03-2017 D

A M S g l o b a l

SERVE AND MULTIPLY 3/2017

EINSATZ MIT plus

.ganz persönlich: Shorts und Flipflops Meine Frau Marianne und ich verbringen ein Wochenen- de auf der Insel Kassa einige Kilometer vor der Küste Gui- neas. Am Samstagmorgen spazieren wir zum nächsten Dörfchen, um dort frisches Wasser zu kaufen. Schon bei der Ankunft merken wir, dass etwas anders ist. Die Fischer haben ihre Netze verlassen und am Strand sind keine spie- lenden Kinder zu sehen. Wir gehen weiter, zum «Zentrum» des Dorfes – ein mit Bananenblättern gedeckter Strandab- schnitt. Hier haben sich unzählige Leute versammelt. Sie alle sind festlich gekleidet und drängen sich unter die Palmblätter. UNERWARTETE EHrE Marianne und ich bleiben stehen. Dank meiner Grösse kann ich den Menschenknäuel überblicken. In der Mitte des Schattenplatzes sitzt ein junges, in Weiss gekleidetes Brautpaar auf unerwartet noblen, mit Samt überzogenen Polstersesseln. Bevor wir richtig erfassen, was da passiert, kommt schon der Dorfälteste durch eine Gasse auf mich zu und bittet mich als älteste Person auf dem Platz dem Brautpaar die Heiratsurkunde zu überreichen. Dabei habe ich weder ihn noch das Brautpaar jemals zuvor gesehen! Begrüsst als «les Vieux» Nein sagen darf man nicht, also schreite ich ungeachtet meines Outfits – Shorts und Flipflops – würdevoll in die Mitte des Kreises. Dabei frage ich den Dorfältesten, ob ich einige Worte zum Brautpaar sagen und für die beiden be- ten dürfe. Da er mir dies ohne Zögern erlaubt, weise ich kurz auf Gott als den Schöpfer der Ehe hin, segne die Braut und den Bräutigam und übergebe ihnen das amtliche Do- kument. Jedes Mal, wenn wir danach einWochenende auf der Insel verbrachten, wurden wir erkannt und als «les Vieux», die Alten, herzlich begrüsst. Eine Hochzeit mit Folgen Dieses Erlebnis hatte noch ein Nachspiel: Am Nachmittag nach der Hochzeit suchten uns Fatim und ihre Freundin am Strand auf. Sie waren am Morgen ebenfalls dabei ge- wesen und wollten nun mehr über unseren Glauben er- fahren. Einige Monate später, nach vielen Gesprächen und Besuchen, hat sich Fatim für Jesus entschieden.

3/2017 INHAL

Daniel JAKOB, ehemaliger Mitarbeiter in Conakry, Guinea

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EDITORIAL

Ratgeber, Vor- bilder, Wegweiser Mein Opa war 55, als ich zur Welt kam. Er war ein Aben- teurer mit scheinbar endloser Energie: Kein Hügel oder Baum zu hoch, um hinaufzuklettern, kein Bach zu kalt, um darin zu schwimmen. Er hat uns beigebracht, wie man Pfeilbogen schnitzt, aus Blättern Instrumente ba- stelt und welche Pilze essbar sind. Gleichzeitig wussten wir: Opa ist immer für uns da – und kann uns vor allem beschützen. Einblick in eine andere welt Heute bin ich erwachsen – und mein Opa etwas älter. Heute klettern wir nicht mehr auf jeden Baum. Dafür er- zählt er mir seine Geschichten: Wie er als Kind in Öster- reich im 2. Weltkrieg seine Eltern verloren hat, wie er von einer Familie zur nächsten weitergereicht wurde, wie er Kälte und Hunger leiden und sich immer wieder durch- beissen musste. Seine Geschichten geben mir direkten und persönlichen Einblick in eine andere, frühere Welt, die ich ansonsten nur aus Büchern kenne. Aus seinen Erfahrungen und Erzählungen kann ich etwas für mein Leben und meine Zukunft lernen. Trotz aller Schwierigkeiten strahlt er heute, mit 82 Jahren und als x-facher Grossvater, Zufriedenheit und Liebe aus. Darüber kann ich nur staunen. Ü50-Mitarbeitende – eine riesige Bereicherung Durch meinen Opa habe ich gelernt, wie wertvoll es ist, Menschen um mich zu haben, die schon 20, 30, 40 oder 50 Jahre länger auf dieser Erde sind als ich. Sie haben andere Zeiten gesehen und jede Menge Erfahrungen gemacht. Sie sind reifer und weiser als ich – und häufig lassen sie sich von Kleinigkeiten nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Sie haben Schwieriges durchgemacht und einen Weg gefunden, das zu überstehen und oft sogar noch daraus zu lernen und sich damit zu versöhnen. Auch in unseren Teams überall auf der Welt sind Vertre- terinnen und Vertreter der Generation Ü50 eine riesige Bereicherung. Sie sind Ratgeber, Vorbilder, Wegweiser, Ruhepole, Coaches, Freunde und Grosseltern für die Kin- der im Team. In diesem Focus erzählen einige von ihnen, wie es so ist, mit Ü50 einen Einsatz anzupacken – und weshalb sie es gemacht haben. Lassen Sie sich inspirie- ren und anstecken, denn es hat noch viel Platz für neue Mitarbeitende!

Sarah BRÜHWILER, Öffentlichkeitsarbeit

PS: Könnte ein solcher Einsatz auch etwas für Sie sein? Füllen Sie den Fragebogen auf Seite 14 aus – und schau- en Sie sich gleich die offenen Stellen auf Seite 16 an!

MIDlife chance statt midlife crisis

erfüllen und einen kürzeren oder längeren Einsatz im Ausland anzupacken. Mit der sich verändernden Altersstruktur in der Schweiz wird in absehbarer Zeit über die Hälfte der Bevölkerung über 50 Jahre alt sein. Also jede Menge potenzielle Ausland- mitarbeitende! Eine aufgabe, die sinn macht Gibt man bei Google «Midlife» ein, er- scheint sofort «Midlife Crisis» – die beiden Begriffe scheinen untrennbar miteinander verbunden. Bei Midlife denke ich aber zu- erst an Chance und nicht an Krise! Ja: Vielleicht sind wir in der Mitte des Le- bens nicht mehr gleich belastbar, vielleicht sind Träume geplatzt, Müdigkeit und Er- nüchterung haben sich eingestellt. Viel- leicht kämpfen wir mit steigendem Druck bei der Arbeit, generell im Leben. Aber «Midlife» bringt auch jede Menge Vorteile mit sich: Die Kinder sind langsam erwachsen und selbständig, der finanzielle Druck ist kleiner, man kennt seine Möglich- keiten und Grenzen und hat Lebenserfah- rung, die man weitergeben kann. Teilweise wird sogar propagiert, 50 sei das neue 30 – nicht zu Unrecht: Mit 50 ist man heutzutage häufig noch fit und gesund. Die Ü50 gelten allgemein als qualitätsbewusst, aktiv und reiselustig. Immer mehr von ihnen nutzen diese Phase bewusst, um noch einmal rich- tig durchzustarten, sich Träume zu erfüllen und, je nach Kindersituation, die neuerwor- bene Freiheit zu geniessen. Alles in allem: Ich liebe diese Lebensphase! Für einige kommt mit 50+ somit der idea- le Zeitpunkt für einen Einsatz. Sie haben im Berufsleben erreicht, was sie erreichen wollten, und sehen jetzt die Chance, sich umzuorientieren und nochmals etwas ganz Anderes zu machen. Sie möchten ein paar Monate oder sogar ihre letzten 5, 10 oder

