Schiff Classic

ůƇūũūŮ6HSWHPEHU

06

EUR 9,90 A: EUR 10,90 Be, Lux: EUR 11,40 CH: sFr 15,80 I: EUR 13,00

4 198450 009905

'LH*HVFKLFKWHGHV8%RRW7\SV,;& XQGVHLQHVZLFKWLJVWHQ9HUWUHWHUV

Queen Anne  Das extravagante Schmuckstück der Cunard Line

6HHPDFKW%UDQGHQEXUJ Das war die Flotte des Großen Kurfürsten

:UDFNV Wo man maritimen Überresten ganz nahekommt

I FASZINATION RAUBTIER DIE LETZTEN IHRER ART?

NR. 22

JETZT AM KIOSK!

OZEANE IM WANDEL Warum Haie unseren Schutz brauchen ARTENPORTRÄTS Nur wenige sind gefährlich – wie man sich klug verhält

NERVEN BEHALTEN Was Fotografen auf Tauchgängen erleben

HAIE

HERRSCHER DER MEERE

NGS_22_u1_u1.indd Alle Seiten

18.06.25 09:14

ODER 2 AUSGABEN MIT 50% ERSPARNIS TESTEN UNTER shop.nationalgeographic.de/special-testen

EDITORIAL

Nord- und Ostsee, sondern ganz konkret der erfolgreiche Kampf gegen Russlands Marine. Noch einmal Kaack: „Ich schaue mir die Poten- ziale der russischen Flotte und die politische Absicht der russischen Führung an und stelle fest – in der Ostsee und im Nordmeer könnten sie aktiv werden.“ Dazu gehört wohl auch das Bestreben des Kremls, mit nuklearen Angriffs- booten in den Atlantik durchzubrechen, um in „Europas Rücken“ zu wirken. Dass mit signifikant vermehrten deutschen Seestreitkräften ein erheblicher personeller Aufwuchs einhergehen muss, weiß der Inspek- teur – und ist zuversichtlich. Alles in allem stehen die Signale auf Grün, und das Interesse am Dienst in der Marine steigt. Aber an einem „wirklich effektiven Wehrdienst“ wird die Re- gierung nicht vorbeikommen, mit der die Zu- sammenarbeit, nach allem, was man hört, ziel- orientierter funktioniert als mit der Vorgänger- Regierung. Zielorientiert ist auch die transparente Kom- munikation der Marine, die der interessierten Öffentlichkeit ihre Zukunftsagenda nicht vor- enthält. Im neuen Konzept „Kurs Marine“ sind Auftrag und Leistungsspektrum sowie Bestand der Flotte (2025–2029–2035) klar definiert. Bes- ser geht es nicht. Eine spannende Lektüre und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel wünscht

von der Führung der Deutschen Marine errei- chen uns dieser Tage Nachrichten, die sowohl in ihrer inhaltlichen Deutlichkeit als auch in der Art der Kommunikation bemerkenswert sind. Der Inspekteur, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, lässt keine Zweifel am Ernst der Lage. Er stellt klar, dass die Marine 2029 in der Lage sein muss, eine verstärkte russische Flotte ab- zuwehren. Daher ist „Fight tonight“ das neue Motto der zurzeit ca. 15.500 Männer und Frauen in Marineuniform, die befähigt sein müssen, gegen den russischen Aggressor sofort ins Ge- Kurs Marine: Ab 2035 stehen der Deutschen Marine u.a. bis zu 16 Fregatten, zahlreiche unbemannte Über- wasserschiffe und Boote, zwölf unbemannte Unterwasser-Fahrzeuge, sechs bis neun Korvetten, zwölf U-Boote sowie eine große Anzahl an Schiffen und Booten zur Auf- klärung zur Verfügung fecht zu gehen. „Wenn die Politik uns den Auf- trag dafür gibt, werden wir unseren Beitrag leisten“, gab Kaack jüngst in einem Interview mit der FAZ bekannt. Dafür werden ab 2035 bis zu 16 Fregatten, drei große unbemannte Überwasserschiffe und wei- tere ca. 20 unbemannte Schiffe und Boote, zwölf unbemannte Unterwasser-Fahrzeuge, sechs bis neun Korvetten, zwölf U-Boote und eine große Anzahl an Schiffen und Booten zur Aufklärung und Unterstützung bereitstehen. Nicht zu ver- gessen weitreichende Marschflugkörper, eine Drohnenflotte für den Einsatz in allen Dimen- sionen und verstärkte Marineinfanterie für die Verteidigung von Küstengebieten. Im Fokus stehen nicht mehr nur – wie einst – der allgemeine Schutz von Seeverbin- dungslinien und die Freiheit der Seewege in

Dr. Guntram Schulze-Wegener, Fregattenkapitän der Reserve, Herausgeber und verantwortlicher Redakteur

Das neue Konzept der Deutschen Marine ist unter „Kurs Marine“ abrufbar Foto: BMVg

3

SCHIFF Classic 6 | 2025

,1+$/7

Im April 1943 scheiterte die U.S. Navy mit dem Versuch, das deutsche U-Boot U 175 zu entern; was folgte, war eine beispiellose Tragödie, bei der das Boot sank 8ȝ%2278ƉƏƍ Kaperung misslungen 12

Strandungswracks Was an Ufern an Schiffen und Booten liegt, ist lebendige Geschichte. Wir stellen spektakuläre Funde vor

Desaster vor den Dardanellen Im Frühjahr 1915 erlebte die Royal Navy eine Katastrophe im Kampf gegen die Türken

36

58

Fehlschlag der DDR Der einzige Kreuzfahrtschiff-Neubau Fritz Heckert war eine einzige Enttäuschung – und ein Prestigeverlust

50

4

42

66

Luxusliner Queen Anne Das 249. Schiff der britischen Traditionsreederei Cunard Line ist kaum mehr zu toppen. Was erwartet die Gäste?

Seemacht auf Zeit Der Große Kurfürst übernahm Ende des 30-jährigen Krieges die Herrschaft und baute eine Flotte auf – mit kurzer Lebensdauer

)$6=,1$7,216&+,)) .HLQ*ODQ]VW¾FN Das DDR-Kreuzfahrtschiff Fritz Heckert Majestätisch unterwegs Die britische Queen Anne gibt sich die Ehre 75$',7,21 Mission: Leben retten 160 Jahre DGzRS – Eine Bestandsaufnahme 6((6&+/$&+7(1 *()(&+7( 7¾UNLVFKHU7ULXPSK Schlag gegen die Royal Navy in den Dardanellen 1915 +,6725,6&+(6((.$57(1 'UHL.¾VWHQ Lexikon-Darstellungen von 1897 58%5,.(1 Service Vorschau / Impressum Deutschlands bekannteste Sammeldose Das Sammel-Schiffchen der „Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“ ist in zahllosen Gaststätten ein Blickfang und jedem Besucher ein Begriff

'$6%(621'(5(%,/' 1875 durch den Suezkanal

6

50

0$5,7,0(63$125$0$ Wissenswertes rund um die Seefahrt

8

66

7,7(/7+(0$ Untergang von U 175

12

56

Das deutsche U-Boot vom Typ IX C wurde im April 1943 bei versuchter Kaperung südwestlich von Irland versenkt 1(8($8667(//81* ú6FKLɃVZHOWHQó'HU2]HDQXQGZLUø Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven runderneuert 6((0$116&+$)7 %25'/(%(1 *UDI6SHHVOHW]WHU.UHX]HU Flucht und Ende des Kleinen Kreuzers Dresden 1915 3+†120(1( .85,26,7†7(1 Mehr als Strandgut An den Ufern Deutschlands liegen wahre Schiffsschätze &DSWDLQ0RVHOH\YRQGHU0RVHO Die U.S. Rhine River Patrol nach dem Ersten Weltkrieg 6&+,))( (5(,*1,66( Seemacht auf Zeit Die Marine Kurbrandenburgs im 17. Jahrhundert

