Leitfaden_Jugendpartizipation_Eurodesk_ERYICA_DE

Eurodesk hat zusammen mit ERYICA und einer Gruppe von jungen Menschen den Leitfaden „Jugendbeteiligung in Jugendinformationsdiensten“ herausgegeben. Er soll dabei helfen, einen eigenen Ansatz zur Einbindung junger Menschen zu entwickeln, ihre Ansichten und Bedürfnisse aktiv anzuhören und angemessen darauf zu reagieren. Die Publikation bietet außerdem konkrete Tipps und Informationen für die tägliche Arbeit in der Jugendinformation.

EIN LEITFADEN VON ERYICA UND EURODESK

EIN LEITFADEN VON ERYICA UND EURODESK

Online verfügbar unter www.eryica.org und www.eurodesk.eu

Autor Dr. Dan Moxon, People Dialogue and Change Redaktionsteam Eva Reina und Angelina Pereira Goncalves, ERYICA Audrey Frith und Stefanos Agathokleous, Eurodesk Brussels Link Lenkungsgruppe

Eine Lenkungsgruppe aus Mitgliedern von ERYICA und Eurodesk wurde eingerichtet, um den Autor und das Redaktionsteam mit Ratschlägen und Erfahrung zu unterstützen und sicherzustellen, dass die Vielfalt der Jugendinformation in Europa widergespiegelt wird. Mitglieder der Lenkungsgruppe Laura Kiviselg, Eurodesk Estland / Harno (Estland) Ann Lorschiedter, Eurodesk Deutschland / IJAB (Deutschland) Sif Vik, Forum for ungdomsinformasjon i Norge (Norwegen) Sinead Beirne, spunout (Irland) Sheila García, Ajuntament de Xàtiva (Spanien) Raquel Ferrer, Imagina. Ayuntamiento de Alcobendas (Spanien)

Caterina Rende Dominis, ERYICA-Jugendbotschafterin (Italien und Kroatien) Yaiza Neidy Cangundu Jiménez, ERYICA-Jugendbotschafterin (Spanien) Rafaela Landikusic, ERYICA-Jugendbotschafterin (Kroatien) Mitwirkende Eurodesk ERYICA

De Ambrassade, Belgien Associazione Link, Italien Koordinaatti and Byström Guidance Centre, Finnland Eurodesk Italien

Hellenic Youth Participation, Griechenland Info Jeunes Occitanie - Eurodesk Frankreich Jugendstiftung Baden-Württemberg - Eurodesk Deutschland Lithuanian Youth Council, LiJOT - Eurodesk Litauen Youth Work Ireland Paphos Youth Information Centre of Youth, Board of Cyprus ProMo-Cymru, Vereinigtes Königreich Spunout, Irland Xunta de Galicia, Spanien Young Scot, Vereinigtes Königreich Junge Mitwirkende Caterina Rende Dominis, Yaiza Neidy Cangundu Jiménez und Rafaela Landikusic, ERYICA-Jugendbotschafterinnen Anna Marek, Kacper Król und Maria Bajorek, Eurodesk Europäischer Pool der Jungjournalist*innen Maylinda Bajrami, EYCA Youth Panel

Lektorat Jessica Walker Layout und Design Javier Larios

Verweise auf die Verfasser*innen und Urheber*innen von Texten und Aktivitäten wurden mit größtmöglicher Sorgfalt vorgenommen. Wir entschuldigen uns für etwaige Fehler oder Auslassungen und werden sie in der nächsten Ausgabe gerne korrigieren. Herausgegeben von ERYICA und Eurodesk, Dezember 2022 Aus Rücksicht auf die Umwelt wird diese Publikation hauptsächlich in elektronischer Form verbreitet. Die wenigen gedruckten Exemplare haben wir bei einer umweltbewussten Druckerei in Auftrag gegeben, die nachhaltig hergestelltes bzw. recyceltes Papier und alkoholfreie Druckfarben verwendet.

Diese Publikation wurde mit Unterstützung des Erasmus+- Programms der Europäischen Union verwirklicht. Die Unterstützung der Europäischen Kommission für die Erstellung dieser Publikation stellt keine Befürwortung des Inhalts dar. Dieser gibt ausschließlich die Meinung der Autor*innen wieder. Die Kommission kann nicht für die Verwendung von Informationen aus dieser Publikation verantwortlich gemacht werden.

Diese Publikation unterliegt der Lizenz „Creative Commons Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International License“

Vorbemerkungen von den jungen Mitgliedern der Lenkungsgruppe

Als ERYICA-Jugendbotschafterin habe ich mich sehr gefreut, Teil der Lenkungsgruppe für diese Publikation zu sein, vor allem, weil ich der festen Überzeugung bin, dass die Einbeziehung junger Menschen in demokratische Prozesse in vielen Bereichen ein großes Potenzial und einen großen Wert hat. Jugendbeteiligung trägt oft nicht nur zu einer positiven Jugendentwicklung bei, sondern ist auch ein wichtiger Faktor für starke Gemeinschaften und hat damit einen direkten positiven Einfluss auf unser gesellschaftliches Zusammenleben. Deshalb müssen junge Menschen dazu befähigt werden, eine aktive Rolle als neue Generation von „Changemakern“ einzunehmen. Gleichzeitig müssen verlässliche Informationen zur Verfügung gestellt werden, um Teilhabe zu ermöglichen, Vertrauen zu schaffen und junge Menschen dabei zu unterstützen, im Einklang mit den universellen Menschen- und Bürgerrechtsprinzipien zu verantwortungsbewussten Bürger*innen heranzuwachsen. Mit den in diesem Leitfaden vorgestellten Methoden können wir diese Ziele erreichen.

Rafaela Landikusic

Für und mit jungen Menschen – das ist die zentrale Botschaft dieser Veröffentlichung. Unsere Ansichten, unsere Lebensweisen und die Art und Weise, wie wir Informationen konsumieren, verändern sich von einer Generation zur nächsten – und zwar heute viel schneller als in der Vergangenheit. Selbst zwischen Millennials und der Gen Z besteht ein spürbarer Unterschied. Wenn wir junge Menschen erreichen möchten, müssen wir also die richtigen Tools, die richtigen Kanäle und vor allem den richtigen Kommunikationsstil wählen. Es war noch nie so schwierig zu verstehen, welche Informationen junge Menschen benötigen. Bei der Entwicklung von Informationsdiensten für junge Menschen müssen deshalb eben diese jungen Menschen selbst im Mittelpunkt stehen. Diese Publikation, die jungen Menschen wie uns eine Stimme gibt, ist ein guter Anfang.

