Bergsteiger

Wissen & Personen ∕ Lena Müller

fahren überhaupt keine Züge, nur Busse, aber nicht so oft und nicht überall hin. Es ist auf dem Land wirklich schwierig, da bräuchte es eine viel höhere Taktung. Ein Blick in die Schweiz zeigt, dass es möglich ist. Da fahren Züge in jedes kleine Minital. Viele Leute rechtfertigen sich ja mit dem Verweis auf die Politik. Bei wem sehen Sie die Verantwortung? Bei den Konsumentinnen oder der Politik? Beides ist wichtig. Dass man sein Kon- sumverhalten ändert, aber sich auch für politischen Wandel einsetzt, bei Wahlen, indem man auf die Straße geht und etwa bei den Klimastreiks Druck auf die Politik ausübt. Denn politische wird durch gesellschaftliche Veränderung getragen. Dass alle Kletterinnen und Kletterer aufs Rad umsteigen, bringt wenig, wenn sie sich nicht auch für politische Maßnah- men einsetzen. Meiner Erfahrung nach geht das eh oft Hand in Hand. Was war denn Ihr persönlicher Um- denkmoment? Mein Studium und auch meine jetzige Forschung zu den Auswirkungen der Klimakrise auf Bergregionen haben mich sehr stark beeinflusst. Ich habe sukzessi- ve mein Leben umgestellt, Ökostrom, regi- onal, bio und vegetarisch essen usw. Mobilität war das Letzte, das noch übrig war. Das fiel mir, wie sicher vielen anderen, am schwersten. Der Umdenk- moment kam während einer Auszeit zwischen Master und PhD, bei der ich ein halbes Jahr zum Klettern mit dem Auto unterwegs war. Irgendwann hatte ich das Gefühl: So kann es nicht mehr weiter gehen. Das Auto macht einen zu großen Teil meines ökologischen Fußabdrucks aus. Dann war ich erstmal zwei Monate nur in der Halle klettern. Keine Dauer- lösung, weil mir draußen klettern so guttut und Energie für den Alltag bringt. Inzwischen sind Sie auch Aktivistin. Das Wissen um die Klimakrise hat mein Handeln beeinflusst. Deshalb engagiere ich mich bei Scientists for Future. Als Wissenschaftlerin musste ich erst lernen, dass es nichts bringt, nur Fakten runter- zurattern. Man muss auch Geschichten erzählen, um die Leute zu kriegen. Des- halb ist es auch so schön, dass ich mit dem Führer, mit Filmen, Vorträgen oder Artikeln die Möglichkeit habe, beides zu verknüpfen.

dauert es länger, man muss sich nach den Fahrplänen richten und viel Material schleppen. Außerdem fehlen bisher die Infos. Es wäre schön, wenn in Kletterfüh- rern beschrieben würde, welche Gebiete gut öffentlich zu erreichen sind und wie. Ein weiterer Punkt ist, dass es bislang kaum Vorbilder gibt. Berichtet wird, wenn jemand noch schneller oder schwerer geklettert und dafür irgendwohin geflo- gen ist. Das ändert sich Gott sei Dank. Ja, auch durch Ihre Arbeit. Stichwort Eco Point. Den Begriff haben Sie in Anlehnung an Rotpunkt eingeführt, nachdem Sie die schwere Trad-Route »Prinzip Hoffnung« hauptsächlich mit öffentlicher Anreise geklettert sind. Ja, das ist fein. Ich hoffe, dass meine Geschichten die Leute inspirieren. Denn es hat schon einen Einfluss, welche Werte Firmen und Medien vermitteln. Und die Menschen scheinen sich zunehmend für solche Geschichten zu interessieren.

Ich sehe mich nicht in der Verantwortung, irgendjemanden überreden zu müssen. Was ich machen kann, ist, über meine Mobilitätsumstellung zu erzählen. Als Wissenschaftlerin kann ich zudem über die Dringlichkeit sprechen. Zu dem ewigen Argument mit den Kosten: Ja, Einzeltickets sind wirklich sauteuer, aber mit einem Monats- oder Jahresticket zahlt es sich voll aus. Wenn man dann noch sein Auto verkaufen oder Carsha- ring machen würde, wird es noch billiger. Das machen nur die meisten nicht. Deswegen brauchen wir nicht nur persön- liche Mobilitätsumstellung, sondern eine allgemeine Mobilitätswende. Sie sind ja aus dem Allgäu und wohnen jetzt in Innsbruck. Ist Öffifahren in Tirol einfacher? Mit dem Klimaticket ist es dort ja zumindest günstiger. Schwierig zu sagen. Hier im Inntal sind wir auf jeden Fall sehr privilegiert: Der Zug fährt ins Ötztal und nach Kufstein. In Bad Hindelang, wo ich aufgewachsen bin,

Ihr Lieblingsargument für Öffis?

» Das Wissen um die Klimakrise hat mein Handeln beeinflusst, deshalb engagiere ich mich bei Scientists for Future. «

10 DER GRÜNE BERGSTEIGER 08/22

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