24

58

28

80

36

78 82

74

42

62

7(&+1,. *(5†7 Monitor Parnaíba Eine Legende der brasilianischen Marine

48

Titelbild: Soldaten der U.S. Navy 1943 auf dem gekaperten U 175 Titelabbildungen: National Archives, picture alliance/akg-images, Cunard, Archiv Schiff Classic, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Erhard Schulz

5

6&+,)) Classic 6 | 2025

DAS BESONDERE BILD Durchs Nadelöhr

Der 164 Kilometer lange Schifffahrtskanal zwischen den Hafen- städten Port Said und Port Taufiq bei Suez, der das Mittelmeer mit dem Roten Meer verbindet, ist 1859 bis 1869 von Ferdinand de Lesseps gebaut worden. Die Zeitersparnis für die Seeschifffahrt, die zwischen Nordatlantik und Indischem Ozean bisher den beschwerlichen Weg um Afrika nehmen musste, war und ist seit der Eröffnung 1869 enorm. Heute passieren etwa zwölf Prozent des weltweiten Seehandels den Suezkanal, der allein im Jahr 2020 von 18.829 Schiffen durchfahren wurde. AK Grenze zw i schen Afr i ka und As i en

6

Br i t i scher Dre i master auf dem Weg durch den Suezkanal, um 1875 Foto: picture-alliance/akg

7

SCHIFF Classic 6 | 2025

MARITIMES PANORAMA

ZITAT

„Die See gibt jedem Menschen neue Hoffnung, so wie der Schlaf Träume von der Heimat bringt“ Christoph Kolumbus (1451–1506), italienischer Seefahrer und Entdecker in kastilischen Diensten

AKTUELL

Ehemaliger Kriegsfischkutter in Deutschlands nördlichstem Hafen Mit der Gret Palucca in See

W

er von List auf Sylt aus einen Ausflug zu den Rob- ben oder zum Angeln unter- nehmen will, dem steht dafür die Gret Palucca zur Verfügung. Bei diesem 24,56 Meter langen und 6,39 Meter breiten Schiffs- veteranen mit 2,11 Metern Tiefgang handelt es sich um einen ehemali- gen Kriegsfischkutter aus dem Jahr 1941. Vermutlich, aber bisher nicht verifiziert, handelt es sich bei dem Spitzgatter um KFK 138, den ersten auf der neugegründeten Zweig- werft von Burmester in Swinemün- de-Ost gebauten Kriegsfischkutter, der zunächst unter dem Namen Elisabeth für einen privaten Eigner im ostpreußischen Memel fuhr und später als Vorpostenboot diente.

Ende der 1940er-Jahre konnte der jetzt in Schleswig-Holstein ansässige ursprüngliche Eigner den Kutter von der britischen Besatzungsmacht zurückkaufen. Er benannte ihn in Erinnerung an die alte Heimat in Memel um und betrieb mit ihm von Nien- dorf/Ostsee aus wieder Fischerei. Nach mehreren Eigner-, Hei- mathafen- und Namenswechseln erwarb 1994 die Reederei Adler- Schiffe GmbH & Co. KG den zwi- schenzeitlich zum Angelkutter umgebauten Veteran, benannte diesen nach der mit Sylt eng ver- bundenen Tänzerin Gret Palucca (1902–1993) um, und setzt ihn seit- her von List aus für touristische Zwecke ein. Ulrike Ollesch

Gret Palucca , vermutlich ex KFK 138, im Hafen von List auf Sylt Foto: Ollesch

Von den Faröer-Inseln erzählt man, dass in jeder neunten Nacht Seehunde ihr Fell abwerfen und als Meerjungfrauen am Stand tanzen würden.

Einst fand ein Fischer des Nachts ein solches Fell und nahm mit ihm auch Besitz von der Meerjungfrau, der es gehörte. Nach vielen Jahren fand sie das Fell und verschwand auf Nimmerwiedersehen.

8

Im Juni veröffentlichten Experten des Australischen Nationalen Seefahrtsmuse- ums einen Bericht, der ihre Vermutungen von 2022 zu bestätigen scheint: Bei dem von Schiffsbohrwürmern stark beschädig- ten Rumpf eines Wracks vor Rhode Island handelt es sich nach ihrer Überzeugung um HMS Endeavour; darauf würden Indi- zien wie entnommene Holzproben hin- weisen. Mit dem umgebauten Kohleschiff hatte der britische Seefahrer James Cook (1728–1779) zwischen 1768 und 1771 seine erste Entdeckungsreise unternommen. In Lord Sandwich II umbenannt, wurde das Vollschiff 1778 zur Abwehr französischer Schiffe als Blockade vor dem Hafen von Newport, Rhode Island, versenkt. GSW Forscher sicher: HMS Endeavour entdeckt WRACKFUND &RRNV([SHGLWLRQVVFKLɃ

Stückpforten – verschließbare Geschützöffnungen an der Bordwand von Kriegsschiffen – des spanischen 116-Kanonen-Linienschiffs Santísima Trinidad (1769 bis 1805 in Dienst) Foto: Archiv Schiff Classic

Dem in Brest ansässigen Schiffbauer Descharges wird die Erfindung der Stückpforten (um 1500) zugeschrieben. Weltweit sind 900.000 Kilometer Unterseekabel auf dem Meeresgrund verlegt. Auf dem Panzerschiff Admiral Graf Spee waren auf seiner Kaperfahrt 1939 zur Täuschung zwischenzeitlich zwei falsche 28-cm-Rohre montiert. Die beiden größten Invasionen der Weltgeschichte – 1066 und 1944 – erfolgten über dieselbe enge Wasserstraße: den Englischen Kanal. Das 1912 vom Stapel gelaufene dänische Frachtmotorschiff Selandia war das erste Schiff mit Dieselantrieb.

Die 1764 in Whitby vom Stapel gelaufene Endeavour Foto: Sammlung GSW

Signale zwischen Helmtaucher und Signalmann HISTORISCHES FUNDSTÜCK Überlebenswichtig

Die wesent- lichen Signale für die Kom- munikation in der Helm- taucherei der 1930er-Jahre Foto: Slg. König

Schon Aristoteles beschrieb wagemutige Perlentaucher, die um 450 v. Chr. in pri- mitiven Taucherglocken ihrer Arbeit nachgingen. Die Taucherglocke ersparte den Perlentauchern das Auf- und erneute Abtauchen zum Luftholen, vergrößerte damit die Grundzeit beträchtlich. Die Atemluft war auf das Volumen beschränkt, das sich in der Glocke befand. Die Perlen- taucher atmeten durch und glitten von der Glocke hinab ins dunkle Blau. Das Prinzip blieb über Jahrhunderte unverän- dert, bis in der zweiten Hälfte des 18. Jahr- hunderts der nächste große Sprung in Großbritannien gelang. Dort entwickelte Taucherglocken konnten mittels Kom-

pressoren und Schläuchen unter Wasser mit Frischluft versorgt werden. Das verlängerte die Verweildauer unter Wasser. Von diesen Taucherglocken war es dann nur noch ein kleiner Schritt zum Taucherhelm: 1911 wurde das erste Helmtauch- gerät vorgestellt. 1943 schufen Jacques-Yves Cousteau und Émile Gagnan ein Presslufttauchgerät. Das Ende des stets riskanten Helmtauchens war damit – bis auf wenige Ausnahmen – eingeläutet. An die Helmtaucherei in den 1930er-Jahren erinnert ein Signalschild im Binnenschifffahrtsmuseum in Duisburg.