Gut ausgebildet, um die dreissig, kleine Kinder, flexibel, lernbereit, gesund und voller Energie: Das ist das klassische Bild eines interkulturellen Mitarbeiters, ei- nes «Missionars». Derzeit gibt es leider immer weniger Leute mit diesem Profil, die den Schritt aus der Komfortzone und in einen Auslandeinsatz tatsächlich wagen. Die Gründe sind viel- fältig – das Leben mit kleinen Kindern im Ausland scheint zu kompliziert, die Schul- situation und der beruflicheWiedereinstieg nach dem Einsatz sind möglicherweise schwierig, Sicherheit und Gesundheitsver- sorgung stellen Herausforderungen dar. So verlässt man Europa nur ungern. Damit nimmt die Zahl der Mitarbeitenden ab. Dazu kommt, dass sich der Zeithorizont ver- ändert hat: Früher sind Mitarbeitende jung ausgereist und dann praktisch bis zur Pen- sionierung geblieben. Der Einsatz im Aus- land wurde als Lebensaufgabe, als Lebens- berufung gesehen. Heute denkt man viel mehr in Lebensabschnitten und orientiert sich ständig neu – sei das im Beruf, bei der Gemeindezugehörigkeit, im Vereinsleben oder bei den Hobbys. Gefahr oder Chance? Dieses Denken in Lebensabschnitten ist für SAM global einerseits eine grosse He- rausforderung, denn damit reduziert sich die durchschnittliche Einsatzdauer: Vor vier Jahren lag sie bei zehn Jahren, heute noch bei sieben. Damit müssten wir im Moment alle sieben Jahre sämtliche Mitarbeitenden ersetzen können … Andererseits kann dieses Denken auch eine grosse Chance für uns sein. Heute lassen sich immer mehr 50- bis 60-Jährige herausfordern, in diesem Lebensabschnitt nochmals etwas ganz Neues zu wagen, sich vielleicht einen langgehegten Wunsch zu

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medizinische Versorgung im Einsatzland ist schlechter und es braucht emotiona- le Kraft, dass man die Kinder und Gross- kinder und allenfalls die alternden Eltern nicht regelmässig sehen kann. Gleichzeitig bringen 50- bis 60-Jährige viele Vorteile für einen Einsatz mit: Durch ihre Lebenserfahrung, Fachkenntnisse und Sozialkompetenz erfassen sie Probleme auf ganzheitliche Art und präsentieren praxis-taugliche, pragmatische Lösun- gen. Da ihnen bewusst ist, dass sie «nur» bis zur Pensionierung im Einsatzland sind, legen sie viel Wert darauf, ihr Wissen und ihre Erfahrung weiterzugeben und andere zu befähigen – wodurch ihre Arbeit sehr nachhaltig wird. Sie sind oft wichtige An- sprechpersonen und Coaches für die jün- geren Mitarbeitenden und sind ein Gros- selternersatz für die Kinder im Team. Ein weiterer Vorteil: Aus Sicht der Afrikaner, Asiaten und Latinos ist es normal, Leute über 50 auf besondere Weise zu respektie- ren – sie gelten als weise und gelehrt und man hört ihnen zu. Ideal ist, wenn es in je- dem Team sowohl jüngere als auch ältere Mitarbeitende gibt. Dadurch entsteht eine wertvolle Zusammenarbeit, von der alle profitieren können. Wenn wir Bilanz ziehen über die letzten 10 Jahre, können wir sagen, dass wir bei SAM global mit all unseren Ü50-Mitarbeitenden sehr gute Erfahrungen gemacht haben – eine Chance, die wir auch weiterhin für Kurz- und Langzeiteinsätze nutzen möch- ten!

15 Arbeitsjahre in eine Aufgabe investie- ren, die in erster Linie sinnvoll ist, wobei sie Gutes tun und sich aktiv für Benachteiligte einsetzen können. Sie möchten ihr Wissen und ihre Erfahrung weitergeben und multi- plizieren. Manchmal haben sie auch bereits seit ihrer Kindheit von einem Einsatz in Afri- ka geträumt – und jetzt bietet sich die Gele- genheit, diesen Traum zu verwirklichen. Geeignet – oder nicht? Als wir uns erstmals damit auseinandersetz- ten, verstärkt Mitarbeitende aus dieser Ge- neration für Kurz- und Langzeiteinsätze zu suchen, stellten sich uns gleichzeitig auch einige Fragen: Wie kommen Leute in der zweiten Lebenshälfte mit dem einfacheren Leben in unseren Einsatzländern zurecht? Sind sie noch flexibel genug? Schaffen sie es, sich in eine fremde Kultur einzufügen? Probieren geht über Studieren – und so reisten vor ein paar Jahren mehrere Ü50- Ehepaare für einen Einsatz aus. Die Zusam- menarbeit war von Beginn weg angenehm und wir waren begeistert über die Auswir- kungen ihres Engagements: Sie bauten Berufsausbildungen auf, engagierten sich in der Landwirtschaft, in der Ehe- und Fa- milienarbeit sowie im Kampf gegen Geni- talverstümmelung, kümmerten sich um die Administration und um die Gäste im Gäs- tehaus, investierten sich im Ernährungs- und Gesundheitsbereich und hinterliessen nachhaltige und sichtbare Spuren. Wir sind begeistert! Vor- und Nachteile Für alle Generationen gibt es Herausforde- rungen im interkulturellen Dienst – so auch für die Ü50. Es kostet Überwindung, die Komfortzone Europa zu verlassen, an die man sich über die Jahre gewöhnt hat; die

Jürg PFISTER, Leiter von SAM global

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Die Bibel zeigt: Gott hat nicht selten gewartet, bis eine Person 50, 60 oder 70 Jahre alt war, um sie für einen bestimmten Einsatz zu berufen und damit zu einem wichtigen Puzzleteil seines Plans zu machen. Als Abram 75 Jahre alt war, wandte sich Gott erstmalig an ihn: «Verlass deine Heimat, deine Verwandten und die Familie deines Vaters und geh in das Land, das ich dir zeigen werde!» (1. Mose 12,1 und 4). Ganz offensichtlich hatte Gott keine Bedenken, mit einem solch alten Ehepaar wie ihm und Sarai – sie war damals 74 – Geschichte zu schreiben. Und er sah auch kein Problem darin, ihnen einen anspruchsvollen Ortswechsel zuzumuten: Abram kam aus der reichen Stadt Ur – und wurde nun von Gott mitten in die Wüste geführt. Man würde erwarten, dass diese «Mission» vor allem Entbehrungen, Verzicht und Anstren- gung, aber nur wenig Ertrag mit sich gebracht hätte – vor allem, da die beiden schon in solch fortgeschrittenem Alter waren! Aber Gott sagte zu Abram: «Ich will dich segnen … [und] dich zum Segen für andere machen» (1. Mose 12,3). Und Gott hält sein Wort. Auf den versprochenen Sohnmussten die beiden zwar weitere 25 Jahre warten, von diesem Sohn stammten dann aber ein ganzes Volk und später sogar der Messias ab. Das Ehepaar hinterliess Segensspuren, rettete die Familie von Lot (1. Mose 14) und bat für Sodom (1. Mose 18). Gott nannte sich später sogar der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs (z. B. 2. Mose 3,15). Auch die Berufungsgeschichte von Mose ist ungewöhnlich: Seine Rettung vor dem frühen Tod als Baby grenzt ans Wunderbare. Er wächst danach am Pharaonenhof auf und ist ei- gentlich ideal darauf vorbereitet, ein (geistlicher) Leiter zu werden – doch dann wird er zum Mörder. Wohl deshalb lässt Gott ihn 40 Jahre lang in der Wüste Schafe hüten. Als Mose 80 ist, nimmt Gott erstmals Kontakt mit ihm auf: «Ich habe gesehen, wie mein Volk in Ägypten unterdrückt wird. […] Nun geh, denn ich sende dich zum Pharao. Du sollst mein Volk aus Ägypten führen» (2. Mose 3,7 und 10). Auch wenn es nicht einfach war, das Volk Israel aus Ägypten herauszuführen, so wurde Mose in der Konfrontation mit dem Pharao, der Durchquerung des Roten Meers und dem Zug durch die Wüste doch zum Werkzeug vieler Wundertaten Gottes (z. B. 2. Mose 4,21; 34,10). Und nicht nur das: Er durfte auf dem Berg Sinai während vierzig Tagen Gott schauen und das sogenannte «mosaische Gesetz» überbringen, ein genialer Wurf verglichen mit an- deren Gesetzen seiner Zeit (2. Mose 34,28-29). Wichtige Begegnung im hohen Alter Auch im Lukasevangelium wird zwei Ü50ern eine besondere Rolle zuteil: Als Josef und Ma- ria Jesus zum obligatorischen Reinigungsopfer in den Tempel bringen, begegnen sie Sime- on und Hanna. «Der Heilige Geist hatte ihm [Simeon] offenbart, dass er nicht sterben würde, bevor er den vom Herrn gesandten Messias gesehen hätte» (Lukas 2,26). Als Simeon dies erleben durfte, lobte er Gott und segnete die Familie. Hanna war eine 84-jährige Witwe, welche im Tempel lebte. Sie «diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten.» Als sie den Messias sehen durfte, dankte sie Gott und erzählte allen von Jesus (Lukas 2,37-38). Fazit? Wenn wir unser Leben mit Gott leben, kann er uns auch mit 40, 50 oder 60 Jahren für eine verantwortungsvolle Aufgabe berufen und dadurch zu einemVorbild und Segen für andere machen. Das muss nicht immer gleich schon am Anfang des Lebens geschehen. Für Gott gibt es kein «zu alt» oder «zu spät» – er kann uns in jedem unserer Lebensabschnitte für seinen Plan brauchen. Und bringt so immer wieder Dynamik in unser Leben. Was ist mit den Ü50 in der Bibel? Werkzeug vieler Wundertaten – mit 80 Jahren

