Schiff Classic

Magazin für Schifffahrts- und Marinegeschichte

5/2022 Juli

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EUR9,50 A: EUR 10,50

BELUX:EUR10,90 FIN:EUR13,30

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4 198450 009509

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Tragödie in der Ostsee Niobe : Warum das Schul- schiff der Reichsmarine 1932 unterging

Ende einer Ära

Das letzte Schlachtschiff der Welt

Volksmarine: So gut waren ihre Räumschiffe wirklich

Armada 1588: Wie Spanien als führende Seemacht unterging

Admiral Spruance: Der geniale Kopf hinter dem US-Sieg im Pazifik

Kampfkoloss der Kriegsmarine

EXTRA

NR. 2, SONDERHEFT 2022

Teil 1: 1936–41

EUR 12,90

A: EUR 14,30, CH: SFR 20,70, BELUX: EUR 14,90

Rekonstruiert: Technik im Detail!

Europas größtes Schlachtschiff

Schiff Classic Extra be- leuchtet in seiner aktuel- len Ausgabe die »Tirpitz«, Europas größtes Schlacht- schiff. Teil 1: Konzeption, Bau und erster Einsatz.

Geburt in Wilhelmshaven: So entstand das Technikwunder

Kapitän Topp: Mit der Tirpitz auf Kriegskurs

Im Einsatz: Warum das Schlacht- schiff 1941 in der Ostsee verblieb

Oder online bestellen unter www.schiff-classic.de Od li b t

EDITORIAL

hochfliegenden merkantilistischen Pläne be- graben musste. Zwar setzte der Nachfolger des Großen Kurfürsten, Friedrich III., der spätere König Friedrich I. in Preußen, die Kolonialpo- litik fort, aber nicht mehr mit dem Elan seines Vaters. König Friedrich Wilhelm I., der Solda- tenkönig, hatte schließlich ganz andere Ziele und verkaufte die afrikanischen Besitzungen, so dass das maritime brandenburg-preußische Engagement einschlief. Fatal in damaliger Sicht- weise war, dass damit das Ausscheiden Preu- ßens aus der Reihe der Kolonialmächte besie- gelt war, noch ehe das Engagement richtig Fahrt aufgenommen hatte. Aber etwas überlebte, das sich fest im kol- lektiven maritimen Gedächtnis verankerte: Nur mit einer starken Flotte lässt sich erfolg- reich und zukunftsgewandt Welthandel trei- ben. Wer keine Marine besitzt, ist dauerhaft auf ein karges Landleben zurückgeworfen und läuft dann Gefahr, von anderen Mächten zer- rieben zu werden. Eine spannende Lektüre und immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel wünscht

der Anfang einer ersten deutschen Marine fällt offiziell auf den 14. Juni 1848, als das Frankfur- ter Parlament beschloss, die ebenfalls in Frank- furt ansässige Bundesversammlung zu veranlas- sen, sechs Millionen Taler für den Aufbau einer Flotte zur Verfügung zu stellen. Damit ist der Beginn symbolträchtig auf ei- nen bestimmten Tag fixiert, wohl wissend, dass die historischen Vorläufer der Marine ihr erst den Weg geebnet haben. Unter diesen Vorläu- fern, zu denen auch die Germanen und die Hanse zählen, sticht vor allem die Kurbranden- burgische Marine heraus, die im Wettbewerb mit anderen europäischen Staaten am Dreiecks- handel zwischen Europa, Afrika und Asien vorübergehend einen lebhaften Anteil hatte. Nur mit einer Flotte kann man erfolgreich und zukunftsgewandtWelt- handel treiben.Wer keine Marine unterhält, läuft Gefahr, von anderen Mächten zerrieben zu werden. Das gilt gestern ebenso wie heute. Getreu seiner Devise „Seefahrt und Handlung sind die fürnehmsten Säulen eines Estats“ woll- te Kurfürst Friedrich Wilhelm (1640–1688), der Große Kurfürst, sein durch den Dreißigjäh- rigen Krieg verheertes und bettelarmes Bran- denburg wirtschaftlich gesunden und stärken. Und die Anfänge ließen sich gut an: Aufbau einer Flotte zunächst mietweise, dann aus eige- nen Mitteln, Expeditionen zur Erkundung der afrikanischen Westküste und schließlich der Gewinn von Kolonialbesitz wiesen in die rich- tige Richtung. Als unter dem Kanonendonner der Fregatten Churprinz und Morian am 1. Januar 1683 der brandenburgische rote Adler über der Feste Großfriedrichsburg an der Gold- küste am Kap der Drei Spitzen (heute Ghana) wehte, schien die Mission geglückt. Die dorti- gen Handelsplätze erfuhren Erweiterung, riefen aber Neider auf den Plan, die den schwungvol- len Verkehr schädigten: Niederländer, Englän- der, Franzosen und Piraten unterschiedlichster Herkunft machten der Brandenburger Seehand- lung das Leben schwer, die schließlich ihre

Dr. Guntram Schulze-Wegener , Fregattenkapitän der Reserve, Herausgeber und Verantwortlicher Redakteur

Ankunft der Fregatten Churprinz von Brandenburg und Morian unter dem Kommando von Major Otto Friedrich von der Groeben (Porträt) an der Goldküste am 27. Dezember 1682 Foto: Interfoto/Sammlung Rauch

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Ende einer Ära Ohne einen einzigen Schuss auf ein gegnerisches Schiff abgegeben zu haben, ging das letzte Schlachtschiff der Royal Navy 1960 in den Ruhestand. Damit endete eine Epoche SCHLACHTSCHIFF HMS VANGUARD 12

U-Boot-Krieg 1916/17 Die Versenkung der Sussex durch UB 29 lief auf eine Katastrophe hinaus 24

Armada-Schlacht 1588 In einer der spektakulärsten Seeschlachten der Weltgeschichte siegte die englische Flotte über die große spanische Armada 42

Minensucher in der Ostsee Mit leistungsfähigen Minenräumschiffen stützte die DDR Seehandel und Fischerei 72

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INHALT

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Untergang vor Fehmarn Vor 90 Jahren sank das Segelschulschiff Niobe undriss fast eine ganze Crew junger Offizieranwärter in den Tod

Amerikas stiller Admiral Den Triumph im Pazifikkrieg hat die U.S. Navy auch Raymond A. Spruance zu verdanken. Wer war dieser außergewöhnliche Stratege?

PERSÖNLICHKEITEN Admiral Spruance Kein Mann der großen Worte TECHNIK&GERÄT Im Wind der Ozeane Geschichte des Segels EREIGNISSE & PERSONEN Unter zehn Flaggen Hilfskreuzer Atlantis imEinsatz PHÄNOMENE&KURIOSITÄTEN Farbe im U-Boot-Bunker Digitale Kunst in Bordeaux FASZINATION SCHIFF Arbeitsbienen der Ostsee Minenräumboote der Volksmarine HISTORISCHE SEEKARTEN Reise nach Ostindien Aus einem Tagebuch von 1749 RUBRIKEN Service Rätsel Vorschau / Impressum

DAS BESONDERE BILD Kein friedlicher Segler

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MARITIMESPANORAMA Wissenswertes rund um die Seefahrt TITEL HMS Vanguard – die Letzte ihrer Art Modernste Technik, atemberaubendes Design – und Ende des Schlachtschiff-Zeitalters STRATEGIE & TAKTIK Feind in Sicht! Weg in den „uneingeschränkten“ U-Boot-Krieg SEEMANNSCHAFT&BORDLEBEN Tragödie im Grönland-Eis Auf der Suche nach der Hans Hedtoft KATASTROPHEN ZUR SEE Sieger blieb das Meer Untergang des Segelschulschiffes Niobe 1932

