Bahn Extra

044 225 in Cottbus DB-Alltag 1966–72 Dampf hautnah 1973 Großohrige „Computer-44“ Schülerverkehr in Ratzeburg DB-Betrieb um Braunschweig

4.2022 Juli/ Aug. EUR 12,90 A: € 14,60 CH: sFr 25,80 Be, Lux: € 14,90 NL: € 15,40 DK: DKR 130,00

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4 199112 912908 ISBN 978-3-96453-608-2

Berlin 1980–1995: Warum der „wahre“ Hauptbahnhof in Lichtenberg war

Als die Post noch Bundesbahn fuhr 1949-1993: Verkehrswege, Zugbeispiele, Betriebsabläufe

Mit vielen Originaldokumenten

Reichsbahn-Erlebnisse aus 70 Jahren Von der VES-M zum Hobbyisten

28 Jahre im Wendezug-Betrieb in Sachsen 242-Einsätze um Karl-Marx-Stadt

Kopfbahnhof und Bw Miltenberg 1972 Viel Betrieb mit 50, 64 und 65

ABENTEUER VERGÄNGLICHKEIT

NEU Dieser außerordentliche Bildband bietet Wehmutsfutter: Die verlassenen Lokomo- tiven und ruhenden Waggons, die Dreh- scheiben, Bahnhöfe, Brücken, Werkstätten – alles zeugt von der Genialität der Erfinder und Ingenieure der Bahngeschichte sowie der Bedeutung des Schienenverkehrs. Die Fotografien erzählen aber auch vom Niedergang so mancher Strecke und vom Schicksal so mancher Fahrzeuge. Bahngeschichte wird hier zum archäologischen Abenteuer Mit vielen Inspirationen für Modellbahner

192 Seiten · ca. 190 Abb. Best.-Nr. 53252 € (D) 39,99

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WILLKOMMEN

Liebe Leserinnen, liebe Leser, ein Onkel von mir war großer Eisenbahn- freund und leidenschaftlicher Briefmarken- sammler. Eine seiner Lieblingsbeschäfti- gungen bestand darin, gut mit Briefmarken beklebte Briefe (sie waren öfter mal über- frankiert, des schönen Gesamtbilds wegen) per Post zu versenden und sich hinterher an dem abgestempelten Exemplar zu erfreuen. Ab und zu nutzte er dafür die Bahnpost, ei- nige der Briefe gingen auch an mich. Als nun das Titelthema der vorliegenden Ausgabe – „Bahnpost bei der Bundesbahn“ – anstand, habe ich den kleinen Fundus meines Onkels gesichtet und ein Beispiel gefunden.Völlig erstaunt lernte ich mithilfe von Postmitarbeitern, wie dieser Brief im Januar 1977 transportiert wurde. Mehr dazu auf Seite 47. Es ist eine der vielen Facetten, die das interessante Thema Bahnpost zu bieten hat. Sie ist eine eigene Welt mit eige- nen Begrifflichkeiten und doch nahe bei der Eisenbahn bzw. in dem Fall bei der Bundes- bahn; sehen Sie selbst ab Seite 16. Der Bahnhof von Berlin-Lichtenberg stand meist im Schatten anderer Stationen. Nicht so schön wie Alexanderplatz, nicht so im Brennpunkt wie Friedrichstraße, eher sachlich und etwas karg. Aber das war nur ein vorläufiger Eindruck, denn gerade der Bahnhof Lichtenberg hatte eine Menge Zugbetrieb zu bieten. Der war selbst nach der Dampflokzeit noch sehenswert.Wir zei- gen es im Beitrag ab Seite 54.

Internationale Atmosphäre in Berlin-Lichtenberg: Mit einem tschechoslowakischen Speisewagen und (verdeckt) ungarischen Reisezugwagen steht eine 118 anno 1985 im Bahnhof Volker Emersleben

Viel Vergnügen und interessante Lektüre wünscht im Namen der Redaktion

Am 18. August 1988 fährt 110 221 mit D 284 Bologna - Frankfurt (Main) aus München Hbf aus; von München bis Stuttgart nimmt er einen Bahnpostwagen mit (o.). Im Juli 1951 bespannt die 18 499 einen Expressgut-/Postzug bei Rottendorf nahe Würzburg (u.) Josef Mauerer (o.), C. Bellingrodt/Slg. Brinker

Thomas Hanna-Daoud Verantwortlicher Redakteur

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BAHN EXTRA 4/2022

BahnExtra | INHALT

14 Ein weites Feld und lange wichtig: So lief die Zusammenarbeit zwischen Bundespost und Bundesbahn 1949 bis 1993

32 Die Postbahnhöfe waren bedeutende Schaltstellen bei der Bahnpost

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Beispiele aus dem Bahnpost-Betrieb: zwölf Zugläufe aus vier Jahrzehnten

Wie sah die Arbeit bei der Bahnpost aus? Drei Mitarbeiter erinnern sich

BahnExtra: Titel – Bahnpost bei der Bundesbahn ALBUM 14 Schnell dank der Schiene Impressionen vom DB-Postverkehr HINTERGRUND 20 Bundespost fährt Bundesbahn Die Bahnpost 1949-1993 HINTERGRUND 31 Geschichte im Blick HINTERGRUND 43 Ein eigener Fahrplan Das Postkursbuch ALBUM 46 Auf den Weg gebracht Vier Postsendungen „nachgespürt“ ALLTAG

044 225 in Cottbus DB-Alltag 1966–72 Dampf hautnah 1973 Großohrige „Computer-44“ Schülerverkehr in Ratzeburg DB-Betrieb um Braunschweig

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4 199112 912908 ISBN 978-3-96453-599-2

Berlin 1980–1995: Warum der „wahre“ Hauptbahnhof in Lichtenberg war

Als die Post noch Bundesbahn fuhr 1949-1993: Verkehrswege, Zugbeispiele, Betriebsabläufe

Mit vielen Originaldokumenten

48 In Diensten der Post Bahnpost-Mitarbeiter berichten ALBUM 52 Niedergang! - Neuanfang? Die Bahnpost nach 1993

Reichsbahn-Erlebnisse aus 70 Jahren Von der VES-M zum Hobbyisten

28 Jahre im Wendezug-Betrieb in Sachsen 242-Einsätze um Karl-Marx-Stadt

Kopfbahnhof und Bw Miltenberg 1972 Viel Betrieb mit 50, 64 und 65

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25.05.22 11:15

Bahnpost museal HINTERGRUND 32 Die Übergabestellen

Aufnahmen der Titelseite: Reinhold Palm/Bildarchiv der Eisenbahnstif- tung (gr. Bild: V 60 256 rangiert Bahnpostwa- gen in Frankfurt (M) Hbf, 1965), Rein Korthof (kl. Bild o.), Volker Emersleben (kl. Bild M.), Archiv Michael Meinhold/VGB (Postkursbuch), Slg. Hans-Joachim Lange, Rainer Heinrich, Michael Haschek (kl. Bilder u., v. l.) Bilder S. 4: Jürgen Hörstel (gr. Bild o.)., Slg. BArGe Bahnpost, H. Schmidt/Slg. Brinker, Slg. Manfred Floetgen (kl. Bilder u., v. l.) Bilder S. 5: picture-alliance/United Archives, Rainer Heinrich (o., v. l.), Rein Korthof, Slg. Hans-Joachim Lange (u., v. l.)

