NATIONAL GEOGRAPHIC

SEPTEMBER 2025

GALAPAGOS- INSELN Rückkehr der Riesen- schildkröten auf die Insel Floreana

DER GRIFF NACH DEM MOND Rohstoffe nutzen, forschen, Infrastruktur aufbauen: Wie realistisch sind die Ziele?

ÖKOTOURISMUS Warum der Zug zu den Maya-Stätten in Mexiko umstritten bleibt

KONGOBECKEN Wie junge Klimaforscher Daten aus der Kolonialzeit nutzen

landrover.de

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NATIONAL GEOGRAPHIC

EDITORIAL CLAUDIA EILERS

den Mond brauchen, gehen wir ab Seite 66 nach. Ergänzend erzählt mein Kol- lege Florian Kappelsberger von den Problemen, denen Menschen auf dem Mond ausgesetzt sind. In der Kölner Luna Analog Facility der DLR erproben Forscher die Arbeit auf dem Mond unter realis- tischen Bedingungen. Gleißendes Licht, schwarze Schatten, Ödnis – warum, fragte er, will ein Mensch dorthin? Die Antwort: Wegen unserer Neugier – und unseres unendlichen Forscherdrangs.

ZWISCHEN 1969 und 1972 betraten im Rahmen von Apollo 11 bis 17 insgesamt zwölf Menschen den Mond – das Scheitern von Apol- lo 13 mit der atemberaubenden Rettung der drei Astronauten hat zum Optimismus vielleicht sogar beigetragen: Der Sprung zum Mond wird Routine, der Besuch des Mars ist absehbar. Erst heute, viele Jahrzehnte später, steht eine Rückkehr zum Mond im Rahmen des Artemis-Programms bevor. Die enormen Kosten lassen sich nur durch internationale Zusammen- arbeit stemmen – und durch Betei- ligung privater Unternehmen. Die haben handfeste wirtschaftliche Interessen. Der Frage, wie realis- tisch eine Mondökonomie ist, ob wir gar einen Umweltschutz für

Danke, dass Sie NATIONAL GEOGRAPHIC lesen!

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JG. 27

NATIONAL GEOGRAPHIC

NR. 9

I NHA LT

5 EDITORIAL | 8 IM FOKUS

UNSERE THEMEN

18 FORSCHUNG & FAKTEN Wie heilende Superkräfte des Axolotl Menschen helfen könnten; Baumaterial aus Blaualgen, das CO 2 aus der Luft bindet; Fadenwür- mer, die sich auf- einanderstapeln, um Insekten leich- ter als Mitfluggele- genheit zu nutzen.

20 GENIAL GEDACHT In Niedersachsen gedeihen Tomaten mit aufbereitetem Wasser aus dem Klärteich. 22 KALEIDOSKOP Am 19. September ist Earth Night. Neue Forschung über den Wert der Dunkelheit.

52 EXPLORER Die Meeresfor-

scherin Katy Croff Bell geht mit Inno- vationen der Tief- see auf den Grund. 56 HINTERGRUND Wie waghalsige Fahrer von Motor- radtaxis die Millionenstadt Lagos bewegen.

Diese Fußfessel aus der Frühen Neuzeit lag im Ufer- schlamm der Themse.

114 ENTDECKUNG Das Graben nach Artefakten am Ufer der Londoner Themse war ein stilles Hobby der Mudlarks. Jetzt zieht die Schatzsu- che Influencer an.

120 Tren Maya: Ein Zug bringt Besucher zu Mexikos Kultstätten.

144 TRAVELER | 148 NATGEO-WELT | 150 IMPRESSUM | 152 VORSCHAU

UNSER COVER Die NASA-Konzeptillustration stellt Regolith oder Mondstaub in den Fokus. Als Rohstoff könnte er bei der Errichtung einer Mondbasis verwendet werden. Foto SCIENCE PHOTO LIBRARY / NASA

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26 Zuchtsensation: Eine Schildkröte schlüpft in einem Aufzuchtzentrum auf Galapagos.

REPORTAGEN

26 RÜCKKEHR DER SCHILDKRÖTEN Die Floreana-Rie- senschildkröte starb im 19. Jahr- hundert aus. Nach langer Spuren- suche und einem aufwendigen Zuchtprogramm sollen ihre Nach- fahren nun auf die Galapagosinsel zurückkehren.

66 UNSER MOND Mit Artemis-II

90 KONGOS GRÜNES HERZ Lange wurde das Kongobecken in Klimamodellen vernachlässigt. Nun bringen junge Forscher aus Zentralafrika neue Perspektiven ein und lenken die Aufmerksamkeit auf den riesigen Regenwald.

120 STREIT UM

DEN MAYA-ZUG Der Tren Maya, Mexikos größtes Infrastruktur- vorhaben, soll Tourismus und Entwicklung fördern – doch Kri- tiker warnen vor Umweltzerstörung und dem Verlust des kulturellen Maya-Erbes.

beginnt ein neues Kapitel der Raum- fahrt. Wie wird der Mensch den Mond verändern? 86 MOND-MODELL In Köln erproben Astronauten Missi- onen zum Mond.

FOTOS (V. L. N. R.): SIMON ROBERTS, LONDON MUSEUM; ROBBIE SHONE UND ANGIE SMITH; LUCAS BUSTAMANTE

TITELTHEMEN SIND GELB MARKIERT.

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IM FOKUS

NEUE BILDER UNSERER FOTOGRAFEN

S PORT

„Während meines dreitägigen Besuchs hatte sie ihr Skateboard stets dabei. Bis ihr dieser SPRUNG gelang, war sie immer wieder gestürzt . Ihr beim Skaten zuzusehen, war inspirierend .“

CHANTAL PINZI, Fotografin

Die 18-jährige Shurube Warito versucht einen „Flyout“ im Skatepark eines Jugendzentrums in Awassa, Äthiopien. Häufig ist sie dort die einzige Skaterin.

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7 Flüge. 750 Meter Höhe. 159 Salzseen. One Moment

Tom Hegen, The Salt Series I Für den Moment, der bleibt. WhiteWall Fotodruck: Ihr Bild, unsere Leidenschaft.

Fotoabzug hinter Acrylglas Holzrahmen Hamburg Nussbaum

Ausgezeichnet mit dem TIPA World Award „Best Photolab.“ Galerie-Qualität printed by WhiteWall.com

IM FOKUS

S P EKTAKE L

„Übersetzt heißt maut ka kuan so viel wie Todesschacht.

Ich dachte, dass ich mit Angst gut

umgehen kann – bis ich dieses Spektakel HAUTNAH erlebte. Die Gefährlichkeit ließ mich zittern.“

SAYANDEEP ROY, Fotograf

Beim Durga-Puja-Festival in Agartala, Indien, halten sich die Fahrer Rubel Sheikh (o.) und Anil Khan (u.) an den Händen, während sie an einer fast senkrechten Wand sechs Meter über

dem Boden mit ihren Autos entlangrasen.

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TRAD I T I ON

„Bei der Nikkah -Zeremonie meiner Schwester trugen alle Bandmitglieder Hijab. Laute Trompeten und Trommeln, farbenfrohe Uniformen – ich war total BEGEISTERT.“

MEHAIRA ABDELHAMID, Fotografin

Abdelhamids Familie hielt in ihrem Haus in Khartum, Sudan, eine traditionelle islamische Nikkah ab, die Zeremonie zur Unterzeichnung eines Ehevertrags.