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SEESCHLACHTEN&GEFECHTE „Gott blies und verstreute sie“ Die Jahrtausendschlacht 1588

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Titelbild: Die HMS Vanguard (23) liegt in einem Hafen vor Anker Titelfotos : U.S. Navy (2), picture-alliance/ WZ-Bilddienst (2), Peter Seemann, Archiv Schiff Classic , Interfoto/Topfoto

Weiße Pracht Was mit dem Rahsegel begann, ent- wickelte sich zu einer enormen Vielfalt 54

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DAS BESONDERE BILD

Mogelpackung

Minenräumboot bei der Arbeit

Ein friedlicher griechischer Segler bei ruhiger See ir- gendwo im Mittelmeer? Mittelmeer ist richtig, fried- licher Segler stimmt dagegen nicht ganz. Es handelt sich vielmehr um ein im Jahr 1943 unter griechischer Flagge fahrendes Minenräumboot mit dem unver- dächtigen Aussehen eines alten Segelschiffes. Die grie- chische Marine verfügte im Zweiten Weltkrieg über zahlreiche Fahrzeuge dieser Art, die die Aufgabe des Minenräumens im Mittelmeer sehr effizient erfüllten. Dafür waren alle notwendigen Einrichtungen vorhan- den und die Mannschaften an Bord entsprechend aus- gebildete Seesoldaten. AK

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Das Äußere sollte potenzielle Angreifer wie U-Boote und Flugzeuge täuschen, was häufig gelang, denn erst beim näheren Hinsehen sind die achteren Minen- räumvorrichtungen zu erkennen Foto: Interfoto/Topfoto

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MARITIMES PANORAMA

„Ein besseres Schiff hätte ich mir für diese Aufgabe nicht wünschen können“ ZITAT Der britische Entdecker James Cook über HMS Endeavour , mit der er seine erste Südseereise unternahm (1768–1771)

AKTUELL

nicht mehr benutzbar war. Der neuen Brücke waren nur wenige Monate beschie- den. Bei dem erfolglosen Versuch, den Vor- marsch der Amerikaner in Thüringen zu stoppen, wurde sie von Angehörigen der Wehrmacht am 12. April 1945 gesprengt. Nach dem Zweiten Weltkrieg ersetzte eine Fähre „fürs Erste“ die zerstörte Brücke. Dieser Zustand dauert allerdings bis heute an. Seit 1995 wird die 400 Meter lange Fähr- strecke von der im August jenes Jahres bei der Schiffwerft Hermann Barthel in Derben mit der Baunummer 22 vom Stapel gelau- fenen Mühlenfähre bedient. Mit ihren 15 Me- tern Rumpflänge (ca. 22 Meter Lüa), vier Me- Noch fährt sie Die Mühlenfähre auf der Saale

ie ist die einzige Autofähre Thüringens und gleichzeitig die einzige Autofähre, die in Deutschland auf einem Stausee verkehrt: die Mühlenfähre zwischen Linken- mühle im Saale-Orla-Kreis und Altenroth im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. An dieser Stelle befand sich seit alters her eine Furt durch die Saale. Forderungen nach dem Bau einer Brücke, die ab dem 14. Jahr- hundert bekannt sind, konnte man erst im Jahr 1890 nachkommen. Das Bauwerk aus dem Kaiserreich musste aber schon 1944 einem Neubau in 33 Meter Höhe über der Talsohle weichen, da es durch die 1937 be- gonnene Anlage der Hohewarte-Talsperre S

tern Breite und 0,80 Metern Tiefgang kann sie bis zu drei Pkw und 20 Passagiere mit einem Gesamtgewicht von bis zu 3,5 Tonnen transportieren. Ihre beiden 45-kW-Deutz- Maschinen verleihen ihr dabei eine Ge- schwindigkeit von bis zu 12 km/h. Die Tage der kleinen Fähre, die jährlich von Mitte April bis Ende Oktober (genaue Zeiten: www.kombus-online.eu/angebote/ Faehre/Faehre_Zeiten) verkehrt, sind mög- licherweise gezählt. 2023 soll mit dem Ersatz- bau für die 1945 gesprengte Brücke begon- nen werden. Ob die Mühlenfähre dessen Inbetriebnahme allerdings lange überdauert, wird sich zeigen. Ulrike Ollesch

An den Wochenenden dient die Mühlenfähre überwiegend dem Freizeitverkehr Foto: Ulrike Ollesch

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USS CONSTITUTION: Im Kampf gegen die britische HMSJava am 29. Dezember 1812 Foto: picture-alliance/akg

Spricht man heutzutage von SOS, denken wohl die meisten Zuhörer gleich an Schiffbruch und allgemeinen Notruf. Das ist auch gut so, hilft es doch, in Notlagen schnelle Hilfe zu organisieren. Das SOS, bestehend aus einem Punkt-Strich-Code, ist aber erst seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts eingeführt und nur zögerlich in Gebrauch gekommen, nicht zuletzt unterstützt durch die Situation nach dem Untergang der Titanic 1912. Davor hatten selbst zivile Schiffe traditionell oft eine Böllerkanone an Bord, um zu signalisieren oder auf sich aufmerksam machen zu können. Ein funktionierendes internationales Signalwesen gab es bestenfalls Mitte des 19. Jahrhunderts. Hatte man eine Notlage an Bord und musste um Hilfe rufen, standen den Seeleuten eines Schiffes nur wenige Hilfsmittel zur Verfügung. In der Regel war es so, dass man möglichst weit voneinander Abstand hielt, wenn man sich auf See begegnete. Nicht zuletzt um Kollisionen zu vermeiden, aber auch zur Sicherheit, da man in unruhigen Zeiten nie wusste, mit wem man es zu tun haben würde. Also setzte man bei Insichtkommen seine Flagge und blieb auf Kurs. Ergab sich ein Problem, Kommunikationsbedarf oder eine echte Notlage, wurde die Nationalflagge falsch herum, auf dem Kopf stehend, gesetzt. Das galt auch damals schon als allgemeines Notsignal für alle, die es sehen konnten. Olaf Rahardt DAS STICHWORT Seenotzeichen Warum die Nationalflagge falsch herum gesetzt wurde

1812 errang die Constitution als erstes amerikanisches Kriegs- schiff einen Seesieg über ein britisches, die Fregatte HMS Java . Um 600 v. Chr. entwickelten die Korinther die Galeeren mit drei übereinanderliegenden Riemenreihen. Die in Batavia , dem heutigen Jakarta, auf der Insel Java ansässigen Niederländer erkundeten als erste Europäer 1616 den australischen Kontinent. „Köro“ war die Bezeichnung eines Torpedobootstyps der Kaiserlichen Marine, der von Körting-Motoren angetrieben wurde. Bis 1918 wurde nur ein Boot bis zur Fahrreife gebaut. Der Börsenkrach 1929 führte mit dem Zusammenbruch der US-Börse auch zum Ruin vieler internationaler Werften.

