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ALEXANDER DER GROSSE im Kampf gegen Perserkönig Dareios

DENKER HERRSCHER MACHER Ramses, Platon, Alexander und andere: Menschen, die Geschichte schrieben

ISBN: 978-3-98701-008-8

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THE ANCIENT MIDDLE EAST

Die Statue im chinesi- schen Nanjing verkör- pert Konfuzius, dessen Prinzipien große Teile der Gesellschaften in Ostasien bis heute leiten.

{ Inhalt }

6 EINFÜHRUNG 10 KAPITEL 1 Der Alte Orient Die Herrscher Mesopotamiens und Persiens regierten bisweilen mit harter Hand, bewiesen aber auch Mitgefühl. Sie waren es, die das Recht etablierten. 30 KAPITEL 2 Ägyptens Aufstieg Das alte Ägypten prägten nicht nur mächtige Pharaonen, die gigantische Pyramiden bauten, sondern auch eine Herrscherin und ein Kindkönig. 48 KAPITEL 3 Asiens Hochkulturen Die Macht war im antiken China und Indien eng mit Philosophie und Religion verknüpft. Lehrmeister wie Konfuzius und Buddha sind bis heute populär. 78 KAPITEL 4 Europäische Eroberer Von Perikles bis Sokrates, von Hannibal bis Augustus: Kluge Köpfe und geniale Strategen schufen Imperien und legten die Grundsteine für die westliche Zivilisation. 114 BILDNACHWEIS/IMPRESSUM

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{ Einführung }

Das vorliegende Heft betrachtet die bekanntes­ ten Persönlichkeiten der Frühgeschichte aus einem neuen Blickwinkel. Es schöpft aus einem reichhalti­ gen Fundus an historischen Dokumenten, Literatur, Kunstwerken, Architektur und Archäologie. Unser Ritt durch fast 3000 Jahre antike Geschichte beginnt in Mesopotamien und führt uns von dort aus in die ganze Welt: nach Persien und Ägypten, nach Indien und China sowie nach Griechenland und bis ins Römische Reich. Heerscharen von Historikern haben zu dieser langen Zeitspanne eine Fülle von Zeitdokumenten erschlossen. Sie helfen uns, den enormen Einfluss der Antike auf unsere Gegenwart zu verstehen. Es waren aber auch unauffälligere Neuerungen, die einigen Herrschern zum Erfolg verhalfen. Dazu gehört zum Beispiel die Erweiterung des Stra­ ßennetzes: Die Königsstraße von Dareios I. durch Persien stärkte den Handel (und damit den Wohl­ stand), erleichterte Kommunikation (und damit die Regierungsgewalt) und ermöglichte mehr Kon­ trolle (und damit Sicherheit). Der Han-Kaiser Wudi erschloss die legendäre Seidenstraße, die viele W IE KANN ES SEIN, dass einstige Eroberer wie Alexander der PRÄGUNG VON LANDSCHAFT UND KULTUR Die sichtbarsten Zeichen vergangener Größe sind sicher die prunkvollen Bauten der antiken Macht­ haber. Was wäre Athen ohne die Akropolis des Perikles? Was Ägypten ohne Ramses’ II. prächtige Tempel von Abu Simbel? Und was wäre China ohne Qin Shihuangdis Chinesische Mauer? Große uns noch heute fesseln? Dass antike Staatsmänner wie Perikles und Augustus uns noch heute beschäftigen? Und dass wir die Schriften von Aristoteles und anderen Philosophen, die vor Tausenden Jahren lehrten, noch immer studieren? Ganz einfach: Auf ihren Schultern ruht das Fundament unserer modernen Zivilisation. All die Herrscher, Macher und Den­ ker der Antike, die wir hier vorstellen, waren höchst einzigartig und veränderten den Lauf der Geschichte ganz entscheidend. LINKE SEITE: Das berühmte Alexander-Mosaik zeigt Alexan- der den Großen in der Schlacht bei Issos gegen die Perser.

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Die monumentale Sitzstatue von König RamsesII. und der Obelisk stehen am Eingang zum Luxor- Tempel in Ägypten.

EINFÜHRUNG

Länder verband. Die Route förderte den länderübergreifenden Austausch von Waren, aber auch von Technolo- gien, Religionen und Ideen. In der Tat sind ihre Ideen das viel- leicht wichtigste Vermächtnis der ein- flussreichen Herrscher des Altertums. Mit Charisma und Überzeugungskraft schufen viele von ihnen nationale Iden- titäten – persisch, chinesisch, indisch, römisch –, mit denen sich die Unter- tanen ganz unterschiedlicher Herkunft und Sprache identifizieren konnten. In Europa legten antike Staatsmän- ner den Grundstein für die partizipato- rische Demokratie, die der Westen für seine größte Errungenschaft hält: Sie gaben nicht nur den Reichen, sondern dem Volk eine Stimme. Sie drangen darauf, zuallererst Disziplin und Inte- grität zu kultivieren, und gingen mit gutem Beispiel voran. DIE ZWEI SEITEN DER MACHT Die dunkle Seite der Macht soll natür- lich nicht unterschlagen werden. Es wäre falsch, die prägenden Persön- lichkeiten der Antike zu verherrlichen, ohne die grausamen Taten zu benen- nen, durch die einige von ihnen an die Macht kamen oder mit denen sie ihre Ziele durchsetzten. Wer sein Impe-

OBEN: Das Bild zeigt Hannibal bei der Überquerung der Alpen, um mit Zehn- tausenden Soldaten und fast 40 Elefanten das Römische Reich zu bekämpfen.

Der indische Kaiser Ashoka zeigte Reue nach einem besonders blutigen Feldzug; er schwor der Gewalt ab und regierte fortan nach der buddhistischen Lehre in Frieden und Barmherzigkeit. Auch diese alte Wahrheit zeigen uns die Gro- ßen der Antike: Der Mensch ist – im Guten wie im Schlechten – enorm lernfähig. „Nur die Weisesten und Dümmsten können sich nicht ändern“, sagte einst Konfuzius. ◆

rium ausdehnen wollte, musste ein anderes Reich erobern – und dabei zumeist unzählige Menschen versklaven oder töten. Der römische Kaiser Trajan finanzierte sein groß- zügiges Auftreten gegenüber den Bürgern Roms zu einem erheblichen Teil aus der üppigen Kriegsbeute, die ihm der vernichtende Feldzug gegen das Volk der Daker im heutigen Rumänien einbrachte. Es gibt aber auch Beispiele für erstaunliche Sinneswandel.

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Als die Hochkulturen Mesopotamiens auch über den fruchtbaren Halbmond hinaus an Einfluss gewannen, entstanden blühende Städte und verzweigte Handelsrouten. Die damaligen Herrscher etablierten einen Führungsstil, der auf Recht, Ordnung und Stärke beruhte. { Kapitel 1 } Der Alte Orient

KÖNIG SARGON VON AKKAD • HAMMURAPI I. NEBUKADNEZAR II. • KYROS DER GROSSE • DAREIOS I.