Caterina Rende Dominis

Im Moment werden Informationen bewusst oder unbewusst vom „Erwachsenenzentrismus“ geleitet. Wir junge Menschen haben in der Realität nicht immer den Raum und die Möglichkeit, uns zu äußern, fundierte Entscheidungen zu treffen und uns Gehör zu verschaffen. Die Jugendinformation muss uns einen sicheren Raum der Selbstbestimmung bieten. Ich glaube, dass wir das am besten erreichen können, wenn wir uns aktiv einbringen und gemeinsam unsere Stimme erheben. Wir müssen uns selbst stärken und die Medien- und Informationslandschaft aktiv mitgestalten. Wir müssen zu echten Informationsvermittler*innen werden und an der Entstehung, Verbreitung und kritischen Beurteilung von Informationen teilhaben.

Yaiza Neidy Cangundu Jiménez

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Vorwort der Präsidentin von Eurodesk

Eurodesk ist ein europäisches Jugendinformationsnetzwerk, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, junge Menschen für europäische Mobilitätsmöglichkeiten zu informieren und sie zu ermutigen, aktive Bürger*innen zu werden. Junge Menschen stehen im Zentrum unseres Handelns. Eurodesk sucht deshalb ständig nach neuen Wegen der Interaktion, Information und effizienten Kommunikation mit jungen Menschen. Diesen Ansatz möchten wir in all unseren Handlungen verankern. Gesellschaftliche Teilhabe ist für die Entwicklung junger Menschen von zentraler Bedeutung. Sie lernen nicht nur in der Schule, sondern auch durch ihre Erfahrungen und Erlebnisse. Wenn wir junge Menschen in die Entwicklung von Jugendangeboten einbinden, können sie sich zu aktiven Bürger*innen entwickeln und uns dabei helfen, unsere Angebote sachbezogen und jugendgerecht zu gestalten. Junge Menschen bringen frische neue Ideen mit. Sie helfen uns sehr engagiert dabei, unsere Angebote an ihre Bedürfnisse und Interessen anzupassen und die richtigen Methoden einzusetzen, um sie zu erreichen und für unsere Aktivitäten zu begeistern. Deshalb liegt es in unserer Verantwortung als Mitarbeitende der Jugendinformation, partizipative Ansätze zu nutzen, um junge Menschen sinnvoll in die Gestaltung unserer Angebote einzubinden. Wir müssen Inklusionsmaßnahmen entwickeln, damit alle jungen Menschen zu Wort kommen und von unseren Angeboten profitieren können. Obwohl wir alle davon überzeugt sind, dass wir die Jugendbeteiligung fördern müssen, ist es nicht immer einfach, sinnvolle und effiziente Wege dafür zu finden. Deshalb hat Eurodesk zusammen mit ERYICA und einer Gruppe von jungen Menschen den Leitfaden „Jugendbeteiligung in Jugendinformationsdiensten“ herausgegeben. Dieser Leitfaden wird Ihnen helfen, einen eigenen Ansatz zur Einbindung junger Menschen zu entwickeln, ihre Ansichten und Bedürfnisse aktiv anzuhören und angemessen darauf zu reagieren. Diese Publikation bietet außerdem konkrete Tipps und Informationen, die Ihnen bei Ihrer täglichen Arbeit in der Jugendinformation helfen werden. Der Leitfaden richtet sich in erster Linie an Mitarbeitende der Jugendinformations - dienste, ist aber auch für ein breiteres Publikum wertvoll, das mit jungen Menschen arbeitet und kommuniziert: Lehrkräfte, Politiker*innen, Entscheidungsträger*innen sowie staatliche und nichtstaatliche Träger. Neben einem Überblick über verschiedene Beteiligungsmodelle finden Sie in diesem Leitfaden Best Practices und konkrete Tools für Ihre tägliche Arbeit mit jungen Menschen. Ich möchte den Autor*innen dieser Publikation, den Teams von ERYICA und Eurodesk sowie allen jungen Menschen, die zur Entwicklung dieser wichtigen Ressource beigetragen haben, herzlich danken.

Lorena Baric Eurodesk-Präsidentin

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Vorwort des Präsidenten von ERYICA

Liebe Leser*innen,

voller Freude und Stolz darf ich Ihnen unseren neuen Leitfaden „Jugendbeteiligung in Jugendinformationsdiensten“ präsentieren. Diese Publikation ist nach vielen Monaten der konstruktiven Zusammenarbeit als gemeinsames Projekt von ERYICA und Eurodesk entstanden. Die Mitglieder beider Organisationen haben über viele Jahre hinweg einen reichen Erfahrungsschatz in der Arbeit mit jungen Menschen aufgebaut. Sie fördern die Jugendbeteiligung und stellen diese in den Mittelpunkt ihrer Angebote. Diese Publikation fasst diesen Erfahrungsschatz zentral zusammen und macht ihn allen Akteur*innen der Jugendinformation zugänglich, um bewährte Verfahren der Jugendbeteiligung weiter zu fördern. Jugendbeteiligung ist für qualitativ hochwertige Jugendinformationsdienste nicht „Nice to have“, sondern ein absolutes Muss. Das ist die zentrale Botschaft dieser Publikation. In dieser Publikation werden Sie immer wieder daran erinnert, dass Jugendinformationsdienste junge Menschen in die Entscheidungsfindung und Ausgestaltung ihrer Angebote einbeziehen müssen. Dazu ist die Beteiligung von jungen Menschen in unseren Leitungs- und Beratungsgremien sowie bei der Gestaltung unserer Angebote erforderlich. Viele junge Menschen erstellen und verbreiten selbst Informationen und müssen daher in die Gestaltung, Erstellung und Bereitstellung von Materialien und Inhalten einbezogen werden. Wir sind auf das Feedback junger Menschen zu unseren Angeboten angewiesen, um unsere Dienste für alle jungen Menschen in unseren jeweiligen Gemeinschaften zu verbessern. Schließlich spielt auch für unsere Qualitätskontrolle und insbesondere für das Erlangen des ERYICA-Qualitätssiegels die Beurteilung durch junge Menschen eine entscheidende Rolle. Eine qualitativ hochwertige Jugendbeteiligung mit und für junge Menschen fördert auch demokratisches Engagement und Aktivismus. Wenn junge Menschen aktiv in die Entscheidungsfindung einbezogen werden, sind unsere Entscheidungen besser und die Ergebnisse wirkungsvoller. Die aktive Staatsbürgerschaft ist ein wesentlicher Aspekt einer gesunden Demokratie. Wenn junge Menschen ihr Recht auf Information nach internationalem Recht geltend machen, werden sie noch eine ganze Reihe weiterer Rechte kennenlernen, die ihnen in unserer Gesellschaft zustehen. Unsere großartigen Jugendinformationsdienste unterstützen junge Menschen dabei jeden Tag. Ich bin sicher, dass diese neue Publikation diese wichtige Arbeit bereichern und weiteren Informationsanbietern als Inspiration dienen wird.

Ich wünsche Ihnen allen viel Spaß beim Lesen und eine erfolgreiche Umsetzung.