Dr. Hannes WIHER, Förderung der Missiologie in der Frankophonie

Die eigene Sicht hat sich geändert

meidung von Armut und damit in vielen Entwicklungsländern ein zentrales Thema. Das ist uns auf den Philippinen so richtig bewusst geworden. Als wir von den Projek- ten in Sri Lanka hörten, fühlten wir uns des- halb auf Anhieb angesprochen – und schon bald haben wir uns in die Vorbereitungen gestürzt! Das Aufgeben der Wohnung war eine ziem- lich grosse Sache. Es ist unglaublich, was sich da über die Jahre alles so ansammelt! Es brauchte mehrere Fahrten, um nur schon das Sperrgut zu entsorgen, und wir waren sehr erleichtert, als dann alles geschafft war. Eine andere Sache war das Zurücklassen von unseren Freunden, Verwandten und Kindern in der Schweiz. Das ist uns dieses Mal deutlich schwerer gefallen als bei unse- rem ersten Einsatz. Ohne Kinder hier in Sri Lanka zu sein ist in manchen Belangen si- cher einfacher, gleichzeitig ist die Trennung von ihnen eine grosse Herausforderung. Doch aus der Bibel wissen wir: Das Beste steht uns noch bevor! Mit dieser Gewiss- heit fiel es uns leichter, loszulassen und uns nochmals auf ein Abenteuer in dieser Grös- senordnung einzulassen. Seit November 2016 sind wir nun in Sri Lan- ka. Ein grosser Vorteil gegenüber unserem ersten Einsatz ist jetzt unsere Lebenserfah- rung – und wir können vieles mit mehr Ge- lassenheit angehen. Wir haben mit unserer Entscheidung, wie- der auszureisen, einen Schritt aufs Wasser gemacht, sind aber zuversichtlich, dass uns Gott den rechten Weg führen und uns nochmals ganz neue Dinge zeigen wird. Lebenserfahrung – und eine grosse Portion Gelassenheit

Mit 50+ ist man in seinem Beruf sattel- fest, kennt die Abläufe und weiss, wie der Hase im Allgemeinen so läuft. Nicht jeder sucht zu diesem Zeitpunkt noch- mals das grosse Abenteuer – viele halten lieber amVertrauten fest, gehen grossen Umwälzungen aus dem Weg und befas- sen sich langsammit der Pensionierung. So ist es auch uns ein Stückweit gegangen. Und trotzdem haben wir uns für einen (wei- teren) Einsatz entschieden. Wieso? Wir denken, dass wir als Schweizer vieles weitergeben können von dem Reichtum, der uns in der Heimat zur Verfügung steht – nicht nur Materielles, sondern auch Bil- dung und Prägung. Von 1992 bis 1994 haben wir mit « Ser- vants to Asia’s Urban Poor » einen Einsatz in Manila, der Hauptstadt der Philippinen, gemacht. Wir wohnten damals mit unseren drei kleinen Kindern im Slum, lernten eine fremde Sprache und engagierten uns in verschiedenen Kleinprojekten. Wegen der Schulbildung der Kinder sind wir im März 1994 in die Schweiz zurückgekommen. Unsere Zeit in Manila hat uns sehr geprägt. Es ging in unserem Einsatz nicht nur darum, Veränderung zu bewirken, sondern auch zuzulassen, dass sich unsere eigene Sicht der Dinge ändert. Wir haben gelernt, besser zu verstehen, welche Ursachen der Armut zugrunde liegen und warum es so schwie- rig ist, die Situation zu ändern. Wir mussten lernen, dass unsere Massstäbe und Wert- vorstellungen nicht die Lösung aller Prob- leme sind. Der Einsatz hat uns auch gehol- fen, zu erkennen, welchen Reichtum wir in der Schweiz haben – und uns letztlich mo- tiviert, einen weiteren Einsatz anzupacken. Erster Einsatz motivierte für zweiten Einsatz

Das Beste steht uns noch bevor

Regina (56) und Markus (59) MEYER, Mitarbeitende in Sri Lanka

Bildung ist ein wichtiger Faktor zur Ver-

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«Erhaltet euch die Sehnsucht nach Gottes Reden!»

Renate (50) und Emanuel (51) Wieland sind seit Oktober 2016 im Projekt ProTIM 2-2-2 Kissidougou in Guinea im Ein- satz. Im Interview erzählen sie, wie es dazu gekommen ist, was ihnen bei der Abreise durch den Kopf gegangen ist und was sie anderen Ü50ern mitgeben möchten. Wieso habt ihr euch für einen Einsatz entschieden – und wieso jetzt? Interkulturelle Arbeit ist seit Beginn unserer Ehe ein Thema für uns, doch als junge Familie wären wir einem Einsatz nicht ge- wachsen gewesen. Der Wunsch blieb aber über all die Jahre in unseren Herzen. Jetzt mit 50 ist ein guter Zeitpunkt, noch ein- mal etwas Neues zu wagen: Unsere Töchter sind mit ihrer Aus- bildung fertig und wir haben noch einige Arbeitsjahre vor uns. Wie hat sich der Entscheidungsprozess abgespielt? Uns ist es wichtig, immer wieder zu fragen, wo Gott uns haben will. Meistens lässt er viel Freiheit, manchmal beruft er ganz klar. Wir wurden von ihm stark ermutigt, nicht stehen zu blei- ben, sondern vorwärts zu gehen, Tür um Tür aufzutun und da- rauf zu vertrauen, dass er selber die «falschen» Türen wieder schliessen wird. So wollten wir vor ein paar Jahren wissen, ob ein Einsatz für uns als nicht mehr ganz junge Menschen überhaupt in Frage kam. Auf einer Informationsreise konnten wir alle Projekte in Guinea besuchen. Wir merkten, dass es für uns beide gute Einsatzmöglichkeiten gibt, dass es jedoch aufgrund der Aus- bildung unserer Töchter für uns noch zu früh war, um auszu- reisen. Es folgte eine Zeit, in der wir viel nachgedacht und mit Freun- den über einen Einsatz geredet haben – und auch mit SAM global in Kontakt geblieben sind. Als alle unsere Töchter dann ihren Abschluss in der Hand hielten, war für uns klar: Jetzt spricht nichts mehr gegen einen Einsatz! Auch unsere Töchter standen demVorhaben von Anfang an positiv gegenüber und unterstützen uns jetzt ganz praktisch. Gleichzeitig ist die Tren- nung von ihnen das Schwierigste für uns. Wie habt ihr euch auf den Einsatz vorbereitet? In den letzten zwei Jahren besuchten wir neben unserem nor- malen Arbeitsleben mehrere Kurse: In Paris frischten wir unser Französisch auf, wir besuchten Seminare, um uns auf die inter- kulturelle Arbeit vorzubereiten, und absolvierten berufsspezi- fische Kurse, unter anderem einen Tropenkurs. Auch das Lesen von Büchern über den Islam und den Animismus war hilfreich. Was ging euch bei der Abreise durch den Kopf? Vieles! Freude darüber, dass das, was wir in der Theorie gelernt hatten, endlich praktisch wurde, und «Gwunder» auf das, was uns erwartete. Sehr schwierig war es, Familie und Freunde los-

zulassen. Auch Angst vor allem Ungewis- sen kam auf.