Diese Signale waren erforderlich, um die nonverbale Kommunikation zwischen dem Helmtaucher unter Wasser und dem Signalmann neben der Mannschaft an der Sauerstoff-Hebelpumpe unmiss- verständlich abzubilden. Christian König

9

SCHIFF Classic 6 | 2025

DEUTSCHE SCHIFFE

Bestand zu gering und nicht zeitgemäß. Mehr Argumente benötigte die Reichsmarine nicht, um den Auftrag für ein neues Artillerieschulboot zu rechtfertigen. Außerdem sollte die am 24. Januar 1931 auf der Marine- werft Wilhelmshaven vom Stapel gelaufene Bremse auch dazu dienen, die Diesel des kommenden Panzerschiffs A ( Deutschland ) zu testen. Das 103,6 Meter lange, 9,5 Meter breite und mit vier 12,7-cm-Geschüt- zen schwach bewaffnete Schiff wurde der Schiffsartillerieschule in Kiel zugeteilt und tat mit einer Besatzung von 192 Mann fortan das, was es sollte: künftige Geschützbedienungen und Artillerieoffiziere auszubilden. Mit Kriegsbeginn fuhr Bremse Fronteinsätze, erst als Minenleger, dann als Begleitschiff für Truppentransporter. Beim Unternehmen „Weser- übung“ zur Besetzung Dänemarks und Norwegens im April 1940 muss- te das Artillerieschulschiff zwei 21-cm-Treffer der norwegischen Küsten- batterien hinnehmen, konnte aber nach kurzem Werftaufenthalt wieder im Geleitdienst eingesetzt werden. Eine Ramming mit einem deutschen Dampfer und eine Grundberührung führten abermals zu Reparatur- zeiten, wohingegen Angriffe von Flugzeugen des britischen Trägers Victorious am 30. Juli 1941 in Kirkenes folgenlos blieben. Beim Sichern der Transporter Trautenfels und Barcelona ist Bremse am 6. September 1941 von den britischen Kreuzern Nigeria und Aurora vor dem Mageröy- Fjord versenkt worden. GSW Im Gefecht gesunken Artillerieschulschiff Bremse

Das Artillerieschulschiff Bremse war das erste größere Überwasserkriegsschiff der Welt mit ausschließlichem Diesel-Antrieb Foto: picture-alliance/WZ-Bilddienst

10

MARITIMES PANORAMA

KENNEN SIE DEN?

INTERNATIONALE SCHIFFFAHRT 40 Jahre im Einsatz

Herakleios

Lettisches Grenzschutzboot Tiira

Kaiser von Byzanz und Flottenführer

I

Er gilt als einer der bedeutendsten Herrscher Ostroms, weil er Konstantinopel vor dem versuchten Zugriff von Slawen und Persern gerettet hat. Herakleios ist 575 in Kappadokien (heute im Zentrum der Türkei) geboren worden und bewährte sich früh als Flottenführer, bevor er 610 Kaiser von Byzanz wurde. Sein Leben war geprägt von Abwehrkämpfen und Rückeroberungen auch mithilfe seiner Flotte. Dies und die Reform von Heer und Staatswesen sicherten seine Herrschaft, deren Erfolge durch den Vorstoß der Sarazenen in seinen letzten Regierungsjahren allerdings teilweise zunichte- gemacht wurden. Herakleios starb am 11. Februar 641 in Konstantinopel. GSW

n der lettischen Hafenstadt Liepāja (dt. Libau) ist neben der kleinen Marine des baltischen Landes auch eine seegehende Einheit seines Grenzschutzes Valsts robežsardze stationiert: die Tiira . Das 26,80 (Lüa) Meter lange und 5,20 Meter breite Boot mit einem Tiefgang von 1,40 Metern der Lokki -Klasse wurde 1985 bei Laivateollisuus in Turku für den finnischen Grenzschutz gebaut und von diesem im selben Jahr in Dienst gestellt.

Die Tiira im Libauer Handelskanal Foto: Ollesch

Seine beiden MTU-Turbo-Dieselmotoren, Modell 8V 396 TB83, mit je 1.012,50 PS bringen es auf eine Spitzengeschwindigkeit von 24 Knoten. Nach einem Intermezzo bei der finnischen Marine in den Jahren 1999 und 2000 ist die Tiira unter Beibehaltung ihres bishe- rigen Namens und Entfernung der militärischen Bewaffnung seit 2001 für den lettischen Grenzschutz im Einsatz. Wie lange sie dort angesichts der geplanten Erneuerung der Flotte noch Dienst tun wird, ist unklar. Ulrike Ollesch

Herakleios gelingt es im Jahre 626, Awaren und Perser vor Konstantinopel zurückzuschlagen. Foto: Archiv Schiff Classic

tatsächlich erst nach einem gewissen Lern- prozess. Die in der ersten Kriegsphase einge- setzten, markanten Passagierdampfer waren in der Tat mehr mit Kohlenschaufeln beschäftigt als mit dem Aufbringen gegnerischer Handels- schiffe – und mussten daher teilweise sehr schnell den Einsatz mangels Kohle abbrechen. Erst der Einsatz der Schiffe Möve und Wolf zeigte, dass (unauffällige) Handelsschiffe besser geeignet waren. Da es in den ersten Kriegsjahren des Zweiten Weltkriegs in gewissem Maße der Kriegsmarine gelang, ein überseeisches Versorgungsystem durch Handelsschiffe aufzu- bauen und die Überwachung durch den Gegner noch nicht so lückenlos war, waren gerade Ein- sätze in der ersten Kriegshälfte erfolgreich, wie am Beispiel von Atlantis gezeigt. Die Bewaffnung, insbesondere die 15-cm-Geschütze, stammte

dabei teilweise noch aus dem Kaiserreich! Letztlich war der Einsatz in beiden Weltkriegen einerseits mangels einer geeigneten Anzahl an regulären Kriegsschiffen als Handelsstörer alternativlos und andererseits erfolgreich. Schließlich versenkten im Zweiten Weltkrieg die Hilfskreuzer etwa doppelt so viel Tonnage wie die regulären Überwassereinheiten. Thomas Pohle, Litzendorf

BRIEFE AN DIE REDAKTION

Schreiben Sie an: redaktion@schiff-classic.de oder: Schiff Classic , Postfach 40 02 09, 80702 München

Schiff Classic ŮūũūŮ$WODQWLV Danke für den sehr interessanten Artikel über den Einsatz des Hilfskreuzers Atlantis , anbei noch einige Anmerkungen. Der Einsatz von eher unauffälligen, verbrauchsärmeren Handelsschiffen erfolgte im Ersten Weltkrieg

Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen.

11

SCHIFF Classic 6 | 2025

TITELTHEMA

DER UNTERGANG VON U 175 SÜDWESTLICH VON IRLAND

Deutsche U-Boote brachten 1942/43 d i e amer i kan i sche Sch i fffahrt i n erhebl i che Bedrängn i s. D i e U.S. Navy verschärfte i hre Abwehr und erkannte auch d i e Chance, deutsche U-Boote zu kapern. Im Apr i l 1943 sche i terte der Versuch, U 175 zu entern. E i ne Tragöd i e nahm i hren Lauf Von Christian König

KURZ UNTER US-KONTROLLE: Das Board i ng Team Spencer be i e i ner ersten Inspekt i on von U 175 und nach der vollständ i gen Inbes i tznahme (kle i nes Foto rechts oben) Fotos: National Archives

12

ZEIT 1941–1943 EREIGNIS U-Boot-Kr i eg UNTERNEHMUNGEN U 175 versenkt auf dre i Unternehmungen zehn Sch i ffe, Vern i chtung am 17. Apr i l 1943 EINSATZGEBIET M i ttel- und Nordatlant i k BESONDERHEIT D i e U.S. Navy sollte das U-Boot kapern, das j edoch nach schwerem Beschuss sank KURZE FAKTEN

13

TITELTHEMA

D

as Deutsche Reich hatte in der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre die Entwicklung von Hochsee- Unterseebooten fieberhaft vor- angetrieben. Zu Beginn des