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IN FOCUS

LANDSCHAFT

„Langlebige Kiefern überdauern Jahrtausende . Wie in TRANCE wanderte ich den Pfad entlang, fasziniert von den Bäumen, die auf Dolomitstein in 3000 Meter Höhe gedeihen.“

MITCH EPSTEIN, Fotograf

Inmitten der knorrigen Bäume des Ancient Bristlecone Pine Forest im Inyo National Forest in Kalifornien stehen Exemplare, die mehr als 4000 Jahre alt sind.

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IM FOKUS

OZ EANE

„So muss das Meer vor 50 Jahren für AMA-TAUCHER ausgesehen haben— üppiger Seetang, eine reiche Ernte. Die Realität sieht anders aus.“

JENNIFER ADLER, Fotografin und National Geographic Explorer

Vor der Küste von Shima, Japan, sucht die Freitaucherin Kiyomi Yamashita in einem Seetangfeld nach Meeresschnecken. Aufgrund des Klimawandels ist der Lebensraum vieler Meerestiere bedroht – und damit auch die Existenz- grundlage der als „Ama“ oder „Meerfrauen“ bekannten Sammlerinnen.

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Jetzt auf Entdeckungstour durch Münchens Stadtviertel gehen und versteckte Ecken kennenlernen! Viertelliebe München

einfach-muenchen.de/fuehrung-viertel @simplymunich

GESUNDHEIT

MARCO GARRO, Fotograf und National Geographic Explorer „Er erzählte mir, dass er gerne Arzt oder Ingenieur werden würde. Aber vorerst HOFFT er, die Highschool abzuschließen.“

Josué Tolentino lebt in Cerro de Pasco, einer Bergbaustadt in den peruani- schen Anden. Sein Blut enthält hohe Mengen Blei und Arsen. Garro schuf dieses Porträt mit Wasser, das mit Schadstoffen aus dem Bergbau verseucht ist. Er möchte so die Auswirkungen des Bergbaus auf die Gesundheit visualisieren.

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I ES GIBT VIEL

ZU ENTDECKEN!

September/Oktober 2025

NATIONALGEOGRAPHIC.DE

ALOHA HAWAII SEHNSUCHTSORT ZWISCHEN HIMMEL UND MEER

+ GRANADA KÄRNTEN SMÅLAND

EMPFEHLUNGEN VON LUXUS BIS FAMILIÄR NEUE HOTELS

NATÜRLICH POLEN WESTPOMMERN PER FAHRRAD ERLEBEN SAFARI IN SAMBIA ZU FUSS DURCHS TAL DER LEOPARDEN

So wild, so Groß- Britannien URSPRÜNGLICHE NATUR, REICHE GESCHICHTE, LOKALE KÜCHE: 24 GUTE GRÜNDE FÜR EIN INSELABENTEUER

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FORSCHUNG & FAKTEN

HEILENDER SCHLEIM MED I Z I N

BERÜHMT ist der Axolotl nicht nur wegen seines niedlichen Aussehens. Er hat auch die verblüffende Fähigkeit, Arme, Beine und sogar Teile des Gehirns nachwachsen zu lassen. Und der Schwanzlurch hat noch viel mehr in petto: In seinem Schleim verste- cken sich antimikrobielle Peptide (AMP), die extrem erfolgreich vor Krankheitserregern schützen. Forschende der Medizinischen Hochschule Hannover sind zuversichtlich, dass auch der Mensch von diesen Super- kräften profitieren kann. So zeigten die

Wissenschaftler, dass die besonderen Lurch- Peptide selbst den gefürchteten Kranken- hauskeim MRSA bekämpften. „Sie wirkten gegen MRSA sogar besser als das Reserve- antibiotikum Vancomycin“, sagt die Biologin Sarah Strauß. „Wir vermuten zudem, dass Erreger weniger oft Resistenzen gegen Axo- lotl-AMPs entwickeln als gegen Antibiotika. “ In ersten Labortests wirkten die Stoffe über- raschenderweise auch gegen Brustkrebs. „Sie töteten gezielt Krebszellen, ohne gesunde Zellen anzugreifen“, so Strauß.

„WIR KENNEN DEN MEERESGRUND WENIGER GUT ALS DIE MONDKRATER.“ UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay

10000 Handelsschiffe möchte die UNESCO daher mit Sensoren aus- statten. Sie sollen in Echtzeit Wetter- und Meeresdaten übertragen und so zum besseren Verständnis der Ozeane und des Klimas

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NEUES aus UMWELT, TECHNIK und GESUNDHEIT

NACHHALTIG

Kein Schaumschläger Schaumstoffe sind aus dem Alltag nicht weg- zudenken. Doch sie produzieren enorme Mengen an Müll und verschlingen wert- volle Ressourcen. For- schern der TU Graz ist es gelungen, einen Schaumstoff aus Zel- lulose statt Erdöl her- zustellen. Er lässt sich biologisch abbauen und recyceln.

BAUEN

IN DEN BRUTKAMMERN der ETH Zürich gedeiht etwas, das die Bauindustrie revolutionieren könnte. Die Verfahrens- techniker entwickelten ein lebendiges Material aus Blaualgen – eine der ältesten Lebensformen der Welt. Im Zuge der Foto- synthese binden diese CO 2 aus der Luft. „Das Besondere ist, dass sich während dieses Prozesses auch Mineralien in ihrem Innern ablagern, wodurch die zuerst weichen Strukturen aus- härten“, erklärt Institutsleiter Mark Tibbitt. Die Blaualgen befinden sich in einem Hydrogel, das sich mittels 3-D-Druck beliebig formen lässt. „In Zukunft wollen wir das Gel als Beschichtung für Gebäudefassaden verwenden“, so Tibbitt. LEBENDE STRUKTUREN SCHLUCKEN CO 2

Skateboard mit nach- haltigem Schaumstoff.

MI TMACHEN

App schützt Bäume In der Stadt filtern Bäume Feinstaub aus der Luft, dämpfen Lärm, kühlen im Som- mer und bieten Tieren Zuflucht. Doch der Klimawandel setzt dem urbanen Grün zu. Städter können jetzt mit der App „Mein Baum“ etwa anhand von Fotos den Zustand ihrer Bäume doku- mentieren. Mit den so gewonnenen Daten wollen Forscher ver- besserte Schutzmaß- nahmen entwickeln.

T I ERWELT

Wenn Nahrung knapp ist, machen sich Fadenwürmer der Art C. elegans einfach aus dem Staub. Da sich die winzigen Tier- chen allerdings nicht von selbst auf große Wanderschaft bege- ben können, nutzen sie Insekten als Mitfluggelegenheit. Forscher des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie und der Univer- sität Konstanz beobachteten, wie sich mitunter 200 Exemplare zu einem Turm aufeinanderstapelten, um so leichter vorbei- fliegende Insekten erreichen zu können. „Das ist nicht nur ein Haufen Würmer“, sagt Erstautorin Daniela Perez. „Das ist koor- diniertes Verhalten – ein Superorganismus in Aktion.“ FLUCHT VIA FLUGTAXI

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DURSTIGE PFLANZEN Wahrenholz, Südheide Landwirt Stefan Pieper (l.) mit Projektleiter Professor Thomas Dockhorn im Gewächshaus. Die Tomaten gedeihen mit wenig Wasser; ihre Nährstoffe beziehen sie aus gereinigtem Abwasser.