Die Postbahnhöfe und ihre Aufgaben ALLTAG Zwölf Beispielzüge mit Posttransport ALLTAG

34 Aus dem Betrieb

73 Forum | Leserbriefe 98 Vorschau | Impressum

40 Das rollende Postamt

So lief die Arbeit im Bahnpostwagen

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BAHN EXTRA 4/2022

62 Unser Filmtipp: „Zug des Lebens“ entwickelt eine originelle Geschichte vor ernstem Hintergrund

64 Die Wendezug-Einsätze der E 42 im Raum

Karl-Marx-Stadt boten immer wieder mal Attraktionen

80 Was tun, wenn die eigene Staatsbahn keine Dampfloks mehr hat? Rein Korthof besuchte die Bundesbahn

88 Er war bei der VES-M der DR und auch privat in Sachen Eisen- bahn aktiv: Lebenserinnerungen von Hans-Joachim Lange

BahnExtra: BahnEpoche BESONDERES BILD 6 Fototermin in Slagelse Bahn-Betrachtungen in Dänemark FAHRZEUGE 8 Reiselustige Spitzmaus

STREIFLICHT 72 Vergessene Abkürzung OPW Der Güterwagenverband Osteuropas BETRIEB 74 Am Ende der Strecke Miltenberg Hbf vor 50 Jahren FAHRZEUGE 78 Computernummer und große Ohren Die Geschichte der 044 225-1 ERLEBNISSE 80 Wünsche, Wetten, kleine Wunder Ein Niederländer erlebt DB-Dampf im Nordharz REISEN SPEZIAL 86 Die nächsten Äste Freital, Kipsdorf und A1tenberg im Februar 1990 PERSONEN 88 Vom Reichsbahner ...

Wie ein DWK-Triebwagen von Mainz nach Lettland kam STATIONEN Berlin-Lichtenberg ab 1980: ohne Dampf, jede Menge los FILM

54 Der wahre Hauptbahnhof

62 Flucht ohne Fahrplan

„Zug des Lebens“ von Radu Mihaileanu FAHRZEUGE

64 Die Dauerläufer 

In Karl-Marx-Stadt und Chemnitz: Wendezüge mit der E 42 BETRIEB

70 Schülerzüge und mehr

Jugendjahre mit der Eisenbahn in und um Ratzeburg

... zum Freizeit-Bahner: Hans-Joachim Lange blickt zurück

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BahnEpoche | BESONDERES BILD

Eisenbahn in Dänemark

Aufnahmen: Slg. Danmarks Jernbanemuseum Odense (gr. Bild), Garrelt Riepelmeier (2); Text: Garrelt Riepelmeier/Peter Schricker/GM Fototermin in Slagelse

A ls Urlaubsland genießt das aus zahlreichen Inseln bestehende, weitgehend flache Dänemark europa- weit eine große Wertschätzung. Aber auch eisen- bahntechnisch lohnt sich ein Blick über die Grenze hinweg, und das, obwohl dort nennenswerte Steigungen kaum zu be- wältigen waren bzw. sind. Und dann noch die Geschichte: Als am 18. September 1844 die Strecke Altona – Neumünster – Kiel der Altona-Kieler Eisenbahn-Gesellschaft (AKE) eröff- net wurde, war der dänische König gleichzeitig der Herzog von Holstein, einem Land des Deutschen Bundes. Da dies seit 1864 nicht mehr der Fall ist, wird aus heutiger Sicht die am 27. Juni 1847 eröffnete Strecke København – Roskilde als Urzelle des nationalen Streckennetzes betrachtet. Was somit heißt: Neben der Schweiz feiert Dänemark anno 2022 das 175-jährige Bestehen der Eisenbahn! Was auf den Beginn des Schienenzeitalters folgte, war durchaus auch für andere Länder typisch: der sukzessive Ausbau, mit leistungsstarken Verbindungen wie mit Neben- bahnen. Roskilde stieg zu einem Bahnknoten in Dänemarks

Landesteile – ein Ziel, dem Dänemarks Eisenbahnen erst durch eine Vielzahl von Trajekten näherkamen. Der Eisen- bahn-Fährbetrieb war über lange Jahre ein fester Bestandteil im dänischen Schienenverkehr, in jüngerer Zeit stellen vor allem aufwendige Kunstbauten die Verbindung zwischen den Landesteilen her. Gerade beim Brückenbau erbrachte Dänemark seit den 1990er-Jahren enorme Leistungen. Viel Diesel, weniger Strom Dagegen pflegten die Entscheidungsträger in København über Jahre ein ambivalentes Verhältnis zum Traktionswan- del. Zwar wurde landesweit recht früh und konsequent auf dieVerdieselung gesetzt – mit diversenTriebwagen oder auch Lokomotiven wie der berühmten NoHAB. Die Umstellung auf elektrischen Betrieb scheute man unterdessen lange aus Kostengründen. Erst 1979 brachte ein Gesetz die Ausrüstung einiger Hauptstrecken auf den Weg, wobei nur ein Teil der Vorhaben umgesetzt wurde.Technisch entschied sich Däne- mark anders als die Nachbarn Deutschland und Schweden

für ein Wechselstromsystem mit ei- ner Spannung von 25 kV bei einer Frequenz von 50 Hz – ein Schritt, der die obligaten Lokwechsel an der Grenze erst durch den Einsatz von Mehrsystemlokomotiven erübrigte.

Streckennetz auf. Die Strecke aus København setzte man nach Westen fort bis Korsør (mit Fährübergang nach Nyborg), weitere Anbindungen entstanden zum Beispiel Richtung Süden nach Rødby und Gedser (spä-

Mit den Staatsbahnen wurde das Verkehrssystem strukturiert. Heute herrscht Privatisierung vor

Trotz mancher Eigenheit erlebten Dänemarks Eisenbah- nen einige ähnliche Trends wie andernorts in Europa. Das Nebenbahnnetz wurde schon vor Jahrzehnten „gesundge- schrumpft“. Die Privatisierung verursachte eine Aufteilung der DSB in mehrere Sparten und erlaubte neuen Wettbewer- bern, an den Start zu gehen. Ohnehin führen die Staatsbah- nen als einstiger Platzhirsch nur noch Personenverkehr durch, haben aber auch hier zahlreiche Leistungen an ande- re Betreiber abgeben müssen und scheinen nach Ansicht mancher Kritiker an ihrer Selbstauflösung zu arbeiten… Gleichwohl gibt es eine traditionsreiche Eisenbahnge- schichte, etliche berühmte Strecken und Fahrzeuge sowie eine engagierte und über das gesamte Land verteilte Muse- umsbahn-Szene, sodass sich die dänische Eisenbahnwelt noch immer vielschichtig präsentiert. Zum Einstieg in das Thema seien zwei Internetseiten empfohlen: www.sebtus.de sowie www.Jernbanen.dk. Sie sind ein erster Ratgeber und sie enthalten diverse Links, mit denen es auch möglich ist, sich über das Geschehen 2022 zu informieren. Denn einen derart großen Anlass wie „175 Jahre Eisenbahnen in Däne- mark“ wird wohl kaum jemand ohne Feierlichkeiten oder wenigstens eine Würdigung verstreichen lassen. 