Die Marine hatte aus den Fehlern des Ersten Weltkriegs gelernt: Um die Zufahrtswege nach Großbritannien zu beherrschen, mussten die U-Boote aus strategisch günstig gelegenen Häfen operieren, die jetzt zur Verfügung standen die Atlantikschlacht in ihre zweite Phase. Die Jagderfolge wurden allerdings zunehmend teurer erkauft, weil die Alliierten Begleit- und Sicherungsfahrzeuge einsetzten, die neben Echolot nun auch Radargeräte erhielten. Zudem waren in Großbritannien die deut- schen Funkschlüssel geknackt worden, was die Ortung deutscher U-Boote erleichterte. Durch das Zusammenziehen mehrerer U-Boote („Rudeltaktik“) ließen sich mit etwa drei Millionen BRT immer noch beachtliche Versenkungsziffern erzielten. Der Kriegseintritt der USA am 11. Dezem- ber 1941 führte zur Entscheidung des Befehls-

habers der U-Boote (BdU) Admiral Karl Dönitz, den Zufuhr- in einen Tonnagekrieg zu erweitern. Fortan sollte alles versenkt wer- den, was schwamm. In der im Januar 1942 beginnenden dritten Phase der Atlantik- schlacht trugen weitreichende U-Boote den Krieg in entfernt gelegene Seegebiete. Weil vor allem die USA darauf nicht ausreichend vorbereitet waren, begann eine „zweite glück- liche Zeit“: Bis Dezember 1942 reklamierten deutsche U-Boote über acht Millionen ver- Eine Intensivierung der alliierten Seeraum- Überwachung aus der Luft und der Einsatz von Geleitflugzeugträgern sollten eine Wie- derholung derartiger Erfolge in Zukunft ebenso vereiteln wie die Serienfertigung von Liberty-Frachtschiffen. Die amerikanische Schiffbau-Industrie baute Schiffe schneller, als sie von der Kriegsmarine versenkt werden konnten. 1943 wurden 3,5 Millionen, 1944 bis Mai 1945 jeweils rund 1,5 Millionen BRT vernich- tet. Bis Kriegsende waren rund 40.000 Ange- hörige der Kriegsmarine mit 859 U-Booten im Einsatz und hatten 2.700 Handels- und 170 Kriegsschiffe versenkt, darunter sechs Flugzeugträger, zwei Schlachtschiffe und 34 Zerstörer. Insgesamt starben ca. 30.000 Menschen auf See. 757 deutsche U-Boote gingen verloren, dabei fanden 27.494 Ange- hörige der U-Boot-Waffe den Tod. nichtete BRT für sich. Enormer Aderlass

Zweiten Weltkriegs waren von insgesamt 57 jedoch nur 39 U-Boote für den atlantischen Zufuhrkrieg geeignet. Deutsche Werften produzierten U-Boote in verschiedenen Ausführungen in Groß- serien und konnten monatlich über 20 neue Boote abliefern. Die Blitzkriege gegen Nor- wegen und Frankreich brachten bis Sommer 1940 Atlantikhäfen in deutschen Besitz, in denen U-Boot-Stützpunkte und später ge- waltige U-Boot-Bunker errichtet wurden. Um die Zufahrtswege zum Vereinigten Königreich zu beherrschen, operierte die Kriegsmarine aus diesen strategisch günstiger gelegenen Häfen. Was im Ersten Weltkrieg aufgrund fehlender Stützpunkte nicht reali- siert werden konnte, sollte jetzt verwirklicht werden: Der Atlantische Ozean wurde zum Kriegsschauplatz, um den Gegner vernich- tend zu schlagen. Hohe Versenkungszahlen Die erste Phase der Schlacht im Atlantik dau- erte vom Juni bis Dezember 1940 und wurde später zur „ersten glücklichen Zeit“ verklärt. Die alliierten Abwehrmöglichkeiten waren noch gering, U-Boot-Erfolge hingegen groß. Bis Jahresende 1940 versenkte die U-Boot- Waffe 4,5 Millionen BRT. Im Januar 1941 ging

„GLÜCKLICHE ZEIT“: U-Boot vom Typ IX B läuft m i t angetretener Besatzung aus dem Stützpunkt zu e i ner neuen Fe i ndfahrt aus Foto: picture-alliance/WZ-Bilddienst

14

Zu den U-Booten, die im Tonnagekrieg 1942/43 herausragende Erfolge erzielten, gehörte U 175. Das Boot vom Typ IX C ent- stand bei der AG Weser in Bremen als Bau- nummer 1015. Nach der Auftragsvergabe Ende 1939 gab es dort keine Ressourcen, so dass der Kiel erst am Anfang 1941 gelegt wer- den konnte. Danach ging aber alles sehr schnell: Nach nur sieben Monaten Bauzeit lief das Boot am 2. September 1941 vom Stapel und wurde am 5. Dezember desselben Jahres unter Kapitänleutnant Heinrich Bruns in Dienst gestellt. Kommandant von U 175 Der 1912 in Castrop-Rauxel geborene Bruns trat 1931 in die Reichsmarine ein (Crew 31), lernte auf dem Segelschulschiff Niobe und war als Oberleutnant zur See 1939 auf dem Schlachtschiff Scharnhorst als Signaloffizier eingesetzt. Nach seiner Beförderung zum Kapitänleutnant wurde er bei der Ausbil- BLICK INS INNERE: Vorderer Torpedoraum (Bugraum), achterer Torpedoraum (Heck- raum) und E-Masch i nenraum e i nes U-Boots vom Typ IX C (von oben) Fotos (4): p-a/WZ-BD

unter schwerwiegenden Problemen mit der Hochdruck-Kesselanlage, verblieb daher zunächst im Reservebetrieb. Erst im August 1940 stieß es zur 2. Torpedoboot-Flottille, begleitete das Trossschiff Dithmarschen von Deutschland nach Norwegen. Bei der 5. T-Flottille schützte das Boot Minenleger bei einem Vorstoß in die Nordsee. Ab September gehörte T 3 zur 1. T-Flottil- le und sicherte im September 1940 erneut eine Minenlege-Operation im Englischen Kanal. Zur Unterbindung derartiger Aktio- nen flog die Royal Air Force am 18. September 1940 einen Angriff auf Le Havre und traf T 3, das in den frühen Morgenstunden des nächs- ten Tages kenterte. Neun deutsche Soldaten fielen, viele wurden teils schwer verwundet, so auch der Kommandant. Nach wochenlangem Lazarett-Aufenthalt wurde Bruns im Dezember 1940 der Zerstö- rer- und Torpedoboot-Stammabteilung „zur Verfügung“ gestellt, die ihn im Januar 1941 als Nachrichtenoffizier an das Schulschiff Schles- wig-Holstein abgab. Von März bis Juli 1941 nahm Bruns an der U-Bootsausbildung teil und ging als überplanmäßiger Wachoffizier

GRÜNDLICH AUSGEBILDET: Kap i tän- leutnant He i nr i ch Bruns galt als ums i cht i ger und bedacht handelnder Kommandant. Er wurde be i m Beschuss von U 175 tödl i ch verwundet und postum zum Korvetten- kap i tän befördert Foto: National Archive Ü dungs-Abteilung der 1. Torpedoboot-Flottil- le auf eine Kommandanten-Verwendung vorbereitet und übernahm im Februar 1940 das Kommando über das Torpedoboot T 3. Die T-Boote des Typs 35 waren technisch anfällige, wenig gelungene Konstruktionen, die viele Nacharbeiten erforderten. T 3 litt

15

SCHIFF Classic 6 | 2025

mit U 75 (Typ VII B) auf Feindfahrt. Daran schloss sich von Oktober bis Dezember 1941 der Kommandanten-Lehrgang bei der 26. U-Flottille in Pillau und die Bauaufsicht des neuen U-Bootes U 175 an, das Bruns als Kommandant in Dienst stellte. In die Atlantikschlacht Von Dezember 1941 bis August 1942 fuhr U 175 bei der 4. Unterseeboot-Flottille in Stettin als Ausbildungsboot und kam im Anschluss zur 10. U-Flottille in Lorient als Frontboot. Am 15. August 1942 verließ U 175 Kiel und beteiligte sich an der Schlacht im Atlantik. Auf der ersten Feindfahrt versenkte die Besatzung des Bootes neun gegnerische Handelsschiffe mit zusammen 33.442 BRT: Der erste Erfolg stellte sich vier Wochen nach dem Auslaufen ein, als U 175 vor der Küste des mittelamerikanischen Staates Guyana das kanadische Schiff Norfolk (1.901 BRT) versenkte. Das Jagdgebiet am südlichen Rand des Karibischen Meeres vor Trinidad und Vene- zuela bot einzigartige Bedingungen, denn vergleichsweise wenige Kriegsschiffe sollten hier viele Frachtschiffe schützen, was faktisch nicht möglich war. Stattdessen wurden die Frachter zur schnellen Beute für die großen U-Boote der Kriegsmarine.