Dr. Patrick J. Burke Präsident von ERYICA

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Projekt- partner

Eurodesk ist ein europäisches Jugendinformationsnetzwerk. Ziel des Netzwerkes ist es, junge Menschen und Fachkräfte, die mit jungen Menschen arbeiten, umfassend über die Möglichkeiten der Lernmobilität zu informieren. Eurodesk wird vom EU- Programm Erasmus+ gefördert und ist ein strategisches Instrument der EU-Jugendstrategie. Mit einem Netzwerk aus nationalen Koordinierungsstellen in 37 europäischen Ländern, die mit lokalen Partnern zusammenarbeiten, informiert Eurodesk für die Möglichkeiten ins Ausland zu gehen und ermutigt junge Menschen, aktive Bürger*innen zu werden. Das Eurodesk-Netzwerk informiert und berät junge Menschen in ganz Europa in ihrer eigenen Sprache und berücksichtigt dabei neben ihren individuellen Bedürfnissen auch ihren sozialen Hintergrund. Eurodesk veröffentlicht und aktualisiert die Inhalte des Europäischen Jugendportals, der Website eurodesk.eu sowie der nationalen Websites und Jugendportale und der eigenen Social-Media-Kanäle. Zu Eurodesk gehören über 2.100 lokale Partner, so genannte „Multiplikator*innen“. Das sind in der Regel regionale oder lokale Organisationen, die mit jungen Menschen arbeiten und ihnen Informationen zur Verfügung stellen (z. B. Jugendzentren, Jugendinformationsdienste, Vereine und Gemeinden). Trotz ihrer Vielfalt teilen sie die Aufgabe, als Eurodesk-Multiplikator*innen junge Menschen über Mobilitätsmöglichkeiten zu informieren. Im Rahmen der Netzwerkarbeit und Informationsangebote bietet Eurodesk seinen Multiplikator*innen Qualifizierungen, Unterstützung sowie Zugang zu Jugendinformationsdiensten und -tools.

Die European Youth Information and Counselling Agency (ERYICA) ist eine unabhängige europäische Nichtregierungsorganisation ohne Gewinnorientierung, die 1986 gegründet wurde und ihren Sitz in Luxemburg hat. Zum Zeitpunkt der Drucklegung dieser Publikation umfasst ERYICA 41 nationale und regionale (staatliche und nicht- staatliche) Jugendinformationskoordinierungsstellen und -netzwerke in 25 Ländern. ERYICA setzt sich für das Recht junger Menschen auf umfassende und zuverlässige Informationen ein, die ihnen helfen, wichtige Lebensentscheidungen zu treffen und ihre Selbstbestimmung, ihre Fähigkeit zum kritischen Denken und ihre aktive gesellschaftliche Teilhabe fördern. ERYICA hat die Aufgabe, die europäische und internationale Zusammenarbeit im Bereich der allgemeinen Jugendinformationsarbeit und -dienste zu fördern, qualitativ hochwertige Jugendinformation und -beratung auf allen Ebenen zu entwickeln, zu unterstützen und zu fördern und sicherzustellen, dass die Informationsbedürfnisse junger Menschen und die Grundsätze der Europäischen Charta der Jugendinformation respektiert werden.

ERYICA engagiert sich zudem auf nationaler und europäischer Ebene für die Verankerung von

Jugendinformation und -beratung in der Jugendpolitik und in anderen wichtigen Politikbereichen, die junge Menschen betreffen. Seit ihrer Gründung arbeitet ERYICA eng mit dem Europarat, der Europäischen Kommission und jüngst auch der UNESCO zusammen.

Weitere Informationen zu den Angeboten und Projekten von ERYICA finden Sie auf eryica.org .

Weitere Informationen finden Sie auf eurodesk.eu .

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Inhalt

Kapitel 1 – Was bedeutet Jugendbeteiligung in der Jugendinformation? 1.1 Warum sollten Jugendinformationsdienste die Jugendbeteiligung fördern? 9 1.2 Jugendbeteiligung als Form der Beteiligung an Entscheidungsprozessen 12

Kapitel 4 – Junge Menschen als Peer-Educator*innen

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4.1 Was ist Peer-Education?

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4.2 Junge Menschen für Peer-Education gewinnen

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4.3 Qualifizierung und Unterstützung

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1.3 Mehr Verantwortung für junge Mensche

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4.4 Bewährte Praktiken und Initiativen

1.4 Junge Menschen als aktive Bürger*innen und Verantwortliche 1.5 Jugendinformation führt zu Beteiligung an demokratischen Prozessen 1.6 Jugendbeteiligung in der Jugendinformation: Begriffsbestimmung

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Kapitel 5 – Einbindung junger Menschen in die Leitung von Jugendinformationsdiensten

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5.1 Verantwortung auf Serviceebene

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5.2 Lenkungsgruppen und ähnliche Strukturen

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5.3 Einbindung junger Menschen in Führungsgremien

Poster: Jugendbeteiligung in der Jugendinformation

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5.4 Bewährte Praktiken und Initiativen

Kapitel 2 – Jugendbeteiligung sinnvoll gestalten

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5.5 Servicedesign-Methoden

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2.1 Sinnvolle Jugendbeteiligung

5.6 Bewährte Praktiken und Initiativen

2.2 Wer sollte beteiligt werden? Relevanz und Inklusion

Kapitel 6 – Feedback von jungen Menschen zur Planung und Evaluierung 6.1 Evaluierung, Monitoring, Prüfung und Beurteilung 71 6.2 Jugendbeteiligung durch Feedback von Teilnehmenden 72

24

2.3 Teilnehmende gewinnen:

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Neue Teilnehmende erreichen

2.4 Raum und Unterstützung bei Aktivitäten zur Jugendbeteiligung 2.5 Auf dem Laufenden bleiben: Verantwortungsbereitschaft und Transparenz

32

38

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6.3 Junge Menschen in der Verantwortung

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Poster: Prinzipien der Jugendbeteiligung 41 Kapitel 3 – Jugendinformation gemeinsam mit jungen Menschen entwickeln 3.1 Jugendinformation entwickeln: Der partizipative Weg 43

6.4 Bewährte Praktiken und Initiativen

Literatur und Linksammlung

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43

3.2 Junge Menschen als Content-Creator*innen

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3.3 Bewährte Praktiken und Initiativen

3.4 ugendinformation gemeinsam entwickeln: Kampagnen und Projekte

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3.5 Bewährte Praktiken und Initiativen

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Was bedeutet Jugendbeteiligung in der Jugendinformation? Kapitel 1

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Warum sollten Jugendinformationsdienste die Jugendbeteiligung fördern ?