Der römische Naturforscher Plinius der Ältere (24–79) meinte Stürme aus der Mondphase vorhersagen zu können: Danach bedeutete ein „neuer Mond mit aufrecht stehenden Hörnern am vierten Tag seines Erscheinens böse Seestürme. Und wenn über den Mond, in welchem Viertel er auch stehe, Wolken ziehen, dann kommt der Wind binnen Kurzem von derselben Ecke wie diese Wolken.“

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1898 liefen in der Schichau-Werft in Elbing vier Zerstörer vom Stapel, die als Hai-Lung -Klasse für China bestimmt waren und in Tientsin (heute: Tianjin) stationiert wurden. Bei der Eroberung der Taku-Forts im Rahmen des Boxer-Aufstandes im Jahr 1900 fielen alle vier Schiffe den britischen Zerstörern HMS Fame und HMS Whiting kampflos in die Hände. Die Briten übereigneten drei der erbeuteten Zerstörer den eben- falls an den Kämpfen um die Taku-Forts beteiligten alliierten Staaten, die sich darauf verständigten, allen Schiffen den gleichen Namen zu geben: Taku bzw. französisch Takou .Die HaiHola ging an Russland, die HaiNju an Frankreich, die HaiLung behielten die Briten, und die Hai Jing übernahm die Kaiserliche Marine, die den Zerstörer als Torpedoboot am 14. Juli 1902 für das Ostasiatische Kreuzergeschwader in Dienst stellte. Mit 59 Meter Länge, 6,4 Meter Breite und einem Tiefgang von knapp drei Metern erreichte das Zwei-Schrauben-Boot mit 6.000 PS eine Höchstge- schwindigkeit von mehr als 32 Knoten. Das Boot verfügte über zwei Fünf-Zentimeter-Schnellladekanonen und zwei 45-Zentimeter-Torpedo- rohre.Die Taku , in Tsingtau stationiert, patrouillierte in den Gewässern des deutschen Schutzgebietes Kiautschou, an den chinesischen Küsten und war auch auf chinesischen Flüssen unterwegs. Durch einen Navigationsfehler lief das Boot am 22. Oktober 1913 in der Kiautschou-Bucht auf ein Riff und konnte nicht mehr instand gesetzt werden. Um das Boot nicht in japanische Hände fallen zu lassen, wurde es am 28. September 1914 im Hafen von Tsingtau versenkt. Jörg Hillmann Beuteboot und schnellstes Torpedoboot der Kaiserlichen Marine SMSTaku DEUTSCHE SCHIFFE

Torpedoboot Taku , ehemals der chinesische Zerstörer Hai Jing , war sehr flach und eignete sich daher besonders gut für den Einsatz auf Flüssen Foto: picture-alliance/WZ-Bilddienst

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MARITIMES PANORAMA

Denunziert und verhaftet Die Folgen des Hitler-Attentats vom 20. Juli 1944 MARINE UND GEDENKEN

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Offizieranwärter „ständig in Be- wegung“ zu halten und ihn so dem Zugriff der Gestapo zu entziehen. Ein Zwischenstopp in Hamburg in der elterlichen Wohnung wur- de ihm zum Verhängnis, da eine Nachbarin ihn denunzierte. Eine Polizeistreife verhaftete Linde- mann am 25. August 1944. Der „Volksgerichtshof “ verurteilte ihn am 14. November 1944 wegen Nichtanzeige eines Hoch- und Landesverrats und wegen Mitwis- serschaft zu fünf Jahren Zuchthaus und weiteren fünf Jahren Ehrver- lust. Er überlebte den Krieg. Sein Bruder Friedrich, Leutnant im Artillerieregiment der 132. Infan- terie-Division, wurde nach dem 20. Juli denunziert und 1945 zu sieben Jahren Zuchthaus und Ehr- verlust verurteilt. Jörg Hillmann

eben den Beteiligten und unmittelbaren Mitwissern an dem Umsturzversuch am

20. Juli 1944 gerieten deren Familien ebenfalls ins Visier der Sicherheits- behörden. Die Anordnung von Sip- penhaft betraf auch die Familie des Generals der Artillerie Fritz Linde- mann. Seine Frau und die jüngste Tochter wurden in Haft genommen. Sein Sohn Georg-Wilhelm diente als Oberfähnrich zur See in der Marine (Crew 6/42). Admiral Hans- Georg von Friedeburg, Komman- dierender Admiral der U-Boote und Onkel von Georg, versetzte ihn in Absprache mit dem Inspekteur des Bildungswesens, Konteradmiral Bernhard Rogge, zu den Kleinkampf- verbänden in Timmendorf. Dort angekommen, setzte man ihn nach Italien in Marsch, um den jungen

Georg-Wilhelm Lindemann vor dem „Volksgerichtshof“; vorn rechts dessen Vorsitzender Richter Roland Freisler Foto: bpk/Bayerische Staatsbibliothek/Archiv Heinrich Hoffmann

Bezeichnung für den Versuchs-Seenotkreuzer Bremen gebraucht, als solcher umgebaut aus dem MRBBremen (III) und 1955 in Dienst gestellt. Der Begriff „Seenotkreuzer“ wurde erstmals als Standardausdruck in Verbindung mit dem Neubau des ersten Seenotkreuzers Hermann Apelt 1956 Allgemeinbezeichnung für diesen Typ Fahrzeug im Seenot-Rettungswesen. Aber dennoch: Nichts für ungut! Peter Brand, Fregattenkapitän a. D., Neustadt in Holstein Schiff Classic 4-2022, Midway Vielen Dank für den ausgezeichneten Artikel über die nicht unkomplizierte See-Luftschlacht bei Midway! Ich erlaube mir einen weiter- führenden Literaturhinweis in einem älteren Werk von Professor Jürgen Rohwer zum Thema, das aber noch sehr aktuell ist: „Entscheidungs- schlachten des zweiten Weltkrieges“, hrsg. v. Hans-Adolf Jacobsen und Jürgen Rohwer, Frankfurt a. M., 1960, S. 189–227. Dr. Michael Senhenn, Hannover

versehen war der Bericht über den Einsatz des Vorpostenbootes Polarfront nach den Erinne- rungen von Rudolf Ressel, zumal der Einsatz der Kleinkampfmittel der Marine viel zu selten gewürdigt wird. Ich hätte mir allerdings einen kurzen Hinweis gewünscht, dass Rudolf Ressel ein begabter Marine- und Landschaftsmaler war. Geprägt war sein Schaffen durch die Freund- schaft mit den bekannten Marinemalern Walter Zeeden und Adolf Bock, die ihm Anregungen gaben und ihn inspirierten. Neben kleineren Ausstellungen war Rudolf Ressel auch mehrfach persönlich und mit Bil- dern zu Gast auf der art maritim in Hamburg. Der Verfasser des Artikels über die Polarfront , Herr Rüdiger von Ancken, hat seinerzeit einen Nachruf auf Rudolf Ressel geschrieben, ver- öffentlicht im Deutschen Schiffahrtsarchiv 34/2011 (Seiten 461 ff.). Abgebildet sind dort auch einige sehr schöne Beispiele des Schaf- fens von Rudolf Ressel. Schiff Classic 4-2022, Im Griff des Mahlsands Herzlichen Dank für die Ausgabe 4-2022, die ich wieder mit Interesse gelesen habe. Jedoch ist Ihnen auf Seite 34 bei der Bildunterschrift ein kleines Malheur passiert. Das Seenotfahrzeug Hindenburg wurde in der Terminologie der DGzRS als Seenotrettungsboot (SRB) bezeich- net, ebenso wie die im Artikel genannte Juist . Der Begriff „Seenotkreuzer“ wurde erstmals als

BRIEFE AN DIE REDAKTION

Schiff Classic 3-2022, Panzerschiff Deutschland In Ihrem Artikel über das Panzerschiff Deutsch- land , den ich sehr gelungen finde, ist mir eine kleine Sache aufgefallen. Auf Seite 26 ist der mit Tarnanstrich versehene Schwere Kreuzer Lützow abgebildet. Die Bildunterschrift zeigt an, dass sichdie Lützow im Lofjord bei Drontheim im Sommer 1942 aufhielt. Nach zwei anderen Quellen zeigt das Foto die Lützow im Langfjord im März 1943 (Archiv Gröner, War history from World War II, „Langfjorden“ v. 17. März 2016, Hinweis in: www.travel-finnmark.no). Hans Jürgen Zeidler, Werder

Bernd Neumann, Kirchlinteln

Schreiben Sie an: redaktion@schiff-classic.de oder: Schiff Classic, Postfach 400209, 80702 München

Schiff Classic 4-2022, Vorpostenboot Polarfront

Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines möglichst umfassenden Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen.