ter mit Fähranbindung nach Deutschland).Von der Relation Roskilde – Korsør stammt die historische Aufnahme auf der rechten Seite: 1892 hielt der Fotograf Menschen und Maschi- nen im Bahnhof der Stadt Slagelse im Bild fest. Lok Nr. 5 und eine weitere bauchige 1’B-Dampflok haben sich des Perso- nenzugs angenommen, neben den Eisenbahnern wollen ganz offensichtlich noch mehr Herrschaften (im Wortsinne) aufs Bild. Der Stolz auf Bahn und Land ist groß, siehe die dänische Flagge auf dem Bahnhofsgebäude. Als das Foto entstand, verfügte Dänemark bereits über eine Staatsbahn. Nach Jahren individuell agierender Privat- bahnen sorgten die 1885 gegründeten Danske Statsbaner (DSB) für eine bessere Strukturierung des Verkehrssystems. Wie viele andere bedeutende Strecken wurde auch die „Vest- banen“ genannte Magistrale København – Roskilde – Korsør (– Nyborg) Teil des DSB-Netzes. Die Parallelexistenz ver- schiedenster überwiegend lokal agierender Unternehmen war damit aber nicht aufgehoben. Kunstbauten führen das Land verkehrlich zusammen Vor allem nach der Jahrhundertwende steigerte sich das Be- mühen um ein verkehrstechnisches Zusammenwachsen der

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Aus der Frühzeit des dänischen Bahnbetriebs: Für den Fotografen haben sich anno 1892 (vor nunmehr 130 Jahren) Eisenbahner und Zivilpersonen im Bahnhof Slagelse am Zug aufgestellt. Der Bahnhof liegt an der „Vestbanen“, der Magistrale von K0ben- havn (Kopenhagen) über Roskilde nach Kors0r

Seit 1947 weist diese Gedenktafel am Bahnhof von Roskilde auf die Eröffnung der ersten dänischen Eisenbahn 1847 hin

Bei Dieselfahrzeugen hat Dänemark eine besonders lange Tradition. Danmarks Jernbanemuseum in Odense erinnert daran unter anderem mit der NoHAB-Lok My 1135 (l.) und einem Schnelltriebwagen (r., Foto vom Juli 2019)

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BahnEpoche | FAHRZEUGE

DWK-Triebwagen 29 Reiselustige Spitzmaus Wegen ihrer markanten Stirnpartie gehören die ersten Exemplare der von den Deutschen Werken Kiel ab 1921 auf den Markt gebrachten Benzoltriebwagen zu den kuriosesten Verbrennungstriebwagen aus der Anfangszeit des deutschen Triebwagenbaus. Bis 1924 verließen insgesamt 32 „Spitzmäuse“ die Kieler Werkshallen. Der Triebwagen mit der Fabrik­ nummer 29 begann im Rheingau, später verschlug es ihn bis nach Lettland Von Dr. Rolf Löttgers Wenn eine „Spitzmaus“ auf Reisen geht, braucht sie zwei Schwerlastwagen, einen für den Wagenkasten (Bild) und einen für das Untergestell. Die Erste ihrer Reisen führte vom Herstellerwerk in Kiel zur Waggonfabrik Gebr. Gastell in Mainz-Mombach, wo die beiden vom Reichsvermögensamt Mainz- Land bestellten „Spitzmäuse“ Mitte Mai 1924 darauf warten, abgeladen und montiert zu werden. Die Aufschrift „Deutsches Reich“ des Triebwagens 1 ist zwar mit dunkelgrüner Farbe übermalt worden, schimmert aber noch durch Gebr. Gastell/Slg. Dr. Löttgers

M it ihrem breit gefächerten Typen- programm ebneten die Deut- schen Werke Kiel (DWK) und die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) in Berlin Anfang der 1920er-Jahre den Weg für die Motorisierung der deut- schen Privatbahnen und der Deutschen Reichsbahn. Dabei entstanden mitunter auch recht merkwürdige Formen. Der ein- zige ausführliche Triebwagenkatalog von DWK aus dem Jahre 1924 enthält das Foto eines Zweiwagenzuges mit der auf den ers- ten Blick rätselhaften Anschrift „Deutsches Reich“, zwei vierachsige, meterspurige „Spitzmäuse“ mit den Fabriknummern 27 und 29 von 1923. Hier ist ihre Geschichte.

Finthen – Wackernheim: Im Auftrag der französischen Besatzungsmacht Die 6,2 Kilometer lange, 1913 fertiggestellte meterspurige Armierungsbahn Finthen – Wackernheim diente als Zubringerlinie zu den ab 1908 zur Versorgung der Festungs- anlagen südwestlich von Mainz gebauten 600-Millimeter-Feldbahnen, deren Netz sich auf etwa 40 Kilometer Länge vom Fort Wei- senau bis nach Wackernheim erstreckte. Sie schloss in Finthen an das Vorortbahnnetz der Süddeutschen Eisenbahn-Gesellschaft (SEG) an, die damals den Nahverkehr in Mainz besorgte.Von daher war es nur folge- richtig, dass die SEG im Auftrag der deut- schen Militärverwaltung nicht nur den Gü-

terverkehr bis Finthen, sondern auch den Betrieb auf der Anschlussbahn bis zum Um- ladebahnhof Wackernheim übernahm. Mit der Besetzung des Rheinlandes 1918 durch den „Erzfeind Frankreich“ kam der einstigen Armierungsbahn eine neue Auf- gabe zu. Sie wurde nun zumTransportmittel für die französischen Besatzungstruppen, die in Wackernheim einen Feldflugplatz an- legten. Die Reichsvermögensverwaltung als neue Eigentümerin der Anschlussbahn, ver- treten durch das Reichsvermögensamt (RVA) Mainz-Land, hatte im Benehmen mit dem Straßenbahnamt der Stadt Mainz da- für zu sorgen, dass die Strecke nach Wa- ckernheim spätestens am 1. Oktober 1921

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wieder in Betrieb gehen konnte. Die Dampf- bahnen der SEG waren nämlich bereits 1919 in das Eigentum der Stadt Mainz über- gegangen und wurden bis 1923 auf elektri- schen Betrieb umgestellt. Deshalb hatte das RVA Mainz-Land ei- gentlich eigene Betriebsmittel beschaffen sollen, doch das klappte nicht wie geplant. Vom 7. Februar 1922 an besorgten zwei von der SEG aus Darmstadt angemietete Dampf- loks den Verkehr. Im Herbst 1922 dann gab das RVA bei DWK zwei vierachsige Benzol- triebwagen in Auftrag, eben jene einleitend erwähnten „Spitzmäuse“ mit den Fabrik- nummern 27 und 29. Diese waren zwar bis zum Frühjahr 1923 fertig gestellt und für die DWK-Werbeabteilung mit kompletter Be- schriftung „Deutsches Reich 1“ bzw. „Deut- sches Reich 2“ fotografiert worden, doch bis die beiden Triebwagen von Kiel nach Mainz überführt werden konnten, verstrich noch ein geschlagenes Jahr. Streit um die Benzoltriebwagen Reichsvermögensamt und Straßenbahnamt kamen nämlich auf keinen gemeinsamen Nenner. Nachdem die Forderung des Straßen- bahnamtes, statt der beiden Benzoltrieb­ wagen zwei Elloks zu beschaffen und die Anschlussstrecke nach Wackernheim zu elektrifizieren, wegen des bereits erteilten Auftrags in Kiel nicht mehr durchsetzbar war, zog das Straßenbahnamt die Tauglichkeit der Benzoltriebwagen in Zweifel. Mal ging es um die Form der Radreifen, dann um die ungenü- gende Motorleistung, schließlich um die un- zulängliche Bremseinrichtung – und immer wieder wurden in Kiel neue Zeichnungen oder Nachweise angefordert und Umbauten gewünscht oder sogar vorgenommen.