Und jetzt – was macht ihr in Guinea? Emanuel ist dabei, die Mechanik-Werk- statt fertigzustellen. Beide unterrichten wir an der Bibelschule in Télékoro, Ema- nuel das Fach Mechanik, Renate Ernäh- rung und Gesundheit. Wir engagieren uns auch für eine einfache Mechanisie- rung der Landwirtschaft sowie in den Be- reichen Bodenverbesserung und Anbau und Nutzung von medizinischen Pflan- zen. Dazu kommen unzählige kleinere Arbeiten wie Literaturarbeit, Unterhalt der Häuser, Wundversorgung, Kontakte zu den Pastoren etc. Was findet ihr toll, was ist schwierig? Wir lernen viele tolle Menschen kennen, ein neues Land, eine neue Kultur, eine an- dere Weltansicht, treffen auf viele offene Türen, werden wertgeschätzt … – vie- les, was toll ist, ist gleichzeitig aber auch schwierig. Auch der Umgang mit der grossen Armut und die lokale Sprache (noch) nicht zu verstehen sind Herausfor- derungen. Dadurch, dass wir ohne Kinder ausgereist sind, haben wir viel freie Kapazität. Be- stimmt sind wir durch die schon gewon- nenen Lebenserfahrungen gefestigtere Persönlichkeiten, als wir mit 25 gewesen wären. Wir müssen auch nicht mehr jede Dummheit ausprobieren. Erhaltet euch die Sehnsucht nach Gottes Reden. Habt den Mut loszulassen – auch finanzielle Sicherheiten. Habt den Mut zu scheitern. Für uns war es zudem sehr hilf- reich, dass wir im Vorfeld einmal ein paar Wochen vor Ort sein und interkulturelle Arbeit ganz praktisch erleben konnten. Und: wagt einen Einsatz – es ist eine rie- sige Chance! Was ist jetzt vielleicht besser, als es mit 25 gewesen wäre? Welchen Tipp würdet ihr anderen Per- sonen über 50 mitgeben?

«Wir möchten es n

Fredi Raymann (61), seit 2013 Mitarbeiter im ProTIM 2-2-2 in Guinea:

dürfen. Tief im Herzen war aber der Wunsch, nicht nur aus der Ferne zu helfen, sondern die Realität in einem der Ein- satzländer selber kennenzulernen und ganz konkret Hand anzulegen. Dieser Traum wurde Wirklichkeit! 2011 reisten wir nach Guinea und blieben bis zur Pen- sionierung. Wir haben den Einsatz nie bereut, auch wenn wir na- türlich unsere Grosskinder sehr vermisst haben. Dafür sind echte Freundschaften mit Afrikanerinnen und Af- rikanern entstanden, wir konnten viele Gäste bewirten und ermutigen und durften Einheimischen Lesen und Schreiben beibringen! Margrit und ich entschieden uns schon vor 45 Jahren für einen Einsatz in Sri Lanka – daraus wurden damals 13 Jahre, bis wir vor allemwegen der Kinder in die Schweiz zurückkehrten. Als unsere Kinder dann selbständig wa- ren, war es für uns irgendwie ganz natürlich, dass wir die Chance nochmals packten, in einem anderen Land das weiterzugeben, wovon wir überzeugt sind. So reis- ten wir vor sechs Jahren erneut nach Sri Lanka aus und haben dort eine Handwerkerschule aufgebaut, um den Lehrlingen gutes Handwerk und Gottes Liebe zu ver- mitteln. Jetzt, nach sechs Jahren, wissen wir, dass das richtig war. Das Leben bleibt nicht zuletzt durch dieses Aben- teuer spannend und wir haben in Sri Lanka täglich ge- lernt, wie abhängig wir von Gott sind. Urs Berger (65) , gemeinsammit seiner Frau Hanna (66) seit 2017 für einen Kurzeinsatz im Gästehaus in Guinea: Mit 63 Jahren liess ich mich frühpensionieren. Was nun? Wanderwege und Bergbahnen stürmen? Nicht prio- ritär. Das «Serve» (Dienen) in SAM global sprach mich mehr an, auch ohne Handwerkerdiplom. So meldete ich mich für einen Kurzeinsatz und streckte meine Füh- ler aus: Wo werde ich oder werden wir gebraucht, wo lassen es die Umstände zu, wo spricht Gott in der Stille, wo stellt die Ampel auf Grün? Schon wenig später ging es für sechsWochen nach Bra- silien auf die Rancho da Lua. Meine Hauptaufgaben: La- gerbetten schreinern, Malerarbeiten, Pool reinigen und auf dem Gelände Mangos einsammeln. Daneben viele gute Gespräche und Erlebnisse. Wieso mache ich das? Ruedi (70) und Margrit (68) Stark, 2011-2017 Mitarbeitende in Sri Lanka:

1988 reisten wir als junge Familie nach Angola aus und arbeiteten dort in verschiedenen Bereichen mit, bis wir 1993 kriegsbedingt in die Schweiz zurückkehren muss- ten. Afrika blieb aber immer in unseren Herzen – und ei- nes Tages kam meine Frau Annalies von einer Veranstal- tung nach Hause, bei der es unter anderem darum ging, dass in der interkulturellen Arbeit im Ausland auch Leute mit etwas mehr Lebenserfahrung gebraucht werden. Wir fühlten uns angesprochen und vorsichtig begannen wir zu planen, steckten Zeithorizonte ab, informierten uns über mögliche Projekte – und reisten dann mit SAM global nach Guinea aus. Christine (54) und Eduardo (56) Hümbeli, 2014-2015 Mitarbeitende im ProVIDA (PePe, Schulungen, Jungenheim, Seelsorge, Gefängnisarbeit) in Brasilien: Den entscheidenden Ausschlag für unseren Einsatz gab ein bevorstehender Stellen- und Wohnungswechsel und der Umstand, dass unsere jüngste Tochter die reguläre Schulzeit beendet hatte. Umbruchstimmung – und da- durch für uns der ideale Zeitpunkt, etwas Neues anzu- packen. Wir wollten unbedingt einmal mit Haut und Haaren spüren, wie sich ein Einsatz in einem anderen Land anfühlt, und wir wollten erleben, wie es ist, als Ehepaar gemeinsam in einem Projekt mitzuwirken. Ein Einsatz in Brasilien würde zudem für mich eine gute Ge- legenheit bieten, die Muttersprache meines Mannes zu lernen. So reisten wir im Sommer 2014 gemeinsam mit unserer jüngsten Tochter für einen einjährigen Einsatz nach Belém. Es war für uns ein reiches, wertvolles und sich lohnendes Jahr, das wir nicht missen möchten! Die guten Erfahrun- gen bahnten den Weg, dass Gott nun Visionen in unsere Herzen legen kann und wir sind gespannt, was daraus wird. Und es ist schön zu wissen, dass wir in einem weit entfernten Land liebe Freunde gewonnen haben. Marianne (65) und Daniel (66) Jakob, 2011-2016Mitarbeitende in der Administration und imGäs- tehaus in Guinea: Interkulturelle Arbeit war schon immer ein Thema für uns und unser Herz schlägt für die Menschen, die noch nie von Gottes Liebe gehört haben. So engagierten wir uns bei uns im Quartier, in der Schule und im Vorstand von verschiedenen Organisationen wie SAM global oder indicamino dafür, dass Menschen Gottes Liebe erfahren

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cht missen!» Als Hilfe und Ermutigung für die Schweizer und bra- silianischen Mitarbeitenden vor Ort und um innerlich zufrieden und beschenkt nach Hause zurückzukehren. ImApril 2017 ging es dann gemeinsammitmeiner Ehe- frau nach Conakry, um die Vakanz im Gästehaus wäh- rend sechs Monaten zu überbrücken. Ich war bereits 1985 für diese Aufgabe angefragt worden und hatte damals abgesagt, da ein anderer Job in der Schweiz für mich «dran» war. Doch jetzt war die Zeit gekommen. Wer im Umfeld von unseren «Senioren-Projekten» er- fährt, ist begeistert. Wieso machen Sie nicht auch so etwas?