GENIAL GEDACHTE PROJEKTE (I34)

ABWASSER MARSCH!

Süßwasser wird immer knapper. Die Landwirtschaft der Zukunft braucht neue, ressourcenschonende Anbaumethoden. In Niedersachsen wachsen Tomaten nun mit aufbereitetem Wasser aus dem Klärteich.

Text JULIA GRAVEN Foto JONAS DENGLER

STEFAN PIEPERS GEWÄCHSHAUS ist ein Paradies für Tomatenfans: Bis unter das Dach wachsen leuchtend rote Cherry- und Cock- tailtomaten. Das Besondere: Sie gedeihen mit aufbereitetem, kommunalem Abwasser – bei Gemüse für den Rohverzehr ein Novum in Deutschland. „Bisher wurde gereinigtes Abwasser nur für Produkte verwendet, die weit weg vom menschlichen Verzehr sind, wie Mais für Biogasanlagen“, erklärt Tho- mas Dockhorn von der TU Braunschweig. Er hat den Anbau im Projekt „Hypowave“ mit Partnern aus Wissenschaft und Praxis zehn Jahre lang erforscht. Nach der Aufbereitung erfülle das Wasser „die strengen Anforderun- gen der EU-Verordnung zur Wasserwiederver- wendung“. Stickstoff oder Phosphor bleiben für die Tomaten im Wasser. „Man muss dem Bewässerungswasser praktisch keine weiteren Nährstoffe mehr zusetzen“, sagt Dockhorn. Pieper baut bisher vor allem Kartoffeln an. „Aber wenn die Sommer weiter so trocken bleiben, wird es mit Kartoffeln schwierig“, sagt der Landwirt. Das Gewächshaus, das neben dem Klärteich der Gemeinde steht, soll dürren Zeiten trotzen. Eine mehrstufige Anlage reinigt das Wasser mit Sandfilter, Mi- krosieb, Aktivkohlebiofilter und UV-Reaktor.

Im Gewächshaus fließt das Wasser über dünne Schläuche direkt zu den Wurzeln, die in Steinwolle statt Erde wachsen. Die effiziente Hydroponik spart bis zu 90 Pro- zent Wasser. Wenn es den Kreislauf verlässt, ist das Nass nahezu frei von Stickstoff oder Phosphor. Die Gemeinde kann sich so den teuren Anschluss an die Kläranlage sparen. „Die eierlegende Wollmilchsau ist uns tat- sächlich gelungen“, sagt Dockhorn. Seit 2023 erlaubt die EU gereinigtes kom- munales Abwasser für die Landwirtschaft. In Südeuropa ist dies bereits Praxis. „Uns war anfangs nicht klar, dass solche Toma- ten also längst auf dem Markt sind“, sagt Dockhorn. Das Bundesinstitut für Risikobe- wertung sieht Wasserwiederverwendung in hydroponischen Systemen kritisch, weil die Datenlage noch unzureichend sei. Im nieder- sächsischen Pilotprojekt sei das Wasser laut Dockhorn jedoch einwandfrei. Stefan Piepers Frau Wiebke ist besonders vom Geschmack der ausgereiften Tomaten begeistert. Gerade hat sie die ersten Kisten zum Edeka-Händler im Ort gebracht. Der präsentiert die lokalen Früchte im selbst gezimmerten Holzaufsteller – und hat dafür „Gut&Günstig“- Ware aus dem Sortiment genommen.

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KALEIDOSKOP

Erhellendes über die NACHT

Am 19. September würdigt die „Earth Night“ den Wert der nächtlichen Dunkelheit. Die wird wegen des künst- lichen Lichts immer rarer.

Text FLORIAN KAPPELSBERGER

2 HIMMEL OHNE STERNE Ob Straßenlaternen oder Leuchtreklamen: Künstliches Licht drängt die Nacht zurück. Zwischen 2011 und 2022 sam- melte eine Studie weltweite Beobachtungen des Nachthim- mels. Das Ergebnis: Die Nacht wird heller, im Durchschnitt um fast zehn Prozent jährlich. Die Sterne werden zunehmend unsichtbar. Diese Lichtver- schmutzung hat Folgen: Künst- liches Licht stört nachtaktive Insekten beim Bestäuben von Pflanzen, die nur nachts blü- hen. Bei Menschen erhöht sie das Risiko für Schlafstörungen, Depression und Krebs.

1 LEBEN IM DUNKELN In der Polarregion bleibt die Sonne über Tage bis Monate vollständig unter dem Horizont, es herrscht Finsternis. Im norwegischen Tromsø hält diese Polarnacht zwei Monate an, am Nordpol sogar ein halbes Jahr. Einige Tiere haben sich an diese lange Nacht angepasst: Die Augenfarbe von arktischen Rentieren wechselt im Winter von Gold zu Blau. So wird das Licht der Sonne nicht reflek- tiert, sondern auf der Netzhaut zerstreut; die Tiere sehen mehr in der Dunkelheit und nehmen sogar UV-Licht wahr.

3 NACHTAKTIV Während wir Menschen nachts schlafen, sind rund 70 Prozent aller Säugetiere nachtaktiv. Unser Eingreifen in die Natur verändert diesen Rhythmus: Überall auf der Welt verlagern Wildtiere, etwa Tiger und Rehe, ihre Aktivität verstärkt in die Nacht, um Men- schen zu meiden, die in ihre Lebensräume eindringen. For- scher aus Italien und der Schweiz fanden heraus, dass Alpenstein- böcke zunehmend nachtaktiv sind, um der Hitze des Tages zu entgehen – eine Reaktion auf den Klimawandel.

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NATIONAL GEOGRAPHIC

Mit seinen licht- empfindlichen Augen ist der Riesenfischuhu (Ketupa blakistoni) wie alle Eulen per- fekt an die Nacht angepasst.

4 RUHE FÜRS GEHIRN Unser Gehirn braucht die Nacht. Im Dunkeln erholt es sich davon, ständig Reize verarbeiten zu müssen. Aber was, wenn die Dunkelheit bleibt? Die Künst- lerin Marietta Schwarz lebte im Februar 2007 über drei Wochen hinweg mit einer Augenbinde. Schwarz berichtete von Halluzinationen, sie sah Leo- pardenfell und Tapetenmuster. Auf dem Gehirnscan stellten Forscher des Max-Planck-Insti- tuts für Hirnforschung in Frank- furt/M. fest, dass ihr visueller Cortex aktiv war, obwohl sie keinerlei bildlichen Input erhielt.

6 NACHTSICHT Viele Tiere sind an die Dunkel- heit angepasst: Katzen und Eulen sehen nachts ausgezeich- net. Menschen dagegen sehen nur beschränkt im Dunkeln. Ob Technologie das ändern kann? Chinesische Forscher haben eine Kontaktlinse entwickelt, die es Menschen erlaubt, Infrarotstrah- lung zu sehen. Nanopartikel auf der Linse nehmen Lichtfrequen- zen auf, die für das menschliche Auge eigentlich unsichtbar sind. Dieser Ansatz könnte nicht nur Nachtsicht ermöglichen, sondern auch farbenblinden Menschen eine Sehhilfe bieten.