JAGD DER „GRAUEN WÖLFE“: Deutsche U-Boote auf dem Anmarschweg i m Atlant i k, um Handelskr i eg zu führen Foto: picture-alliance

star (2.592 BRT) und der William A. McKen- ney (6.153 BRT). Torpedos oder Geschütz? Die Anläufe geschahen meist über Wasser. Neben g7e-Torpedos nutzten U-Boote auch die vorhandenen Decksgeschütze, weil deren Einsatz billiger war als die 40.000 Reichs- mark teuren Torpedos. Zum Vergleich: Eine

schen West Chetac (5.627 BRT). Die Tambour (1.827 BRT) fuhr unter der Flagge Panamas, als sie einem Torpedo von U 175 zum Opfer fiel. Zudem versenkte Bruns den US-Frachter Alcoa Mariner (5.590 BRT), die britische Empire Tennyson (2.880 BRT) und den pana- mesischen Einzelfahrer Aneroid (5.074 BRT). Zwei weitere amerikanische Frachtschiffe folgten Anfang Oktober 1942 mit der Carib-

In der Karibik gelang U 175 die Versen- kung des jugoslawischen Frachters Predsed- nik Kopajtic (1.798 BRT) und der amerikani- U-Boot U 175 (Typ IX C, 1942)

16

TITELTHEMA

HOCHSEEBOOTE DER KRIEGSMARINE U-Boot-Typ IX C In den Baureihen A, B, C, C/40, D1, D2 und D/42 sind insgesamt 243 U-Boote vom Typ IX abgeliefert worden. In der Baureihe A baute die AG Weser acht Boote mit vier Bug- und zwei Heck- torpedorohren und 22 Torpedos, einer 10,5-cm-Utof-L/45-U-Bootkanone, je einer 3,7-cm- und 2-cm-Flak. Mit zwei Neunzylinder-Viertakt-Dieselmotoren MAN M9V40/46 (2.200 PS/1.620 kW) erreichte der Typ IX A bis zu 18,2 Knoten und 10.500 Seemeilen Fahrbereich, mit den SSW-E-Motoren (500 PS/370 kW) konnte man mit 4 kn rund 78 See- meilen getaucht fahren, dann waren die Akkus leer. Ab 1937 entstanden bei der AG Weser 14 Boote des Typs IX B mit 12.000 See- meilen Fahrbereich. 1939 fertigten die Deutsche Werft und die AG Weser je 24 Hochsee-U-Boote des Typs IX C, die Seebeckwerft in Wesermünde weitere sechs. Mit 43 Tonnen zusätzlichem Kraft- stoff schafften die Boote 13.450 Seemei- len. U 175 war eines dieser Boote.

TANKER IN BRAND GESCHOSSEN: U 175 gelang es, zehn fe i ndl i che Handelssch i ffe m i t über 40.000 BRT zu versenken Foto: picture-alliance/akg

8,8-cm-Granate kostete 80 Reichsmark, eine 10,5-cm-Granate war nur geringfügig teurer. Der Einsatz der U-Boot-Geschütze – wenn er sich denn anbot – war folglich erheblich günstiger, brachte aber nicht immer das ge- wünschte Ergebnis. So brach Bruns den Artilleriebeschuss des zehnten Schiffes ergebnislos ab und kehrte im Oktober 1942 nach Lorient zurück.

Dennoch hatte U 175 die Erwartungen des BdU bereits auf seiner ersten Feindfahrt erfüllt. Notwendige Reparaturen hielten das Boot einige Wochen im französischen Stütz- punkt fest, dann ging es ab Dezember 1942 auf der zweiten Feindfahrt ins westafrikani- sche Seegebiet vor Freetown. Auf dem Weg dorthin empfing der Kom- mandant eine Lagemeldung von U 603

Grafik: Slawomir Lipiecki

17

SCHIFF Classic 6 | 2025

TITELTHEMA

MOMENTAUFNAHME: E i n Coast Guard Combat Photographer von der Duane machte d i eses Foto der vorausfahrenden Spencer

derlanden, Norwegen, Panama, Schweden und den USA. Sie transportierten vor allem Kriegsgerät: Waffen, Munition, Sprengstoff, Kraftstoffe, diverse Kraftfahrzeuge, Flug- zeuge und Luftfahrzeugteile. Drei weitere Frachtschiffe sollten sich dem Geleitzug anschließen, trafen aber nicht rechtzeitig am Sammelplatz ein. Als Geleit- schutz hatte die U.S. Coast Guard ihre Cutter Duane und Spencer , die Royal Canadian Navy ihren Zerstörer Skeena sowie die Korvetten Wetaskiwin und Arvida abgestellt. Die Royal Navy sicherte den Convoy mit den Korvetten Dianthus , Bergamot und Bryono . Östlich des angenommenen General- kurses befand sich mit der U-Boot-Gruppe „Specht“ ein Wolfsrudel in Wartestellung. Zu diesen sechs Booten sollte sich ein siebtes Boot gesellen: U 175, das Lorient am 10. April 1943 verlassen hatte. Südwestlich von Irland bzw. etwa 900 Seemeilen nordöstlich der Azoren trafen die „grauen Wölfe“ und der Konvoi HX 233 aufeinander. Als Problem erwies sich bereits dessen Außensicherung: Alle alliierten Kriegsschiffe waren inzwischen mit Radargeräten ausgestattet und beobach- teten permanent ihr Umfeld. Mit ASDIC (Echolot) bestand zusätzlich die Möglichkeit, unter der Wasseroberfläche nach gegnerischen U-Booten zu suchen. Wer sich getaucht auf Sehrohrtiefe fahrend dem Geleitzug näherte, musste zwangsläufig ent- deckt werden. Anläufe erforderten viel Mut AUF DER BRÜCKE DER SPENCER : L i nks Capta i n Paul He i neman, Escort Commander der U.S. Navy und verantwortl i ch für den Gele i tzug HX 233, rechts Commander Harold S. Berd i ne, Kommandant der Spencer Foto: National Archives NARA, 1524