1.1

Jugendbeteiligung ist für eine gute Jugendinformation unerlässlich. Sie stärkt die Menschenrechte junger Menschen, trägt zum demokratischen Leben bei und bietet eine unschätzbare Chance, die Arbeit von Jugendinformationsdiensten zu verbessern. Jugendbeteiligung bedeutet, dass junge Menschen „das Recht, die Mittel, den Freiraum, die Möglichkeit und, wenn nötig, die gewünschte Unterstützung [haben], um bei Entscheidungen mitzusprechen, Entscheidungen zu beeinflussen und sich für alle Bemühungen um eine bessere Gesellschaft einzusetzen. “1 In diesem Kapitel betrachten wir einige der Konzepte, Theorien und Gesetze, die der Jugendbeteiligung zugrunde liegen. Wir analysieren zudem ihre Bedeutung für die Arbeit von Jugendinformationsdiensten. Dieses Kapitel bietet somit einen wichtigen Ausgangspunkt für alle Mitarbeitenden der Jugendinformation, die ein besseres Verständnis von Jugendbeteiligung erlangen möchten. Dieses verbesserte Verständnis hilft ihnen bei der Planung und Umsetzung von Beteiligungsaktivitäten in Jugendinformationsdiensten. Die Menschenrechte junger Menschen sind eine wichtige Grundlage der Jugendbeteiligung. Menschenrechte sind die grundlegenden Rechte und Freiheiten, die jedem Menschen auf der Welt zustehen, von der Geburt bis zum Tod. Die Jugendbeteiligung soll das Recht junger Menschen auf freie Meinungsbildung und -äußerung fördern und ihr Recht auf Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben bekräftigen. Jugendinformation 2 und Jugendbeteiligung sind beim Schutz und der Förderung der Menschenrechte junger Menschen nicht voneinander zu trennen.

Die Menschenrechte werden durch eine Vielzahl von internationalen Verträgen und Übereinkommen rechtlich geschützt. Folgende Menschenrechte stehen direkt mit der Jugendbeteiligung in Verbindung: → Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der das Recht auf freie Meinungsäußerung schützt. → Artikel 11 und Artikel 3 (in Protokoll Nr. 1) der Europäischen Menschenrechtskonvention, die das Recht auf Teilhabe am demokratischen und staatsbürgerlichen Leben schützen → Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention (UNCRC), der das Recht auf Beteiligung und freie Meinungsäußerung von unter 18-Jährigen schützt. → Zudem gibt es internationale Abkommen, die die Rechte bestimmter Personengruppen schützen, wie zum Beispiel das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen . :enschenrechte sind die Grundlage der Jugendbeteiligung. Um jungen Menschen die volle Ausübung ihrer Menschenrechte zu ermöglichen, braucht es Jugendinformationsdienste. Ein partizipativer Ansatz der Jugendinformation ist dabei entscheidend. Eine weitere wichtige Grundlage der Jugendbeteiligung ist die Demokratie . Jugendbeteiligung und Jugendinformation sind hinsichtlich der Stärkung der Demokratie eng miteinander verbunden. Beide ermöglichen es jungen Menschen, sich in unseren Gemeinschaften und Gesellschaften demokratisch einzubringen und aktive Bürger*innen zu werden.

J

B

1 Europarat (2017) Revidierte Europäische Charta der Beteiligung der Jugend am Leben der Gemeinde und der Region, verfügbar unter, https://rm.coe.int/168071b4d6 2 Europ arat (2015) Young people’s access to rights through youth information and counselling, verfügbar unter https://rm.coe.int/16807023d9

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„ Mitwirkung am demokratischen Leben einer jeden Gemeinschaft heißt nicht nur wählen und sich zur Wahl stellen, auch wenn dies natürlich wichtig ist. Aktive Mitsprache als [Bürger*in] bedeutet auch, dass man das Recht, die Mittel, den Freiraum, die Möglichkeit und, wenn nötig, die gewünschte Unterstützung hat, um bei Entscheidungen mitzusprechen, Entscheidungen zu beeinflussen und sich für alle Bemühungen um eine bessere Gesellschaft einzusetzen.“’

ursachenbezogenen Aktivismus der Umweltbewegung. Sie ziehen es oft vor, sich für ein bestimmtes Thema zu engagieren, statt einer formalen Struktur oder Organisation beizutreten oder sie zu unterstützen. Die Forschung zeigt auch, dass soziale Medien und die Online-Welt eine immer wichtigere Rolle für die Jugendbeteiligung spielen. Sie bieten jungen Menschen Raum, Methoden und Online- Communitys, um sich politisch zu äußern. Öffentlichen und demokratischen Institutionen eröffnen sie neue Möglichkeiten, direkt mit jungen Menschen in Kontakt zu treten. Die Zunahme von „Information Disorder“ (Informationsstörung, manchmal auch „Fake News“) und Desinformation kann jedoch auch zu einem Erstarken extremistischer Überzeugungen und einem Vertrauensverlust in unsere demokratischen Systeme beitragen. Ein letzter praktischer Vorteil der Jugendbeteiligung besteht darin, dass ein partizipativer Ansatz es ermöglicht, die Jugendinformation an die Bedürfnisse junger Menschen anzupassen . Es sollte selbstverständlich sein, jungen Menschen zuzuhören und ihr Feedback zu den Formen der Jugendinformation und der Arbeit von Jugendinformationsdiensten einzuholen. Wir müssen die Wünsche und Bedürfnisse junger Menschen erkennen, mit ihnen gemeinsam neue Ideen entwickeln und die bestehende Arbeit auswerten. Ein solches Nutzer*innen- Feedback und die gemeinsame Entwicklung von Angeboten verbessern die Qualität der Jugendinformation und tragen dazu bei, dass sie den Wünschen und Bedürfnissen junger Menschen entspricht.

Präambel der Revidierten Europäischen Charta der Beteiligung der Jugend am Leben der Gemeinde und der Region

Jugendbeteiligung bietet jungen Menschen die Möglichkeit und Unterstützung, aktive Bürger*innen zu werden. Sie kann jungen Menschen helfen, ihre Fähigkeiten zur Teilnahme am demokratischen Leben zu entwickeln und die Welt um sie herum aktiv mitzugestalten. Partizipative Jugendinformationsdienste können junge Menschen dazu befähigen, aktive Bürger*innen zu werden und in ihren jeweiligen Gemeinschaften Verantwortung zu übernehmen. Die Sozialforschung hat einige wichtige Trends bei der demokratischen Teilhabe junger Menschen festgestellt. 3 Junge Menschen sind politisch hoch motiviert, haben oft aber wenig Vertrauen in die etablierte Politik, die öffentlichen Institutionen und die traditionellen Formen der Beteiligung. Viele junge Menschen wählen lieber alternative Wege der Mitwirkung, z. B. den

3 Europäisches Parlament, Generaldirektion Kommunikation, Deželan, T., Moxon, D., (2022) Influencing and understanding political participation patterns of young people: the European perspective, Europäisches Parlament, verfügbar unter https://data.europa.eu/doi/10.2861/740120

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Strategien und Standards für die Jugendbeteiligung

In Europa gibt es verschiedene Gesetze, Strategien und Standards zur Förderung der Jugendbeteiligung:

→ Das Ministerkomitee des Europarates hat eine Reihe von Empfehlungen an die Mitgliedstaaten ausgesprochen, die sich mit dem Bürgersinn und der Beteiligung junger Menschen, ihrer Mitwirkung am Leben von Gemeinden und Regionen, der Jugendzivilgesellschaft und der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren befassen. → Die EU-Jugendstrategie 2019-2022 soll die Teilhabe junger Menschen am demokratischen Leben fördern. Sie unterstützt zudem soziales und bürgerschaftliches Engagement und soll sicherstellen, dass alle jungen Menschen über die notwendigen Ressourcen verfügen, um sich in die Gesellschaft einzubringen. In der EU-Jugendstrategie heißt es: „Alle politischen Maßnahmen und Tätigkeiten in Bezug auf junge Menschen [sollten] ihrem Recht Rechnung tragen, im Wege einer substanziellen Teilhabe von jungen Menschen und Jugendorganisationen an der Entwicklung, der Umsetzung und der Nachbereitung von sie betreffenden politischen Maßnahmen teilzuhaben.“ Die Jugendbeteiligungsstrategie zur Förderung von Jugendbeteiligung in demokratischen Prozessen durch die Programme Erasmus+ und Europäisches Solidaritätskorps von SALTO PI unterstützt die EU- Jugendstrategie. → Artik el 6 d er Europäischen Jugendinformationscharta von ERYICA legt fest, dass Jugendinformation „partizipativ“ sein sollte. Es werden folgende Anforderungen an hochwertige Jugendinformation definiert: 6.1 Junge Menschen sind auf unterschiedlichen Ebenen und in verschiedenen Formen an der Erstellung, Verbreitung und Bewertung von Jugendinformation beteiligt. 6.2 Jugendinformationsdienste bieten Peer-to-Peer-Aktivitäten eine Plattform. 6.3 Junge Menschen werden dazu ermutigt, Feedback zu geben und sich somit an der fortlaufenden Entwicklung von Jugendinformationsdiensten zu beteiligen. → Die Eurodesk Strategy 2022-2027 beabsichtigt eine „breitere Beteiligung junger Menschen an öffentlichen Konsultationen und Prozessen in der EU, einschließlich des Jugenddialogs und anderer konsultativer Aktivitäten, sowie an Programmen zur Förderung der Bildungsmobilität (Europäisches Solidaritätskorps, Erasmus+ und andere Angebote)’. → Viele Länder verfügen auch über nationale Strategien und Programme zur Förderung der Jugendbeteiligung. Weitere Informationen dazu finden Sie im EU Youth Wiki und im Europäischen Wissenszentrum für Jugendpolitik (European Knowledge Centre for Youth Policy – EKCYP) .

11

Jugendbeteiligung als Form der Beteiligung an Entscheidungsprozessen

1.2

Jugendbeteiligung in der Jugendinformation können wir unter anderem als „Beteiligung an der Entscheidungsfindung“ verstehen. Dieser Ansatz konzentriert sich darauf, wie junge Menschen in die Entscheidungen von Jugendinformationsdiensten einbezogen werden. Er basiert auf der Annahme, dass gewisse Entscheidungsträger*innen wichtige Entscheidungen darüber treffen, wie Jugendinformationsdienste agieren. Im Rahmen der Jugendbeteiligung sollen junge Menschen die Möglichkeit bekommen, ihre Ansichten und Meinungen gegenüber diesen Entscheidungsträger*innen zu äußern. So soll sichergestellt werden, dass Entscheidungsträger*innen die Ansichten junger Menschen in ihre Entscheidungen einbeziehen. Entscheidungsträger*innen in Jugendinformationsdiensten sind z. B.: → Projektleiter*innen, die Entscheidungen darüber treffen, wie eine Informationskampagne oder ein Projekt durchgeführt wird. → Führungskräfte, die Entscheidungen darüber treffen, wie ein Jugendinformationsdienst verwaltet und betrieben wird. → Personen, die an der Leitung beteiligt sind, z. B. der Vorstand eines Jugendinformationsdienstes in zivilgesellschaftlichen oder öffentlich finanzierten Organisationen. → Politiker*innen, die aktiv an Entscheidungen über Politik oder Gesetzgebung beteiligt sind, die sich auf die Jugendinformation auswirken. → Finanzierungsstellen, die darüber entscheiden, welche Mittel Jugendinformationsdienste erhalten und wie diese verwendet werden. → Jede andere Person oder Gruppe, die aktiv an der Leitung von Jugendinformationsdiensten beteiligt ist. Diese Gruppierungen entscheiden maßgeblich über die Informationen, die junge Menschen erhalten. Dazu zählen Entscheidungen über Themengebiete, Arten von Informationsmaterial, Kommunikationskanäle, Methoden, Budgetzuweisung, Einstellung von Mitarbeitenden sowie die generelle Strategie des Dienstes. Wenn junge Menschen Einfluss auf diese Entscheidungen nehmen dürfen, können sie die Arbeit des Jugendinformationsdienstes aktiv mitgestalten und letztlich mitentscheiden, welche Informationen sie erhalten.

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Das Lundy-Modell für Partizipation Das Lundy-Modell für Partizipation 4 hilft zu verstehen, wie junge Menschen in die Entscheidungsfindung einbezogen werden können und was dafür benötigt wird. Das Modell besteht aus vier Elementen, die beschreiben, welche Komponenten für die Beteiligung junger Menschen erforderlich sind. Das Modell verdeutlicht zudem, wie wichtig es ist, jungen Menschen Gehör zu verschaffen.

Junge Menschen benötigen sichere und inklusive Räume, die ihre Beteiligung ermöglichen.

Das Recht junger Menschen auf freie Meinungsäußerung muss anerkannt und bekräftigt werden.

Raum

Stimme

Das Lundy-Modell für Partizipation

Die Ansichten junger Menschen müssen einer Person mitgeteilt werden, die über eine entsprechende Handlungsbefugnis verfügt.

Einfluss

Publikum

Die Ansichten junger Menschen müssen ernst genommen und angemessen berücksichtigt werden.

Für Jugendinformationsdienste können diese vier Elemente wie folgt definiert werden: → Raum - Jugendinformationsdienste müssen jungen Menschen aktiv Beteiligungsmöglichkeiten eröffnen. Das können gezielte Partizipationsprojekte und -initiativen, aber auch persönliche Gespräche und Beratungsaktivitäten sein. → Stimme - Wenn junge Menschen Jugendinformationsdienste in Anspruch nehmen, müssen sie ihre Meinung zu dem Dienst frei äußern können. Ihr Recht auf Meinungsäußerung sollte anerkannt und bekräftigt werden.. → Publikum - Jugendinformationsdienste müssen die Meinung der jungen Menschen ernst nehmen. Personen, die an der Leitung von Informationsdiensten beteiligt sind, müssen das Feedback junger Menschen annehmen und nachverfolgen. Es sollte sichergestellt werden, dass das Feedback junger Menschen die Personen erreicht, die über eine entsprechende Handlungskompetenz verfügen. → Einfluss - Das Feedback junger Menschen sollte direkten Einfluss auf die Arbeit des Jugendinformationsdienstes haben. Ihre Ansichten sollten ernst genommen und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden.