Schiff Classic 4-2022 beinhaltet einmal mehr quer durch die Last eine geballte Ladung interessanter Artikel. Aufschlussreich und mit seltenen Fotos

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TITELTHEMA

DAS LETZTE SCHLACHTSCHIFF DER WELT

Als die Royal Navy die Vanguard in Dienst stellte, war das Zeitalter der Schlachtschiffe unwiderruflich vorbei. Dennoch zählt der britische Riese bezüglich Design und Panzerschutz zum Besten, was je auf Schlachtschiffen verbaut wurde Von Fregattenkapitän Dr. Christian Jentzsch

SCHLUSSPUNKT EINER ÄRA: HMS Vanguard lief am 30. November 1944 vom Stapel, kam aber im Krieg nicht mehr zum Einsatz Foto: picture-alliance/WZ-Bilddienst

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sechs Schlachtschiffe der Lion -Klasse folgen, von denen zu Kriegsbeginn 1939 schon die Kiele für Lion und Temeraire gestreckt wor- den waren. Von Anfang an blieben die Ent- würfe ein Kompromiss. Einerseits sollten die Schiffe genügend Kampfkraft gegen die Japaner besitzen, und andererseits sollten sie den Bestimmungen der Flottenverträge entsprechen. Bei einer Standardverdrängung von 40.000 Tonnen konnten sie neun 40,6-cm-Geschütze in drei Drillings- türmen tragen. Allein die Kon- struktion ihrer neuen 40,6-cm-Ge- schütztürme dauerte mindestens bis

1943. Spätestens mit dem deutschen Angriff auf Polen wusste die Admiralität, dass sie früher neue Schiffe benötigte. Doch die Royal Navy besaß noch vier 38,1-cm-Geschütztürme der ehemaligen Schlachtkreuzer Courageous und Glorious , die 1928/30 zu Flugzeugträgern umgebaut worden waren. Mit acht Geschützen und den Zwillingstürmen ließ sich in kürzerer Zeit ein einzelnes Schlachtschiff bauen. Diese Idee formulierte man erstmals am 3. März 1939 unter dem Eindruck eines zeit- gleichen Krieges im Pazifik und in Europa. Eine Woche später antwortete der Direc- tor of Naval Construction Stanley Goodall,

nde der 1930er-Jahre trat die See- macht Großbritannien der He- rausforderung im Pazifik durch die Kaiserlich Japanische Marine entgegen. Zeitgleich forcierte die

italienische Marine eine Flottenrüstung in dem für Großbritannien so wichtigen Mittel- meer – der Lebensader des Empire. Außer- dem rüstete auf der anderen Seite der Nord- see auch die Kriegsmarine mit ihrem „Z-Plan“ gegen die Royal Navy. Die jüngsten Schlachtschiffe im Bau waren die fünf der King George V. - Klasse, die zwischen 1940 und 1942 in Dienst gestellt wurden. Ihnen sollten

KURZE FAKTEN

ZEIT 1944–1960 BAUGRUND Zweiter Weltkrieg HAUPTAUFGABE Repräsentative Rolle,

daerst1946inDienstgestellt

EINSATZGEBIET Atlantik, Mittelmeer BESONDERHEITEN Vanguard gab keinen einzigen Schuss aufeinfeindlichesKriegsschiffab

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VORGÄNGER Vanguards in der Royal Navy

VORGÄNGERIN: Das Dreadnought- Schlachtschiff der St.-Vincent -Klasse mit Namen Vanguard sank 1917 nach einer Explosion der Munitionskammer Foto: Interfoto/Mary Evans/Pharcide dass ein solches Schiff in Anlehnung an den Lion -Entwurf mit vier 38-cm-Doppel- türmen, Panzerschutz und Geschwindigkeit der King George V. -Klasse etwa 37.000 Ton- nen verdrängen und sieben Millionen Pfund kosten würde. Das sicherlich wichtigste Ar- gument war die prognostizierte Bauzeit von nur etwa dreieinhalb Jahren. Erste Studien Schon am 17. Juli 1939 waren drei Design- studien fertiggestellt worden – 15A, B und C, wobei die Zahl für das Kaliber 15 Zoll (38,1 cm) stand –, die dann auf Ver- drängungen zwischen 37.000 und 40.000 Tonnen kamen. Diese wurden am 27. Februar 1940 noch durch einen modifizierten 15A-Entwurf ergänzt, der bis zu sechs Zentimeter mehr Pan- zerung im Bereich der Zitadelle vorsah und dann als 15D firmierte. Am 14. März 1940 genehmigte das Kriegskabinett den Bau im Rahmen des Kriegnotprogramms. Das Design 15D akzeptierte die Admiralität am 20. Mai 1940. Aber bereits im Juni pausierten die Planungen bis Oktober des Jahres. Während der Weiterpla- nung flossen erste Kriegserfahrungen in die Konstruktion ein. Die Flug- abwehrbewaffnung wurde verstärkt und die Kapazitäten für Bordflugzeuge entfernt. Dieser wurde am 17. April 1941 der endgültige Entwurf 15E. Am 2. Oktober 1941 schließlich streckte die John Brown & Company im schot-

„Vanguard“ heißt auf Deutsch Vorhut oder Vorreiter. Was für ein treffender Name für ein Schiff, das Flottenflaggschiff war. Seit dem 16. Jahrhundert gab es Kriegs- schiffe in der Royal Navy mit diesem Na- men. Nach dem letzten Schlachtschiff trägt seit 1993 ein britisches Atom-U-Boot diesen Namen, der auch die Klasse beschreibt. Das hier vorgestellte Schlachtschiff Vanguard war das zehnte Schiff und sicher- lich einer der glücklicheren Namensträger. Ihr Vorgänger-Dreadnought aus der St. Vincent-Klasse sank am 9. Juli 1917 in Scapa Flow infolge einer Magazinexplosion. Auch sein Vorgänger aus der Audacious - Klasse sank nicht im Gefecht, sondern am 1. September 1875 nach einer Kollision. Selbst wenn es einige katastrophale Zwischenfälle gab, wurde bisher keines dieser Schiffe im Krieg versenkt – es blieb ein glückhafter Name.

