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September 2025 – 63. Jahrgang, Heft Nr. 699
EUR 8,40 (D)
Lokführer erinnern sich: So bewährten sich die 221er vor schweren Zügen
Bühne frei für den 403 Vergleichstest: Überzeugen die H0-Modelle technisch und optisch? Legendäre IC-Triebzüge von Trix und L.S. Models
Geislinger Steige Wie das große Jubiläum lief Beflaggte DR-Loks Wann sie Fähnchen trugen Bleche als Ladegut Tipps zur Modellumsetzung
Überraschende Einblicke: Darum ist der Vectron ein Erfolgsmodell
Vorbild & Modell: Die faszinierenden Karrieren der ölgeheizten Jumbos
Im Gespräch
Cooler Zug?
Nicht bei Hitze I CE-Fahren findet mein Sohn (6) „total cool“. Das freut den reisefreudigen Papa. Doch die
Bei Boppard-Hirzenach rollt 401 008 am som- merlich warmen 30. Juni 2025 durch das Rheintal. Die Klimatisierung der ICE-Züge der Deutschen Bahn erwies sich in den vergangenen Wochen erneut als anfällig für Ausfälle Jan Luca Herrmann
Ereignisse der vergangenen Monate zwan- gen mich dazu, seine Einschätzung der Dinge zu hinterfragen. Die heftigen Hitzetage dieses Sommers mit Außentemperaturen von zum Teil weit über 35 Grad liegen hinter uns. Doch die inzwischen seit Jahrzehnten bekannten technischen Probleme bei der Klimatisierung deutscher Züge wirken mal wieder nach. Die Klimaanlagen machen teils schon bei Tem- peraturen schlapp, die weit unter den Top-Wer- ten liegen. Beim ICE 1 und ICE 2 bringt die Air- condition nur bei Außentemperaturen bis 32 Grad ihre volle Kühlleistung. Wird es heißer, kommt es häufiger zu Ausfällen. ICE 3-Klimaan- lagen sind bis zu 35 Grad Außentemperatur aus- gelegt, der ICE 4 kühlt bis 45 Grad störungsfrei. Kommt es zu Ausfällen, weiß das Zugpersonal oft nicht, welche Klimaanlagen funktionieren. „Das merken wir erst, wenn wir durch den ICE gehen. Kommt nur ein bisschen kalte Luft, sper- ren wir den Wagen“, sagt eine Zugbegleiterin. „Das ist so eine Anweisung, um gesundheitli- che Schäden auszuschließen.“ Denn: Ist es heiß und stickig, klagen sehr schnell erste Fahrgäste über gesundheitliche Probleme. „Das wird dann schnell eine Lawine“, weiß die erfahrene Zugbegleiterin. Die Basistemperatur in den Fernverkehrszügen der DB ist 23 Grad. Sie kann um zwei Grad nach oben oder unten verändert werden. Im Som- mer ist sie oft von vornherein auf 25 Grad vor- eingestellt. Das hat einem Bahnsprecher zufol- ge Vorteile: Die Klimaanlage kann möglichst
energiesparend eingesetzt werden, gleichzeitig frieren Fahrgäste weniger, wenn sie aus der Wärme von draußen in das gekühlte Abteil kommen. Fahrgastrechtlich gilt: Wenn man innerhalb des Zuges wegen eines Klimaanlagen-Defekts um- ziehen muss, ist das zumutbar. Kann der Zug nicht mehr weiterfahren und man verspätet sich deshalb, gelten die üblichen Entschädi- gungsansprüche – 25 Prozent vom Fahrpreis ab einer, 50 Prozent ab zwei Stunden Ankunftsver- spätung. Umgehen kann ein Bahnunternehmen solche Forderungen, indem es gar nicht erst losfährt, wenn es draußen heiß ist. Wie das geht, zeigte Flixtrain am 2. Juli 2025, als die grünen Züge weitgehend nicht fuhren. „Ausgebucht“ hieß es auf der Flix-Homepage, „Unwetterauswirkun- gen“ zeigte der DB-Navigator an. Tatsächlich waren jedoch die angekündigten hohen Tem-
peraturen der Grund für Flixtrain, den Verkehr einzustellen. Der private Fernverkehrsanbieter schob die Schuld insbesondere auf Fahrgäste, die in den Tagen zuvor trotz Hinweises per Mail nicht ausreichend Getränke auf die Fahrt mit- bringen würden. Die von Flixtrain eingesetzten Wagen verfügen überwiegend weder über Klimaanlage noch über Fenster zum Öffnen. „Gar nicht cool“, findet das mein Sohn, der oh- nehin lieber im ICE unterwegs ist. Ich bin darü- ber froh, dass er Zugreisen einer Fahrt im meist
wohltemperierten Auto- mobil vorzieht. Bleibt zu hoffen, dass die Bahnen das Klimaproblem in ih- ren Flotten in den Griff bekommen, damit das auch so bleibt … Florian Dürr, Chefredakteur