4 Das Lundy-Modell für Partizipation wurde für diesen Leitfaden angepasst. Das Original erschien in Lundy, L., (2007). “Voice” is not enough: Conceptualising Article 12 of the United Nations Convention on the Rights of the Child. British Educational Research Journal 33, 927–942. https://doi.org/10.1080/01411920701657033

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Teilhabe bedeutet ZUHÖREN

„ Aktives Zuhören ist die beste Form der Unterstützung. Wenn Sie jeden Tag die gleichen Projekte betreuen, werden Sie irgendwann betriebsblind. Sie vergessen die Grundlagen. Vielleicht vergessen Sie auch, wie es ist, wenn das Wissen noch fehlt, wenn man jung und naiv ist. Sie sollten also versuchen, sich so weit wie möglich in die Denkweise der jungen Menschen hineinzuversetzen. Bleiben Sie geduldig, beantworten Sie alle Fragen und klären Sie Missverständnisse zum Projekt auf. Was Ihnen selbst banal und offensichtlich erscheint, ist für die junge Person Ihnen gegenüber vielleicht nicht so selbstverständlich. Zuhören, helfen und geduldig sein sind die wichtigste Form der Unterstützung. Es gibt immer einen Weg, die Beiträge anderer zu honorieren. “

C aterina, ERYICA-Jugendbotschafterin Kroatien/Italien

Teilhabe bedeutet ZUHÖREN

„ Wir müssen jungen Menschen das Wissen und die Mittel geben. Sie sollten konstant gehört werden. Junge Menschen müssen ernst genommen werden und man muss ihnen zeigen, dass ihre Meinungen und Ideen wertvoll sind. “

Teilhabe bedeutet ZUHÖREN

„ Systematische Rückmeldungen auf Fragen und Feedback geben mir das Gefühl, dass meine Stimme zählt. Ein tolles Instrument, das mir das Gefühl gibt, gehört zu werden, ist das von der Europäischen Kommission mit Unterstützung von Eurodesk eingerichtete Europäische Jugendportal, in dem wir wichtige Themen sowohl für die lokale Gesellschaft als auch für Europa als Ganzes beschreiben können. Das letzte wichtige Element ist die Veränderung. Wir tauschen unsere Meinungen aus und hören zu, um etwas Bestimmtes zu verändern oder einfach zu verbessern. Wenn ich sehe, dass ein Jugendinformationsdienst wie Eurodesk neue Projekte durchführt, die auf den Meinungen junger Menschen basieren, oder andere verbessert, dann bin ich sicher, dass meine Stimme zählt und dass ich gehört wurde. “

Maria, Poland Eurodesk-Jungjournalistin

Teilhabe bedeutet ZUHÖREN

„ Bei einem meiner Projekte nimmt unser Projektleiter – egal wie beschäftigt er ist – immer an unseren wöchentlichen Treffen teil, um uns Rückmeldung zu unseren Vorschlägen und Tipps für die Zukunft zu geben und uns auf den neuesten Stand zu bringen. Das halte ich für etwas sehr Besonderes. Diese Art von Aufmerksamkeit zeigt uns, dass wir wertgeschätzt werden. Das gibt dir wirklich das Gefühl, dazuzugehören. Auf einer sehr persönlichen Ebene gibt es dir das Gefühl, gehört zu werden.“

Kacper, Poland Eurodesk-Jungjournalist

Maylinda, Albanien Mitglied des EYCA Youth Panel

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Mehr Verantwortung für junge Menschen

1.3

Wenn Jugendinformationsdienste junge Menschen in ihre Entscheidungsfindung einbeziehen, sollte klar definiert werden, wie viel Einfluss junge Menschen auf Entscheidungen nehmen können. Damit junge Menschen in Ihrer Organisation oder Ihrem Projekt Entscheidungen treffen können, braucht es eine klare Verpflichtung der Entscheidungsträger*innen. Sie müssen wirklich bereit sein, die Ansichten junger Menschen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen und die Entscheidungsgewalt mit ihnen zu teilen. Dazu gehört, dass Sie in der Lage sind, Kritik von jungen Menschen anzunehmen und den Unterschied zwischen dem persönlichen Feedback einer Einzelperson und dem Feedback einer größeren Gruppe junger Menschen zu erkennen. Es ist wichtig, offen und transparent zu kommunizieren, wie viel Einfluss die jungen Beteiligten nehmen können.

Die Stufen der Beteiligung Die Stufen der Beteiligung nach Roger Hart 5 können genutzt werden, um den Einfluss junger Menschen auf die Entscheidungsfindung von Jugendinformationsdiensten zu bestimmen. Jede Stufe der Partizipationsleiter steht für ein unterschiedliches Maß an Beteiligung. Je höher die Stufe, desto größer die Beteiligung. Die Leiter besteht aus folgenden Stufen: → Mitbestimmung oder Selbstbestimmung: Entscheidungen werden von Entscheidungsträger*innen des Jugendinformationsdienstes und jungen Menschen gemeinsam getroffen oder die jungen Menschen haben die Freiheit und den Einfluss, Entscheidungen über den Informationsdienst selbst zu treffen. → Beratung: Entscheidungsträger*innen des Jugendinformationsdienstes holen die Meinung junger Menschen ein, beteiligen sie aber nicht direkt an der Entscheidungsfindung. → Information: Entscheidungsträger*innen des Jugendinformationsdienstes informieren junge Menschen über Entscheidungen und deren Ergebnisse, ohne die Meinung der jungen Menschen einzuholen. → Fremdbestimmung: Entscheidungsträger*innen des Jugendinformationsdienstes treffen Entscheidungen, ohne junge Menschen zu informieren.

5 Die Stufen der Beteiligung nach Hart erschienen ursprünglich in Hart, R.A., 1992. Children’s participation: From tokenism to citizenship. Innocenti. Diese Grafik zeigt eine für diese Publikation erstellte vereinfachte Version.

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Die oberste Stufe der Leiter stellt die höchste Stufe der Beteiligung dar, allerdings können auf dieser Stufe nicht alle Entscheidungen getroffen werden. Der Grad der Beteiligung variiert von Entscheidung zu Entscheidung. Es ist wichtig, den Grad der Beteiligung für jede Entscheidung klar zu definieren und transparent zu kommunizieren. Gemeinsame Entscheidungsfindung und Selbstbestimmung erfordern eine tiefgreifende und umfassende Zusammenarbeit mit jungen Menschen. Dafür braucht es auf beiden Seiten volles Engagement. Diese Stufe der Beteiligung eignet sich am besten für die wichtigsten Entscheidungen oder die Entscheidungen, an denen junge Menschen am meisten interessiert sind. Einige junge Menschen möchten sich vielleicht nicht eingehend beteiligen oder sind der Meinung, dass ihre Beteiligung bei gewissen Entscheidungen weniger relevant ist. Dann kann es sinnvoller sein, jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, ihre Meinung schnell und einfach im Rahmen von Konsultationen (z. B. in Form von Feedbackbögen) zu äußern. In bestimmten Situationen können Entscheidungen womöglich aus rechtlichen, ethischen oder finanziellen Gründen nicht mit jungen Menschen gemeinsam getroffen werden. Dann sollten die jungen Menschen nach Möglichkeit über die Entscheidungen informiert werden.