tischen Clydebank, die über den Namen erst einen Monat darauf Kenntnis hatte, den Kiel der zukünftigen Vanguard . Nach der japanischen Invasion auf der Malaiischen Halbinsel im Dezember 1941 und der Kapitulation von Singapur erhielt das Schlachtschiff die höchste Baupriorität. Doch gleichzeitig forderte die Atlantik- schlacht mit Unterseebooten auch den Bau von U-Boot-Jägern, sodass die Royal Navy priorisieren musste. Darüber hinaus zwang der Untergang der Prince of Wales als Folge japanischer Luftangriffe am 10. Dezember 1941 zur Analyse dieser Katastrophe. Rumpf länger und breiter Die Ergebnisse lagen im September 1942 vor und flossen in den Bau ein. Die Rumpf- konstruktion orientierte sich an der King George V .-Klasse und der Lion - Klasse. Zur Vergrößerung des Ent- wurfs für die King George V. umetwa 7.500 Tonnen wurde der Rumpf um etwa 23 Meter verlängert und fast zwei Meter verbreitert. Die größere Länge war notwendig, um den zusätzlichen vierten Geschützturm aufnehmen zu können. Von der Konstruktion der nie verwirklichten Lion -Klasse übernahm man das Spiegelheck. BOARDOFHONOUR: Einsatzorte britischer Vanguards auf einen Blick Foto: Interfoto/Topfoto Diese abgeschnittene Heckform bot den Vorteil einer höheren Effizienz der Energienutzung, weil die schneller laufende Heckwelle gegen den Spiegel drückte und zusätzlichen Vorschub verlieh. Außerdem verbesserte sie die Steuereigenschaften des Schiffes und

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TITELTHEMA

und Unteroffiziere. Die Sanitärbe- reiche verfügten über viel rostfreien Stahl, und die Möblierung war mo- dern und praktisch. Wasserküh- lung, eine Eismaschine, elektrische Waschmaschinen und moderne Trockner boten zusammen mit mehreren Friseuren für britische Kriegsschiffe so etwas wie Luxus. In wichtigen Bereichen gab es eine Klimaanlage, damit das Schiff auch in tropischen und arktischen Regionen operieren konnte. Das er- leichterte der Besatzung von bis zu 2.010 Dienstposten als Flotten- flaggschiff sicherlich den Dienst. Ansonsten wuchs die Standard- besatzung von 1.818 im Jahr 1946 auf 1.935 im Jahr 1951 an. Modernste Technik

sparte Gewicht. Vanguard war das erste britische Schlachtschiff mit Spiegelheck. Die Konstruktion setz- te sich durch und war wegweisend: Heute besitzen fast alle Kriegsschif- fe ein Spiegelheck. Der Rumpf selbst folgte ansons- ten den Linien seiner Vorgänger- klasse und wies ein durchgehendes Hauptdeck mit steil ansteigendem Bug auf. Im mittleren Teil des Schiffs waren die Seitenwände fast senkrecht ohne Auswölbungen. Es entstand ein schnörkelloses, funk- tionelles Schiffsdesign mit klaren Linien, das darüber hinaus sehr gute Seeeigenschaften aufwies. Um die Geschütztürme und das Ober- deck bei schwerem Wetter trocken zu halten, waren vor dem Turm A zwei Wellenbrecher auf dem Deck

FÜR DIE GESCHICHTSBÜCHER: Obwohl die Hauptartillerie aus den Jahren des Ersten Weltkriegs stammte, hielt sie einem Vergleich mit modernen Waffen stand Foto: picture-alliance/empics/PA

eingebaut. Die Brücke ähnelte stark der King George V. , und weiter achtern dominierten zwei Schornsteine zwischen zwei Masten die Silhouette. Trotz der Funktionalität als Kriegsschiff besaß die Vanguard eine sehr moderne In-

nenausstattung. Die Unterkünfte galten als sehr gut, und es gab ganze fünf Schiffskan- tinen, eine Kapelle und – zum ersten Mal auf einem britischen Schiff – einen Kinosaal. Au- ßerdem existierten auch Messen für die Mannschaften und nicht nur für Offiziere

Das Operationszentrum bestand aus einem Radarraum, einem Luftlageraum und der ei- gentlichen Operationszentrale. Das Schiff verfügte über mehrere Zielsuchradare für See- und Luftziele sowie Feuerleitradare. Damit konnte ein umfassendes Lagebild er-

ERST SCHLACHTKREUZER, DANN FLUGZEUGTRÄGER: Vonder Courageous (Foto) und der Glorious erhielt die Vanguard ihre vier 38,1-cm-Doppeltürme Foto: picture-alliance/Mary Evans

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TITELTHEMA

boden das Schiff gegen Minentreffer. Die Raumaufteilung und Position der wasser- dichten Schotten berücksichtigte die Erfah- rungder Prince of Wales und vermied deren Defizite. Schwachstellen in den Schweiß- nähten oder Nietlöchern wurden minimiert, damit schwere Torpedo- oder Bomben- explosionen keine sich ausweitenden Risse verursachen konnten. Das Panzerungsdesign glich dem der King George V. -Klasse. Ihr Panzergürtel war von Turm A bis Turm Y zwischen 330 und 356 Millimeter dick und nahm davor und da- nach bis auf 51 Millimeter ab, um Leckagen durch Splitterwirkung auch dort zu vermei- den. Darüber verlief ein Panzerdeck von bis zu 152 Millimetern. Selbst das Hauptdeck war von den Rudern bis zum Bug zwischen 114 und 64 Millimetern gepanzert. Alle vita- len oder gefährdeten Teile des Schiffs waren somit gut geschützt. Insgesamt waren 15.265 Tonnen an Pan- zerung und schiffbaulicher Verstärkung verbaut worden. Die Schutzeigenschaften sollten 38,1-cm-Granaten an der Seite ab

stellt und das Feuer aller Waffen ferngesteu- ert kontrolliert werden. Auch hier wies das Design in die Zukunft. Eine Lehre aus der Versenkung der Prince of Wales waren Konstruktionsdetails, die bei größeren Schadensereignissen eine hohe Überlebensfähigkeit sicherten. Das verbes- serte Schadensabwehrsystem enthielt zum Beispiel besser zugängliche Sperrventile und eine im Verhältnis größere Anzahl von Leck-Abwehrpumpen und Generatoren als auf der Vorgängerklasse. Außerdem waren diese auf eine größere Schiffsfläche verteilt, damit ein unglückli- cher Treffer nicht zu viele davon außer Ge- fecht setzen konnte. Doch der wichtigste Teil des Schutzes für ein Schlachtschiff waren die eigene Panzerung und die innere Aufteilung der wasserdichten Schotten. Hervorragende Panzerung Vanguards Schutz kann durchaus als einer der besten gelten, der jemals in einem Schlachtschiff verwirklicht worden war. Von unten her schützte ein flutbarer Doppel-

„Wir haben immerhin noch 4 x 38,1-cm- Zwillingstürme auf Lager, welche, das ist anzunehmen, nach völliger Modernisierung noch für weitere 25 Jahre verwendbar sind. Sie sind schneller verfügbar, als es dauert, den Schiffskörper für ein ganz neues Schlachtschiff zu bauen“ Director of Plans, 3. März 1939

INS MITTELMEER: Während der Frühjahrsreise 1953 mit kombinierten Manövern aller Schiffe der Heimatflotte und Einheiten der Mittelmeerflotte hat die Vanguard in Gibraltar festgemacht Foto: Interfoto/Topfoto