Leichtbau geht anders. Die DWK-Triebwagen der 1920er-Jahre waren – anders als die zeitgleich entstandenen Benzoltriebwagen der AEG, die viele Elemente aus dem Kraftfahrzeugbau übernom- men hatten – ausgesprochene Schwergewichte. Das in weiten Teilen genietete Untergestell des Triebwagens 2 trägt auffallend viele Beschriftungen Gebr. Gastell/Slg. Dr. Löttgers

Bis Ende April 1924 waren die beiden „Spitzmäuse“ dann auch mit einer Körting- Vakuumbremse ausgestattet worden, um mit den von der SEG angekauften Dampf- bahn-Personenwagen zusammenlaufen zu können. Damit konnten die beiden mit ei- nem 100 PS starken Sechszylinder-Verga- sermotor ausgestatteten Triebwagen am 8. Mai 1924 endlich von Kiel aus Richtung Mainz zum Versand gebracht werden. Die Anschrift „Deutsches Reich“ hatte man in Kiel auf Wunsch des Bestellers vorher noch übermalt. Die französischen Besatzer hät- ten sie wohl auch kaum akzeptiert.

Vier Tage später trafen die Triebwagen bei der Waggonfabrik Gebr. Gastell in Mainz-Mombach ein, wo sie in den folgen- den Tagen montiert und fahrbereit gemacht wurden. Wagenkästen und Untergestelle mussten nämlich für die Überführung ge- trennt verladen werden, da die bis Oberkan- te Dachkühler rund 3,80 Meter hohenTrieb- wagen das Lademaß sonst deutlich überschritten hätten. Noch vor Monatsende wurden sie nach Finthen überführt, wo mehrere Tage lang Probefahrten Richtung Wackernheim stattfanden. Nachdem dann die Reichsbahndirektion Köln nach einigem Hin und Her über die Zuständigkeit die Triebwagen 1 und 2 der reichseigenen An- schlussbahn abgenommen hatte, konnten diese endlich die Dampfzüge ablösen.

Übersichtszeichnung der für Finthen-Wa- ckernheim gelieferten „Spitzmäuse“. Die am Maschinenrahmen des Untergestells angeschriebenen „60 Pers.“ dürften viele Stehplätze einschließen Jörn Müller

Kartenausschnitt aus dem Koch/Opitz-Stre- ckenatlas von 1925, ergänzt durch den ungefähren Verlauf der Armierungsbahn Finthen – Wackernheim in Mainz Slg. Dr. Löttgers

„Deutsches Reich“, Wagen 1 und 2, aus dem DWK-Katalog von 1924 Slg. Dr. Löttgers

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BahnEpoche | FAHRZEUGE

Einer der beiden „Spitzmaus“-Triebwagen vor dem Lokschuppen in Finthen. Nur circa drei Jahre waren die Vierach- ser in Mainz eingesetzt Slg. Dr. Rolf Löttgers

Jahreshälfte 1927 auf Kosten des RVA bei Gastell wieder instandgesetzt und an- schließend an die SEG verkauft, die sie als T 7 und T 8 auf ihrer Nebenbahn Zell – Todtnau (ZT) einsetzen wollte.Wann genau der Verkauf erfolgte, lässt sich durch ein Schreiben des RVA vom 19. Januar 1928 an die Stadt Mainz zumindest etwas präzisie- ren. Darin heißt es „Die Betriebsmittel sind im Übrigen in der Zwischenzeit schon an- derweitig verkauft.“ An Primärquellen über die Zeit bei Zell- Todtnau gibt es nur einige dürre Notizen in den Akten des Badischen Generallandesar- chivs. Im „Nachtrag XXX zur Baukosten- rechnung der Zell-Todtnauer Eisenbahn für 1928“ liest man unter Titel IX: „Lok- und Triebwagenschuppenneubau BahnhofTodt- nau (…) 85.671,86 RM“ und unter Titel XII: Beschaffung von 2Triebwagen (…) 37.087,71 RM“. Und im Nachtrag XXXII für das Jahr 1930 heißt es beim Titel XII: „Vom Anlage- kapital sind abzusetzen: Erlös für den ver- kauften Triebwagen No. 8 an die A.G. d. Wollmarer Zufuhrbahn, Riga 25.000,00 RM abzügl. d. Kosten für Umarbeiten d. Motore 8.704,60 RM = 16.265,40 RM“. Die SEG ließ sich ihre beiden Benzoltrieb- wagen also etwas kosten, denn sie hoffte, mit diesen Fahrzeugen die Betriebskosten sen- ken zu können. Das allerdings war ein Irr- tum. Die einzigen erhaltenen Betriebsbilder vom Einsatz im Wiesental sind ein halbes Dutzend Unfallbilder, entstanden 1928 zwi- schen Mambach und Atzenbach. Eine der beiden „Spitzmäuse“, im Schlepp einen Ge- päckwagen von ZT, war nach einer leichten Kurve vermutlich wegen zu hoher Geschwin- digkeit aus dem Gleis gehoben und nach au- ßen zur Seite gekippt. Allerdings fiel der Triebwagen nicht ganz auf die Seite, sondern verharrte bei etwa 50° Neigung.Wahrschein- lich hielt ihn das Gewicht des Untergestells mit der kompletten Maschinenanlage in die- ser Lage. Die in den nächsten Stunden ent- standenen Aufnahmen von der Bergung des Triebwagens zeigen, wie dieser mit Hilfe von Eisenbahnschwellen und Kanthölzern Stück für Stück aufgerichtet wurde, bis man ihn wieder aufgleisen konnte – ein für die Ein- wohner des sonst so stillen Tales ein beein- druckendes Spektakel. Wie dem „Nachtrag XXXII …“, zu ent- nehmen ist, ging die Reise für denT 8 schon 1930 weiter Richtung Lettland. Verwirrung stiftet in diesem Zusammenhang eine Bild- unterschrift in den beiden Monographien von Ludger Kenning über die Nebenbahn Zell – Todtnau, die den auf einen Schwer- lastwagen verladenen Wagenkasten des T 8 zeigt und als Aufnahmedatum den März 1929, nicht 1930, nennt. Der T 7, das sei der Vollständigkeit halber auch noch erwähnt, verließ den Schwarzwald fünf Jahre später. Er wurde für 15.000 RM an die Mindener Kreisbahnen verkauft.

Beim zweiten Einsatzgebiet im Schwarzwald verunglückte eine der beiden „Spitzmäuse“ 1928 zwischen Mambach und Atzenbach. Dass der Wagen sich nicht ganz auf die Seite legte, dürfte er dem schweren Untergestell zu verdanken haben. Das schrittweise Wiederaufrichten geschah allein mit Hilfe einiger Schwellen und Kanthölzer Slg. Dr. Rolf Löttgers (4)

Über den Dienst der beiden Benzoltrieb- wagen gibt es wenig Erfreuliches zu berich- ten. Das nur mit Dampfloks vertraute Perso- nal war nur notdürftig eingewiesen worden, sodass es sowohl bei der Bedienung als auch bei der Wartung immer wieder zu Betriebs- ausfällen kam. Und selbst der Dampfzug-Er- satz klappte nicht immer, weil die letzte vor- handene Tramwaylok nur noch notdürftig am Laufen gehalten wurde. Anfang 1927 musste Triebwagen 1 wegen Bruchs der Steuerwelle endgültig aus dem Verkehr ge- zogen werden, und nach dem Achsbruch von Wagen 2 am 13. Juli 1927 war es mit dem Triebwagenverkehr Finthen – Wackernheim

endgültig zu Ende. Am 28. September 1927 teilte der Kommandierende General der Rheinarmee mit, dass die Rheinarmee auf die Benutzung der Bahnlinie verzichte. Die umgehende Kündigung des Betriebsfüh- rungsvertrags seitens des RVA und der Ver- zicht der Stadt Mainz auf die weitere Nut- zung der Anschlussbahn besiegelten noch vor Jahresende 1927 das Schicksal der einst- maligen Armierungsbahn.