LINKS: Der Bronzekopf stellt vermutlich König Sargon dar. OBEN: Die Schrifttafel erinnert an den Gesetzgeber Hammurapi I.

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DER ALTE ORIENT

König Sargon von Akkad

Regierungszeit: um 2334 bis 2279 v. Chr.

S ein Name bedeutete „wahrer König“: Sargon von Akkad (unbekannt bis 2279 v. Chr.) verstand ihn als Berufung und gründete um 2334 v. Chr. im frucht- baren Mesopotamien zwischen Euphrat und Tigris das erste Weltreich der Menschheitsge- schichte. Er und seine Nachfolger schufen ein Herr- schaftssystem, das weit über militärische Dominanz hinausging. Sie gewannen das Zutrauen ihres Volks, indem sie ihre Feinde das Fürchten lehrten, aber auch, weil sie für Recht und Ordnung sorgten. Ihre Untertanen verehrten sie als gefürchtete Stellver- treter der Götter auf Erden. Der Legende nach wurde Sargon von Akkad als unehelicher Sohn einer Priesterin geboren, die ihn auf einem Fluss aussetzte. Ein einfacher Arbeiter fand Sargon und zog ihn auf. In sei- ner Jugend soll ihm Ischtar erschienen sein, die Göttin des Begehrens, der Fruchtbarkeit, der Stürme und der Kriege. Sie inspirierte ihn, aus dem Schatten zu treten und die Welt sozusa- gen im Sturm zu erobern. Ganz offensichtlich ist diese Erzählung darauf ausgelegt, Sargons LINKE SEITE: Sargon von Akkad, Gründer des ersten Weltreichs, sorgte für Recht und Ordnung. RECHTS: Die Keilschrifttafel erzählt von Sargons Geburt.

Machtanspruch trotz seiner ärmlichen Herkunft zu legitimieren. Die Sumerer hatten in Mesopotamien lange die Hauptrolle gespielt. Ihre Zivilisation existierte südlich von Akkad bereits seit einem Jahrtausend. Zunächst lernten die Akkader viel von ihren Nachbarn, bis sie Rivalen wurden und die Sumerer schließlich unterwarfen. Dieser Ablauf – der Aufstieg eines ehrgeizigen Außenseiters, der ein etabliertes Reich bezwingt – wiederholt sich im Lauf der Geschichte immer wieder. Auf diese Weise entstanden große Imperien, etwa als die Römer Griechen- land eroberten und die Mongolen in China einfielen.

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BERÜHMTE STÄTTEN Tell Brak, das Zentrum des Kunsthandwerks

S eit den 1930er-Jahren finden Ausgrabungen in Tell Brak statt, einer der ältesten Siedlungen Mesopotamiens im Nordosten des heutigen Syriens. Die Stadt ent- stand um 4000 v. Chr. und war ein bedeutendes Zentrum des Kunst- handwerks, wo Luxusgüter und religiöse Objekte gefertigt wurden.

Im sogenannten Augentempel, erbaut um 3000 v. Chr., fand man Augenidole, die vermutlich Götter oder Gläubige darstellen sollen. Als Sargon von Akkad Mesopota- mien eroberte, ernannte er Tell Brak zum Verwaltungszentrum. Sein Enkel Naram-Sin errichtete hier später eine prunkvolle Festung

mit neun Meter dicken Mauern und einer Inschrift, die ihn als „König der vier Ecken, König des Univer- sums“ bezeichnete. Naram-Sins Reich erstreckte sich über mehr als 800 Kilometer von Tell Brak nach Ur. Nach mesopotamischem Verständnis umfasste es damit die gesamte zivilisierte Welt.

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DENKER, HERRSCHER, MACHER

DER ALTE ORIENT

Bevor Sargon die Macht ergriff, war er Mund- schenk des Königs von Kisch, einer Stadt im Nor- den Mesopotamiens nahe dem heutigen Bagdad. Er stürzte ihn und zog gegen Lugalzagesi ins Feld, den großen Rivalen im Süden und Befehlshaber über ganz Sumer. Sargon profitierte vom Streit der legendären sumerischen Stadtstaaten Ur und Uruk untereinander. Er gewann, nahm Lugalzagesi gefangen und legte ihm ein Joch um den Hals. In einer feierlichen Inschrift steht geschrieben, Sargon habe 34 Schlachten für sich entschieden auf seinem Marsch zum Persischen Golf, wo er „seine Waffen im Meer wusch“. EIN WELTREICH ENTSTEHT Sargon entsandte akkadische Gouverneure in die sumerischen Städte und ließ deren Verteidigungs- mauern niederreißen. Er rührte die sumerische Religion nicht an, machte aber Akkadisch in ganz Mesopotamien zur Landessprache. So schaffte er physische und sprachliche Barrieren ab, einte das Reich und förderte den Handel weit über Mesopota- mien hinaus. Geschäfte mit Indien brachten Perlen, Elfenbein und andere Schätze im Austausch gegen heimische Waren wie Wolle und Olivenöl. Die Kauf- leute nutzten Edelmetalle wie Kupfer und Silber als Währung. Die Münzprägung war noch nicht erfun- den; stattdessen wog man das Metall, um seinen Wert zu bestimmen. Mit den Steuern, die Sargon auf den Handel erhob, entlohnte er seine Soldaten ebenso wie Künstler und Schriftgelehrte, die seine Taten in Skulpturen und Inschriften glorifizierten. Sargon von Akkad herrschte gut 50 Jahre lang und begründete eine Dynastie, die bis zur Regent- schaft seines Enkels Naram-Sin bestand. Sein Ver- mächtnis wirkte noch weit darüber hinaus: Viele spätere Herrscher gestalteten und führten ihr Reich nach Sargons Vorbild. ◆ LINKE SEITE: Tell Brak, eine von Mesopotamiens ältesten Städte. RECHTS: Die Kalzitscheibe zeigt Sargons Tochter Enheduanna, die Hohepriesterin des Tempels von Ur.

N ach seinem Sieg über die Sumerer berief Sargon seine Tochter Enhedu- anna (2285–2250 v. Chr.) zur Hohepriesterin der Göttin Inanna in Ur – ein bedeutsames Amt, da der Mondgott Nanna der Schutz- herr des Stadtstaates war und seine Tochter Inanna (in Akkad Ischtar genannt) als Göttin der sexuellen Liebe und des Krieges verehrt wurde. Wie andere mesopotamische Gott- heiten war Inanna wechselhaft: Sie brachte Fruchtbarkeit und Fülle, aber auch Tod und Zerstörung. Enheduanna gilt als erste namentlich bekannte Schriftstellerin, deren Werke überliefert sind. In einer ihrer vielen Hymnen preist sie die Göttin als „einzigartige Frau, die eine / die hasserfüllte Worte an die Boshaften richtet / die sich unter hell glän- zenden Dingen bewegt / die rebellische Län- der bekriegt / und in der Dämmerung ganz allein das Firmament verschönert“. ZEITGENOSSEN Enheduanna, die Königstochter

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DER ALTE ORIENT

Hammurapi I.