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13.700 Meter Entfernung abhalten und das Panzerdeck dasselbe Kaliber ab 28.350 Me- tern sowie 1.000-Pfund-Bomben bis zu einer Höhe von 4.300 Metern. Das entsprach den zu erwartenden Kampfentfernungen gegen gleichwertige Gegner oder Flugzeuge. Testen musstedie Vanguard ihren Schutz nie. Wichtige Neuerungen Ein weiteres wichtiges Element neben Pan- zerschutz und Geschwindigkeit war die Be- waffnung. Da bereits feststand, dass die alten 38,1-cm-Geschütztürme der Courageous und Glorious die Hauptbewaffnung der Van- guard sein sollten, musste man sie nur noch in die Konstruktion einfügen. Auch wenn sie schon 20 Jahre alt waren, hatte sich die Kon- struktion bewährt. Die Türme mehrerer Schiffe wurden be- reits den Anforderungen der 1940er-Jahre angepasst und modernisiert. Und das traf auch auf die Türme der Vanguard zu. Hierfür wurden die Schutzmaßnahmen verbessert und Schwachstellen der alten Konstruktion eliminiert. Das betraf nach den Erfahrungen aus der Skagerrakschlacht 1916 vor allem den Schutz vor Stichflammen und feuerfeste Unterteilungen. Eine wichtige konstruktive Neuerung war die Lagerung der Kordit-Treibladungen un- SICHERES GELEIT: Schlepper begleiten die Vanguard durch enge Fahrwasser; das Schlachtschiff war so breit, dass es in den Werften in Portsmouth und in Rosyth nicht gedockt werden konnte Foto: Interfoto/Topfoto

gesamte drehbare Teil eines Turmes 904 Ton- nen inklusive der darin verbauten Maschi- nen und Anlagen. Bei maximal 30 Grad Rohrerhöhung be- trug die maximale Reichweite der 38,1-cm- Geschütze 30.680 Meter. Dabei erlaubte der Bremsmechanismus einen maximalen Rück- lauf der gewaltigen Geschütze von 117 Zenti- metern. Gut 200 Kilogramm Treibladung be- schleunigten die 879 Kilogramm schweren Geschosse auf 749 m/s, bis zu zwei Schuss pro Minute waren möglich. Die Türme konnten zentral gesteuert und automatisch ausgerich- tet werden. Dafür gab es zwei Artillerieleit- stände mit je einem Radar zur Entfernungs- messung und zum Orten der Aufschläge. Acht 13,3-cm-Türme Als Nebenbewaffnung wählte die Royal Na- vy die bereits auf der King George V. -Klasse bewährten 13,3-Mk I-Mehrzweckgeschütz- Doppeltürme. Die acht Türme waren an den Seiten aufgestellt, wobei jeweils ein Turm nach achtern und nach vorn überhöht stan- den. Ihre 36,3 Kilogramm schweren Ge- schosse besaßen eine Reichweite von bis zu 22.010 Metern. Mit einer maximalen Rohrerhöhung von 70 Grad konnten sie auch zur Flugabwehr genutzt werden. Während die Navy eine maximale Feuer- geschwindigkeit von zwölf Schuss angab, waren während eines Gefechts in längerer Folge etwa sieben bis acht Schuss pro Minute realistisch. Ihre Zieldaten bezogen die Tür- me von vier American-Mk 37-Leitständen mit Zieloptik und Type-275-Radar.

DERKOMMANDANT: Rear-Admiral William Gladstone Agnew diente bereits im Ersten Weltkrieg und war in seiner letzten Verwendung Chef der Personal- abteilung der Admiralty Foto: Interfoto/Topfoto KOMMANDANT R Ad i l terhalb der Granaten, weil Letztere resisten- ter gegen Feuereinwirkung waren und die bri- santen Treibladungen dann tiefer im Schiff lagen und somit besser geschützt waren. Dazu gehörte auch eine neue Organi- sation der Munitionszuführung im Turm- inneren. Auch wenn die Türme schon alt waren, handelte es sich bei den Rohren um Reserverohre der Royal Sovereign - und Queen Elizabeth -Klassen, die mit einem neuen Verschlussmechanismus versehen wurden. Ein Rohr wog 100 Tonnen und der

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deutliche Beschleunigung des Bau- tempos, weshalb der Stapellauf erst am 30. November 1944 stattfand. Da hatte die Schlacht im Atlantik bereits seit eineinhalb Jahren ihren Höhepunkt überschritten. Taufpate war die schon damals sehr populäre Prinzessin Elizabeth – der erste Sta- pellauf der späteren Königin. Ende des Krieges Nun schritt der Bau mit großer Geschwindigkeit voran. Im Ausrüs- tungsbecken der Werft ereignete sich am 16. September 1945 eine Explosion, die zwei Werftarbeiter das Leben kostete und sechs weitere verletzte. Kurz darauf übernahm Captain William Gladstone Agnew am 15. Oktober das Kommando über die Vanguard . Mit der japani-

Wie die Erfahrungen im Pazifik bewiesen hatten, ging die größte Gefahr für Schlachtschiffe im Zwei- ten Weltkrieg von Flugzeugen aus. Demzufolge besaß der Koloss eine beeindruckende Flugabwehr. Den Vorzug gab man dabei den 40-mm- zugunsten der 20-mm-Flak, weil das größere Geschütz eine höhere Reichweite und mehr Zerstörungs- kraft besaß. Verbaut wurden schließlich zehn moderne sechsroh- rige 40-mm-Bofors Mk VI, elf ein- rohrige 40-mm-Bofors Mk VII und eine zweirohrige 40-mm-Stabilized- Tachymetric-Anti-Aircraft-Gun (STAAG) Mk II – insgesamt eine stattliche Anzahl von 73 Rohren! Die mehrrohrigen Systeme besa- ßen jeweils ein Typ-262-Radar und konnten automatisch feuern. Elek-

IN REIH UND GLIED: Royal Marines auf dem Quarter Deck am 8. Mai 1946; auch zum jährlichen „Navy Day“ war stets die Ehrenformation an Bord Foto: Interfoto/Topfoto

schen Kapitulation endete der Zweite Welt- krieg, und der Bedarf für ein neues Schlacht- schiff verlor an Priorität, weswegen die Navy das Schiff offiziell erst am 12. Mai 1946 in Dienst stellte. Damit ist die Vanguard das letzte bis heute in Dienst gestellte Schlacht- schiff der Royal Navy. In aller Ruhe konnten nach dem Krieg Probefahrten und die Ausbildung durchge- führt werden. Aber schon im August 1946 begann ein kleiner Umbau auf dem Schiff, da es die königliche Familie nach Südafrika transportieren sollte. Dafür wurde bis De- zember die Admiralssuite zur königlichen Wohnung umgebaut, und auf dem Turm B entfernte man die STAAG-Flak zugunsten einer Salutplattform. Entsprechend profi- tierte auch Kommandant Agnew, der mit Wirkung zum 8. Januar 1947 zum Rear- Admiral ernannt wurde. Begleitet von mehreren Zerstörern, fuhr Vanguard in den mittleren Atlantik. Am 1. Februar wurde sie von der Homefleet begrüßt und erhielt den für Monarchen üblichen Salut von 21 Schüssen der Schlacht- schiffe Nelson und Duke of York . Die könig- liche Familie erreichte Kapstadt am 17. Feb- ruar, wo sie bereits von südafrikanischen Fregatten begrüßt wurden, die sie auch das letzte Stück des Weges begleiteten. Hoher Besuch Während die Royals das Land bereisten, übte die Vanguard mit Schiffen der süd- afrikanischen Marine und der Royal Navy. Vom 22. April an reiste sie über die briti- schen Inseln St. Helena und Ascension nach Großbritannien zurück. Nachdem sie am 11. Mai Portsmouth erreichte, löste Agnew