Zell – Todtnau: Erfolglos im Südschwarzwald

Die gerade einmal drei Jahre genutzten Benzoltriebwagen wurden in der zweiten

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Libau – Hasenpoth: Mit neuem Motor und Imbert-Holzgas-Generator Von den beiden in Lettland existierenden privaten Schmalspurbahnen war die Wol- marer Zufuhrbahn mit ihren beiden Stre- ckenästen Wolmar (lettisch: (Valmiera) – Smilten (Smiltene) und Wolmar – Haynasch (Ainaži) in der für Lettland üblichen Spur- weite von 750 Millimetern gebaut worden, während die Schmalspurbahn Libau – Ha- senpoth (lettisch: Liepājas – Aizpute) auf Meterspur fuhr. Als die Wolmarer Zufuhr- bahn 1930 den T 8 aus dem Südschwarz- wald kaufte, hatte sie die Absicht, diesen in ihrer eigenen Werkstatt auf 750-Millimeter- Spur umzubauen. Erfahrung im Umbau, besser: Eigenbau von Triebwagen hatte man, denn bis Ende 1930 war der Bestand an Eigenbau-Triebwagen in Wolmar bereits auf drei gestiegen, darunter ein Sentinel- Dampftriebwagen und ein Krupp-Schie- nenbus (siehe MIBA Heft 1/2022). Da die „Spitzmaus“ sich als untauglich für eine Umspurung erwies, reichte man sie noch im selben Jahr nach Libau weiter, wo sie nach kurzem Probelauf als M 1 zum Ein- satz kam. Beide Schmalspurbahnen hatten, wie viele andere Nebenbahnen, stark unter der Omnibus-Konkurrenz zu leiden, sodass man froh war, einen Teil der Dampfzüge durch Triebwagen ersetzen zu können. Im Geschäftsjahr 1930/31 leistete der M 1 44.000 Triebwagenkilometer, etwa ein Vier- tel der gesamten Zugleistungen im Perso- nenverkehr. Im Geschäftsjahr 1933/34 wa- ren es nur noch 25.000Triebwagenkilometer, denn im Laufe des Jahres 1934 wurde der M 1 aus dem Verkehr gezogen und einem größeren Umbau unterzogen. Er bekam ei- nen neuen Sechszylinder-Vergasermotor von Büssing NAG und einen Imbert-Holz- gas-Generator. Letzterer wurde nicht, wie etwa bei der Brohltalbahn, auf einem Ge- stell außen vor den Stirnfenstern aufgebaut, sondern wie bei den Mindener Kreisbahnen an einem der beiden Fahrzeugenden im

Die Lage der beiden lettischen Schmalspurbahnen mit „Spitzmaus-Kontakt“: von der Wolmarer Zufuhrbahn (750 mm) zum vierten Besitzer des DWK-Triebwagens 29, der meterspurigen Libau- Hasenpother Zufuhrbahn. Wagen 29 hatte in Libau seine erfolgreichste Zeit Slg. Dr. Rolf Löttgers

motor – wurde die Schmalspurbahn vorü- bergehend stillgelegt, um den drohenden Konkurs abzuwenden. Per 1. August 1938 ging die Bahn – und gingen mit ihr dieTrieb- wagen M 1 bis M 3 – in das Eigentum der Staatsbahn über. Diese baute die Strecke 1939 auf 750-Millimeter-Spur um und ver- längerte sie bis zum Libauer Staatsbahnhof. Mit der Aufnahme des 750-Millimeter-Be- triebs wurden die „Spitzmaus“ und die bei- den anderen Triebwagen per 1. September 1939 ausgemustert. Im April 1939 war kurz- zeitig noch erwogen worden, den M 1 für den Personenverkehr auf der unweit der Grenze zu Lettland verlaufenden Normal- spurstreckeVainode – Priekule – Kaleti um- zuspuren. 

Einstiegsraum neben dem Fahrerpult instal- liert. Wegen der dafür nötigen Apparatur verringerte sich das Sitzplatzangebot da- durch geringfügig auf 40. Wie es scheint, war dieser Umbau ein voller Erfolg. Im Sommerfahrplan 1935 übernahm der M 1 zwei der insgesamt vier täglichen Zugpaare Libau – Hasenpoth (eine Fahrt 48,9 Kilometer) sowie fünf Zugpaare zwischen Libau und Grobina (Streckenkilometer 11,4). Damit kam der Triebwagen betriebstäglich auf 310 Laufki- lometer, was 60 Prozent der gesamten Leis- tungen im Personenverkehr entsprach. Am 17. Januar 1938 – seit 1936 liefen hier außer den Dampfzügen noch zwei weitere Eigenbau-Triebwagen mit Verbrennungs-

Das qualitativ schlechte Zeitungsbild zeigt den ehemaligen T 8 kurz nach seiner Ankunft in Libau 1930. Die Schmalspurbahn im westlichen Lettland war froh, mit dem Neuzugang aus DWK-Produktion der Konkurrenz des Omnibus etwas entgegensetzen zu können Slg. Toms Altbergs (2)

Leider wurde dieses Bild des M 1 auf genarbtem Fotopapier abgezogen. Sonst könnte man den neben dem vorderen Führerstand eingebauten Kessel des Holzgas-Generators besser erkennen. Die Aufnahme entstand kurz nach dem Umbau des M-1-Triebwagens 1934/35

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BahnEpoche | STREIFLICHT

Güterwagenverband „Ost“ Vergessene Abkürzung OPW Von Andreas Knipping

M it der ständig weite- ren Ausdehnung und Vernetzung des Gü- terverkehrs mussten schon im 19. Jahrhundert mit ver- einheitlichten Puffern und Kupplungen Probleme der Übergangsfähigkeit der Wa- gen zwischen benachbarten Bahnverwaltungen gelöst wer- den. Im 20. Jahrhundert muss- te auch noch die Kompatibili- tät unterschiedlicher Systeme der Druckluftbremsen gesi- chert werden. Ein weiteres Problem bildete der unwirt- schaftliche Rücklauf leerer Wagen nach der Entladung. 1909 schuf der Deutsche Staatsbahn-Wagenverband ein dreifaches Regelungssys- tem. Demnach sollte der vor- handene Wagenpark gänz- lich auf Übergangsfähigkeit getrimmt werden. Neube- schaffungen sollten nach deutschlandweit genormten Einheitsbauarten vorgenom- men werden. Und den Güter- wagenbestand aller Länder- bahnen wollte man als ge- meinsamen Park verwalten, sodass ein etwa von Pirma- sens nach Stettin oder von Oldenburg nach Heilbronn gefahrener Wagen nicht in das Netz der Heimatverwal-