Was sind die wichtigsten Faktoren der Beteiligung?

„ Der Grad meiner Beteiligung hängt vom Thema ab. Wenn es eng mit meinen Interessen verbunden ist und mir am Herzen liegt, bin ich immer bereit, mich einzubringen und einen Beitrag zu leisten. Meine Prioritäten ergeben sich auch aus der Zukunft meiner Gemeinschaft. Engagement entsteht, wenn ich das Leben anderer Menschen durch meinen Einsatz verbessern kann. Der Grad der Beteiligung hängt auch von den Menschen ab, mit denen ich zusammenarbeite. Wenn sie einen positiven Einfluss haben, ist es leichter, sich zu engagieren. Manchmal beeinflusst auch der persönliche Nutzen für mich selbst oder meinen beruflichen Werdegang, wie engagiert ich mich einbringe. “

Anna, Polen Eurodesk-Jungjournalistin

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Junge Menschen als aktive Bürger*innen und Verantwortliche

1.4

Jungen Menschen Verantwortung geben

Nicht jede Form der Jugendbeteiligung basiert auf der Beteiligung an Entscheidungsfindungsprozessen. Ein weiterer wichtiger Ansatz besteht darin, dass junge Menschen aktiv werden und Dinge selbst in die Hand nehmen. Statt sich darauf zu verlassen, dass Entscheidungsträger*innen ihre Wünsche umsetzen, können junge Menschen selbst Veränderungen herbeiführen und ihre Anliegen in die Tat umsetzen. Jugendinformationsdienste können z. B. eng mit jungen Menschen zusammenarbeiten und ihnen die Möglichkeit geben, Aktivitäten zu planen, durchzuführen und zu bewerten. Sie können junge Menschen selbst Inhalte erstellen und bereitstellen lassen oder andere Maßnahmen umsetzen, bei denen junge Menschen aktiv an der Bereitstellung von Jugendinformation beteiligt sind. Junge Menschen müssen bei den von Jugendinformationsdiensten angebotenen Aktivitäten zur Jugendbeteiligung eine Führungsrolle übernehmen können. Wenn junge Menschen Aktivitäten selbst anleiten, können sie die Formen der Jugendbeteiligung in der Jugendinformation mitgestalten. So können Jugendbeteiligungsaktivitäten verbessert und jugendgerechter gestaltet werden. Junge Menschen erhalten mehr Einfluss und können sicherstellen, dass die Aktivitäten den Bedürfnissen und Interessen der Jugend entsprechen. Diese Ansätze verbinden non-formale Bildung und erfahrungsbasiertes Lernen. Bei beiden Methoden lernen junge Menschen, indem sie ihre eigenen Lösungen und Ideen umsetzen und dabei mit Jugendinformationsdiensten zusammenarbeiten (s. Kapitel 2).

“ Junge Menschen sollten nicht nur Teil des Projekts sein, um bestimmte Ergebnisse zu liefern. Stattdessen sollten sie den Prozess tatsächlich leiten. Sie sollten eine Chance bekommen, selbst aktiv zu werden. Viele junge Menschen wollen gerne helfen und könnten ein großes verstecktes Potenzial mitbringen. Aber wenn man ihnen nicht den Raum gibt, das zu zeigen, wird vieles übersehen. Schaffen Sie also mehr Möglichkeiten sich einzubringen, z. B. kleinere Projekte, an denen junge Menschen aktiv mitarbeiten können. So können sie Ideen entwickeln, ihre Wünsche und Bedürfnisse zum Ausdruck bringen und ihre Führungsqualitäten ausbauen. “

Rafaela, Kroatien ERYICA-Jugendbotschafterin

Jungen Menschen Verantwortung geben

„ Um in einem Leitungsgremium mitzuarbeiten, braucht es vor allem die richtigen sozialen Kompetenzen. Menschen,die kritikfähig sind, mit schwierigen Situationen umgehen können und sich jeder Herausforderung stellen, werden in einer solchen Funktion sicherlich erfolgreich sein. Außerdem brauchen sie ein Ziel, und vielleicht noch mehr: eine Mission, für die sie nach den bestmöglichen Lösungen streben.“

Anna, Polen Eurodesk-Jungjournalistin

17

Jugendinformation führt zu Beteiligung an demokratischen Prozessen

1.5

Der Zugang zu qualitativ hochwertiger Jugendinformation fördert die Beteiligung junger Menschen an demokratischen Prozessen und macht sie zu aktiven Bürger*innen. Die Fähigkeit junger Menschen, Informationen zu erhalten, sie zu bewerten und zu nutzen, ist eine Voraussetzung für ihre aktive Teilhabe an der Gesellschaft und ein verantwortungsvolles Handeln als aktive Bürger*innen 6 . Der gleichberechtigte Zugang zu hochwertigen und kostenlosen Informationen ermöglicht es jungen Menschen, ihre Rechte wahrzunehmen, eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen und sich an der Gesellschaft in all ihren sozialen, wirtschaftlichen, staatsbürgerlichen und politischen Dimensionen zu beteiligen. Junge Menschen benötigen zudem eine ausreichende Medienkompetenz, um Informationen zu verstehen und sie effektiv zu nutzen. Laut der Europäischen Charta der Jugendinformation ist hochwertige Jugendinformation ermächtigend . Das bedeutet: → Jugendinformationsdienste ermächtigen und befähigen junge Menschen und fördern ihre Eigenständigkeit. → Jugendinformationsdienste vermitteln jungen Menschen Medien- und Informationskompetenzen, die ihnen dabei helfen auf sichere und verantwortungsbewusste Weise zu handeln. → Jugendinformationsdienste fördern aktive Bürgerschaft und Beteiligung von jungen Menschen. Hochwertige Jugendinformation fördert junge Menschen wie folgt: → Sie sind gut informiert und kennen ihre Menschen- und Mitbestimmungsrechte. → Sie wissen, wie sie sich Gehör verschaffen können. → Sie wissen, wie politische Prozesse funktionieren und politische Entscheidungen getroffen werden. → Sie wissen, wie man sich verantwortungsvoll an politischen und bürgerschaftlichen Entscheidungen beteiligt, z. B. durch Wahlen. In diesem Leitfaden geht es darum, wie junge Menschen in Jugendinformationsdiensten mitwirken können. Die Rolle der Jugendinformation für die Beteiligung junger Menschen an demokratischen Prozessen ist ein separates Thema. Weitere Informationen darüber, wie Jugendinformationsdienste die Teilhabe junger Menschen an demokratischen Prozessen ermöglichen können, finden Sie in dem Kit von ERYICA und dem Europarat: ‘Young people’s access to rights through youth information and counselling“.