Regierungszeit: um 1792 bis 1750 v. Chr.

H ammurapi I. (unbekannt bis 1750 v. Chr.) wurde um 1792 v. Chr. zum Herrscher von Babylonien gekrönt und regierte das Imperium bis zu seinem Tod. Der Amurriter war nicht nur ein lei- denschaftlicher Krieger, sondern trat auch als ein raffinierter Verwalter auf, der die Traditionen der Sumerer, Akkader und anderer Länder, welche er unter seine Herrschaft brachte, ehrte. Seine Feinde behandelte er dagegen gnaden- los. Er zerstörte ganze Städte, die sich ihm widersetzten.

Teilen auf sumerischen Gesetzen, verhing aber für bestimmte Vergehen härtere Strafen: Auf Körper- verletzung durch einfache Bürger stand Verstüm- melung oder Tod. Wie die alten Israeliten wandten die Amurriten wohl das alttestamentarische Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ an, wenn jemand durch einen anderen zu Schaden kam. Allerdings begünstigte das Gesetzeswerk durch- aus Wohlhabende und Hochrangige. Sie muss- ten lediglich ein Bußgeld zahlen, wenn sie einen Bürger verletzten. Außerdem waren Männer bessergestellt als Frauen: Im Falle eines Ehebruchs konnte ein Mann ungestraft davonkommen, während eine untreue Frau hingerichtet wurde. Trotz dieser Ungleichheit boten die Gesetze Frauen, Nichtadligen und Sklaven einen gewissen Schutz. So konnte eine Frau, die von ihrem Mann misshandelt wurde, die Scheidung ein- reichen. Angeklagte mussten vor Falsch-

In seinem Reich sorgte Hammurapi I. für Stabilität, indem er eine Rechtssamm- lung verfasste, die für all seine Untertanen gleichermaßen galt. Der in Stein gemei- ßelte sogenannte Codex Hammu- rapi regelte Familienstreitigkeiten

ebenso wie Verbrechen außer Haus. Der Sinn der Gesetze, betonte Hammurapi I., liege darin, für einheitliches Recht zu sorgen und das Land „wie eine Sonne“ zu erleuchten. Der Codex Hammurapi basierte in

aussagen weniger Angst haben als andernorts, da auf Meineid die LINKS: Hammurapi I. setzte mit seinem Codex Maßstäbe. Erstmals galten die gleichen Gesetze für alle.

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DENKER, HERRSCHER, MACHER

Hammurapi I. bezwang den König von Mari und zerstörte dessen Palast.

BERÜHMTE STÄTTEN Babylon, die erste Weltstadt

Z u Beginn der sumerischen Herrschaft war Babylon ein provinzieller Außenposten am Euphrat. Doch nachdem Ham- murapi I. das südliche Mesopota- mien um 1792 v. Chr. erobert und Babylon zur Hauptstadt erkoren hatte, stieg die Stadt zu einem der großen Zentren für Kultur,

Handel, Religion, Recht und Bildung in der Alten Welt auf. Immer mehr Menschen lernten lesen und schreiben. Mathemati- sche Kenntnisse nahmen zu, das medizinische Wissen ebenso. Hammurapis Gesetze sahen Honorare für Ärzte vor (und Stra- fen, falls die Patienten starben).

Durch ihren Wohlstand und die Bedeutung wurde die Stadt jedoch zur Zielscheibe fremder Invasoren. In den folgenden 1100 Jahren ging es mit Babylon unter diversen Eroberern bergab. Erst Nebukadnezar II. gelang es, den Glanz der Stadt ab 605 v. Chr. wiederzubeleben .

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DER ALTE ORIENT

Der Codex Hammurapi erlaubte keine persönlichen Racheakte; das allein war schon ein wichtiger Beitrag zu Recht und Ordnung.

RELIGION Mesopotamiens Gottheiten

H ammurapi I. ließ seinen Codex in eine Stele mit einem Abbild des Sonnengottes Schamasch meißeln. Allein dies belegt die zen- trale Rolle der Religion im alten Mesopotamien. Die Menschen verehrten Hunderte Gottheiten. Einige waren für bestimmte Berufe zuständig. Jede Stadt hatte einen eigenen Schutzgott, dem in einem Tempel gehuldigt wurde. Zu den wichtigsten Gottheiten gehörten neben Schamasch noch der Göttervater An, der Fürst der Lüfte Enlil sowie Inanna (auch Ischtar), die Göttin der Liebe und des Krieges. Mittels Opfer- gaben versuchten die Menschen, die mächtigen Wesen zu besänftigen und Chaos im Zaum zu halten. In Tempeln platzierten sie Steinfiguren mit aufgerissenen Augen und betenden Händen, um die Gottheiten bis in alle Ewigkeit zu ehren.

Todesstrafe stand. Die Niederschrift der Gesetze erschwerte es Richtern, willkürlich zu urteilen – und verbreitete das Konzept von Gerechtigkeit als einem universellen, beständigen Gut. Der Codex Hammurapi erlaubte keine persönlichen Racheakte; das allein war schon ein wichtiger Beitrag zu Recht und Ordnung in der Zivilgesellschaft. Hammurapi I. selbst war genau wie andere Erobe- rer der Geschichte über Rachegelüste keineswegs erhaben. Es gab eben keine Regel, die es Herrschern verbot, sich gegenseitig anzugreifen, selbst wenn sie Allianzen geschmiedet oder einander ewige Freundschaft geschworen hatten. So wandte Ham- murapi I. sich gegen seinen langjährigen Verbünde- ten, den König von Mari, der eine blühende Stadt am Oberlauf des Euphrat regierte. Mit dem Palast seines Rivalen zerstörte Hammurapi I. auch einen Schamasch-Tempel. Dessen Inschrift verfluchte all jene, die den Schrein entweihten, und ersuchte die Götter, dem Übeltäter die Kehle durchzuschneiden sowie seine Nachkommen auszulöschen. Im konfliktgeplagten Mesopotamien erfüllten sich derartige Flüche zumeist. Hammurapis Dynastie überdauerte nur wenige Generationen. Doch sein Codex bot ein bedeutendes Vorbild: Etliche spätere Herrscher gaben eigene Gesetzestexte heraus, mit deren Regeln sie ihre Reiche einten. ◆

LINKS: Der gut erhaltene Codex Hammurapi ist heute im Louvre-Museum in Paris zu besichtigen.