Normalspurbestand ausge- statteten Sowjetischen Staats- bahnen brachten zunächst 240.000 Güterwagen im We- sentlichen der offenen und gedeckten Standardbauarten in den OPW ein. Die Organi- sation wurde von einem Be- triebsbüro in Prag geleitet. Eigentlich sollten nur Wagen der Baujahre ab 1950 mit Rollenlagern, Lastwechsel- bremse und einer Zulassung für 100 km/h eingestellt wer- den. Eine Übergangsrege- lung erlaubte aber auch älte- re Wagen. Die DR brachte zunächst Wagen der Typen GGrh15, Gmh11, Gmm14, Ommu39/43, Ommu42 und Ommu44 ein. Die Wagen er- hielten wie auf dem Foto vom 22. Mai 1964 mittels Schablone die Inschrift OPW (in einem Viereck). Wagen mit dieser Kennzeichnung gehörten fortan zum ge- wohnten Bild der Güterzüge, auch im grenzüberschreiten- den Verkehr nach Westeuro- pa. Der Güterverkehr zwi- schen Ostsee, Elbe und Schwarzem Meer wurde er- leichtert und beschleunigt. Mit dem Auseinanderfal- len des Ostblocks wurde der OPW am 31. August 1990

EUROP. 1953 schlossen sich mehrere mittel- und westeuropäische Bahnverwaltungen an. Eine Reaktion auf Europ Ein Jahrzehnt später folgten die Bahnver- waltungen mit Normalspurnetz im sowjeti- schen Machtbereich und gründeten zum 1. Juli 1964 den Общий Парк Вагонов ( ОПВ ), in lateinischer Umschrift Obschtschi Park Wagonow (OPW) als eine Unterorganisati- on des Rates für gegenseitige Wirtschafts- hilfe (Comecon/RGW). Die beteiligten Ver- waltungen BDŽ, CFR, Cˇ SD, DR, MÁV, PKP und die für den Grenzverkehr mit einem

tung zurückgeführt werden musste, son- dern einer nächsten Fracht nach Posen, Chemnitz, Würzburg oder Bochum zur Ver- fügung stehen sollte. Dass freilich jedenTag tausende offener Güterwagen nach Entla- dung ihrer Kohlefracht leer ins Ruhrgebiet, an die Saar oder nach Oberschlesien zu- rückrollen mussten, blieb unvermeidbar. Erst nach zwei Weltkriegen war an einen Neubeginn nun auf europäischer Ebene zu denken. 1950 schufen sich die DB und die SNCF einen gemeinsamen Wagenpark und beschrifteten Güterwagen mit dem markan- ten Symbol des Rahmens mit der Kopfzeile

aufgelöst. In einer Zeit zunehmenden Ganz- zugverkehrs mit Massengütern und des Containerverkehrs hatte der Umlauf von Güterwagen des Einzelladungsverkehrs auch an Bedeutung verloren. Ein Teil der OPW-Wagen kam in den EUROP-Bestand, doch angesichts wachsender Parks von Spezialwagen bei privaten Anbietern und des Aussterbens offener und gedeckter Al- lerweltswagen wurde EUROP Ende 2002 ebenfalls aufgelöst. Nach dem Beginn des russischen Krieges 2022 mitten in Europa wirkt ein politisch-ökonomischer Verbund Ostsee/Elbe/Schwarzes Meer sehr fern. 

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Titel | ALBUM

Bahnpost und Bundesbahn Schnell dank der Schiene

Die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Bundespost waren nicht nur die größten Betriebe der Bundesrepublik Deutschland, die beiden Staatsunternehmen arbeiteten auch Hand in Hand. Die Beförderung von Briefen, Paketen, Wertsendungen geschah lange Jahre zu einem Gutteil auf dem DB-Streckennetz

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Mit dem Schnellgüterzug (Sg) 5402 von Köln-Deutzerfeld nach Stuttgart Gbf kommt im Mai 1960 auch Post nach Süden; das Bild zeigt den Zug mit E 40 138 und einer E 10 auf der linken Rheinstrecke bei Bacharach, wo gerade Bauarbeiten laufen. Überdies hatte die DB Züge allein für die Beförderung von Expressgut und Post eingerichtet (siehe Seite 18) Carl Bellingrodt/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung

Etliche DB-Reisezüge führen Bahnpostwagen zur Beförderung der Postsendungen mit. In der Regel laufen die Wagen am Anfang oder Ende des Zuges, denn ein Durchgang durch die Posträume ist Fahrgästen und DB-Personal unter anderem wegen des Postgeheimnisses nicht erlaubt. Im E 687 Altenbeken – Rheine rollt der Bahnpostwagen ganz vorn; Lok 10 001 bringt den Zug bis Münster (bei Soest, Juli 1967) G. Greß/Eb.-Stiftg.

Während einige Wagen „unbegleitet“ die Postsendungen befördern, sortieren bei den „begleiteten“ Bahnpostwagen mitfahrende Bahnpost- Beamte unterwegs Briefe, Pakete etc. nach den Zielorten ein. Die Arbeit im rollenden Zug verlangt einiges Durchhaltevermögen, zumal es in den Wagen eng werden kann und viele Schichten über Nacht dauern Slg. Oliver Strüber

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Titel | ALBUM

In München Hbf hat 117 114 am 13. März 1972 einen Bahnpostwagen am Gleisstutzen zwischen Gleis 17 und 18 abgeholt, um ihn zu ihrem Zug zu überstellen. Die gelbe Fahne am Wagen zeigt an, dass das Fahrzeug mit Personal besetzt ist – das Rangierpersonal soll also vorsichtig vorgehen Im Juni 1978 ist 218 209 mit einem Schnellzug auf der Strecke Stuttgart – Backnang – Crailsheim unterwegs. Der grüne Vierachser-Postwagen hinter der Lok zählt zu den moderneren, ab den 1960er-Jahren beschafften Ausführungen mit zwei Doppeltüren Georg Wagner, Claus-Jürgen Schulze (Bild oben)

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Überall an größeren Bahnhöfen waren die Karren der Bundespost zu sehen, mit denen die Postsendungen von und zu den Bahnpostwagen gebracht wurden. In Bahnknoten wie Hamburg-Altona hatten die Bahnpost-Mitarbeiter oft zahlreiche Sendungen in den Wagen zu verstauen Slg. Brinker Im Juli 1958 hat Lok 38 2262 einen Personenzug bei Gelnhausen (Strecke Frankfurt (Main) – Fulda) am Haken. Auch im Nahverkehr werden damals noch häufig Bahnpostwagen eingereiht, in diesem Fall ein zweiachsiges Exemplar aus der Nachkriegsbeschaffung Brian Bittner/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung

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Titel | ALBUM

Recht zeitgemäß präsentiert sich der Nahverkehr auf der Nebenbahn Nuttlar – Winter- berg – Frankenberg im Juli 1956. Nur der dreiachsige Postwagen aus Länderbahn- beschaffung, den der Schienenbus mit befördert, macht dabei eine Ausnahme C. Bellingrodt/Slg. Brinker (2, auch r.) Im September 1960 passiert die V 200 078 mit einem Expressgut-/ Postzug die Hohenzollernbrücke in Köln und erreicht gleich den Bahnhof Köln-Deutz. Die V 200 der Bundesbahn war Anfang der 1950er-Jahre auch bei der Bundespost als Zuglok für Posttransporte im Gespräch, die