Schwingungsproblem zufriedenstellend be- hoben werden. Eigentlich sollte die Vanguard sechsTur- bogeneratoren und zwei Dieselgeneratoren erhalten. Nachdem die Belfast im November 1939 als Folge eines Minentreffers ihren ge- samten Dampf verloren hatte, entschied die Admiralität, die Zahl der Dieselgeneratoren auf vier 450-kW-Generatoren zu steigern und nur vier 480-kW-Turbogeneratoren zu verbauen. Dadurch konnten auch beim Aus- fall der Kessel genügend elektrische Aggre- gate wie Lenzpumpen betrieben werden. Während des Krieges verhinderten der Fachkräftemangel sowie die Priorisierung auf U-Boot-Jagd und Flugzeugträger eine Aufgrund der Auswertungen nach der Jagd auf die Bismarck 1941,bei der King GeorgeV. und Rodney zuwenig Brennstoffvorrat hatten, korrigierte der Marinestab den Fahrbereich der Vanguard .Das Fassungsvermögen betrug 4.850Tonnen

trisch betrieben, vermochten sie theoretisch bis zu 9.830 Meter weit zu schießen, wobei die effektive Reichweite bei 2.300 Metern lag und sich die ZerlegergGeschosse nach 2.750 Yard selbst zerstörten. Die Türme konnten entweder optisch oder radargesteu- ert feuern. Dabei war das STAAG sogar in der Lage, autonom sein Ziel zu verfolgen. Während die Hauptbewaffnung alt erschien, aber verlässlich und gefechtserprobt war, wies die Flugabwehrbewaffnung bereits in die Zukunft. Über 30 Knoten bei Tests Auch der Antrieb der Vanguard orientierte sich an der ihr so ähnlichen King George V.- Klasse. In Anbetracht der allgemeinen Schiffsneubauten Deutschlands und Japans strebte man eine Höchstgeschwindigkeit von mindestens 29 Knoten an. Angetrieben wur- den die vier Schrauben von vier Parson- Turbinen mit einer avisierten Leistung von jeweils 30.000 PS. Zwei Turbinen waren in einem Raum untergebracht. Den Dampf dafür erzeugten acht ölbetriebene Admiral- ty-Kessel. Ursprünglich waren noch Marsch- turbinen vorgesehen, was man aber aus Gewichtsgründen aufgegeben hatte. Die Testfahrten erzielten maximale Ge- schwindigkeiten von 30,457 Knoten und eine Turbinenleistung von maximal 133.300 PS. Damit war das Konstruktionsziel leicht über- troffen worden. Bei 180 Umdrehungen der Schrauben traten allerdings unerwünscht starke Vibrationen auf. Das Problem wurde dadurch behoben, dass die inneren beiden Propeller fünf Flügel statt der bisherigen drei erhielten, während die äußeren bei dem alten Layout blieben. Damit konnte das

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SORGFÄLTIGE BRÜCKENKONSTRUKTION: Um sicherzustellen, dass alle wichtigen Anlagen zugfrei waren, wurden die Brücken- anordnungen vorab in einem Windkanal getestet Foto: Interfoto/Topfoto

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schon 18 Tage später der neue Kommandant Captain F. R. Parham ab. Allerdings ver- brachte sein Schiff erst einmal mehr als ein Jahr in Devonport und wurde bis August 1948 überholt. Eigentlich hatte man vorgese- hen, die Vanguard noch einmal als könig- liche Jacht dienen zu lassen. Im Januar 1949 wollte George VI. nach Australien und Neu- seeland reisen, was dessen gesundheitlicher

TECHNISCHE DATEN Entwurf 15E

Schiffstyp

Schlachtschiff

Länge (ü. a.)

244,0m 32,94m 41.600t 10,06m

Breite

Verdrängung

Zustand aber nicht mehr zuließ. Vanguard im Mittelmeer

Tiefgang Leistung

120.000WPS 130.000WPS

Überleistung

Weil diese Reise auf unbestimmte Zeit ver- schoben war, diente das Schiff am 1. März 1949 als Flaggschiff des Commander-in- Chief der Mittelmeerflotte Admiral Sir Ar- thur Power. Mehr als vier Monate bereiste die Vanguard das ganze Mittelmeer, bevor sie im Sommer nach England zurückkehrte. In schneller Folge wechselten dann die Kommandanten des Schiffes. Im November wurde das Schlachtschiff Flaggschiff der Schlachtschiff HMS Vanguard Geschwindigkeit Einsatz Heizölvorrat Fahrbereich Besatzung Bewaffnung

29,5kn Überleistung 32,5kn

4.100t

6.000sm(20kn)

1.600Mann

8x38,1cm,16x13,3cm, 60x4-cm-Flak4, 1Katapult,2Flugzeuge

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HUGE FLOATING FORTRESSES: Die Vanguard musste den Vergleich mit der amerikanischen Iowa (BB 61) nicht scheuen Foto: Interfoto/Illustrated London News

Grafik: Slawomir Lipiecki

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LUXURIÖSES WOHNQUARTIER Royale Jacht

Home Fleet Training Squadron, und am 13. September 1950 hisste der Befehlshaber der Home Fleet Admiral Sir Philip Vian seine Flagge für etwa drei Monate auf der Vanguard . Zwischenfall ohne Folgen In Gibraltar kollidierte sie am 10. Februar 1951 mit dem Flugzeugträger Indomitable , allerdings ohne dabei großen Schaden zu nehmen. Doch die symbolische Rache des Trägers ließ nicht lange auf sich warten: Im darauffolgenden Manöver wurde das neuer- liche Flaggschiff von dessen Flugzeugen „ver- senkt“. Es war eine neue Ära angebrochen – die der Seeluftstreitkräfte. FLOTTENBALLETT: Formationsübungen im Englischen Kanal mit der königlichen Familie an Bord, Februar 1947 Foto: Interfoto/Topfoto

Solange es Könige mit Zugang zum Wasser gibt, fahren sie zumeist auf königlichen Jachten zur See. Selbst die außergewöhn- lichen Nilschiffe der Pharaonen können zu dieser Gattung repräsentativer Schiffe gerechnet werden. In England hatte es seit der Restauration und Regierung König Karls II. ab 1660 insgesamt 84 Schiffe mit diesem Titel gegeben: von repräsentativen Booten bis hin zu riesigen Kriegsschiffen. Die große Zeit der Jachten war das 19. Jahr- hundert und die letzte war von 1954 bis 1997die Britannia . Danach charterte das Königshaus das Motorschiff Hebridean Princess 2006 und 2010 zu diesem Zweck. Während des 20. Jahrhunderts dienten auch zwei Großkampfschiffe der Royal Navy als Jachten: der Schlachtkreuzer Renown 1920/27 und die Vanguard 1947. Dazu wurde die Vanguard im Inneren um- gebaut, um ein luxuriöses Wohnquartier für die Royal Family zu schaffen.

Ende 1951 gab der Buckingham Palast be- kannt, dass der König nun doch auf der Van- guard reisen wollte, weshalb die Admirals- suite erneut umgebaut wurde. Doch auch diese Reise fand nicht statt, weil George VI. am 6. Februar 1952 starb. Eine Delegation des Schiffes nahm an den Begräbnisfeier- lichkeiten teil, danach fuhr es zu mehreren Manövern mit der U.S. Navy und der König- lich Niederländischen Marine. Operative Aufgabe Probleme mit der Stellenbesetzung und dem Gewicht des Schiffes zwangen dazu, nur für zwei der Hauptgeschütztürme Munition mitzuführen. Für die Mittelartillerie war so- gar nur Leuchtmunition an Bord. Als Queen Elizabeth II. am 15. Juni 1953 ihre Coronation Fleet Review vor Spithead absolvierte, war auch Vanguard anwesend.