Fredi Raymann

Fam. Hümbeli

Fam. JAKOB

Margrit (67) und Daniel (68) Berger, 2010-2014 im Projekt ProAGRO in Guinea und 2016-2017 im Gästehaus in Guinea: Unser interkultureller Einsatz war nicht unsere Idee und auch nicht in unseren Plänen. Aber so kann es kommen, wenn man offen ist für Gottes Führungen. Nach einem aktiven Berufsleben liessen wir uns 2009 vorzeitig pensionieren, um mit SAM global in Guinea einen Einsatz zu leisten. Unser Ziel war es, mit einem Landwirtschaftsprojekt praktische Hilfe zu bieten. Gott gab uns viel Gnade und Gelingen dazu. Das Projekt läuft nun weiter, obwohl wir wieder in der Schweiz sind. Als 2016 dringend jemand für das Gästehaus gesucht wurde, reisten wir erneut für ein Jahr nach Guinea aus und durften eine andere, ebenfalls sehr interessante und bereichernde Zeit erleben. Hildi (63) und Markus (66) Bosshart, 2013-2015 Mitarbeitende in Angola, danach Begleitung der Projekte aus der Schweiz und mit Besuchsreisen: Wir waren bereits von 1987 bis 1995 mit unserer Fa- milie in Brasilien im Einsatz und engagierten uns da- nach im Vorstand von SAM global. Als wir hörten, dass für Angola dringend ein Landeskoordinator gesucht wurde, der die Projekte im Nationalisierungsprozess weiter vorantreiben und begleiten konnte, fühlten wir uns berufen – und reisten für zwei Jahre nach Angola aus. Unser Einsatz war von vielen Herausforderungen geprägt, aber Gott hat immer wieder gute Lösungen geschenkt und wir durften seine Treue auf besondere Weise erfahren. Die Unter-stützung aus der Schweiz – von unseren Freunden und unserer Familie, von SAM global sowie von Personen, die die Situation kannten – war dabei ebenfalls sehr ermutigend!

Fam. STARK

URS BERGER

FAM. BERGER

FAM. BOSSHART

Einsatz mit 50+ Vor- und Nachteile

Was ist schwierig? GESUNDHEIT: Natürlich ist es gut, wenn man gesund und leistungsfähig ist – aber das ist auch relativ: Als «alter Mann» muss man ja nicht alleine einen Lastwagen vol- ler Zement abladen, man holt sich Hilfe. Allerdings ist das Risiko grösser, von ei- ner Krankheit gepackt zu werden. Wir ha- ben uns daher jedes Jahr in der Schweiz checken lassen, die nötigen Medikamente mitgenommen und uns somit wenig Sor- gen gemacht. Als dann bei meiner Frau Annalies Bauchspeicheldrüsenkrebs diag- nostiziert wurde und sie bald darauf starb, sind wir alle durchgerüttelt worden. Gleich- zeitig hätte uns das auch in der Schweiz passieren können. SPRACHE LERNEN: Man sagt, dass man mit 50+ nicht mehr so schnell Sprachen lernt. Das stimmt. Gleichzeitig kann mit Offenheit viel wettgemacht werden und man kann sich auch mit sehr einfachem Wortschatz ausdrücken. Sprache kommt vom Sprechen und beim Sprechen kann man vieles lernen. Dazu kommt, dass man sich bei vielen Auf- gaben weder mit theologisch komplizierten noch anderen sprachlich komplexen The- men befassen muss. FAMILIE ZU HAUSE: Die Trennung von unseren erwachsenen Kindern fällt immer wieder schwer!

te, wie es nach der Pensionierung aussehen könnte. Für uns war es eine grosse Beruhigung zu sehen, dass wir uns diesbezüglich wirklich keine Sorgen machen mussten. Da wir in den Jahren in Angola keine Pensionskasse hatten, kam für uns eine Frühpensionierung nicht in Frage – für andere kann das hinge- gen eine gute Lösung sein. Weitere finanzielle Vorteile waren für uns, dass unsere Kinder ausgezogen waren und unsere finanzielle Un- terstützung nicht mehr brauchten sowie dass wir unser Haus vermie- ten konnten. BEWÄLTIGUNG VON HERAUS- FORDERUNGEN UND SCHWIERI- GEN SITUATIONEN: Beruflich ist man «sattelfester» und weniger anfällig für Stress. Aus der Erfah- rung heraus kann man Prioritäten besser erkennen und mit Heraus- forderungen besser umgehen. Zu- dem kann man viele Situationen gelassener angehen – man hat die ersten Stürme des Lebens hinter sich und bereits eine gewisse Le- benserfahrung, was etwas Beruhi- gendes an sich hat. DIE FAMILIE MITEINBEZIEHEN: Für uns war es wichtig, dass unse- re drei erwachsenen Kinder in den Prozess integriert waren, ihre Be- denken und Freuden äussern und wir so gemeinsam planen konnten.

Was ist einfacher? DIE NÄCHSTEN KARRIERESCHRIT- TE: In ein paar Jahren bin ich pen- sioniert und habe dadurch keinen Wiedereingliederungs- und Arbeits- suche-Stress vor mir. DAS ÄUSSERLICHE ÄLTERWER- DEN: Graue Haare sind kein Nachteil – im Gegenteil: das Alter wird in den meisten Einsatzländer besonders geehrt und geachtet. WOHNEN, ESSEN, SCHULE, GE- SUNDHEITSFRAGEN …: Vieles da- von ist ohne kleine Kinder einfacher zu organisieren – wobei es natürlich auch mit kleinen Kindern möglich ist, wie wir bei unserem ersten Ein- satz in Angola gelernt haben! BERUFUNG LEBEN: Mit Ü50 fallen oft einige finanzielle und zeitliche Verpflichtungen weg – und man hat Zeit und Ressourcen, um neue Wünsche, Träume und Berufungen zu entdecken und umzusetzen. Zu- dem ist es mit zunehmendem Alter einfacher, Fragen zu beantworten wie: Was kann ich gut? Wo sind mei- ne Gaben und Talente? Was hat Gott mir aufs Herz gelegt? Was möchte ich sicher nicht machen? – und dem- entsprechend eine passende Aufga- be zu suchen. FINANZEN: Wir konsultierten eine Finanzberatung, die uns aufzeig-

Fredi RAYMANN, Mitarbeiter im ProTIM 2-2-2 Kissidougou, Guinea

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Neuorientierung: Wie packe ich das an?