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DENKER, HERRSCHER, MACHER

Weltkarte

Was ausserdem geschah: 2000 bis 1500 v. Chr.

Nordpolarmeer

3

Eu r opa

No r d- ame r i k a

A s i

e n

Pazifischer Ozean

Pazifischer Ozean

4

Atlantischer Ozean

2

A f r i k a

Indi scher Ozean

ÄQUATOR

Süd- ame r i k a

1

Australien

1 AUSTRONESISCHE MIGRATION Austronesier gelangten in Auslegerbooten nach Vanuatu. Sie fuhren weiter nach Fidschi und zu anderen Südpazifik- inseln. Dort errichteten sie hierarchische Häupt- lingstümer, führten Yams- wurzel und Brotfrucht ein und züchteten Schweine und Hühner. Die austro- nesische Sprachfamilie reichte bald von Mada- gaskar bis zur Osterinsel.

2 DIE HARAPPA-KULTUR IM INDUSTAL Von sorgfältig geplanten Großstädten aus betrieben die Menschen im Industal Kupfer-, Elfenbein- und Edelsteinhandel mit Per- sien und Mesopotamien. Sie besaßen eine hoch ent- wickelte Kultur, eine gut organisierte Regierung sowie ein Schriftsystem mit rund 400 Zeichen. Die Harappa-Gottheiten schei- nen in den Hinduismus übergegangen zu sein.

3 FERTIGSTELLUNG VON STONEHENGE Die letzte Bauphase in Stonehenge brach an. Das Megalithen-Monu- ment wurde seit etwa 3000 v. Chr. auf der Salisbury Plain in England errichtet . Der geheimnis- volle Kreis aus Sarsen- und Blausteinen, welche aus rund 225 Kilometer Entfer- nung aus Wales herange- schafft wurden, diente nach heutiger Lesart als religiö- ses Zentrum und Friedhof.

4 AUFSCHWUNG DER SHANG-DYNASTIE Die Shang herrschten über das Tal des Gelben Flusses sowie die Nord- chinesische Ebene. Ihr Schriftsystem ist als Orakel-Knochenschrift bekannt: Sie lasen Risse in verbrannten Knochen. Diese Orakel gelten als Grundlage der chinesi- schen Schriftsprache. Sie perfektionierten das Rad, schnitzten Jade und stell- ten Bronzewaffen her.

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DER ALTE ORIENT

Nebukadnezar II.

Regierungszeit: um 605 bis um 561 v. Chr.

D as Vermächtnis von Nebukad- nezar II. (ca. 630 bis 561 v. Chr.) ist durchaus widersprüchlich. Als König von Babylon zerstörte er eine der berühmtesten Städte des Altertums – und verhalf damit einer anderen Stadt zu legendärer Größe. Nebukadnezar II. übernahm nach dem Tod sei- nes Vaters 605 v. Chr. die Macht. Ohne Umschweife setzte er alles daran, das babylonische Reich im Nahen Osten auszuweiten. Er strebte ein universel- les Königtum von Gnaden des mesopotamischen Gotts Marduk an. Mit Unterstützung griechischer Söldner zogen seine Armeen mehrfach gegen die

Es begann die babylonische Gefangenschaft der Judäer, die für die spätere Entwicklung des Juden- tums zu einer religiösen Gemeinschaft von großer Bedeutung war. Ihre Wehklagen fängt die Bibel im Buch der Psalmen ein: „An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten.“ Seine reiche Kriegsbeute nutzte Nebukadnezar II. für ein ehrgeiziges Bauprogramm. Zielstrebig ver- wandelte er das vernachlässigte Babylon in eine strahlende Hauptstadt. Die Stadtsilhouette über- ragte ein 92 Meter hoher Tempelturm, die Zikkurat Etemenanki. Sie galt in der Antike als Weltwunder und wird in der Bibel als Turmbau zu Babel beschrie- ben. Eine gepflasterte Prozessionsstraße verband

den Stufenturm sowie den Haupttem- pel Esagila mit dem Palast sowie dem Ischtar-Tor, das 575 Reliefs und eine Inschrift zierten: „[Ich] schmückte sie mit üppiger Pracht, dass die Menschen sie staunend betrachten mögen.“ So inspirierte die legendäre Weltstadt über Jahrhunderte Herrscher, Kunst- schaffende und Historiker. ◆ RECHTE SEITE: Der Name Nebukadnezars II., König von Babylon, ist mit der Zerstörung Jerusalems verbunden.

konkurrierende Großmacht Ägypten in den Krieg und schlugen Schlachten in Syrien, Palästina und Juda. Als 597 v. Chr. Jerusalem fiel, setzte Nebukadnezar II. einen Statthalter ein, der jedoch Widerstand leistete. Also kehrte er zurück, um die Kontrolle wiederzuerlangen. Die Geschichte der Region und des jüdischen Volkes sollte sich daraufhin grundlegend ändern. Jerusalem wurde erstürmt, der große Tempel dem Erdboden gleichgemacht.

KONTEXT Den prunkvollen Palast von Nebukadnezar II. bringen Geschichtsschreiber noch mit einem anderen Herrscher in Verbindung: In seinen Mauern soll Alexander der Große 323 v. Chr. verstorben sein .

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DENKER, HERRSCHER, MACHER

DER ALTE ORIENT

Kyros der Grosse

Regierungszeit: 559 bis um 529 v. Chr.

W ie so viele Herrscher der Antike stammte Kyros der Große (eigentlich Kyros II., ca. 590 bis 529 v. Chr.) aus einer Königsfamilie. Nach dem Tod seines Vaters Kambyses I. regierte Kyros als König der Achämeniden und machte aus dem Reich seiner Vorfahren ein mächtiges Imperium. Sein Ansehen im Volk verdankte er dabei nicht nur sei- nen militärischen Siegen. Als Eroberer legte er eine bemerkenswerte Toleranz und Gnade gegenüber

keinen Widerstand, im Gegenteil. Die Stimmung war ohnehin angespannt: Die Menschen mussten Zwangsarbeit verrichten, ihr Schutzgott Marduk wurde nicht respektiert. So öffneten sie 539 v. Chr. ihre Stadttore. Und die Perser konnten Babylon einer Inschrift zufolge „friedlich unter Freude und Jubel“ einnehmen. EIN MANN DER GNADE Kyros’ Güte zeigte sich auf vielerlei Art. Er be- schwichtigte die einst mächtigen Meder, indem er

seinen geschlagenen Feinden an den Tag. Kyros war ein brillanter Militärstratege. Es gelang ihm, den König der Meder zu bezwingen und sämtliche iranischen Stäm- me in sein Reich einzugliedern. Deren ge- schickte Reitersoldaten verliehen seiner Armee eine beachtliche Mobilität. Und der Triumph über die Lyder in Kleinasien füllte seine Schatzkammern. Nachdem er die Länder rund um Meso-

sie an der Regierung beteiligte. Er übernahm Klei- derbräuche und Ornamente der Elamiter. Vielerorts gab er Götterbildnisse zurück, die zuvor als Kriegs- beute konfisziert und in Babylon gehortet worden waren. In Babylon selbst huldigte er sogar öffentlich

potamien eingenommen hatte, drang Kyros auch bis Babylon vor. Die Einwohner der Stadt leisteten LINKE SEITE: Kyros’ Ruf als gütiger Herrscher hält bis heute. RECHTS: Der in Keilschrift beschriebene Kyros-Zylinder gilt als die erste Menschenrechtserklärung der Welt.