FÜR DIE ROYALS: Die Umbauten mit exklusiven Salons für die königliche Familie muteten für ein Schlachtschiff kurios an, das typische Kriegsschiff-Interieur blieb ansonsten aber bestehen Fotos (2): Interfoto/Topfoto

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Hood sowie das Schlachtschiff King GeorgeV . Bis 1960 hatten sich die Schlacht- schiffe in der Royal Navy selbst überlebt. Wegen zu hoher Indienst- haltungskosten gab die Admiralität am 9. Oktober 1959 bekannt, die Vanguard zu verschrotten. Außer Dienst gestellt wurde sie am 7. Juni 1960 und an die British Steel & Iron Corporation für 560.000 Pfund verkauft. Als sie am 4. August ihre letzte Reise nach Faslane in Schott- land antrat, säumten Tausende Schaulustige das Ufer, um das letzte britische Schlachtschiff noch ein- mal zu sehen. Als wolle sich die Vanguard weigern, diese Reise an- zutreten, setzte sie auf Grund auf und musste von fünf Schleppern freigeschleppt werden. Mitte des Jahres 1962 war der

Bis September 1954 nahm das Schiff an mehreren internationalen Übungen und NATO-Manövern teil. Als operative Aufgabe teilte die Navy dem Schiff den Kampf gegen die 14 sowjetischen leichten Kreu- zer der Swerdlow -Klasse zu. Doch die Sowjets stellten 1955 den Bau weiterer 16 Kreuzer wegen der mo- dernen Lenkflugkörper ein. Das Ende in Sicht Im gleichen Jahr wurde auch das Schicksal der Vanguard besiegelt. Antony Eden folgte Winston Chur- chill als Premierminister, und ge- meinsam mit seinem neuen First Sea Lord Mountbatten entschied er, das letzte Schlachtschiff der Royal Navy zugunsten von zwei weiteren Kreuzern in die Reserve-

REPRÄSENTATIV: König George VI. salutiert, als die Vanguard mit der königlichen Familie auf ihrem Weg nach Südafrika die versammelte Heimatflotte passiert

Foto: Interfoto/Topfoto

lotte zu versetzen. Ohne je einen Schuss auf ein gegnerisches Schlachtschiff abgefeuert zu haben, wurde sie am 18. November 1955 Flaggschiff der Reserveflotte. Nun lag die Vanguard zwi- schen Portsmouth und Southampton in Fareham Creek und wartete auf ihr Schick-

Abwrackprozess abgeschlossen – eine Ära der Royal Navy hatte ihr Ende gefunden. Vielleicht war das modernste Schlachtschiff der Royal Navy des 20. Jahrhunderts ein glückhaftes Schiff – schließlich musste es in keinem Krieg kämpfen.

sal. Ihren wahrhaft letzten Auftritt hatte sie 1960 für Filmszenen zu „Sink the Bis- marck!“. Ihre Brücke, die Admiralssuite sowie die Geschütztürme dienten als Kulisse und imitierten das deutsche Schlachtschiff Bismarck , den britischen Schlachtkreuzer

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SUTTON

STRATEGIE & TAKTIK

1916/17: DER WEG IN DEN „UNEINGESCHRÄNKTEN“ U-BOOT-KRIEG Als Oberleutnant zur See Herbert Pustkuchen im März 1916 mit UB 29 die Passagierfähre Sussex versenkte, ahnte der Kommandant nicht, dass er damit das deutsch-amerikanische Verhältnis schwer belastete – mit katastrophalen Folgen Von Kapitän zur See Dr. Jörg Hillmann Feind in Sicht!

ie ab Ende März 1915 aufgestellte U-Boot-Flottille „Flandern“ war in den Seehäfen Zeebrügge, Brügge und Ostende stationiert. Deren Einsatzgebiete um- fassten den Englischen Kanal sowie die östli- chen und westlichen Zugänge. 16 Boote wa- ren der Flottille zugeordnet, die bis 1917 auf 38 Boote anwuchs und 1917 im Rahmen des Aufwuchses in zwei Flottillen gegliedert war. UB 29 unter Oberleutnant zur See Her- bert Pustkuchen war im Januar 1916 in Zee- brügge stationiert worden. Von dort unter- nahm er zahlreiche Feindfahrten in den Kanal und patrouillierte im östlichen Kanal- zugang. Am 24. März 1916 entdeckte Pust- kuchen die unter französischer Flagge fah- rende Passagierfähre Sussex . Er war fest davon überzeugt, einen Truppentransporter vor sich zu haben, da er an Oberdeck ste- hende Soldaten in großer Anzahl erkannt zu haben glaubte. Kurzentschlossen ließ er einen Torpedo klarmachen und feuerte auf das Schiff, von dem der gesamte Bug wegriss. D

Ansonsten blieb die Fähre aber schwimm- fähig. Pustkuchen drehte ab und überließ sie ihrem Schicksal. An Bord der Sussex befanden sich zur Zeit des Angriffs 325 Passagiere und 53 Be- satzungsangehörige – 750 Passagiere hätten an Bord sein dürfen. Der Kapitän, Auguste François Mouffet, gab den Befehl zum Ver- lassen, aber nicht alle Rettungsboote wurden zu Wasser gelassen. Mindestens zwei zer- schellten an der Bordwand der Sussex .Min- destens 50 Menschen kamen durch den Tor- pedotreffer und bei den Rettungsversuchen ums Leben. Das Schiff wurde anschließend mit dem Heck voraus zur Reparatur nach Boulogne geschleppt. Internationaler Protest Die Torpedierung des zivilen Schiffes löste in Frankreich und Großbritannien heftige Proteste aus. Kritik erreichte Berlin aber vor allem aus den Vereinigten Staaten. 75 US- Amerikaner hatten sich an Bord befunden,

von denen einige schwer verletzt, aber nicht getötet worden waren. US-Präsident Woodrow Wilson nahm den Angriff zum Anlass, den amerikani- schen Kongress zu mobilisieren und ein Ulti- matum gegen das Deutsche Reich zum Be- enden des „verschärften U-Boot-Krieges“ zu erwirken. Am 20. April 1916 überstellten die USA das Ultimatum, das die Deutschen aufforderte, die Versenkung unbewaffneter Schiffe sofort einzustellen. Die USA drohten schlimmstenfalls mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehun- gen, sofern sich das Deutsche Reich nicht fügen würde. Einem Kriegseintritt der Ame- rikaner stand das Kaiserreich mehr als skep-

KLASSE UB II: UB 29, hier das typgleiche UB 28 der Klasse UB II, versenkte 32 Schiffe mit einer Gesamttonnage von 39.378 BRT Foto: picture-alliance/WZ-Bilddienst

TECHNISCHE DATEN Unterseeboot UB 29

Typ

Einhüllen-U-Boot

Klasse Länge

UBII

36,13m

Breite 4,36m Geschwindigkeit 8,9knüberWasser,5,72knunterWasser Tauftiefe max.50m Antrieb

2Dieselmotoren270PS,2Elektromotoren280PS

Verdrängung Bewaffnung

265tüberWasser,291tunterWasser

2Bugtorpedorohre,15-cm-Schnellladekanone 2Offiziere,21UnteroffiziereundMannschaften

Besatzung

Kommandanten

OLtzSHerbertPustkuchen(18.Januar1916bis2.November1916), OLtzSErichPlatsch(3.November1916bis27.November1916)

Verbleib

Vermisstseitdem27.November1916.DasgenaueVersenkungsdatumwurdebishernicht nachgewiesen,dasWrackimJuni1917vorderbelgischenKüsteWestflandernsentdeckt.

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