Foto: National Archives NARA, 1624-34

(Typ VII C), die den Hinweis auf einen nach Gibraltar fahrenden Geleitzug als Gelegen- heitsbeute enthielt. Technische Probleme mit der Abgasanlage seines Bootes bewogen Bruns jedoch, nicht auf diesem Geleitzug zu operieren. Stattdessen fuhr U 175 Richtung Freetown, Hauptstadt des westafrikanischen Staates Sierra Leone und seit dem 18. Jahr- hundert wichtigster Hafen der Royal Navy Vor der Küste Westafrikas entdeckte U 175 den amerikanischen Frachter Benjamin Smith (7.177 BRT). Die Versenkung des Schif- fes erhöhte die Bilanz auf mittlerweile zehn Schiffe mit 40.619 BRT. Bruns agierte umsich- tig und ließ der 66-köpfigen Besatzung des Schiffes genügend Zeit, um in die Rettungs- boote zu steigen. Die Distanz bis zur Küste war nicht allzu groß, und dem Kapitänleut- nant lag das Leben der Seeleute am Herzen. Ein menschlicher Zug des Kommandan- ten, der damit durchaus Risiken einging: Die Präsenz eines deutschen U-Bootes ließ sich jetzt kaum noch verbergen. Und so ver- breitete sich die Nachricht an der westafrika- nischen Küste wie ein Lauffeuer, dass ein deutsches U-Boot zugeschlagen hatte. Lang- strecken-Seeaufklärer der Royal Air Force stiegen auf und suchten das Seegebiet syste- matisch ab. Schließlich wurde U 175 entdeckt, mit Bomben und Bordwaffen angegriffen und schwer beschädigt. Nach wenigen Wochen musste Bruns die zweite Feindfahrt abbrechen. Als Ablösung schickte der BdU mit U 105 und U 123 zwei Boote des Typs IX B sowie West Africa Squadron. Versenkung Nr. 10

das IX-C-U-Boot U 515. Am 24. Februar 1943 lief U 175 wieder in Lorient ein. Im März konnten die zahlreichen Schäden repariert werden, dann bereitete sich das Boot auf die nächste Feindfahrt vor. Anfang April 1943 hatte U 262 (Typ VII C) in einer Lagemeldung an den BdU den ost- wärts fahrenden Geleitzug HX 233 angezeigt. U 262 konnte den Konvoi aber nicht selbst angreifen, weil das Boot im Rahmen des ge- heimen „Unternehmens Elster“ in Kanada ausgebrochene deutsche Kriegsgefangene an der Mündung des Sankt-Lorenz-Stromes abholen sollte. Am Konvoi HX 233 Der gemeldete Geleitzug HX 233 bestand laut Cruising Order aus zwölf Kolonnen mit ins- gesamt 51 Frachtern aus Belgien, Griechen- land, Großbritannien, Honduras, den Nie- U 262 zeigte Anfang April 1943 in einer Lagemeldung an den BdU den ostwärts fahrenden Geleitzug HX 233 an. U 175 sollte Teil des Rudels werden, das sich an den gut gesicherten Konvoi herantastete.

18

50% Ersparnis

ŮƇūũūŮ-XOL$XJXVW

2 Ausgaben € 9,90

EUR 9,90 A: EUR 10,90 Be, Lux: EUR 11,40 CH: sFr 15,80 I: EUR 13,00

statt € 19,80*

5HNRUG.DSHUIDKUHU J GHU.ULHJVPDULQH

Unser 2für1-Angebot: Sie sparen die Hälfte! Sie erhalten die Hefte bequem nach Hause Sie können den Bezug jederzeit kündigen

Sie erwarten spannende aktuelle Repor- tagen, historische Berichte, Nachrichten, packende Fotos, Gemälde und vieles mehr aus dem Spektrum maritimer Geschichte im zivilen wie im militärischen Bereich – einzigartig, hochwertig und von maritimen Spezialisten!

USS Kitty Hawk  Vietnam bis Irak – die Träger-Legende im Einsatz

Titanic  Neuartige Begegnung mit dem berühmten Luxusliner

9LJRƉƏƈƊ Englands Griff nach den spanischen Schatzschiffen

SC_2025_05_u1_u1.indd 1

23.05.25 15:17

Wie geht es weiter? Wenn Sie zufrieden sind, erhalten Sie Schiff Classic ab dem dritten Heft bis auf Widerruf für € 9,50 pro Heft 8x im Jahr frei Haus (Jahrespreis: € 76,–).

Online bestellen unter www.schiff-classic.de/testen

und Geschwindigkeit, um dem gegnerischen Waffeneinsatz möglichst wenig Gelegenheit zu geben. Die beiden VII-C-U-Boote U 225 und U 628 griffen den britischen Frachter Fort Rampart an, der als Führungsschiff No. 21 in der zweiten Kolonne fuhr. An Bord befanden sich 1.400 Tonnen Metall und 7.300 Tonnen Holz. Das Frachtschiff war erst im Januar 1943 für die U.S. War Shipping Administration (WSA) in Fahrt gekommen, befand sich auf seiner Jungfernfahrt in Lend-Lease-Charter für das britische Ministry of War Transport (MoWT). Von U-Boot-Torpedos getroffen, ging die Fort Rampart am 17. April unter. Arvi- da rettete 49 Überlebende und gab drei Ver- wundete an die Duane ab. Gefahr erkannt Der erste Angriff verdeutlichte der U-Boot- Gruppe „Specht“, dass ein beherzt vorgetra- gener Angriff erfolgversprechend war. Er

Boot von vorn auf den Geleitzug. Im Okular schob sich ein US-Tanker ins Bild, die G. Har- rison Smith . Mit 165,69 Metern Länge und 22,60 Metern Breite, vor allem aber einer Tonnage von über 20.000 Tonnen hätte der Tanker die Versenkungserfolge von Bruns weiter erhöht. Hier konnte er mit einem Torpedo das erreichen, wofür sonst vier oder fünf Torpe- dos oder zahlreiche 10,5-cm-Granaten benö- tigt würden. Zudem bot die tief im Wasser liegende G. Harrison Smith ein so großes Ziel, dass ein Fehlschuss fast unmöglich erschien. Doch Bruns hatte nicht nur den Tanker im Fadenkreuz, sondern nahm auch sich schnell nähernde Schraubengeräusche und die nervenzerrenden „Pings“ des ASDIC wahr. Fuhr ein Geleitfahrzeug direkt auf das U-Boot zu? Der Kommandant blieb ruhig und hielt den Kurs. Die Mündungsklappen waren geöffnet, die Werte eingestellt. Im Bugraum

GELEITZUG MITTLERER GRÖSSE: Von 54 gemeldeten Sch i ffen nahmen 51 am Gele i t- zug HX 233 von New York nach L i verpool te i l Foto: National Archives NARA, 3321 hatte aber auch allen Fahrzeugen in dem Geleit HX 233 offenbart, dass U-Boote in der Tiefe lauerten. Fortan gab es für die U-Boote kein Überraschungsmoment mehr. Kapitän- leutnant Bruns begab sich dennoch ans Angriffssehrohr von U 175 und steuerte sein

ANGRIFF! Nachdem Spencer U 175 ASDIC geortet hatte, startete der Angr i ff m i t Wasserbomben Foto: National Archives NARA, 1515

20

TITELTHEMA

wartete man aufs Äußerste angespannt auf die Feuererlaubnis des Kommandanten. Nur Zweiter im Duell Der Kommandant der als Voraussicherung eingesetzten Spencer , die direkt auf U 175 zufuhr, war ein paar Sekunden schneller als ihr deutscher Gegner. Noch bevor Bruns schießen konnte, wurde U 175 in drei Salven mit 22 Wasserbomben (Wabo) eingedeckt, die auf acht Meter Tiefe eingestellt waren. Sie detonierten bei dem auf Sehrohrtiefe fahren- den U-Boot rund zwei Meter oberhalb der Unterkante des Kiels. Im Gegensatz zum Typ VII war der Typ IX ein Zweihüllenboot ohne Satteltanks. Doch die zweite Hülle schützte nicht: Der Druckkörper von U 175 wurde an Bug und Heck beschädigt, Wasser drang hinein, das Boot sackte weg. Die Tauchtiefe beim Typ IX C betrug 150 Meter („Werftgarantie“), maximal waren es um die 200 Meter. Die

eigentliche Destruktionstauchtiefe lag bei etwas mehr als 250 Metern. U 175 ging völlig unkontrolliert auf Tiefe, es musste unmittelbar gegengesteuert werden. Ein Kommandanten-Befehl blieb aus, Ka- pitänleutnant Bruns lag nach dem Wabo- Angriff bewusstlos neben dem Sehrohr. Auch seine Wachoffiziere schienen ausgefallen, woraufhin der Leitende Ingenieur (LI) Ober- leutnant Nowroth das Kommando über- nahm. Er versuchte, die Talfahrt ins Boden- lose aufzuhalten, ließ die Maschinen voll zurücklaufen. Ohne Ergebnis. Mit jedem Meter, den das U-Boot tiefer sank, ver- schlechterten sich die Überlebenschancen dramatisch. Nowroth entschied sich gerade noch rechtzeitig zum Anblasen. In über 300 Metern Wassertiefe, also bereits weit jenseits der Zer- störungstauchtiefe, brachte er das Boot zum Stehen. Auspendeln ließ es sich nicht mehr, stattdessen ging es nun in steilem Winkel

Noch bevor U 175 schießen konnte, wurde das U-Boot in drei Salven mit 22 Wasserbomben ein- gedeckt, die auf acht Meter Tiefe eingestellt waren. Sie detonierten zwei Meter oberhalb der Kiel-Unterkante.

