsa besuchte daraufhin eine Jüngerschaftsschule in Mittelkamerun, um mehr über seinen neuen Glauben zu lernen. Wann immer er in Nord- kamerun war, besuchte er Sanda und mich. Bei einem Besuch erzählte ich ihm von unserem Projekt, der Radiosendung «Laawol Goongaaku». Das Programm, das unter anderem auf «Deutsche Welle International» ausgestrahlt und auf SD-Karten und CDs an die Bevölkerung verteilt wird, besteht aus 100 Lektionen, die sich mit der Bibel befassen, von der Schöpfung bis zur Offenbarung. Es ist vergleichbar mit dem Al Massira- Kurs, nur viel einfacher. Ich berichtete Hamsa, dass ich mit der bisherigen Übersetzung des Programms in die lokale Sprache nicht wirklich glück- lich war. Er war sofort bereit, uns zu helfen und mit Sanda und mir von vorne anzufangen. «Willst du wirklich diese Lektionen auf Tonträger sprechen? Man wird dei- ne Stimme erkennen und alle werden wissen, dass du Jesus nachfolgst!», warnte ich ihn, als es darum ging, die Sendung für das Radio aufzuneh- men. «Doch, ich will etwas für mein Volk tun», war seine Antwort. Kein einfacher Weg Die Drohung seines Cousins und andere Enttäuschungen brachten Hamsa mit der Zeit jedoch arg ins Wanken und er kehrte zu seiner alten Gemeinschaft im Norden zurück. Ein Mitarbeiter der Radiostation «Sawtu Linjiila», dem kamerunischen ERF, konnte ihn nach einer Weile dazu mo- tivieren, wieder nach Mittelkamerun zu kommen, um dort auf der Station des Senders zu leben und neutrale Sendungen fürs Radio zu gestalten. Nach und nach gelangte Hamsa zur Überzeugung, weiterhin Jesus nach- folgen zu wollen. Inzwischen hat er geheiratet und gemeinsammit seiner Familie für drei Jahre eine Bibelschule besucht, die er letzten Sommer ab- schliessen konnte. Zur Zeit macht er ein Gemeindepraktikum in Yaoun- dé, der Hauptstadt Kameruns, und interkulturelle Mitarbeitende haben angefangen, Fulbe, die sich für Jesus interessieren, an ihn zu verweisen. Es war ein schwerer Weg für Hamsa mit vielen «Aufs und Abs», aber jetzt geht er mutig den Weg mit Jesus – und das hat Auswirkungen auf seine Umgebung! *Name geändert

Lohnenswerte Investition Barama Daoda hat in der Kindergruppe schon früh die Gute Nachricht gehört, sich mit Jesus auf den Weg ge- macht und bald selbst in der Gemeinde beim Kinder- programm mitgeholfen. Baramas Vater war Maurer und Baumeister und hatte bei verschiedenen Bauprojekten mit interkulturellen Mitarbeitenden zusammengearbei- tet und dabei viel gelernt. Durch seine gute Arbeit konn- te er sich einen regelmässigen Verdienst sichern – und Barama konnte dadurch die Schule besuchen und das Abitur machen. Danach startete Barama in der Haupt- stadt ein Chemiestudium und engagierte sich auch dort in der Sonntagschule. Doch seine Begeisterung für die Arbeit mit Kindern war grösser als die für Chemie und so kehrte er in seine Heimat zurück und besuchte dort das Lehrerseminar. Das Unterrichten machte ihm Freude. Wie viele andere bekam er aber nach dem Abschluss seiner Ausbildung keine feste Anstellung beim Staat. Er arbei- tete als Volontär, womit er seine Familie jedoch nicht ver- sorgen konnte. «Was ist Gottes Weg mit mir?», fragte er sich oft. 2012 schrieb das Oeuvre Médicale, das medizinische Werk unserer Partnerkirche UEEC, eine Stelle als Adminis- trator aus. Aus den Bewerbern wurde nach gründlicher Prüfung Barama ausgewählt. Bald stellte sich heraus, dass er viele Gaben hat und gerne bereit ist, Neues zu lernen. So ist er heute für alle Sozialversicherungsfragen der rund 120 Mitarbeitenden zuständig, betreut den IT- Bereich und ist eine wichtige Stütze für den Koordinator des Werks sowie eine Anlaufstelle die Mitarbeitenden und ihre Fragen. Seine fröhliche und originelle Art tut al- len im Team gut. Und sein Anliegen für Kinder? Barama engagiert sich heute ehrenamtlich in einem Kinderprojekt, leitet einen Kinderclub und schult andere Mitarbeitende. Auf seinem Lebensweg haben verschiedene interkultu- relle Mitarbeitende Barama ermutigt, seine Gaben einzu- bringen, haben ihn gefördert und angeleitet. Es ist schön, mit ihm auszutauschen. Man spürt: er hat seinen Platz im Leben gefunden und ist eine grosse Bereicherung für sein Umfeld.

«Danke für Pro AGRO! »

Die Ankunft des Projekts ProAGRO im Jahr 2010 durch den Schweizer Agronomen Daniel Berger war eine grosse Erleichterung für die Waldregion von Guinea. In meinem Bericht möchte ich aufzeigen, wie die Bevölkerung, die von der Landwirtschaft lebt, davon profitiert: Das Projekt ProAGRO verbindet theoretische Grund- kenntnisse mit der Praxis. Die Landwirte hier schliessen sich zu einer Gruppe zusammen. Zu Beginn gibt es zwei Kurstage, in denen die Landwirte lernen, wie sie die Bö- den verbessern und dank neuen Methoden mit wenig Saatgut und richtiger Bodenbearbeitung gute Erträge erreichen können. Mit einem Demonstrationsfeld kann die Gruppe das Gelernte in der Praxis ausprobieren. Mit sechs bis zehn Kilo Saatgut pro Hektare sind mit den neu- en Methoden vier bis zehn Tonnen Reisertrag möglich! Im Vergleich: Mit den traditionellen Methoden reichen 100 Kilo Saatgut nur für einen Ertrag von ein bis drei Ton- nen. Die neuen Methoden werden von den Bauern sehr begrüsst und gerne übernommen. Das generelle Ziel von ProAGRO ist die Verbesserung der Ernährungssituation und die wirtschaftliche Entwicklung in der Region. Die Kurse haben damit eine wirtschaftliche und eine soziale Komponente. Gruppen, die fünf bis zehn Tonnen Ernte erreicht haben, können bei ProAGRO einen Kredit für ein Lagerhaus beantragen. Das Projekt fördert auch die Nah- rungsqualität und die Gesundheit der Bevölkerung, zum Beispiel durch die Verbreitung von Moringabäumen, de- ren Blätter sehr nährstoffreich sind. Als Ausbildner von ProAGRO durfte ich sehr viel lernen und darf nun einen wichtigen Beitrag leisten, dass es den Menschen hier wirklich besser geht. Danke SAM global für ProAGRO!

Vreni KOHLI, ehemalige Mitarbeiterin in Kamerun

Fara Gaspard Kamano, ProAGRO, Guinea

Hanna Weiberle, ehemalige Mitarbeiterin in Kamerun

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