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DER ALTE ORIENT

dem verehrten Stadtgott Marduk. Kyros’ größter Akt der Barmherzigkeit war wohl die Befreiung der Juden, die Nebukadnezar II. ins Exil nach Babylon gezwungen hatte. Kyros erlaubte ihnen die Rück- kehr in ihr Gelobtes Land. Die Juden priesen den persischen Herrscher dafür in ihren Schriften als Erretter: Gott habe Kyros die Macht verliehen, andere Königreiche zu unterwer- fen, damit er sie nach Jerusalem zurückführe, wo sie ihren Tempel wiederaufbauen könnten. EIN VERMÄCHTNIS DER MENSCHLICHKEIT Kyros starb ungefähr 529 v. Chr. auf einem Feldzug gegen aufsässige Nomadenstämme am Kaspischen Meer. Selbst die Griechen schätzten den persischen Herrscher noch Jahre später – trotz der erbitterten Kriege gegen dessen Nachfolger. Mehr als 150 Jahre nach Kyros’ Tod setzte ihm der griechische Autor Xenophon in seinem Werk Kyrupädie ein literari- sches Denkmal : „Er würdigte seine Untertanen und kümmerte sich um sie wie um seine eigenen Kinder“, schrieb Xenophon, „sie wiederum verehrten ihn wie einen Vater.“ Die Worte inspirierten mindestens einen der US-amerikanischen Gründerväter: Thomas Jef- ferson besaß gleich zwei Ausgaben der Kyrupädie. Noch heute wird Kyros’ Erbe in Ehren gehalten. Am Sitz der Vereinten Nationen in New York steht eine Replik des sogenannten Kyros-Zylinders. Der in Keilschrift verfasste Text auf dem Zylinder berichtet von Kyros’ Gnade, wozu die Bereitschaft gehört, besiegten Völkern ihre Traditionen zu belassen – in damaliger Zeit ein unerhörter Akt, da Herrscher sich eher als die Besitzer von Land und Einwoh- nern betrachteten. Der Zylinder wurde 1879 von britischen Archäologen ausgegraben und gilt in gewisser Weise als erste Menschenrechtscharta. Gerade weil er Mut zum Pluralismus hatte, gilt Kyros als „der Große“ unter den Größten der Geschichte. ◆ LINKS: Kyros besiegte den hier illustrierten König Krösus. RECHTE SEITE: Kyros erlaubte den Juden, aus dem Exil in ihre spirituelle Heimat Jerusalem zurückzukehren.

ZEITGENOSSEN König Krösus, der Rivale

L ydien in Kleinasien war eines von vielen Ländern, die Kyros eroberte. König Krösus von Lydien zählte zu den reichsten Herrschern der Antike. In seinem Reich lagen große Vor- kommen von Elektrum, einer natürlichen Legie- rung aus Gold und Silber. Krösus ließ daraus Münzen herstellen – eine Praktik, die etwa 100 Jahre zuvor in Lydien und Griechenland auf- gekommen war. Krösus’ Reichtum machte ihn legendär. Dem griechischen Geschichtsschreiber Herodot zufolge fragte Krösus einst den Athener Staatsmann Solon, ob Geld glücklich mache. Solon erwiderte: „Wer große Reichtümer sein Eigen nennt, ist dem Glück nicht näher als der, der hat, was er zum täglichen Leben braucht.“ Krösus’ Niederlage gegen Kyros betrachtete Herodot als Beweis dafür, dass Reichtum allein tatsächlich keine Erfüllung bringt.

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DENKER, HERRSCHER, MACHER

RELIGION Das Judentum

D as Judentum ist die älteste noch praktizierte mono- theistische Religion der Welt. Ihre Wurzeln reichen 4000 Jahre zurück. Nichts war den Juden wichtiger als ihr Glaube, dessen Kern der Bund zwischen Mensch und Gott ist. Die Geschichte dieser besonderen Verbindung ist in der Tora beschrieben – in

den ersten fünf Büchern der hebräischen Bibel. Dort heißt es, Gott habe den Israeliten das Land Kanaan versprochen. Sein auserwähltes Volk war ein semiti- scher Stamm, dessen Ursprünge auf den Patriarchen Abraham zurückgehen. Die Israeliten begründeten das Königreich Juda und etablierten um das

Jahr 1000 v. Chr. herum Jerusa- lem als Hauptstadt. Ihr großer Tempel in Jerusalem wurde um 587 v. Chr. durch König Nebu- kadnezar II. zerstört. Nachdem Kyros die Juden 538 v. Chr. aus dem babylonischen Exil befreit hatte, kehrten sie nach Jerusalem zurück und bauten ihr Heiligtum wieder auf.

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DER ALTE ORIENT

Dareios I.

Regierungszeit: 522 bis 486 v. Chr.

D er persische Herrscher Dareios I. (550–486 v. Chr.) kam mit 28 Jah- ren an die Macht und erwies sich rasch als ein großer militärischer Anführer und ein noch besserer Verwalter. Vermutlich gelangte Dareios I. durch einen Putsch auf den Thron; der genaue Hergang wird in der Wissenschaft noch disku-

riesiges Reich klug konsolidierte. Er unterteilte sein Herrschaftsgebiet in rund 20 Provinzen (Satrapien). Diese wurden von örtlichen Beamten (Satrapen) regiert, in deren Gebaren sich der Oberherr nur minimal einmischte. Jede Provinz hatte eine Jahres- steuer zu entrichten. Abgesandte, die als „Augen und Ohren“ des Perserkönigs fungierten, stellten sicher, dass die Satrapen nicht zu viele Steuern von ihren Untertanen ein- trieben. So konnte jeder Aufruhr im Keim erstickt werden. Die Ausgabe von Münzen verein- fachte das Steuerwesen und den Handel. Im Gegensatz zu Gold- oder Silberbarren, die gewogen werden mussten, um ihren Wert zu bestim- men, hatten die persischen Münzen einheitliche Werte und waren leicht zu tauschen. Sie zeigten Dareios I. als Krieger. Darüber hinaus verbesserte er das Bewässe- rungssystem aus Kyros’ Regierungszeit. Der Acker- bau profitierte, und die Maßnahme ermöglichte die Besiedelung in den ausgedörrten Weiten des OBEN: Persien prosperierte unter der Herrschaft Dareios I., dessen Abbild auf dieser Münze zu sehen ist. RECHTE SEITE: Dareios I. wurde in einem Felsengrab bestattet.