Idee zerschlug sich aber W. A. Reed/Eisenbahnstiftung

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Mit vereinten Kräften beschleunigen 110 004 und 119 002 im August 1976 den E 2650 Hof – Nürn- berg aus Bamberg Hbf. Die Mitnahme der Bahnpostwagen stellte die Bundesbahn der Bundespost lange Jahre in Form eines Achskilometertarifs in Rechnung; die Höhe der Vergütung gab immer wieder Anlass zu Diskussionen Wolfgang Bügel/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung

Auch so kann der Bahnposttransport bei der Bundesbahn aussehen: Im Oktober 1993 bringt der Bundespost- Beamte die Sendungen direkt zur „Versandstelle“, in dem Fall zu einem 628 in Traben-Trar- bach Volker Emersleben

Im Juni 1964 trifft 86 854 mit Personenzug 8959 in Hessisch Lichtenau ein. Hinter der Lok läuft eine Besonderheit: ein Post 2-p/10,8, ein ehemaliger Postkühlwagen für den Buttertransport, der 1950-52 zum Bahnpostwagen mit Einstiegs- und Arbeitsraum sowie Packraum umgebaut wurde

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Titel | HINTERGRUND

Bahnpost und DB 1949-93 Bundespost fährt Bundesbahn

Seit dem Beginn des Eisenbahnzeitalters gab es eine enge Zusammenarbeit zwischen Post und Bahn. Auch für die Bundespost blieb die Bundesbahn lange Zeit das Mittel der Wahl für die Post- beförderung. Doch stellten sich bald andere Tendenzen ein Von Oliver Strüber/Josef Mauerer/Ralf Heinz/GM

P er Telegramm wurde zum 7. Septem- ber 1949 aus der Deutschen Reichs- bahn der Westzonen die Deutsche Bundesbahn (DB). Passend zur am 23. Mai des Jahres gegründeten Bundesrepublik Deutschland bekam die Staatsbahn einen neuen Namen – und bald eine entsprechende Organisation. Im Alltag änderte sich dadurch wenig, übernahm doch die Bundesbahn im Wesentlichen die Funktionen und betriebli- chen Abläufe der Reichsbahn. Das galt auch für die Kooperation bei der Bahnpost, welche die DB in ihrem Streckennetz zunächst noch mit der Deutschen Post beibehielt. Ab dem 1. April 1950 firmierte das Postunternehmen dann als Deutsche Bundespost (DBP). Nach bewährtem Muster Im Prinzip führten die beiden Staatsbetrie- be der Bundesrepublik die Postbeförderung so fort, wie sie schon vor und im Zweiten

Weltkrieg zwischen Reichspost und Reichs- bahn funktioniert hatte. Auf der Schiene wurden Briefe, Päckchen, Pakete und sons- tige Postsendungen in posteigenen Wagen oder den Abteilen bahneigener kombinier- ter Gepäck-/Postwagen transportiert. Teils fuhren Mitarbeiter der Post in den Wagen mit, um unterwegs die Postsendungen zu sortieren („begleitete Bahnpost“), teils wur- den die Sendungen lediglich auf der Schie- ne befördert („unbegleitete Bahnpost“). So oder so stellte die Bahnpost weiterhin die wichtigste Grundlage des Postverkehrs dar, sowohl auf längeren als auch auf kürze- ren Distanzen und erst recht unter Berück- sichtigung der Folgen des Zweiten Weltkriegs. Nur das nach und nach wiederhergestellte Streckennetz der Bundesbahn ermöglichte der Post einen schnellen Transport der Post- sendungen von A nach B in der Bundesrepu- blik. Wirkliche Alternativen gab es nicht, zu-

mal die Straßenfahrzeuge der Post in noch größerem Umfang von Totalschäden undVer- lusten betroffen waren als die Schienenfahr- zeuge. Selbst alte, aus Länderbahnzeiten stammende und eigentlich längst auszumus- ternde Bahnpostwagen mussten notdürftig am Laufen gehalten werden – wenngleich die Post bereits 1948 die Beschaffung neuer Fahr- zeuge in die Wege geleitet hatte. Immerhin gelang es bis Ende der 1940er- Jahre, einen Großteil der im Krieg zerstörten oder beschädigten Infrastruktur für die Bahnposttransporte wieder herzustellen. Bahnpostämter, Postbahnhöfe, Umladeanla- gen wurden instandgesetzt oder neu errich- tet. Konsequent setzte dann die Bundespost die von ihren Vorgängerinnen eingeleitete Modernisierung des Bahnpostwesens fort: Noch im Gründungsjahr erteilte sie weitere Aufträge zum Bau neuer Bahnpostwagen und erprobte neue Post-Sammelsäcke und

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Am 7. März 1969 ist 01 1054 mit D 66 Norddeich – Köln in Leer (Ostfriesland) eingetroffen und wie bei vielen anderen Reisezügen werden nun Bahnpost (am ersten Wagen) bzw. Gepäck (am zweiten Wagen) verladen. Vier Minuten lässt der Fahrplan dafür Zeit – das verlangt flottes Handeln Robin Fell/Archiv der Eisenbahnstiftung

Die Bundesbahn setzte auch Gepäckwagen ein, in denen Postabteile für die Bundespost vorgese- hen waren. Ein solcher PwgPost ist in den Personenzug eingestellt, mit dem im Juli 1950 Dampflok 98 823 im Bahnhof München-Thalkirchen steht Carl Bellingrodt/Slg. Oliver Strüber Ein Nebenthema, auf das hier aus Platzgründen nicht weiter eingegangen wird, sind die Posttrans- porte der DB für die Alliierten. Der D 170 Straßburg – Lindau mit Kurswagen Paris – Innsbruck führt 1953 einen französischen Postwagen mit (Foto). Laut dem Zugbildungsplan von 1952 lief ein solcher Postwagen für das französische Militär von Kehl bis Lindau in dem Zug Carl Bellingrodt/Eisenbahnstiftg.

cher Vorgaben die grundsätzliche Verpflich- tung, „den Eisenbahnbetrieb in die not­ wendige Übereinstimmung mit den Bedürfnissen des Postdienstes zu bringen“. Dazu hatte die DB auf Verlangen der Post einen posteigenen Bahnpostwagen zu be- fördern. Reichte der Wagen nicht aus, war die DB gehalten, weitere Bahnpostwagen zuzulassen. Ferner konnte die Bundespost verlangen, dass ihr geeignete Güterwagen gestellt oder Abteile in Personen- oder Ge- päckwagen überlassen wurden. Bei be- stimmten Zuggattungen konnte die Benut- zung der Züge durch die Bundespost aber aus bahnbetrieblichen Gründen im Beneh- men mit der Post beschränkt werden. Das galt zum Beispiel für die 1951 eingeführten Fernschnellzüge (F-Züge) des Inlandsver- kehrs, die in der Regel keine Bahnpostwa- gen beförderten. Aufgrund der hohen Reise- geschwindigkeiten wurden sie aber vielfach