5 EWIGER SCHATTEN Anderswo im Universum endet die Nacht nie: Forscher ver- muten, dass sich der Exoplanet Proxima Centauri b in genau der gleichen Zeit um die eigene Achse dreht, wie er seinen Stern umkreist – man spricht von gebundener Rotation. So ist eine Seite des Planeten perma- nent dem Roten Zwerg ausge- setzt, während die andere Seite ewig im Schatten bleibt. Auf den beiden Hälften könnte deshalb extrem unterschiedliches Klima herrschen, von Eislandschaften bis zu trockenen Wüsten.

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VOM REGISSEUR VON MEINE BRAUT, IHR VATER UND ICH UND DEM AUTOR VON POOR THINGS

Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt

Ab 28. AUGUST IM KINO

REPORTAGEN im SEPTEMBER

26 GALAPAGOS-SCHILDKRÖTEN 66 MOND 90 KONGOBECKEN 120 TREN MAYA

AUFBRUCH IM KONGO Die Forschungs-

station Yangambi im Kongo wurde wäh- rend der belgischen Kolonialherrschaft gebaut. Heute nutzen junge Forscher die Station – und Kinder das ehemalige Schwimmbad zum Spielen.

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DIE RUCKKEHR DER VERLORENEN SCHILDKROTEN VON GALAPAGOS

Riesenschildkröten inspirierten Darwin – und bewahrten Seefahrer vor dem Hungertod. Auf der Insel Floreana gab es die Reptilien Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr. Wie eine Gruppe hartnäckiger Forscher ihre Wiederansiedlung ermöglichte.

TEXT HANNAH NORDHAUS FOTOS LUCAS BUSTAMANTE

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Die Galapagosinseln sind nach den Riesenschildkröten benannt, die seit Millionen Jahren auf dem Archipel leben. Tiere gemischter Abstammung wie dieses Exemplar bevölkern einen abgelegenen Winkel der Insel Isabela. Der Ort hat sich zu einer Hochburg der Genforschung entwickelt.

IM Oktober 1820 ging das Walfangschiff Essex aus Nantucket in einer Bucht der Galapagosinsel Floreana vor Anker, mehr als 1000 Kilometer von der Küste Ecuadors entfernt. In ihren Beibooten ruderten die Seeleute an Land. Sie folgten den von Reptilien ausgetretenen Pfaden durch Basaltgeröll und das Gestrüpp aus Salzsträuchern – „immer auf der Suche nach dem Objekt ihrer Begierde“, schrieb der Schiffsjunge Thomas Nickerson.

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Die gemeinnützige National Geographic Society fördert die Erforschung und den Schutz der Wunder unserer Erde. Sie finanzierte die Arbeit der National Geographic Explorer Hannah Nordhaus und Adalgisa Caccone.

Die Seeleute waren auf der Jagd nach Gala- pagos-Riesenschildkröten. Die Tiere unter- scheiden sich von Insel zu Insel – manche haben kuppelförmige Panzer, bei anderen ist der Panzer am Hals nach oben geschwungen wie ein spanischer Reitsattel. Jedes einzelne bot Nahrung für mehrere Seeleute. Fanden sie eine Schildkröte, dann drehten sie sie um, banden Segeltuchriemen an ihre Beine und hievten sie sich wie einen Rucksack auf den Rücken. Die größten Exemplare, mehr als 225 Kilogramm schwer, banden sie an den Bei- nen an lange Stangen und schleppten sie mit vier bis sechs Mann über das holprige Lava- gestein zurück zum Schiff. Im Laderaum türmten die Männer sie wie Stapelschüsseln aufeinander. „Die Tiere essen und trinken nicht, und man kümmert sich nicht im Geringsten um sie“, schrieb Owen Chase, erster Offizier der Essex . Das Schiff nahm mehr als 60 Schildkröten von Floreana mit, wegen ihrer geschwungenen Panzer Sattelrücken genannt. Wie der Schiffsjunge Nickerson schrieb, hatten sie „das aroma- tischste und köstlichste Fleisch, das ich je gegessen habe“. Schließlich brach das Schiff zu den Walfanggebieten im Pazifik auf, wo es einen Monat später ein Wal rammte – es war die Katastrophe, die Herman Melville zu seinem Roman „Moby Dick“ inspirierte. Die Seeleute retteten aus dem sinkenden Schiff so viele Schildkröten, wie auf ihre kleinen Bei- boote passten; sie aßen sie – und schließlich auch einander – auf ihrer verhängnisvollen Rückreise zum südamerikanischen Festland. Die übrigen Schildkröten sanken mit dem Schiff oder trieben auf dem Meer davon. Die Essex war bei Weitem nicht das einzige Schiff, das Schildkröten raubte. Während der Reise, die ihn zu seiner Evolutionstheorie inspirieren sollte, landete Charles Darwin 1835 auf Floreana. Dort hörte er von Walfang- schiffen, die bei einem einzigen Besuch bis zu 700 Schildkröten mitnahmen. „Ihre Zahl ist auf dieser Insel natürlich stark zurückge- gangen“, schrieb er. Nach Schätzungen von Historikern nahmen zwischen 1774 und 1860

vorüberfahrende Schiffe etwa 100 000 der fast 300 000 Schildkröten mit, die zur Zeit der Ankunft der Spanier im Jahr 1535 auf den Inseln gelebt hatten. So ging die Population aller 15 Galapagos-Riesenschildkrötenarten stark zurück, drei Arten starben aus. Die Flo- reana-Riesenschildkröte war die erste, die verschwand. Zuletzt wurde sie in den 1850er- Jahren gesichtet. Heute, fast 200 Jahre später, ist die Floreana- Schildkröte dafür die erste ausgestorbene Galapagos-Art, die an ihren angestammten Lebensraum zurückkehren soll. Die Wieder- belebung dieser riesigen Kreaturen fällt in eine Zeit, in der die angebliche Wiederauferstehung des „Schattenwolfs“ Aenocyon dirus Schlagzei- len macht und Wissenschaftler daran arbeiten, die Gene weiterer lange ausgestorbener Lebe- wesen wiederherzustellen, etwa die des Woll- haarmammuts. Solche prähistorischen Arten würden allerdings in eine Welt zurückkehren, die seit Jahrtausenden ohne sie existiert hat. Die Nachkommen der Floreana-Schild- kröten hingegen kehren an den Ort zurück, an den sie einst gehörten. Sie spielen eine ent- scheidende Rolle in einem Ökosystem, das sie noch immer dringend braucht. Um dies zu erreichen, hat ein Team engagierter Wissen- schaftler die Grenzen der Gensequenzierung ausgereizt und eine bisher verborgene Spezies identifiziert. Sie bereisten entlegene Winkel des Archipels und durchsuchten in staubigen Archiven Knochen und Panzer, um eine der größten Missetaten der Geschichte der Gala- pagosinseln wiedergutzumachen. Ihre faszinierende wissenschaftliche Reise begann im Jahr 2000, als ein Team von Naturschutzbiologen die dicht bewachsenen Schluchten am Fuße des abgelegenen Vulkans

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Vulkangestein des nahe gelegenen Vulkans Wolf bedeckt den nördlichen Teil von Isabela (Foto). Fast 150 Jahre nach dem Verschwinden der Floreana-Riesen- schildkröten ent- deckten Forscher hier eine ungewöhnliche Schildkröten-Population. Sie lieferte Hinweise darauf, wie man die ausgestorbene Art wiederbeleben könnte.