Als Mensch, der unterwegs ist, ist es wichtig, seinen Standort und sein Ziel fortlaufend zu überprüfen, denn: «Wer das Ziel nicht weiss, kann den Weg nicht haben» (Christian Morgenstern) – und wer den Weg nicht geht, kommt nicht ans Ziel. Manchmal ist dabei eine Neuorientierung angesagt. Das ist vor allem in zwei Situati- onen der Fall: Situation 1: Wenn ich ein Ziel erreicht habe und mir neue Ziele stecken muss oder darf. Situation 2: Wenn ich mich unterwegs verlaufen habe und nicht sicher bin, ob ich auf diesemWeg ans Ziel komme. Im Lauf unseres Lebens orientieren wir uns mehrmals neu. Mit 50+ merken wir bei ei- ner Neuorientierung, dass wir uns «Leerläu- fe» nicht mehr leisten können und wollen. Diese Feststellung kann Resignation und Lethargie auslösen – oder eine neue Tie- fe und Leidenschaftlichkeit in unser Sein und Handeln bringen und zu Freude, Ent- schlossenheit und Mut führen. Viele mei- ner Freunde haben in dieser Lebensphase neue Aufgaben angepackt und sind zu neuen Abenteuern aufgebrochen. Fragen stellen Aber wie packe ich eine Neuorientierung an? Folgende Fragen können weiterhelfen: Zu Situation 1 : Was habe ich im Leben schon erreicht und wofür bin ich dankbar? Was will ich in meinem Leben noch errei- chen?Wo sehe ich Hindernisse und Schwie- rigkeiten? Wer oder was könnte mir helfen, diese zu überwinden? Was sagen meine wichtigsten Bezugspersonen zu meinen Plänen? Bin ich mit mir, meinem Leben und meiner Umgebung versöhnt? Was möch- te ich aus meinem reichen Erfahrungs- und Gabenschatz weitergeben? Wer oder was unterstützt mich dabei, neue Ziele zu setzen und neue Wege zu gehen?

Zu Situation 2 : Wo habe ich das Ziel aus den Augen verloren oder eine falsche Ab- zweigung genommen? Kann ich wieder zu diesem Punkt zurück? War mir das Ziel klar und wie kam ich auf dieses Ziel? Bin ich den bisherigen Weg gerne gegangen und habe ich die Wegweiser auf demWeg beachtet? Leben in ganzer Fülle Es ist wichtig, dass wir dabei sowohl uns selber als auch Gott und einander Fragen stellen. Echte Fragen bringen Antworten, welche uns wiederum weiterbringen. Das hat auch Hiob erkannt – als er in Gott ein lebendiges Gegenüber entdeckte, machte er folgende Aussage (42,4): «Höre nun, ich will reden, ich will dich fragen, und du lehre mich!» Machen Sie sich in diesem Prozess der Neuorientierung Notizen. Schreiben Sie Ihre Fragen auf und notieren Sie, welche Antworten sich herauskristallisieren. Tau- schen Sie sich regelmässig mit Gott, Ihrem Partner, guten Freunden und anderen Ver- trauenspersonen aus. Gehen Sie geduldig, entschlossen und freudig in diesen Prozess. Denn Jesus sagt (Johannes 10,10b): «Ich bin gekommen, um ihnen das Leben in ganzer Fülle zu schenken.» Das gilt auch heute und das gilt auch für uns! Dadurch müssen wir uns vor einer Neuorientierung nicht fürch- ten, sondern können uns bewusst auf diese erlebbare Verheissung einlassen. «Du sollst ein Segen sein» Was möchten Sie in 10, 15, 20 Jahren er- reicht haben? Gott sagt (1. Mose 12,2): «Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein!» Womit segnet er Sie und womit kön- nen Sie andere segnen? Ich segne Sie mit Mut für diesen Prozess.

Ram BHALLA, Pastor, Coach und Projektleiter www.vserve.ch / www.salem-life.ch

Ein Einsatz – etwas für mich?!

Sie stehen in der «zweiten Lebenshälfte»? Haben Sie sich schon einmal überlegt, ob ein Ausland-Einsatz für Sie in Frage kommt? Noch nie? Dabei suchen wir gerade Leute wie Sie! Kreuzen Sie bei den folgenden Fragen «Ja» oder «Nein» an, finden Sie heraus, ob ein Einsatz etwas für Sie ist – und lassen Sie sich herausfordern!

JA NEIN

1. Sie mögen Ihre Arbeit, aber eine neue Herausforderung oder ein Tapentenwechsel kommen durchaus auch in Frage.

2. Eine sinnvolle und befriedigende Arbeit ist Ihnen wichtiger als ein hoher Lohn.

3. Sie geben gerne Ihr Know-how und Ihre Erfahrungen an andere weiter. Es erfüllt Sie mit Freude, wenn Sie andere fördern und weiterbringen können.

4. Sie lernen gerne Neues dazu – sei dies durch Bücher, Beobachten oder direkt von anderen.

5. Das «Fremde» interessiert Sie und macht Sie neugierig.

6. Sie interessieren sich für Menschen aus anderen Kulturen.

7. Sie mögen Fremdsprachen und würden vielleicht sogar noch eine weitere lernen.

8. Sie haben schon einmal Kebab, Sushi, Tacos oder Couscous gegessen – und fanden es gar nicht so schlecht.

9. Herausforderungen und Unvorhergesehenes bringen Sie nicht gleich aus der Fassung.

ZWISCHENSUMME

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10. Sie wissen aus eigener Erfahrung: Es gibt immer irgendeine Lösung!

11. Sie können Ihre Ansprüche anpassen und sind auch mit einem einfacheren Lebensstil zufrieden.

12. Falls Sie Kinder haben, sind diese bereits erwachsen und selbständig.

13. Sie sind in einer Kirche oder Gemeinde integriert und engagiert.

14. Sie staunen immer wieder neu über Gottes Liebe zu den Men- schen und möchten dazu beitragen, dass andere diese Liebe er- fahren können.

15. Sie haben ein gutes Beziehungsnetz.

16. Sie fühlen sich fit und gesund – und mögen die Wärme.

17. Sie haben schon einmal über einen Einsatz nachgedacht oder hatten früher den Wunsch, in der interkulturellen Arbeit tätig zu sein – das war damals aber aus irgendeinem Grund nicht möglich. 18. Sie haben den Wunsch, einen Unterschied zu machen, etwas gegen die Ungerechtigkeit in der Welt zu unternehmen und Spuren zu hinterlassen.

SUMME

Wenn Sie 9 oder mehr der Fragen mit «Ja» beantwortet haben, melden Sie sich bei uns! Vielleicht haben wir genau DIE passen- de und sinnvolle Herausforderung für Sie. engagement@sam-global.org T 052 269 04 69 Alle unsere offenen Stellen finden Sie auf www.sam-global.org/einsaetze

Offene Stellen – nicht nur, aber auch sehr gut für Ü50 geeignet

Langzeit ( ab 2 JahreN )

Pastor/Coach für einheimische Kirchen und interkulturelle Mitarbeitende Sie möchten jüngere Leiter und Pastoren fördern, coachen und begleiten und geben gerne Impulse zur Gemeindearbeit weiter. Offene Stellen in Brasilien , Burkina Faso , Guinea , Tschad und Indien . Pastor oder Berater/in für Ehearbeit, Leiterförderung und Arbeit unter Kindern und Jugendlichen In enger Zusammenarbeit mit der einheimischen Kirche fördern und beraten Sie einheimische Mitar- beitende in verschiedenen Bereichen. Diverse offene Stellen in Guinea . Landwirtschaftliche/r Mitarbeiter/in oder Agronom/in Sie fördern landwirtschaftliche Projekte in den Bereichen Produktivitätssteigerung, Anbaumethoden und -vielfalt und engagieren sich so in der nachhaltigen Entwicklungszusammenarbeit. Offene Stellen in Brasilien und Guinea . Mitarbeiter/in im Schüler- und Studentenwohnheim oder zum Aufbau eines Schüler- und Studentenwohnheims Sie lieben den Kontakt zu jungen Menschen und haben Erfahrung in der Sozialen Arbeit oder imMana- gen eines Projekts oder Kleinbetriebs. In Kambodscha . Handwerker/in (Maurer, Zimmermann, Automechaniker, Baufachmann) Als Handwerker/in mit Berufserfahrung bilden Sie gerne junge Menschen aus und möchten ihnen eine Perspektive und bessere Lebensgrundlage für die Zukunft geben. Diverse Stellen in Guinea und Sri Lanka . Pflegefachfrau/-mann, Arzt/Ärztin, Manager/in medizinisches Projekt Als medizinische Fachperson mit Interesse für Primary Health Care und einem Herz für benachteiligte Menschen sind Sie bei uns am richtigen Ort. Offene Stellen in Guinea . Lehrer/in, Fachkraft Pädagogik, Englischlehrer/in Möchten Sie praktisch dazu beitragen, dass benachteiligte Kinder und Erwachsene eine gute Schulbil- dung und so bessere Zukunftschancen erhalten? Oder möchten Sie unsere Mitarbeitenden unterstüt- zen, indem Sie deren Kinder in Homeschooling unterrichten? Je nach Stelle können Sie zudem einheimische Lehrpersonen oder Kurzzeiter/innen aus Europa unter- stützen und fördern. Offene Stellen in Guinea , Tschad und Indien . Projektleiter/in, Mitarbeitende Administration und Verwaltung Als vielseitig begabte Person in den Bereichen Projektleitung oder Administration könnten wir Sie in Guinea oder Tschad einsetzen.