tiert. Sicher ist, dass manche Perser Dareios I. für einen Usurpator hielten und in abgelegenen Gebieten die Chance zur Rebellion sahen. Seine ersten drei Amtsjahre verbrachte Dareios I. folglich damit, diverse Aufstände nie- derzuschlagen. Mit seiner 10 000 Mann starken Elitegarde, den „Unsterblichen“, sorgte er für Ord- nung und baute seine Machtsphäre sogar noch aus: Im Osten drang er bis zum

Indus vor und im Westen bis über den Bosporus, die Meerenge zwischen Asien und Europa, hinaus.

EIN ORGANISATIONSGENIE Bedeutender als Dareios’ Eroberungen waren aller- dings seine Verwaltungsreformen, mit denen er sein

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DENKER, HERRSCHER, MACHER

Die Ruinen des Palastes von

Persepolis, den Dareios im Jahr 518 v. Chr. einweihte.

BERÜHMTE STÄTTEN Persepolis, die prächtige Palaststadt

D er kunstvolle Palast von Persepolis in 60 Kilometer Entfernung zur iranischen Stadt Schiras wurde um 518 v. Chr. von Dareios I. eingeweiht und ein Jahrhundert später vollendet – nur um dann 330 v. Chr. von der Armee Alexanders des Großen zerstört zu werden . Laut dem

griechischen Autor Plutarch benö- tigte Alexander 5000 Maultiere und 20000 Kamele, um sämtliche Schätze fortzutragen. An der Treppe zum großen Apadana (Audienzsaal) sind noch heute fein ausgearbeitete Reliefs zu sehen, auf denen Gesandte aus rund 20 Ländern Dareios ihren

Tribut zollen, etwa Baktrer mit Kamelen oder Inder mit Goldstaub als Geschenk. Inschriften zeugen von Dareios’ Stolz auf seinen herr- lichen Palast, den er als Werk von Gottes Gnade empfand: „Und so baute ich ihn. Ich baute ihn sicher und prachtvoll und angemessen, wie ich es vorgesehen hatte.“

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DENKER, HERRSCHER, MACHER

DER ALTE ORIENT

Reiches. Bewässerungstunnel (Qanate) beförderten das Wasser aus unterirdischen Quellen in höher gelegene Gebiete, Brücken (ähnlich den römischen Aquädukten, die erst Jahrhunderte später folgen sollten) leiteten das Wasser bis in entlegene Dörfer. Dareios I. legte zudem viele Straßen an, die noch von seinen Nachfolgern in Schuss gehalten wur­ den. Auf ihnen reisten Händler, Truppen und könig­ liche Spione. Die wichtigste Verkehrsader war die Königsstraße, die sich über mehr als 2400 Kilo­ meter von Ephesos an der Ägäis bis nach Susa im westlichen Iran, dem damaligen Verwaltungszen­ trum, erstreckte. Andere Straßen führten von Susa nach Pasargadae, der Festung und Grabstätte des Kyros, sowie nach Persepolis, wo Dareios I. und seine Erben einen prächtigen Palast bauten. Handelskarawanen mit Eseln oder Kamelen brauchten rund drei Monate, um die Königsstraße der Länge nach zu bereisen. Königliche Depeschen hingegen konnten die Strecke von Susa nach Ephe­ sos dank eines Netzwerks aus 111 gleichmäßig ent­ lang der Straße postierten Kurierstationen in nur einer Woche zurücklegen. PERSISCHE IDENTITÄT Unter Dareios I. wurde der Zoroastrismus zur Staats­ religion und stiftete Zusammenhalt und Identität in dem weitläufigen Reich. Andersgläubigen zwang der König sein Glaubenssystem jedoch nicht auf. Untertanen in eroberten Ländern durften ihre Göt­ ter weiter verehren und ihre Traditionen bewahren. All das trug dazu bei, den Handel und die Produk­ tivität zu steigern. Der Lebensstandard in Persien stieg, und die persische Vorherrschaft im Nahen Osten verfestigte sich. Dareios I. herrschte mehr als drei Jahrzehnte. In den Jahren vor seinem Tod 486 v. Chr. verlor er mehrere Schlachten gegen die Griechen (darunter die berühmte Schlacht von Marathon) . Doch als politische Einheit sollte Persien über tausend Jahre bestehen bleiben, und viele alt­ persische Traditionen leben bis heute fort. ◆

U m das 6. Jahrhundert v. Chr. stieg ein neuer Glaube zur offiziellen Religion von Persien, dem damals größten Reich der Welt, auf: der Zoroastrismus, benannt nach dem iranischen Propheten Zoroaster (Zara- thustra). Seine moralischen Lehren hallen in vielen späteren Religionen nach, zum Bei- spiel das Konzept von Himmel und Hölle, das Jüngste Gericht, der heilige Pfad und das Credo „gute Gedanken, Worte und Taten“. Feuer spielt eine wesentliche Rolle für die Zoroastrier und symbolisiert die Schöpfer- gottheit Ahura Mazda. Ein Leitprinzip der Philosophie ist der Dualismus als unaufhör- licher moralischer Kampf zwischen Gut und Böse, der im menschlichen Geist tobe und sich im gesamten Kosmos widerspiegle. RELIGION Der Zoroastrismus

Das Porträt zeigt den Propheten Zoroaster.

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{ Kapitel 2 } Ägyptens Aufstieg

Die Herrscher am Nil bauten prächtige Grabstätten, um ihre Überreste, aber auch ihre Namen und Taten für alle Ewigkeit zu bewahren. Doch von den rund 170 Pharaonen sind heute nur wenige für ihre Stärke und ihr diplomatisches Geschick bekannt.

AHMOSE I. • HATSCHEPSUT • THUTMOSIS III. TUTANCHAMUN • RAMSES II.

LINKE SEITE: In seinem Grab wird Ramses I. von den Göttern Horus und Anubis flankiert. OBEN: Das Papyrusfragment preist Thutmosis III. mit Lobgesängen.

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ÄGYPTENS AUFSTIEG

Ahmose I.

Regierungszeit: um 1550 bis um 1525 v. Chr.