Paketbehälter. Zum Jahresende 1950 verfüg- te die DBP über 1.610 Bahnpostwagen (Bpw), in denen insgesamt 8.156 Bahnpost- begleiter ihren Dienst verrichteten. Ganz all- gemein normalisierten sich die Rahmenbe- dingungen: Seit 1948 gab es ein Postkursbuch, in dem alle regelmäßig verkehrenden Züge Wie im Reiseverkehr hatten sich bei der Post die Verkehrsströme nach 1945 grundsätzlich geändert mit Bahnpostbeförderung verzeichnet wa- ren (siehe S. 43-45). Grundsätzlich geändert hatten sich ge- genüber der Vorkriegs- und Kriegszeit indes die Hauptverkehrsströme. Bedingt durch die deutsche Teilung verliefen sie nun vor allem in Nord-Süd-Orientierung und nicht, wie bis- her, in Ost-West-Richtung. Entsprechend

ordnete die Bundespost ihre Verteilstruktur neu. Berlin, bis 1945 ein zentraler Anlauf- punkt, hatte nun einen Sonderstatus, auch daran zu erkennen, dass dort die Deutsche Bundespost Berlin tätig war. Die Zustellung der Post dorthin musste auf der Schiene mit- hilfe der Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn der DDR geschehen, ebenso wie der postalische Austausch mit der DDR. Auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutsch- land dagegen war die Bundesbahn die tra- gende Säule für die Posttransporte. Mit ei- nem beachtlichen Umfang: Allein im Rechnungsjahr 1951 kamen über 4,5 Milliar- den Briefe und 179 Millionen Pakete zusam- men. Der größte Teil davon wurde auf der Schiene befördert und umgearbeitet. Transportregeln – Transportformen Für die Durchführung der Postbeförderung oblag der Bundesbahn aufgrund gesetzli-

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Titel | HINTERGRUND

für die Beförderung von Briefbeuteln be- nutzt. Ähnliches galt fürTriebwagenzüge. Bei der Postbeförderung auf der Schiene unterschied man verschiedene Kategorien: Allesbahnpost (also sämtliche Postsendun- gen), Briefbahnpost, Paketbahnpost, weiter- hin Ladeschaffner-Bahnpost (Postmitnah- me in DB-Gepäckwagen oder in Postabteilen von Reisezugwagen) und Transport-Bahn- post (unbegleitete Beförderung; siehe auch die Aufstellung auf Seite 44). Zunächst galten für die Postbeförderung auf der Schiene noch vergünstigte Sätze aus der Zeit vor 1945. Gerade diese führten immer wieder zu Streitigkeiten. Während die DB in Anbetracht ihrer angespannten Finanzlage versuchte, der Post nur mög- lichst wenige niedrige Ausnahmetarife zu- zugestehen, lag der DBP daran, weitereVer- günstigungen zu erhalten. Steter Zankapfel waren die Achskilometer-Sätze: Während die Bundespost 1950 für die Mitnahme ei- nes posteigenen Wagens 21,88 Pfennige zu zahlen hatte, standen für angemietete Bun- desbahn-Wagen 27,35 Pfennige zu Buche – Tendenz steigend. In der Folge wurden die finanziellen Rahmenbedingungen neu ge- regelt. Mit Datum vom 13. Juli bzw. 13. Au- gust 1956 trat zum Beispiel eine neue Ver- einbarung in Kraft, die bestimmte, wie das Beistellen der Bahnpostwagen durch die DB abzugelten sei. Statt einer seit 1933 ge- zahlten jährlichen Pauschalsumme auf Selbstkostenbasis fielen fortan neun Pro- zent der von der Bundespost zu zahlenden Achskilometer-Kosten zusätzlich als Aus- gleich für die Verschubkosten an. Das „Ge- setz über das Postwesen“, das am 28. Juli 1969 Gültigkeit erlangte, schuf schließlich eine wesentliche Grundlage für dasVerhält- nis von Bundespost und Bundesbahn. Bahnpostwagen in Reisezügen In zahlreichen Reisezügen der Bundesbahn, vom Schnellzug über den Eilzug bis hin zum Personenzug, war der Bahnpostwagen in den 1950er-Jahren ein ständiger Begleiter – und in vielen Fällen sollte sich daran auch in der Folge nichts ändern. Das Ein- und Aus- laden der Bahnpost am Bahnsteig war so selbstverständlich wie das Ein- und Ausstei- gen der Reisenden. Charakteristisch für die in den Reisezü- gen eingestellten Postwagen war, dass sie meist nicht vom Anfangs- bis zum End- bahnhof mitliefen, sondern unterwegs aus- gestellt und nach mehreren Stunden Auf- enthalt wieder einem anderen Zug – zum Teil sogar in dieselbe Richtung – beigestellt wurden. Eingereiht waren die Bahnpostwa- Der in Husum stationierte Beiwagen VB 140 301 im Mai 1956 in Flensburg. Das Fahrzeug (Bezeichnung BPost, vormals CPostv-36) entstand 1938 bei Talbot und besitzt eine Möglichkeit zum Post- transport Reinhard Todt/Bildarchiv der Eisenbahnstiftung

Bahnpostbetrieb an der Höllentalbahn: Im Mai 1954 steht E 244 22 mit einem Personenzug samt Postwagen im Bahnhof Titisee Carl Bellingrodt/Slg. Oliver Strüber

Vorgeschichte Bahnpost in Deutschland bis 1945

1841: Der erste Bahnpostwagen verkehrt zwischen Leipzig und Berlin. 1849: Erste Bahnposten in Baden („Post-Spedi- tions-Bureaux“) und Preußen („Post-Speditions- Ämter“) mit Beförderung und Umarbeitung der Postsendungen während der Fahrt. 1851: Erstmalige Nutzung des Begriffs „Bahn- post“ in postamtlichen Blättern Bayerns. Aufnahme des Bahnpostdienstes in Bayern, Sachsen und Mecklenburg-Schwerin. 1852 folgen Württemberg und 1853 Hannover. 1861 kommt auch Thurn&Taxis hinzu. 1871: Die nach Gründung des Deutschen Reiches eingerichtete Deutsche Reichspost (DRP) übernimmt die Bahnpoststellen in Deutschland – außer in Bayern und Württemberg, die ihre Posthoheit weiter behalten. 20. Dezember 1875: „Eisenbahnpostgesetz im Deutschen Reich“ (EPG): Eisenbahnen müssen ihre Dienstleistungen der Post unentgeltlich zur Verfügung stellen; offizielle Einführung der Begriffe „Bahnpost“ und „Bahnpostamt“ als Fachausdrücke der Post- sprache.

1920: Vereinigung der bayerischen und württembergischen Postverwaltungen mit der Reichspostverwaltung; alle Bahnpostwagen fahren nun unter Regie der DRP. August 1924: Aufhebung der unentgeltlichen Beförderung von Bahnpostwagen, stattdessen hat die Reichspost ab dem 11. Juni 1925 eine Achskilo- meter-Vergütung zum Ausnahmetarif zu zahlen. 1925: Das deutsche Bahnpostnetz umfasst 70.000 km Eisenbahnstrecken und wird von täglich 14.000 Zügen mit rd. 4.000 Bahnpostwa- gen und 10.000 Bahnpostfahrern bedient. Zweiter Weltkrieg: Einrichtung deutscher Postverwaltungen in den besetzten Ländern. 1941: Einführung eines Leitzahlensystems (Nummern 1 bis 24), ab 1943 teilweise durch Kleinbuchstaben ergänzt. Mai 1945: Der Bahnpostverkehr wird auf alliierten Befehl vorübergehend eingestellt 1945/46: Neugründung der „Deutschen Post“, zunächst auf die einzelnen Besatzungszonen beschränkt. Von Ende 1945 an verkehren wieder Bahnpostwagen in regulären und regelmäßigen Kursen auf westdeutschen Schienen.

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