Wolf auf der Insel Isabela durchstreifte. Man- che der dortigen Schildkröten, bemerkten sie, sahen anders aus: Die Tiere hatten sattelför- mige Panzer, ein Zeichen dafür, dass sie einer anderen Art angehörten als die bekannteren Schildkröten mit den kuppelförmigen Pan- zern. „Es gab Gruppen von Schildkröten, die fehl am Platz wirkten“, erinnert sich der Bio- loge James Gibbs. Der National Geographic Explorer leitet das Galapagos Conservancy, das

sich für den Schutz und die Wiederherstellung der Ökosysteme auf den Inseln einsetzt. Um mehr zu erfahren, nahmen Gibbs und sein Team Blutproben von jeder ungewöhn- lich aussehenden Schildkröte und versahen so viele Tiere wie möglich mit Identifikati- onsmarken. Ihre Proben schickten sie an ihre Forschungspartnerin Adalgisa Caccone, Evolu- tionsbiologin an der Yale University. Die DNA stimmte mit keiner lebenden Schildkrötenart

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ihren Überschuss über Bord, ehe sie in See sta- chen. Ein paar dieser Tiere könnten an Land getrieben sein und sich schließlich mit den dort heimischen Schildkröten gepaart haben. Die Walfänger waren für den Tod so vieler Schildkröten verantwortlich. Vielleicht haben sie, wenn auch unbeabsichtigt, das Überleben der Gene dieser Tiere gesichert. S eit Mitte des 20. Jahrhunderts arbei- ten Forscher daran, die Riesenschild- krötenarten der Galapagosinseln zu retten. Damals waren nur noch wenige Tausend Exemplare auf dem gesamten Archipel übrig. Die Walfänger waren zwar verschwunden, doch die Schildkröten fie- len weiterhin Tieren zum Opfer, die die Men- schen eingeschleppt hatten: Ratten, Schweine, Hunde und Ameisen ernährten sich von ihren Eiern und Jungtieren, Ziegen und Esel fraßen ihnen ihre Nahrung weg. Die Verantwortlichen des Nationalparks wussten, dass sie etwas unternehmen mussten, um nicht noch mehr Arten zu verlieren. Sie begannen auf der Insel Española, wo die Population auf 14 Tiere geschrumpft war. Zwischen 1964 und 1974 brachten Mitarbeiter alle Schildkröten von der Insel in die Charles- Darwin-Forschungsstation am Hauptsitz des Parks auf der Insel Santa Cruz. Der Zoo von San Diego schickte ein kräftiges Männchen, das laut Abstammungspapieren in den 1930er- Jahren von der Insel Española gekommen war. Mit dessen Hilfe züchteten sie Tausende von Bei der Ankunft der Spanier im Jahr 1535 lebten Hunderttausende Schildkröten auf den Galapagosinseln. In den folgenden Jahrhunderten wurde ihr Fleisch zu einer Nahrungsquelle für hungrige Seeleute, was das Überleben der Art bedrohte. In den vergangenen 50 Jahren hat sich die Population durch den unermüdlichen Einsatz von Nationalpark-Mitarbeitern, Forschern und Naturschützern erholt.

in ihrer Gendatenbank überein. Caccone war verwirrt. „Ich nannte sie ‚Aliens‘“, sagt sie. „Wir wussten schließlich nicht, woher sie kamen.“ Die Forscher vermuteten, dass ein paar dieser Aliens von Walfangschiffen wie der Essex aus an Land getrieben sein könnten. Bahia de Bancos an der Westflanke des Vul- kans war für viele Schiffe auf dem Weg zu den Walfanggebieten der letzte Ankerplatz vor den Galapagosinseln. Seeleute warfen manchmal

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NEUE HOFFNUNG NACH JAHRHUNDERTEN Die Ausbeutung der Galapagos-Riesenschildkröten durch den Menschen führte zu einem starken Rückgang aller Arten; drei sind ausgestorben. Durch die Zucht in Gefangenschaft und die Bekämpfung invasiver Tierarten konnte der negative Trend aufgehalten werden.

Zeit der Ausbeutung (1800–1950)

Zeit des Schutzes (ab 1970)

Walfang Seeleute ernähr- ten sich von Schild- kröten und nahmen sie als Proviant mit.

Kolonialisierung Die Einführung von Hunden und Ratten reduzierte die Popu- lationen zusätzlich.

Schildkrötenarten mit sattelförmigem Panzer besiedelten Inseln, die für Seeleute gut zugänglich waren. Ihre Bestände haben sich daher nicht so stark erholt wie die Populationen der Tiere mit kuppelförmigem Panzer.

Arten mit Kuppelpanzern oder Zwischen- formen

25000

300000

Schildkröten auf allen Inseln (geschätzt)

Schildkröten

200000

15000

100000

Sattelförmiger Panzer

5000

Entdeckung des Galapagos- Archipels durch die Europäer

1535

1800

1950

1970er

2010er

Schildkröten und Walfänger Im 18. und 19. Jahrhundert ankerten Walfänger vor den Galapagosinseln. Die Seeleute fingen die riesigen Tiere, um sie an Bord ihrer Schiffe zu Öl und Nahrung zu verarbeiten. Diese Praxis führte in den 1850er-Jahren zum Aussterben der Floreana-Art.

GRAFIK: DIANA MARQUES UND SEAN MCNAUGHTON, NG. QUELLE: JAMES GIBBS, GALAPAGOS CONSERVANCY. FOTOS: NATURAL HISTORY MUSEUM, LONDON/SCIENCE PHOTO LIBRARY (SCHILDKRÖTE); ALPHA STOCK/ALAMY STOCK PHOTO (MÄNNER MIT SCHILDKRÖTEN)

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Jungtieren. Nach einer mühsamen Aktion, mit der sie die auf der Insel lebenden Ziegen wei- testgehend ausrotteten, setzten sie die Jung- tiere aus. Heute leben auf Española wieder mehr als 3000 Schildkröten. Die Teams wiederholten diese Vorgehens- weise auf weiteren Inseln. Doch es gab eine

Vielleicht war es noch nicht zu spät für Lone- some George. Vielleicht konnte man Pinta-Ver- wandte auf der Insel Isabela finden und die Art retten. Begeistert schlug sie vor, dass sich eine weitere Expedition zum Vulkan aufmachen solle: „Wir mussten einfach dorthin zurück- kehren. Wir mussten dieses Tier finden. Wenn es eines gibt, könnte es noch viele mehr geben.“

bittere Enttäuschung: Für die allerletzte Schildkröte auf der Insel Pinta konnte keine Partnerin gefunden werden. Wissenschaftler nannten das Tier Lonesome George (Ein- samer George). Sie hatten es Anfang der 1970er-Jahre von seiner Heimatinsel gerettet und in ein Gehege in der Forschungsstation gebracht. Ihre Hoffnung war, das Aus- sterben einer vierten Art zu verhindern. In den folgenden Jahren suchte das Team verzwei- felt nach einer passenden Partnerin. Zunächst durch- kämmten sie Pinta – erfolg- los. Dann brachten sie Weibchen anderer Arten mit sattelförmigem Panzer, die denen der Pinta-Schild- kröten ähnelten, in Georges Gehege. Als er kein Interesse zeigte, versuchten sie es mit künstlicher Befruchtung. Die Weibchen legten schließlich