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Kurzzeit ( bis 24 Monate )

Lehrer/in oder Lernhelfer/in 6-12 Monate

Wir suchen jedes Jahr Lehrer/innen und Lernhelfer/innen, die die Kinder unserer Mitarbeitenden unter- richten. Das ist jeweils ein enorm wertvoller Dienst fürs Team! Daneben können Sie sich je nach Interes- se in diversen anderen Bereichen engagieren. Offene Stellen in Guinea und Tschad . Handwerker/in (Maurer, Schreiner, Elektriker, Mechaniker), handwerklichbegabte Person 2 Wochen – 12 Monate Sie möchten praktisch mitanpacken und ihre handwerklichen Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen einsetzen? Dann melden Sie sich bei uns! Offene Stellen in Guinea , Sri Lanka und Brasilien .

Gästebetrieb und Teamsupport in Guinea 6-24 Monate

Als kontaktfreudige und dienstleistungsorientierte Person unterstützen Sie die verschiedenen Teams im Landesinneren in administrativen Belangen und leiten ein kleines Gästehaus in der Hauptstadt von Guinea .

Medizinische Fachperson 1-12 Monate

Möchten Sie Ihr Fachwissen für benachteiligte Menschen einsetzen und zu einer besseren medizini- schen Versorgung beitragen?Wir suchen medizinische Fachpersonen aus den Bereichen Labormedizin, Radiologie, Pharmazie, Spitalmanagement, Allgemeine Innere Medizin und Infektiologie. Offene Stellen in Guinea .

Handarbeitslehrer/in oder Schneider/in 1-12 Monate

Wir möchten Mädchen und jungen Frauen eine Ausbildung ermöglichen – und ihnen dadurch die Chance auf eine Arbeit und eine bessere Zukunft bieten. Dafür suchen wir Handarbeitslehrer/innen und Schneider/innen in Guinea . Solartechniker/in, Landschaftsgärtner/in 1-12 Monate Möchten Sie Ihre Fähigkeiten als Solartechniker/in oder Landschaftsgärtner/in in einem Entwicklungs- land einsetzen? Dann suchen wir Sie für unser Spital Centre Médical in Guinea !

Ist etwas für Sie dabei? Melden Sie sich bei uns! Gerne geben wir Ihnen weitere Informationen. engagement@sam-global.org oder 052 269 04 69 Alle offenen Stellen finden Sie unter www.sam-global.org

Eine «Freundin mit viel Erfahrung»

Nachbarn vorgestellt. Sie hat stets offene Ohren für mich, fordert mich aber auch im- mer wieder heraus, Neues auszuprobieren.

Im Januar habe ich meine Klasse an meine Stellvertreterin überge- ben, meinen Untermieterinnen den Schlüssel in die Hand gedrückt, mei- ne Tasche gepackt und mich bereit- gemacht für mein neues Abenteuer: ein Einsatz inMacenta, Guinea! Als ich abreiste, war ich von Schnee und Mi- nusgraden umgeben – doch ein paar Flugstunden und eine durchgeschüt- telte Autofahrt später befand ich mich plötzlich im angenehm warmen Macenta. Hier unterrichte ich jetzt jeden Morgen die drei ältesten Kinder des Teams. Da- neben helfe ich einmal pro Woche bei einer Sportstunde mit bis zu 40 Kindern mit, unterstütze zwei einheimische Frau- en dabei, lesen zu lernen, spiele mit den Kindern aus dem Quartier, helfe bei der Versorgung der vielen Gäste auf der Sta- tion, betreue einen Bibellese-Klub mit Kindern aus der Nachbarschaft, suche auf dem Markt frische Kokosnüsse, Kar- toffeln und Auberginen, widme mich dem Haushalt, der hier ohne diverse Ge- räte doch etwas mehr Zeit benötigt … und geniesse je nach Saison die Ananas, Papayas, Mangos und Bananen, die di- rekt neben meinem Haus wachsen! Unser Team besteht aus Familie Leuen- berger, Familie Büchli, Martha Gafafer und mir. Wir leben alle gemeinsam auf einer Station. Jeder hat seine eigenen Zuständigkeitsbereiche und Projekte – das grosse Spital Centre Médical, die Jungschararbeit, die Sonntagsschule und so weiter, aber wir tauschen regel- mässig über unsere Arbeit aus. Da das Team relativ klein ist, fühlte ich mich von Anfang an dazugehörig und wohl. Zu einer besonders wichtigen Person für mich ist Martha geworden. Sie ist rund 31 Jahre älter als ich und seit 27 Jahren in Guinea. Sie hat mir von Anfang an viele praktische Tipps, Tricks und Hin- tergrundinfos weitergegeben, mich in das Leben hier eingeführt und mich den 27 Jahre Guinea-Erfahrung

als Single-Frau in Westafrika

Es ist enorm interessant, Martha zuzuhö- ren, wenn sie von ihren Erlebnissen hier berichtet. Oft beginnen ihre Augen zu strahlen und man spürt, wie sehr sie die Arbeit und die Guineer liebt. Für mich als Single-Frau ist es auch spannend, mitzu- erleben, wie sie ihr Leben als ledige Frau hier meistert. Durch unser Single-Dasein haben wir automatisch ein paar Gemein- samkeiten – wir wohnen beide alleine, ha- ben mehr Kapazität, um uns um Gäste zu kümmern, und auch immer wieder spon- tan Zeit, etwas miteinander zu unterneh- men, beispielsweise eine Shoppingtour auf dem Markt, gemeinsame Mahlzeiten, Abendspaziergänge, Besichtigungen im Spital, Gottesdienstbesuche … Für die Kinder im Team ist Martha wie eine Grossmutter. Fürs Team ist sie eine Berate- rin und eine Freundin mit viel Erfahrung, erzählt mir Sarah Büchli. Martha ist schon am längsten da, kennt die Leute, die Um- stände und die Kultur ambesten und weiss auch, wie sich die Dinge entwickelt haben, gerade im Spital. Diese Erfahrung, aber auch ihr praktisches Denken, ihr Flair für Gästebetreuung und ihre Art werden im Team von allen sehr geschätzt. Und für mich? Die Afrikaner haben mich schon gefragt, ob Martha meine Mutter sei. Doch viel eher als ein «Mutterersatz» ist sie eine gute Freundin geworden. Ich den- ke, das Alter ist dafür gar nicht so relevant. Grosi, Beraterin, Freundin …

Maria SCHMIDT, von Januar bis Juli 2017 Kurzzeiterin im ProESPOIR in Guinea

An dieser Stelle geben Kurzzeiter und Kinder von Mitarbeitenden etwas aus ihrem Leben weiter.