6 Empfehlung CM/Rec(2010)8 des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedstaaten zur Jugendinformation, verfügbar unter https://rm.coe.int/09000016805b251a

18

Jugendbeteiligung in der Jugendinformation Begriffsbestimmung

1.6

Eurodesk und ERYICA haben für diese Publikation eine Definition des Begriffs „ Jugendbeteiligung in der Jugendinformation“ entwickelt.

Jugendbeteiligung in der Jugendinformation

Jugendbeteiligung in der Jugendinformation bedeutet, jungen Menschen das Recht, die Mittel, den Freiraum und die Unterstützung zu geben, damit sie: → Sich auf unterschiedlichen Ebenen und in verschiedenen Formen an der Erstellung, Verbreitung und Bewertung von Jugendinformation beteiligen können. → Peer-to-Peer-Aktivitäten im Bereich der Jugendinformation entwickeln und anleiten können. → Feedback geben und sich somit an der fortlaufenden Entwicklung von Jugendinformationsdiensten beteiligen können.

→ Sich aktiv in die Gestaltung und Leitung von Jugendinformationsdiensten einbringen können.

Das Ziel von Jugendbeteiligung in der Jugendinformation ist es, jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, die Inhalte und Formen der Jugendinformation mitzugestalten und Einfluss auf die Arbeit von Jugendinformationsdiensten zu nehmen. Jugendbeteiligung in der Jugendinformation ist neben dem Zugang zu hochwertiger Jugendinformation ein wesentlicher Faktor für die aktive Teilhabe junger Menschen am demokratischen und staatsbürgerlichen Leben.

Poster auf Seite 21

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Jugendbeteiligung in der Jugendinformation kann durch eine Vielzahl unterschiedlicher Modelle und Formate erfolgen, zu denen kontinuierlich neue hinzukommen. Zu den gängigsten Formaten zählen u. a. die folgenden: 1 Jugendinformation gemeinsam mit jungen Menschen entwickeln Bei diesen Methoden geht es um die Mitbestimmung junger Menschen hinsichtlich der Arten von Jugendinformation. Sie werden in die Auswahl von Themen, Formaten, Inhalten und Plattformen eingebunden. Sie können auch direkt an der Erstellung von Jugendinformationen mitwirken. Zu dieser Gruppe von Methoden zählen: → Die Einbindung junger Menschen als Content-Creator*innen. → Die gemeinsame Entwicklung von Informationskampagnen und -materialien durch Fachkräfte für Jugendinformation und junge Menschen. → Diese Methoden werden in Kapitel 3 näher erläutert.

2 3 4 Junge Menschen als Peer- Educator*innen einbinden Junge Menschen in die Leitung von Jugendinfor mationsdiensten einbinden Auswertung, Beurteilung und Feedback

Diese Methode ermöglicht es jungen Menschen, aktiv an der Bereitstellung von Jugendinformation mitzuwirken. Junge Menschen übernehmen dabei eine aktive Rolle bei der Verbreitung von Jugendinformation an Gleichaltrige. Sie profitieren von erfahrungsbasiertem Lernen und üben sich zugleich als aktive Bürger*innen. Diese Methoden werden in Kapitel 4 näher erläutert.

Bei diesen Methoden geht es um die Mitbestimmung junger Menschen hinsichtlich der Verwaltung von Jugendinformationsdiensten und ihrer Projekte. Sie bekommen die Möglichkeit, die Gesamtstrategie und den Ansatz des Jugendinformationsdienstes zu beeinflussen und zu lenken. Das kann den Jugendinformationsdienst als Ganzes betreffen oder einzelne Bereiche, z. B. ein konkretes Projekt: Zu dieser Gruppe von Methoden zählen: → Einrichtung von Jugendberatungsgruppen und Jugendexpert*innengruppen.

→ Einbindung junger Menschen in Führungsgremien. → Einbindung junger Menschen in das Service-Design.

Diese Methoden werden in Kapitel 5 näher erläutert.

Bei diesen Methoden geht es um die Einführung einfacher, systematischer Ansätze, die es allen jungen Menschen ermöglichen, ihre Meinung über die Qualität von Jugendinformation zu äußern. Sie sind auf einer der unteren Stufen der Beteiligung angesiedelt, können Jugendinformationsdiensten aber dabei helfen, jungen Menschen zuzuhören und ihre Angebote entsprechend anzupassen. Diese Methoden werden in Kapitel 6 näher erläutert.

Kein Modell oder Format ist notwendigerweise wirksamer als ein anderes. Sie verfolgen jeweils unterschiedliche Ziele und dienen verschiedenen Zwecken. Ein qualitativ hochwertiger Jugendinformationsdienst sollte eine Reihe von verschiedenen Modellen zur Förderung der Jugendbeteiligung einsetzen. Selbst innerhalb eines Projekts können verschiedene Modelle und Formate zur Anwendung kommen. Alle Modelle beruhen auf denselben Prinzipien und Ansätzen zur Jugendbeteiligung (s. Kapitel 2).

20

Viele verschiedene Modelle zur Förderung der Jugendbeteiligung: 1. Jugendinformation gemeinsam mit jungen Menschen entwickeln Sie können über Inhalte mitentscheiden und selbst Content- Creator*innen werden. 2. Junge Menschen als Peer-Educator*innen einbinden 3. Junge Menschen in die Leitung von Jugendinformationsdiensten einbinden Sie können Entscheidungen zur Verwaltung von Jugendinformationsdiensten und ihren Projekten beeinflussen. Auswertung, Beurteilung und Feedback Sie können ihre Meinung zur Qualität von Jugendinformation äußern. Sie beteiligen sich aktiv an der Bereitstellung von Jugendinformation.

Ziel ist es, jungen Menschen das Recht, die Mittel, den Freiraum und die Unterstützung zu geben, damit sie: → Sich auf unterschiedlichen Ebenen und in versc hieden en Formen an der Erstellung, Verbreitung und Bewertung von Jugendinformation beteiligen können. Bereich der Jugendinformation entwickeln und anleiten könn en. → Feedback geben und sich somit → Peer-to-Peer -Akti vitäten im an der fortlaufende n Ent wicklung von Jugendinformationsdiensten beteiligen können.

→ Ju ng e Menschen sollen zur Relevanz und Q ualität von Jugendinformation beitragen → J unge Menschen sollen Einfluss auf Jug endinformationsdienste nehmen und diese anleiten Dies zeigt, wie wichtig der Zugang zu hochwertiger Information für die Beteiligung der Jugend an demokratischen und bürgerschaftlichen Prozessen ist.

→ Sich aktiv in die Gestaltung und Leitung von Juge ndinforma tio nsdiensten einbringen können.

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