Caccone begann drei Ar- ten genauer zu untersuchen, die zu jener Zeit als ausge- storben galten: die Santa- Fé-Riesenschildkröte, die Fernandina-Riesenschild- kröte und die Floreana-Rie- senschildkröte. Da keine DNA lebender Tiere zum Abgleich mit den fremden Wolf-Vulkan-Genen zur Verfügung stand, kamen für die Sequenzierung nur Zellproben toter Exemplare infrage, die einst Walfänger oder Wissenschaftler aufs Festland gebracht hatten. „Wir gingen in Museen, um Knochen- und Hautpro- ben zu sammeln“, erzählt Caccone. Im American Museum of Natural History fanden sie Knochen, die ein New Yorker Naturfor- scher 1928 in Lavahöhlen auf Floreana ausgegraben

Forscher reisten in entlegene Winkel des Archipels und durchsuchten in Archiven Knochen und Panzer, um eines der größten Verbrechen der Galapagosinseln wiedergutzumachen.

Eier, doch alle waren unbefruchtet. Anfang der 2000er-Jahre war Lonesome George, die Ikone des Naturschutzes, fast 100 Jahre alt. Die Zeit für seine Art war kurz davor, abzulaufen. Zur gleichen Zeit gab es Fortschritte in der Gensequenzierung. 2006 untersuchte Adalgisa Caccone die Proben der „Aliens“ vom Wolf- Vulkan mit einer neuen Analysemethode und machte eine erstaunliche Entdeckung: Die Wissenschaftler hatten Blut von einer Schild- kröte entnommen, deren Gene zu 50 Prozent von der Insel Pinta zu stammen schienen.

hatte. Ein paar Schildkröten waren dort in die tiefen Schluchten gestürzt und gestor- ben. Im Museum of Comparative Zoology der Harvard University entdeckten sie Knochen und Panzer, die 1834 und 1872 gesammelt wor- den waren. „Sie waren sehr porös und sahen grau aus“, sagt Caccone. Trotzdem schaffte sie es, genug Genmaterial zu gewinnen. Und – Treffer: Die „Alien“-Schildkröten, sagt sie, „gehörten zur gleichen Abstammungsgemein- schaft wie die von Floreana“. Die Schildkröten waren Hybride aus der heimischen Art mit

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kuppelförmigem Panzer vom Wolf-Vulkan und der seit Langem ausgestorbenen Sattel- rückenart aus Floreana. Die Vermutungen der Forscher hatten sich bestätigt: Die von den Walfängern ausgesetzten Schildkröten hatten zum Teil überlebt und sich gekreuzt. 2008 kehrten Forscher im Rahmen einer großen Expedition zum Vulkan zurück, um weitere Proben zu sammeln und mög- liche Partnerinnen für Lonesome George zu suchen. Sie errichteten mehrere Lager rund um den Vulkan und sammelten Blutproben von 1667 Schildkröten, die sie mit Identifi- kationsmarken versahen. Im Labor verglich Caccone die Proben mit ihrer Datenbank. Sie fand 17 Schildkröten mit Pinta-Genen und

84 mit Floreana-Vorfahren. In der Hoffnung, weitere Pintas zu finden, begann das Team mit der langwierigen Planung einer weiteren Expedition zum Vulkan, um diese Hybriden zu fangen, diesmal mit einem Hubschrauber und Netzen. Doch im Juni 2012 fand ein Pfle- ger Lonesome George tot in seinem Gehege. Es war das Ende seiner Art. Da die Forscher die Idee aufgeben muss- ten, die Pinta-Art zu retten, konzentrierten sie sich auf die Floreana-Hybriden und ent- wickelten eine radikale Idee: Sie wollten die Nachkommen einfangen, züchten und auf Floreana wieder ansiedeln – genau an dem Ort, wo die Tiere seit mehr als 150 Jahren nicht mehr gelebt hatten.

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Die erhaltenen Knochen und Panzer ausgestorbener Arten waren für die Arbeit der Evolutionsbiologin Adalgisa Caccone (u.) von entscheidender Bedeutung. Sie und ihr Team stützten sich auf Artefakte wie die- sen Panzer (l.), der 1928 auf der Insel Floreana gefunden worden war. Er führte zu der Erkenntnis, dass eine Reihe mysteriöser Schildkröten auf Isabela Nachkommen der längst ausgestorbenen Floreana-Art waren.

machten sich breit; sie fraßen oder verdräng- ten einheimische Arten. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts waren die Floreanaspottdros- sel, der Galapagos-Renner (eine endemische Würgeschlangenart), die Rallenart Laterallus spilonotus und der endemische Galapagos- bussard von der Insel verschwunden. In den folgenden Jahren verschwanden auch der Darwinfink, die Galapagosschleiereule, die Lavamöwe und der Galapagos-Rubintyrann, eine Sperlingsvogelart. Die Parkverantwortlichen hoffen, die Lücke im Ökosystem, die die verschwunde- nen Schildkröten hinterlassen haben, wieder schließen zu können. „Ohne große Pflan- zenfresser kann das Gleichgewicht eines

D ie Rückkehr der Schildkröten nach Floreana war auch aus ökologischen Gründen von Bedeutung. Auf den Galapagosinseln hatte Darwin beob- achtet, dass Arten perfekt an ihren Lebensraum angepasst sind. Erst seit Kurzem erkennen Ökologen, wie perfekt auch Lebensräume an die ansässigen Lebe- wesen angepasst sind. Als die letzte Schildkröte von Floreana verschwand, litt die Artenvielfalt der Insel. Wichtige einheimische Pflanzen begannen auszusterben. Invasive Tiere und Pflanzen

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Die Galapagos-Riesenschildkröten passten sich an ihren isolierten Lebensraum an und entwickelten sich zu 15 Arten, die sich in Größe und Panzerform unterscheiden. Nachdem der Mensch die Zahl der Tiere drastisch dezimiert hatte, arbeiten Naturschüt- zer nun daran, diese Schlüsselarten wieder anzusie- deln. Hybriden mit Floreana-Genen werden bald die ersten Schildkröten sein, die auf die Insel Floreana zurückkehren, wo sie lange ausgestorben waren. Auferstandene Riesen

Pinta

2010 brachten Forscher Schildkröten gemischter Abstammung hierher,

650 m

um das Ökosystem wiederherzustellen.

Pinta C. abingdonii (ausgestorben)

Marchena

343 m

Vulkan Wolf Chelonoidis becki

Hybride Floreana- Schildkröten wurden im Tiefland entdeckt.