Martha GAFAFER

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Elisabeth GAFNER

Ein Tag im Leben von Elisabeth Gafner

Der Nachmittag ist danach gefüllt mit ganz verschiede- nen Tätigkeiten: Telefon-, Wasser- und Stromrechnungen müssen an den verschiedenen Stellen abgeholt und be- zahlt werden. Es sind Einkäufe für die Reha und das Pro- thesenzentrum in Kalukembe sowie unseren Haushalt zu tätigen. Daneben gibt es viele andere Verpflichtungen wie Beerdigungen, Krankenbesuche oder Vorbereitun- gen für Gesundheitsvorträge und Andachten. Häufig kommen zudem Menschen an die Haustüre, weil sie me- dizinische oder anderweitige Hilfe benötigen. Um 17 Uhr, wenn wir wieder Strom haben, setze ich mich an den Computer, um die Buchhaltung nachzuführen, E-Mails zu beantworten, Gebetsanliegen zu verschicken, Artikel vorzubereiten und so weiter. Auch gibt es in die- sen Stunden im Haus Verschiedenes zu erledigen, was Elektrizität braucht. Oftmals sehe ich mir dann um 20 Uhr die Tagesschau des angolanischen Fernsehens an, damit ich darüber informiert bin, was im Land so läuft. Um 21 Uhr falle ich meist müde ins Bett und lese noch ein paar Seiten in einemBuch, ummeinen «inneren Com- puter» herunterfahren zu lassen. Es ist eine Genugtuung, ein gutes Bett und in der kalten Zeit eine warme Decke zu haben. Gott hat es gut eingerichtet, dass wir für einige Stunden abschalten und schlafen können beziehungs- weise müssen. Nach einer wohltuenden, ruhigen Nacht freue ich mich jeweils, mit Jesu Hilfe die Anforderungen des neuen Tages in Angriff zu nehmen. Gott hat es gut eingerichtet

Wir haben derzeit jeweils nur von 17.00 Uhr abends bis 5.00 Uhr morgens Elektrizität – das hat meinenTa- gesplan um einiges komplizierter gemacht! Können Sie sich eine Stadt mit 800 000 Einwohnern vorstel- len, die nur nachts über Strom hat ...? Normalerweise würde ich um 5.00 Uhr aufstehen, um E-Mails zu beantworten und mir die SRF-Nachrichten an- zuschauen. Das ist nun nicht möglich, denn die Compu- terbatterie hält nur gerade zwanzig Minuten! Auch wird es derzeit morgens erst um 6.00 Uhr hell ... so kommt es vor, dass ich ganz früh aufstehe, um einige Sachen zu er- ledigen, welche elektrischen Strom benötigen, und dann um 5.00 Uhr nochmals ins Bett gehe, bis es hell genug ist, um die Bibel zu lesen. Anschliessend bin ich mit Alltäg- lichem beschäftigt wie der «afrikanischen Dusche» mit einer Büchse, frühstücken, Auto kontrollieren, Wasser im Kühler nachfüllen und unserer Haushalthilfe Anweisun- gen für den Haushalt und das Mittagessen geben. Alle zwei bis drei Wochen verbringe ich drei Tage in Kalu- kembe, wo ich angehende Krankenpfleger in Rehabilita- tion und Parasitologie unterrichte, Patienten und Mit- arbeitende besuche und im Prothesenzentrum vorbei- schaue, um es mit den benötigten Materialien auszustat- ten. Ansonsten fahre ich zweimal pro Woche am Morgen nach Mapunda, wo ich mich in der Rehabilitationsarbeit engagiere und invalide Menschen berate. Dies dauert im Normalfall bis kurz nach 12 Uhr, dann geht es zurück nach Hause. Nach dem Mittagessen lege ich mich, wenn möglich, eine kurze Zeit hin, um neue Energie zu schöp- fen und eingehende Zeitungen, christliche Literatur und Rapporte zu lesen. Ausgefülltes Programm

Elisabeth GAFNER, Mitarbeiterin Rehabilitation in Angola

Pro SERTÃO

dene Familien verteilt sind. Erzogen wurde er kaum – er war wild, laut und respektierte die Lehrerinnen überhaupt nicht. Beim täg- lichen Gebet stiftete er regelmässig Unruhe. Das Gebet schien für ihn wie ein rotes Tuch, etwas, das bei ihm Widerstand und noch mehr Unruhe auslöste. Eines Tages jedoch, als die Mitarbeiterin fragte, wer beten wollte, meldete er sich. Natson begann, für seine Mutter, seine Ge- schwister, für die Schule, für die Tante im Spital, für den Znüni und für seine Freunde zu beten. Die Lehrerin traute ihren Ohren kaum. Die Mutter will nun auch ihren ande- ren Sohn ins Projekt schicken, weil sie die positiven Veränderungen bei Natson sieht. Ein Fach mit 7 Siegeln Manchmal brauchen aber nicht nur die Kin- der Hilfe: Mathematik ist hier ein Fach mit sieben Siegeln – auch für die meisten Lehr- personen. Die Leitung der örtlichen Schule hat mich deshalb eingeladen, die Lehrer in diesem Fach zu unterstützen. Ich gehe in die Klassenzimmer, helfe bei den Vorberei- tungen, zeige Unterrichtsmethoden auf, erkläre die Regeln usw. Manche Lehrerin- nen und Lehrer haben dabei richtige Aha- Erlebnisse und können kaum glauben, dass Mathematik so einfach ist – ihnen wurde die Logik dahinter nie beigebracht. Durch diese Arbeit entstehen wertvolle Kontakte zu den Schulen und wir konnten sogar einmal 100 Lehrpersonen zu einem grossen Lehrertag auf der Rancho da Lua einladen.

Der Schlüssel zum Leben Vor über zwanzig Jahren las ich in einem brasilianischenMagazin, dass imAmazonas- gebiet eine Bildungsrevolution stattfand. Der Auslöser: Breite Bevölkerungsmassen begannen sich für die Bibel zu interessieren. Und um Gottes Wort – oft die einzige Litera- tur dieser Leute – lesen zu können, musste man eben lesen können. Bildung ist für viele der Schlüssel zu bes- serer Lebensqualität – und manchmal, wie im beschriebenen Fall, auch der Zugang zu Gott und seinemWort. Ein Schwerpunkt von ProSERTÃO liegt deshalb auf verschiedenen Bereichen der Bildung: theologische Bil- dung, Berufsbildung und Grundausbildung. «Bildung für das Leben» Im Projekt «Bildung für das Leben» bieten wir Kindern Nachhilfeunterricht und ein Freizeitprogramm an. Wir helfen ihnen bei den Hausaufgaben und unterstützen sie da- bei, Lernlücken zu schliessen. Gleichzeitig geben wir ihnen biblische Prinzipien und Werte wie zum Beispiel Nächstenliebe und Respekt weiter. Mit diesem Projekt möchten wir verhindern, dass die Kinder zu viel Zeit auf der Strasse verbringen und mit Krimi- nalität und Drogen in Kontakt kommen – und wir wollen ihnen eine bessere Bildung und damit eine Perspektive für die Zukunft ermöglichen. Zudem ist es eine gute Mög- lichkeit, die Familien der Kinder kennenzu- lernen und ebenfalls miteinzubeziehen. Jedes Mal helfen zahlreiche Freiwillige aus der Gemeinde dabei mit, das Ganze zu or- ganisieren und durchzuführen. Der Unruhestifter Eines der Kinder, die regelmässig bei «Bildung für das Leben» dabei sind, ist Na- tson. Natson kommt aus einer unstruktu- rierten Familie: Er lebt bei seiner Mutter, sein Vater ist abgehauen. Angeblich hat er sieben Geschwister, die aber auf verschie-

Ursula ROGGENSINGER, Mitarbeiterin im ProSERTÃO

Gibt es ein Projekt oder Land, von dem Sie mehr erfahren möchten? Zweimal jährlich erscheinen solche News von den Projekten – jetzt kostenlos bestellen! winterthur@sam- global.org oder 052 269 04 69

Ursula ROGGENSINGER

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