WASSERBOMBEN-EXPLOSIONEN: U 175 wurde schwer beschäd i gt und sackte 300 Meter unkontroll i ert i n d i e T i efe Foto: National Archives NAID, 513166

21

SCHIFF Classic 6 | 2025

AM FEIND: In der Abs i cht, U 175 zu kapern, l i ef Spencer das U-Boot d i rekt an Foto: National Archives Nara, 1630

zurück Richtung Wasseroberfläche. Wäh- renddessen warf Spencer acht weitere Wasser- bomben. Kurz bevor der Turm aus dem Was- ser schnitt, erwachte der Kommandant aus seiner Ohnmacht und befahl sofort auszu- steigen. Als das Turmluk offen war, sah man sich mit einer aussichtslosen Lage konfron- tiert: Duane und Spencer feuerten aus allen Rohren auf das aufgetauchte U-Boot. Beide Cutter hatten je einen Coast Guard Combat Photographer an Bord. Auf der Duane war es Bob Gates, auf Spencer Warrant Officer Jess „Jack“ W. January. Die Fotografen sollten offiziell für die Propaganda das Leben an Bord im Bild festhalten. Inoffiziell sollten sie die Kaperung eines deutschen U-Bootes dokumentieren, was man in den USA aus propagandistischen Gründen sehnlichst wünschte. Im Zivilberuf war January in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri Fotograf für eine Tageszeitung. Jetzt beobachtete er die Jagd auf U 175 durch den Sucher seiner Kamera. Und drückte wieder und wieder auf den Auslöser, um einzufangen, was sich gerade unmittelbar vor ihm ereignete. U 175 ist verloren Das U-Boot machte kaum mehr Fahrt im Wasser, der Turmumbau wurde durchlöchert.

Durch Notauftauchen kam U 175 an die Wasseroberfläche, dann wurde das Aus- booten der Besatzung zu einem wahren Opfergang: Außer dem Kommandanten fielen zwölf weitere Besat- zungsmitglieder des Bootes im Kugelhagel. An eine weiße Flagge als Zeichen der Kapi- tulation dachte man auf U 175 aber offenbar nicht – ein tödlicher Fehler. Kapitänleutnant Bruns spähte über die Verkleidung des Turm- umbaus und suchte eine Möglichkeit zum gefahrfreien Ausstieg für seine Crew. Aber die gab es nicht! Ein Volltreffer riss ihm ein Bein ab, innerhalb weniger Minuten war er verblutet. Für seine Opferbereitschaft wurde er postum und rückwirkend zum 1. April 1943

zum Korvettenkapitän befördert. Im Hagel der Geschosse blieb der Besatzung nichts anderes übrig, als vom Turmluk zum Winter- garten zu gelangen und über Bord zu sprin- gen. Das ging leichter, wenn man keine Schwimmweste trug. Das Notauftauchen hatte das U-Boot an die Wasseroberfläche gebracht, das Aussteigen wurde zu einem wahren Opfergang. Außer dem Komman- danten fielen zwölf weitere Besatzungsmit- Dabei schossen die beiden Cutter und die sich in der Nähe befindlichen Frachtschiffe im wahrsten Sinne des Wortes über das Ziel hinaus. Denn die ursprüngliche Absicht war es gewesen, das U-Boot sturmreif zu schießen und dann mitsamt seiner Funkschlüssel und Geheim-Unterlagen zu erbeuten. Das Boar- ding Team der Spencer konnte den Versuch einer Kaperung allerdings erst unternehmen, wenn die Waffen wieder schwiegen. Die Ge- schützbedienungen auf den Geleitfahrzeugen dachten jedoch nicht an eine Feuerpause. Im Übereifer trafen sie sogar eigene Kriegsschiffe. An Bord von Spencer fiel RM 3 rd Class Julius Petrella durch Splitter- wirkung, 24 Männer wurden verwundet. Friendly Fire zersiebte die Boston Whaler- glieder im Kugelhagel. Keine Feuerpause

22

TITELTHEMA

DAS ENDE: Nach starkem Beschuss war U 175 n i cht mehr zu halten und g i ng südwestl i ch von Irland unter. Das Enterkommando der Spencer folgt i m Ruderboot m i t Gefangenen des s i nkenden U-Bootes Foto: National Archives, 205574162

GERETTET: Zwe i der 41 Überlebenden von U 175 Foto: National Archives NARA, 1600 GERETTET Z d Üb l b d U

Beiboote, ein Ärgernis für die Boarding Teams. Als auf den Geleitfahrzeugen erkannt wurde, dass von dem U-Boot keine Gefahr mehr ausging, stellte man das Feuer ein. Das Boarding Team der Spencer machte sich bereit zum Entern, das Schiff näherte sich dem U-Boot. Den Fotografen January beeindruckten die im Wasser treibenden, teil- weise panischen, allesamt völlig erschöpften U-Boot-Männer. Sie standen nach dem hef- tigen Beschuss unter Schock, waren teilweise verwundet. Vielen gelang es nicht mehr aus eigener Kraft, an den außenbords hängenden Netzen des Cutters aufzuentern. Zeitgleich setzte das Boarding Team der U.S. Coast Guard auf U 175 über, eilte über das Deck zum Turmumbau und gelangte über Verwundete und Gefallene hinauf zum Turm- luk. Zweifellos stand ein historischer Augen- blick bevor, denn seit dem Britisch-Ameri-

kanischen Krieg 1812 hatte die U.S. Navy keinen Versuch unternommen, ein gegneri- sches Kriegsschiff zu kapern. Aber nach dem viel zu langen Artillerie- beschuss war U 175 unrettbar verloren. Die Schäden am Druckkörper waren zu groß, als dass man das U-Boot ohne den Einsatz von mindestens zwei Geleitzerstörern hätte stabilisieren können. Derartige Ressourcen standen rund 535 Seemeilen vor der Küste Irlands nicht zur Verfügung. So versank U 175 auf der Position 47° 53ʹ 00ʹʹ N, 22° 04ʹ 00ʹʹ W. Statt der Kriegsbeute „Nazi-U-Boat“ brachten Spencer und Duane 41 U-Bootfahrer als Kriegsgefangene ein. An Bord der Cutter wurden die Überlebenden mit trockener Kleidung und ausreichender Nahrung ver- sorgt. Am 20. April 1943 machten beide Schif- fe im schottischen Greenock-Gourock fest, wo sich die Restbesatzung von U 175 in briti- sche Kriegsgefangenschaft begab. Einen Tag später erreichte der Geleitzug Liverpool.