GALAPAGOSINSELN (ARCHIPIÉLAGO DE COLÓN)

ECUADOR

ÄQUATOR

Cabo Berkeley

Vulkan Wolf 1707 m

Santiago C. darwini

Vulkan Darwin C. microphyes

Vulkan Darwin 1402 m

Cabo Cowan

Santiago

906 m

Östliche Santa Cruz C. donfaustoi

Vulkan La Cumbre 1476 m

Vulkan Alcedo 1131 m

Seymour Norte

Beagle

Rábida

Fernandina

Baltra

Vulkan Alcedo C. vandenburghi

Fernandina C. phantasticus (ein Exemplar)

Santa Cruz

Pinzón

Bahía Elizabeth

864 m

Pinzón C. duncanensis

Forschungsstation Charles Darwin

Puerto Ayora

Vulkan Sierra Negra 1124 m

Westliche SantaCruz C. porteri

Santa Fé

Santa Fé (ausgestorben)

Punta Cristóbal

Vulkan Sierra Negra C. guntheri

Puerto Villamil

Cerro Azul 1689 m

Española-Schildkröten wurden anstelle der ausgestorbenen einheimischen Arten auf die Insel gebracht.

Tortuga

Cabo Rosa

Vulkan Cerro Azul C. vicina

Floreana-Hybriden Die auf der Insel Floreana heimische Art starb um 1850 aus. Nach jahr- zehntelanger Vorbereitung wollen Forscher in der kommenden Regen- zeit Jungtiere aus der Nachzucht von Floreana-Nachkommen in ihrem natürlichen Lebensraum freilassen.

Puerto Velasco Ibarra

Floreana C. niger (ausgestorben)

640 m

Floreana

KARTE: ROSEMARY WARDLEY UND SEAN MCNAUGHTON, NG. QUELLEN: JAMES GIBBS, GALAPAGOS CONSERVANCY; GONZALO F. RIVAS-TORRES UND ANDERE, „PROGRESS IN PHYSICAL GEOGRAPHY: EARTH AND ENVIRONMENT“, BAND 42, NR. 1, 2018; NASA

Inselökosystems zusammenbrechen“, sagt Washington Tapia. Der Biologe arbeitet seit den 1990er-Jahren im Naturschutz auf den Galapagosinseln. Schildkröten seien Ökosys- temingenieure, die die Vegetation verändern, indem sie sich wie Bulldozer durch die Land- schaft bewegen. „Sie ebnen den Boden und schaffen Platz für kleine Reptilien, boden- brütende Vögel und heimische Pflanzen“, sagt Tapia. Sie halten Unkraut fern, helfen Kakteen, sich zu regnerieren, verbreiten Samen mit ihrem Kot und schaffen Teiche und Schlamm- bäder, die anderen Arten Lebensraum bieten. Die Forscher hatten bereits auf anderen Inseln beobachtet, wie die Schildkröten dazu beitrugen, das ökologische Gleichgewicht wie- derherzustellen. So hatte sich auf Española der Bestand heimischer Gräser und Kakteen erholt, ebenso wie die Population der Lava- Eidechse und des Galapagosalbatros’. Ohne die Schildkröten waren deren Bestände zu- rückgegangen. Wo die riesigen Tiere zurück- kehrten, blühten Ökosysteme auf. Dank neuer genetischer Erkenntnisse über die heimischen Arten können Wissenschaft- ler sicherstellen, dass sie Tiere züchten, die wirklich für das Überleben vor Ort geeignet sind. „Das Ziel all dieser Arbeit war nie, die Floreana-Riesenschildkröte wieder zum Le- ben zu erwecken oder neu zu erschaffen“, sagt Evelyn Jensen, Naturschutzbiologin an der University of Newcastle und ehemalige Post- doktorandin von Caccone, „denn das war nie möglich.“ Schildkröten leben zu lange und brauchen zu viel Zeit, um sich fortzupflan- zen. Etwas zu erreichen, das der genetischen Reinheit nahekommt, „wäre ein 500-Jahres- Projekt“, sagt sie. Das Ziel ist vielmehr, dass die Nachkommen der ausgestorbenen Art zurückkehren und die ökologische Rolle ihrer Vorfahren in ihrem Ökosystem erfüllen. Seit zuletzt eine heimische Schildkröte auf Floreana umherwanderte, hat sich die Insel allerdings dramatisch verändert. Heute gibt es dort eine Gemeinde von 150 Menschen mit ihren Haus- und Nutztieren – und Tausenden Ratten und wilden Katzen. Ließe man die

NORD- AMERIKA

E R SÜD- AMERIKA ECUADOR KARTEN-

AUSSCHNITT

Natürliche Selektion Die Panzer der Sattelrücken-Schildkröten sind vorne geschwungen. So können die Tiere in trockenen Lebensräumen hohe Pflanzen erreichen. Arten mit kuppelförmigen Panzern ernähren sich in feuchten Gegenden von bodennahen Pflanzen. Tiere mit einer Kombination dieser Merkmale bezeichnen Forscher als Zwischenformen.

Landbedeckung

Panzerform

Grasland/ Landwirtschaft

Kuppel

Zwischenform

Wald/Sträucher Schildkrötenbereich

Sattel

Karge Felsen

10 km

PAZIFISCHER O Z E A N

San Cristóbal C. chathamensis

Punta Pitt

Puerto Baquerizo Moreno

730 m

Punta Sur

Ökosystemingenieure Die Wiederansiedlung von in Gefan- genschaft gezüchteten Schildkröten auf der Insel Española hat zur Erho- lung heimischer Kakteen, Gräser, Vögel und Reptilien beigetragen.

Española C. hoodensis

Española

206 m

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Vor einigen Jahrzehnten stießen Wissen- schaftler am Vulkan Wolf auf Schildkröten mit langen Hälsen und hochgewölbten Pan- zern – hier im Bild. Die Tiere unterschieden sich von den in dieser Gegend heimischen Schildkröten und veranlassten das Team, nach ihrer Herkunft zu forschen.

gewähren, dann würden sie Eier und Jungtiere der Reptilien fressen und die Fortpflanzungs- fähigkeit der Art gefährden. Kurz nachdem sie sich für die Floreana-Art entschieden hatten, begannen Treffen mit den Inselbewohnern. Das Nationalparkteam wollte deren Zustim- mung für ihren Plan, die Ratten und Katzen auf der Insel zu töten oder einzufangen. Die invasiven Tiere mussten rigoros bekämpft wer- den, damit die Schildkröten eine Überlebens- chance auf der Insel haben konnten. Schließlich begannen Vorbereitungen zur Entsendung einer Expedition, die die Hybri- den aus der Vulkangegend bergen sollte. 2015 trafen die Forscher kurz vor der Regenzeit ein. Sie verteilten sich über den Vulkan und bahn- ten sich mit Macheten einen Weg durch das dichte Unterholz. „Es gibt dort weder Schatten noch Wasser“, sagt Tapia. „Man ist am ganzen Körper mit Zecken bedeckt.“ Es ist eine kräf- tezehrende Landschaft, was das Überleben dieser dorthin verpflanzten Tiere umso bemer- kenswerter macht. Als der Regen einsetzte, begannen sich Rinnen und Schluchten mit Wasser zu füllen. „Wir konnten hören, wie die Schildkröten von überallher zum Wasser kro- chen“, erinnert sich Tapia. Die Wissenschaftler sammelten jeweils zwei oder drei Tiere ein und verfrachteten sie in ein großes Netz, das von einem Hubschrauber herabgelassen wurde. Dieser transportierte die Tiere ab und ließ sie auf ein mit Autoreifen gepolstertes Schiffsdeck fallen. Die Mitarbeiter stapelten die Schild- kröten im Schiffsrumpf aufeinander – ähnlich wie dies 200 Jahre zuvor die Walfänger getan hatten. „Es sah aus wie eine Arche Noah für Schildkröten“, sagt Caccone. „Am Ende war der Rumpf voll, und wir hatten sie auch überall an den Seiten verstaut.“

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Auf der Insel Santa Fé sind die heimischen Schildkröten ausgestorben. Ranger haben eine ähnliche Art aus- gesetzt. Die Tiere wurden in Gefangen- schaft gezüchtet und dann per Hubschrauber auf die Insel geflogen.