Z wei Pharaonen genießen in Ägyp- ten eine besondere Hochachtung, weil sie den Weg für ein glanzvol- les Reich ebneten: Narmer, König des Alten Reichs (um 2950 v. Chr.), sowie Ahmose I. (unbekannt bis um 1525 v. Chr.), der das damals zweigeteilte Ägypten um 1550 v. Chr. wieder vereinte und das Neue Reich begründete. Als der junge Ahmose I. den Thron bestieg, war Ägypten in Aufruhr. Invasoren aus Asien, bekannt als Hyksos („Herrscher der Fremdländer“), hatten das Nildelta unter ihre Kontrolle gebracht, Ahmo- ses Vater, Pharao Seqenenre Taa, ermordet und die Armee stark dezimiert. Die Hyksos verlangten Tri-

am Ende mit ihren eigenen Waffen: Sie waren es, die Streitwagen und Bronzewaffen eingeführt hatten und mit denen er sie in die Flucht schlug. BEGINN EINER NEUEN ÄRA Der Sieg über die Hyksos markiert den Beginn des Neuen Reiches. In dieser knapp 500 Jahre währenden Glanzepoche stand Ägypten auf dem Höhepunkt seiner Macht und seines Wohlstands. Ahmose I. ernannte Theben wieder zur Landes- hauptstadt. Seine treuen Kommandeure belohnte er mit hochrangigen Posten als königliche Beamte oder Gouverneure. Überdies gewann Ahmose I. die Kontrolle über Nubien zurück, Ägyptens Rivalen im

bute von den Herrschern im ober- ägyptischen Theben und nahmen sich deren Töchter zu Frauen. Über die Barbarei schrieb der ägyptische Geschichtsschreiber Manetho: „[S]ie brannten unsere Städte schonungs- los nieder, machten die Tempel unse- rer Götter dem Erdboden gleich und behandelten die Einheimischen mit grausamer Feindseligkeit.“ Ahmose I. scharte alle verfügbaren Kräfte um sich und schlug die Hyksos

Süden, und plünderte dessen üppige Goldreserven. Indem er alte Minen reaktivierte und den Handel voran- trieb, füllte er seine Schatzkammern. Als Ahmose I. starb, verehrte ihn sein Volk bereits wie einen Gott. Ägypten war nun ein erfolgreiches, selbstbewusstes Land. Diese neue Ära ebnete den Weg für mächtige Pharaonen, die das Neue Reich aus- weiteten und ein überwältigendes architektonisches Erbe hinterließen. ◆

KONTEXT Die Ahmose-Pyramide steht in Abydos, das auch Heimat der „Königsliste“ ist. Jene Wandinschrift im Totentempel von König Sethos I. listet insgesamt 76 ägyptische Herrscher auf, was Forschern half, die pharaonische Erbfolge zu entschlüsseln.

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DENKER, HERRSCHER, MACHER

Ahmose I. schuf ein vereintes, selbstbe- wusstes Ägypten und legte den Grundstein für das glorreiche Neue Reich.

ÄGYPTENS AUFSTIEG

Hatschepsut

Regierungszeit: 1479 bis 1458 v. Chr.

L ange schien Hatschepsut (um 1508 bis 1458 v. Chr.) mit der traditionel- len weiblichen Unterstützerrolle im ägyptischen Königshaus zufrieden zu sein. Sie war die Tochter eines Pha- raos (Thutmosis I.) und die Gemahlin eines anderen (ihres Halbbruders Thutmosis II.). Als ihr Ehemann 1479 v. Chr. starb und ihr Stiefsohn zum Thronfolger ernannt wurde, übernahm Hatschepsut pflicht- bewusst die Regentschaft für den noch jungen Thutmosis III. Als die Jahre ins Land gingen, verhielt sich Hat- schepsut jedoch immer weniger wie eine bloße Stellvertreterin, sondern vielmehr wie Ägyptens

Gott Amun als ihren Vater und bestand darauf, ihre Herrschaft über Ägypten sei von ihm beabsichtigt: „Ich handelte nach seinem Befehl. Er war es, der mich führte.“ Dass Hatschepsut den jungen Thutmosis III. als Thronfolger ausbootete, war im konservativen Ägypten ein radikaler Schritt. Die Machtübernahme gelang ihr nur dank der Unterstützung hoher Beamter am Hof. Dazu zählte etwa Senenmut, der die königlichen Bauprojekte verantwortete. Auch ihre Mitstreiter riskierten damit den Verlust ihres Einflusses, wenn nicht gar ihres Lebens. AUFSTIEG UND AUSRADIERUNG Hatschepsut konnte sich nicht mit den Erobe- rungen ihres Vaters messen: Trup-

rechtmäßige Herrscherin. Sie be- zeichnete sich selbst als „Herrin beider Länder“. Als Thutmo- sis III. kurz vor der Volljährig- keit stand, wagte Hatschepsut ein riskantes Machtspiel. Sie erklärte sich zur Pharaonin und übernahm die damit verbunde- nen Insignien und Titel. Auf Bil- dern ließ sie sich mit männlichem Körper und falschem Bart porträ- tieren. Sie beanspruchte sogar den

pen in die Schlacht zu führen, war Männern vorbehalten. Also nahm sie das Militär einfach aus der Gleichung. Anstatt Soldaten in den Krieg zu schi- cken, sandte Hatschepsut sie LINKS: Hatschepsut brach alle Regeln und erklärte sich selbst zur Pharao- nin. Ihre Herrschaft war umstritten, aber friedlich und ertragreich.

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BERÜHMTE STÄTTEN Djeser-djeseru, ein Tempel zu Ehren der Königin

H atschepsuts Totentempel (auf dem Bild oben) gilt als eine der beeindruckendsten architektonischen Leistungen der Antike. Sein Name Djeser-djeseru bedeutet „Heiligster der Heiligs- ten“. Der terrassierte Sandstein- komplex wurde in die Felsen von Deir el-Bahari am Westufer des

darbringt – was für gewöhnlich den Männern vorbehalten war. Nach ihrem Tod widmete Thut- mosis III. den Tempel um und ent- fernte alle Bilder von Hatschepsut und ihrer Tochter. Archäologen konnten zum Glück vieles restau- rieren. Noch heute kann man den prächtigen Tempel besichtigen.