CUTTER DER U.S. NAVY Idealer U-Jäger

Die sieben „327’s Cutter“ der Secretary - bzw. Treasury -Klasse waren die größten Wachschiffe der U.S. Coast Guard, die sich an der Schlacht im Atlantik beteiligten. Spencer (WPG-36) wurde 1935 bei der New York Navy Yard auf Kiel gelegt, lief Anfang 1937 vom Stapel und stand zwei Monate später im Dienst. Der 99,66 Meter lange und 12,49 Meter breite Cutter mit einer Standardverdrängung von 2.750 Tonnen hatte zwei Babcock & Wilcox Express-Kesselanlagen, die 200° C Super- heißdampf für zwei Westinghouse Double- Reduction Getriebeturbinen erzeugten. Der Cutter erreichte 24 Knoten, mit zwölf Knoten betrug der Fahrbereich 8.000 Seemeilen. Dank Echolot und Radar eignete sich Spencer hervorragend für die U-Boot-Jagd. Die Besatzung bestand aus 252 Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften. Zwei 5-Inch/51- und vier 3-Inch/50-Schnellfeuergeschütze sowie zwei 20-mm/80-Maschinenkanonen ließen sich gegen Luft- wie Seeziele einsetzen. Gegen U-Boote führten die Cutter einen Hedgehog-Werfer auf dem Vorschiff, sechs K-Gun-Wabo-Werfer und zwei Wabo-Abrollbahnen mit.

DIE JAGD GEHT WEITER: Der Cost Cuard Cutter Spencer m i t Tarnanstr i ch „Measure 22“ i m Sommer 1943 Foto: National Archives

23

SCHIFF Classic 6 | 2025

NEUE AUSSTELLUNG

FÜNFMAST-VOLLSCHIFF: In der Preussen sp i egelt s i ch d i e Glanzze i t der Segelsch i fffahrt Foto: DSM/Nicole Werner

DEUTSCHES SCHIFFFAHRTSMUSEUM BREMERHAVEN

D i e neu gestaltete Dauerausstellung des Deutschen Sch i fffahrtsmuseums (DSM) i n Bremerhaven i st Programm : Ihr T i tel deutet d i e Wechselw i rkung zw i schen Meer und Mensch an. W i r haben s i e besucht Von Rainer Schubert „Schiffswelten – Der Ozean und wir“

S

Augenschein nehmen können – entspre- chende Tageslichtflut vorausgesetzt. Schiffsschwarm Gleich nach Betreten der Ausstellungshalle defiliert der Besucher in einer Rechtskurve an einer stattlichen Flotte von Miniatur- Schiffsmodellen entlang, von Kennern auch IM EINGANGSBEREICH: An fast 1.500 Sch i ffsmodellen entlang Foto: DSM/Nicole Werner

eit Juli 2024 ist sie im sogenannten Bangert-Bau zu besichtigen, die 1995 bis 2000 errichtete, von Tageslicht durchflutete Halle. Zwei Jahre, einschließlich der Gebäudesanierung, hat die Neuinstal- lation und -inszenierung gedauert, besorgt vom erfahrenen Büro für Szenographie „chezweitz“ aus Berlin, ein Spezialist für die Ausstellungs- und Museumsgestaltung. Zu einer Besonderheit der Ausstellung ist zu zählen, dass sie sich in einem einzigen Raum auf 2.800 Quadratmeter Ausstellungs- fläche erstreckt, die in einzelne Abteilungen gegliedert ist. Verglast ist die Seite zu Stadt und Muse- umshafen, so dass die Besucher Dokumente, Bilder, Schiffsmodelle stets bei Tageslicht in

als Wasserlinien-Modelle bezeichnet. Über 1.500 sollen es laut DSM-Pressemappe sein, die von einem „Schiffsschwarm“ spricht. In dieser Armada aus Seglern, Frachtern, Tan- kern, Fähren, Kreuzfahrtschiffen, grauen Dampfern und Schiffen jeglicher Art verste- cken sich zudem Koggen und Galeeren. Die gezeigten Modelle sind nur ein Aus- schnitt aus einer Kollektion von 9.000 Mini- aturen, die der Sammler Wito Hadré dem DSM überlassen hat. Aber schon diese Menge reicht aus, um den Shiplover lange verweilen zu lassen, bevor er sich den weite- ren Abteilungen der Ausstellung zuwendet. Deren Themenbereiche sind mit „Schiff und Physik“, „Schiffbau“, „Schiff und Aus- rüstung“ sowie „Schiff und Umwelt“ über-

24

IM MITTELPUNKT: Das DSM-Forschungs- sch i ff (Heckans i cht) ze i gt Bremerhaven als Zentrum der Ozeanografie Foto: DSM/Nicole Werner

schrieben. Hinzu kommt – in jeder Bezie- hung des Wortes – im Mittelpunkt der Halle das DSM-Forschungsschiff. Das passt zu Bremerhaven, ist die Stadt doch Sitz des Alfred-Wegener-Instituts (AWI), Helmholtz- Zentrum für Polar- und Meeresforschung, gleich gegenüber vom DSM. Forschung liegt hier benachbart, denn das DSM gehört als Forschungsinstitut für Maritime Geschichte Bekanntestes Forschungsschiff der AWI- Flotte ist die Polarstern . Sie zog zuletzt mit der MOSAIC-Expedition 2019/2020 beson- dere Aufmerksamkeit auf sich. Es war die jüngste mehrerer bahnbrechender deutscher ozeanografischer Forschungsreisen, die im DSM-Forschungsschiff dokumentiert sind: der Grönland (1886), der Valdivia (1898/1899) und der vor 100 Jahren gestarteten ersten „Deutschen Atlantischen Expedition“ der Meteor , die zwei Jahre dauerte. Ihr ist seit 26. Juni eine Sonderausstellung gewidmet. Nicht nur den wissenschaftlichen Fortschritt dokumentiert diese besondere Ausstellungsstation. Auf ihren drei Decks lässt sich auch der Fortschritt von Labor- technik und Lebensverhältnissen an Bord zur Leibniz-Gemeinschaft. DSM-Forschungsschiff

nachvollziehen, die heute den Komfort von Solarium, Fitnesscenter und Schwimmbad bieten, während man früher Walzähne schnitzte. Deutlich wird dies dem Besucher etwa durch das Tagebuch des Meteor -Expe- ditionsleiters Fritz Spieß, wie auch durch einen Polarstern-Forschungscontainer. N i cht nur etwas für d i e W i ssenschaft : Warum e i n Sch i ff schw i mmt und Länge läuft, w i rd ebenso erklärt w i e der Wasser- druck, dem Sch i ffe und Lebewesen standhalten. Die physikalischen Prinzipien, die Schiff- fahrt erst ermöglichen und sie beeinflussen, präsentiert der Bereich „Schiff und Physik“, der nicht nur das Wissen jugendlicher Besu- cher bereichert. Warum ein tausende Ton- nen schweres Schiff schwimmt und Länge läuft gehören dazu – hier wird dies ebenso erklärt wie der Wasserdruck, dem Schiffe wie Lebewesen standhalten. Eine Polarstern-

MEERESPRODUKTE: F i schkonserven und Pottwal-Skelett s i nd Zeugen von Bremerhavens großer Vergangenhe i t i m F i sch- und Walfang Fotos: DSM/Nicole Werner

25

SCHIFF Classic 6 | 2025

Page 1 Page 2 Page 3 Page 4 Page 5 Page 6 Page 7 Page 8 Page 9 Page 10 Page 11 Page 12 Page 13 Page 14 Page 15 Page 16 Page 17 Page 18 Page 19 Page 20 Page 21 Page 22 Page 23 Page 24 Page 25 Page 26 Page 27 Page 28 Page 29 Page 30 Page 31 Page 32 Page 33 Page 34 Page 35 Page 36 Page 37 Page 38 Page 39 Page 40 Page 41 Page 42 Page 43 Page 44 Page 45 Page 46 Page 47 Page 48 Page 49 Page 50 Page 51 Page 52 Page 53 Page 54 Page 55 Page 56 Page 57 Page 58 Page 59 Page 60 Page 61 Page 62 Page 63 Page 64 Page 65 Page 66 Page 67 Page 68 Page 69 Page 70 Page 71 Page 72 Page 73 Page 74 Page 75 Page 76 Page 77 Page 78 Page 79 Page 80 Page 81 Page 82 Page 83 Page 84-85 Page 86 Page 87

Made with FlippingBook flipbook maker