Die Zuchtprogramme des Archipels erfordern eine sorgfältige Überwachung der Jungtiere (u.). Die freiwillige Helferin Erika Kubisch und der Naturschützer Walter Chimborazo (r.) bringen Schildkröten- eier aus ihren Nestern in Brutkästen im Zuchtzentrum auf der Insel Santa Cruz.

Das Team fand „Tausende und Abertau- sende“ von Schildkröten auf dem entlegenen Vulkan, sagt Caccone, darunter auch 30 Flo- reana-Hybriden. Aber noch konnten sie sie nicht nach Floreana bringen. Zunächst muss- ten sie die Tiere zum Aufzuchtzentrum des Nationalparks auf der Insel Santa Cruz trans- portieren, in der Hoffnung, dort eine gesunde Population aufzubauen. Nachdem die Schildkröten in der For- schungsstation angekommen waren, analy- sierte Caccone ihre Gene, um ein Stammbuch zu erstellen: eine Liste der Individuen mit hohem Anteil an Floreana-Genen. Das Ziel war, die Hybriden so zu verpaaren, dass sowohl der Anteil der Floreana-Gene in ihren

Nachkommen erhöht als auch ihre geneti- sche Vielfalt geschützt würde. „Wenn wir alle identischen Individuen freilassen und ein Virus auftritt“, sagt sie, „dann könnten sie ausgelöscht werden.“ Als es an der Zeit war, sie zu verpaaren, setzte das Zuchtteam drei Weibchen zu zwei Männchen in ein Gehege. Bei einer höheren Anzahl würden die Männchen anfangen zu kämpfen. Die tennisballgroßen Eier, die aus diesen Paarungen hervorgingen – bis zu 15 pro Gelege –, reiften in Brutkästen. Die etwa hand- tellergroßen Jungtiere kamen dann, sortiert nach Alter, in eigene Gehege. Dort wuchsen sie heran, bis sie groß genug waren, um im Alter von etwa fünf Jahren in die Wildnis entlassen

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zu werden. Alle Nachkommen der Wolf-Schild- kröten erwiesen sich als „unglaublich fit und robust“, sagt Gibbs. Heute leben 600 Floreana- Hybriden im Zuchtzentrum; 300 von ihnen sind alt genug für die Wiederansiedlung. Auf einem sandigen Pfad am Ende der For- schungsstation wirft Freddy Villalba, Zucht- leiter des Nationalparks, Porotillo- Zweige in ein schattiges Gehege, in dem 141 der ältesten und größten Floreana-Jungschildkröten leben. Sie sind mehr als einen halben Meter lang und groß genug, um auf die Insel zurückzukehren. Sie laufen auf ihr Futter zu, recken ihre langen Hälse, zischen beim Gerangel um die besten Plätze und klettern wie Monstertrucks über- einander, um an die Blätter zu gelangen. Bald

ist von ihrem Frühstück nichts mehr übrig als trockene Zweige. Villalba nennt dieses Gehege corral de las locas – Pferch der Verrückten. Was als Nächstes passieren wird, bleibt ein Rätsel. Vielleicht werden sich die Hybriden mit den meisten einheimischen Genen auf Floreana durchsetzen. Aber die Insel ist jetzt ein anderer Ort, ein neuartiges Ökosystem. Heimische Organismen sind mit von Men- schen eingeführten Arten vermischt. Die locas müssen sich mit invasiven Brombeerbüschen sowie Zitronen- und Guavenbäumen aus- einandersetzen, die die ersten menschlichen Siedler mitgebracht haben. Kakteen, die sie besonders gerne fressen, sind seltener gewor- den. Das Klima verändert sich. Das Team wird

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Im Aufzuchtzentrum von Santa Cruz werden Schildkröten wie diese gezüchtet. Forscher wollen sie auf der Insel Floreana wieder ansiedeln, wo sie im 19. Jahrhundert ausge- storben sind. Heute sind etwa 300 dieser sogenannten Floreana-Hybriden bereit für die Freilassung. In langjähriger Vorbereitung haben Nationalparkmitarbeiter die Insel von Ratten und wilden Katzen befreit, die die empfindlichen Jungtiere jagen könnten.

die Schildkröten auf der Insel aussetzen, sagt Caccone, und dann der natürlichen Auslese ihren Lauf lassen. „Was überlebt, ist wahr- scheinlich am besten für das Leben auf der Insel geeignet“, sagt sie. „Und was überlebt, wird einige Gene von Floreana haben.“ Um den Neuankömmlingen zu helfen, haben die Naturschützer in den letzten Jah- ren eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um der invasiven Katzen und Ratten Herr zu werden. Sie stellten eine zu große Gefahr für die Schildkröten dar. Ende 2023 hoben zwei Hubschrauber über Floreana ab und verstreu- ten viele Tausend Pellets mit Rattengift über unbewohnten Gebieten. Mitarbeiter verteil- ten die Pellets auch von Hand in der Nähe von Häusern und Farmen; sie legten Fallen und vergiftete Würste aus, um die Katzen zu töten. Die Parkverwaltung hatte geplant, die ersten Schildkröten im darauffolgenden Dezember auf die Insel zu bringen – dann würde mit Beginn der Regenzeit mehr Nahrung für die jungen Reptilien vorhanden sein. Kamerafal- len zeigten jedoch, dass 40 bis 50 Ratten das Gift überlebt hatten. Die Wiederansiedlung wurde verschoben. Die Freilassung der Schild- kröten soll nun zu Beginn der Regenzeit in diesem Jahr erfolgen. Doch sogar ohne die vollständige Ausrot- tung der invasiven Arten hat die Erholung des Ökosystems begonnen. Schon jetzt sind Kuckucke, Rallen und Tauben zurückge- kehrt. Anfang dieses Jahres hörten Ranger den Gesang einer Galapagos-Ralle, die man zuletzt 1835 auf der Insel gesehen hatte. Das musikalische „Chi-chic-chi-chirroo“ hatte man hier seit den Tagen der Walfänger nicht mehr vernommen. Ratten, Hunde und Ameisen ernähren sich von Schildkröteneiern und Jungtieren. Die Inseln von invasiven Tieren zu befreien, ist ein jahrelanger Kampf. Die hier abge- bildete Art war durch Wildschweine bedroht, die häufig Schildkrötennester ausgraben. Ausrottungsmaßnahmen sollen den Bestand der Schildkröten anwachsen lassen.

Wenn die locas endlich in die Heimat ihrer Vorfahren zurückkehren, wird man sie per Schiff zu einem Kai im kleinen Dorf Puerto Velasco Ibarra bringen und im Lastwagen zur Ostseite der Insel transportieren. Sobald sie sich dem Hochland nähern, werden sich die Parkranger auf dem letzten Teil des Wegs die bis zu 15 Kilogramm schweren Tiere auf den Rücken binden – ähnlich wie die Walfänger ihre Vorfahren einst fortgetragen haben. Das

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