Nils in Theben gehauen. Die Por- tikus-Säulen tragen Statuen von Osiris, dem Gott der Totenwelt. Wandbilder illustrieren Hatschep- suts erfolgreiche Handelsexpedi- tion nach Punt. Eine lebensgroße Statue zeigt sie in der traditionel- len Aufmachung eines Pharaos, wie sie den Göttern ein Opfer

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ÄGYPTENS AUFSTIEG

zu einer kühnen Unternehmung aus: einer Han- delsexpedition in das sagenumwobene Land Punt. Seit 500 Jahren hatte kein Ägypter mehr das Land, das an das südliche Rote Meer grenzt, besucht. Wie auf den Wänden des Totentem- pels der Hatschepsut dargestellt ist, kehrten die Expeditionsteilnehmer mit Gold, Elfenbein und lebenden Myrrhebäumen beladen zurück; auch exotische Tiere wie Affen, Panther und Giraffen brachten sie mit. Dieser Erfolg steigerte Hat- schepsuts Ansehen spürbar. Die Pharaonin verbannte Thutmosis III. nicht und ließ ihn formell mitregieren, doch sie hatte eindeutig das Sagen. Ihre 21 Jahre währende Herr- schaft war eine Zeit des Friedens und Wohlstands. Hatschepsut errichtete große Bauwerke wie die imposanten Obelisken in Karnak und ihren Toten- tempel Djeser-djeseru. Erst als sie 1458 v. Chr. starb, bestieg Thutmosis III. den Thron. Hatschepsuts Herrschaft fiel in Vergessenheit: Vor seinem eigenen Tod tilgte Thutmosis III. ihr Andenken, indem er ihre Monumente entstellte und ihren Namen aus der Königsliste entfernte. Erst als Archäologen 1822 die Hieroglyphen in Deir el-Bahari entzifferten und 1903 ihr Grab fan- den, war Hatschepsuts Vermächtnis als weiblicher Pharao und Reformerin wieder hergestellt. ◆ LINKS: Der Papyrus Ani , auch „Totenbuch“ genannt, diente den Ägyptern als Vorbereitung auf das Jenseits. Die Expedition kehrte mit Gold, Elfenbein und lebenden Myrrhebäumen zurück – sogar mit exotischen Tieren wie Affen,Panthern und Giraffen.

D as Jenseits nahm in der Religion des alten Ägyptens eine fundamentale Stellung ein. Schon im Mittleren Reich (1938–1630 v. Chr.) konnte jeder Ägypter, nicht nur der Pharao und dessen Familie, auf ein glückliches Leben nach dem Tod hoffen. Zunächst jedoch musste man vor dem Totengericht des Osiris wohlwollend beurteilt worden sein. Reiche Ägypter scheuten deshalb keine Kosten und Mühen bei der Vorbereitung ihrer Bestattung, um den Übergang zu erleichtern. Bei der Ankunft im Jenseits, so hieß es, wurde das Herz des Verstorbenen gegen eine Strau- ßenfeder aufgewogen. Blieben die Waag- schalen in Balance, durfte der Verstorbene in die seligen Gefilde weiterziehen. Wenn nicht, verschlang eine Dämonin sein Herz. RELIGION Der Glaube ans Leben nach dem Tod

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DENKER, HERRSCHER, MACHER

Ägyptens Baumeister

OBEN: Imhoteps Stufenpyramide in Sakkara. UNTEN: Eine Statue von Senenmut mit Hatschepsuts Tochter .

IMHOTEP, DER ERFINDER DER PYRAMIDE A ls Oberster Baumeister gestaltete Imhotep unter König Djoser Ägyptens Landschaft grund- legend um. Eigentlich Arzt und Gelehrter, machte

SENENMUT, DER TOTENTEMPEL-STAR E r war loyaler Berater der Pharaonin Hatschepsut und Tutor ihrer einzigen Tochter Neferu-Re, aber Senenmut erfüllte noch weitere Aufgaben am Hof der beliebten wie umstrittenen Königin. Er hatte 80 Ämter inne, darunter Schatzhausvorsteher und Obervermögensverwalter. Berühmt wurde er als oberster königlicher Architekt und Bau- meister. Senenmut entwarf Hatschepsuts atem- beraubenden Totentempel Djeser-djeseru in Deir el-Bahari. Wegen seiner perfekten Symmetrie, der eleganten Säulengänge und Höfe wird der Tempel oft mit dem Par-

er sich vor allem mit seinem Grabmal für Djoser einen Namen: der Stufenpyra- mide von Sakkara (um 2600 v. Chr. erbaut) . Zuvor hatte man Könige in niedrigen Lehmbauten beige- setzt. Imhoteps Steinmonument

hatte sechs Ebenen, die sich nach oben hin verjüngten. Die Stufen bildeten eine Art Treppe, auf der die Seele des Königs laut einer Inschrift „in den nahen Himmel aufsteigen“ konnte. Aus dieser Grundform entwickelten sich spä- ter die berühmten Pyramiden.

thenon in Athen verglichen. Senenmut ließ es sich nicht nehmen, auch gleich sein eigenes Vermächtnis zu verewigen: Er gab mindestens 25 Statuen von sich selbst in Auftrag.

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ÄGYPTENS AUFSTIEG

Thutmosis III.

Regierungszeit: 1479 bis um 1426 v. Chr.

T hutmosis III. (unbekannt bis um 1426 v. Chr.) verschwendete keine Zeit und setzte alles daran, aus dem Schatten der selbst ernannten Pha- raonin Hatschepsut zu treten, nach- dem diese verstorben war. Er verwandelte das auf sich selbst bezogene Ägypten in eine triumphie- rende Nation von Eroberern. Sein Ruf als brillanter Militärstratege brachte ihm später unter Historikern den Spitznamen „Napoleon Ägyptens“ ein.

Entgegen der Empfehlung seiner Berater über- rumpelte der Pharao den Feind, indem er seine Soldaten über einen tückischen Bergpass führte und zum Direktangriff auf Megiddo ansetzte. Wäh- rend des Angriffs ritt er an vorderster Front, um sein Vertrauen darauf zu demonstrieren, dass die Götter ihn und seine Truppen beschützten. Tatsäch- lich schafften es alle seine Männer unversehrt über den Pass. Dann zog er in Megiddo in den Kampf – „auf einem Wagen aus feinem Gold, herausgeputzt

Schon wenige Monate nach seinem Machtantritt marschierte Thutmosis III. mit 20 000 Solda- ten nach Megiddo im heutigen nördlichen Israel – ein Ort, den man besser unter seinem griechi- schen Namen Armageddon kennt. Vor den Mauern der Stadt hatte sich eine Koalition von Gegnern des Pharaos versammelt. Schrift- gelehrte, die die königlichen Streitkräfte auf ihrem Feldzug begleiteten, zeichneten alles auf. Ihre wertvollen Notizen wurden später als die „Annalen des Thut- mosis III.“ bekannt.

in seiner glänzenden Rüstung“. Bald zogen seine Feinde sich hinter die Stadtmauern zurück. Der Pharao belagerte Megiddo sieben Monate lang und ließ die verbliebenen Einwohner hungern, bis diese schließlich kapitulierten. Thutmosis III. stellte seine Mili- tärmacht vielerorts zur Schau: in Nubien, in phönizischen Häfen, im Handelszentrum Kadesch und im Königreich Mittani (heute LINKS: Thutmosis III., der „Napoleon von Ägypten“, gestaltete sein Land von einem selbstbezogenen Reich in ein expandierendes Imperium um.

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