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eisenbahn magazin 9/2025
Inhalt
10–25
Baureihe 44 mit Ölhaupt- feuerung bei DB und DR
Q Im Fokus 10 Öl-„Jumbos“ in Ost und West
Q Eisenbahn
48 Abschied von einer Königin Vor gut 60 Jahren, am 29. Mai 1965,
6 Jubiläum am Albaufstieg Volle Züge, gute Stimmung, Kaiserwetter: Das Jubiläum „175 Jahre Geislinger Steige“ war für die Veranstalter ein großer Erfolg 26 Bild des Monats Sommerlich: 111 075 von Smart Rail trägt jetzt ein auffällig gelbes Kleid 28 Entlang der Schiene
Die Deutsche Bundesbahn als auch die Reichsbahn in der DDR rüsteten ab 1958 insgesamt mehr als 120 Maschinen der Baureihe 44 mit einer Schweröl- feuerung aus. Bei beiden Bahngesell- schaften bildeten die leistungsstarken Dreizylinder-Maschinen das Rückgrat im schweren Güterzugdienst. Die DB stellte ihre letzten Ölloks 1977 ab, während die Öl-44er bei der DR bis 1982 liefen und anschließend noch für Heizzwecke dienten 20 Arbeitstiere mit Ölfeuerung Die bei DB und DR während der Epoche III umgebauten Dampfloks der Baureihe 44 mit Ölhauptfeuerung blieben bei der Modellbahnindustrie über viele Jahre hinweg unberücksichtigt. Inzwischen gibt es in fast allen Miniatur- maßstäben attraktive Modelllokumsetzun- gen, wobei in einigen Nenngrößen durchaus noch Luft nach oben besteht
endeten die Einsätze der bayerischen S 3/6 bei der Deutschen Bundesbahn. Erinnerungen an eine Abschiedsfahrt
51 Rekordfahrt über die VDE 8.2 Auf der Strecke Erfurt – Leipzig hat der ICE S Ende Juni 2025 wichtige Daten gesammelt und einen Rekord aufgestellt 52 Technische Vorzüge Ab 1977 fand die Baureihe 221 eine neue Heimat im Ruhrgebiet. Dort erwiesen sie sich als flexibel einsetzbare Maschinen. Erinnerungen daran von Joachim Bertsch
Informationen zum aktuellen Bahngesche- hen in Deutschland, Europa und der Welt
40 Flagge zeigen
Auf alten Bildern sieht man immer wieder geschmückte DR-Loks. Warum es so etwas gab, beleuchtet Dirk Endisch 44 Lokomotivbau wie am Fließband
Q Modellbahn 59 Roter Elch aus Nürnberg
Wie wird eigentlich der Vectron gebaut? Einblicke in die hoch- automatisierte Fertigung bei Siemens Mobility in München-Allach
Die Bundesbahn-Diesellokomotive 221 131 in Nenngröße H0 von Fleischmann und ihr Vorbild als Nordlicht und im Ruhrgebiet
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Inhalt
44–46 Der Vectron ist der Verkaufsschlager von Siemens Mobility. Wir erhielten Einblick in die Fertigung in München-Allach
52–58
106–113 Der in Nenngröße Z gebaute DB-Bahnhof Werdersheim ist in seiner Mittelgebirgsregion derart bedeutungsvoll, dass auch ein Dampflok-Bw gerechtfertigt ist In positiver Erinnerung blieb so manchem Lokführer in Duisburg-Wedau die zweimotorige Baureihe 221 während ihrer Zeit im Ruhrgebiet
90–95 76–79 90 95
Baureihe 403 der Bundesbahn: H0-Mo- delle von L.S. Models und von Trix im Test
Bei CarMotion gibt es nun auch Pkw-Modelle
62 Zwischenstopp in Schiltern
76 CarMotion-Weiterentwicklung Seit dem Debüt 2023 ist das mobile Viessmann-Straßenverkehrssystem gereift. Neben dem innovativen Lade- system InduktivCharger sind weitere Neuheiten hinzugekommen 80 Stahlplatten als Ladegut Anregungen in Vorbild und Modell für den Transport von massiven Blechen auf Rungen- und Flachwagen 86 Decoder mit zwölf Ausgängen Das Unternehmen YaMoRC ist überaus kreativ und umtriebig und hat mit dem Servodecoder YD8248 einen neuen Baustein am Start
96 Bastelideen unserer Leser
In unserer Praxisrubrik Tipps & Kniffe vermitteln Leser ihre Erfahrungen beim Bau von Modellen und Anlagen
Abseits von den Tourismusströmen liegt in der Region Kamptal das Schloss Schiltern mit einer darin aufgebauten attraktiven H0-Schauanlage
106 Bahnhof Werdersheim in Z
Wir befinden uns im Jahre 1960 unweit von Wuppertal in einer grünen Gegend mit DB-Anbindung, die durchaus rege zum Reisen und Verfrachten genutzt wird
66 Neu im Schaufenster
Fahrzeug- und Zubehör-Kurzporträts sowie weitere Neuheiteninfos und zahlreiche Produktfotos auf zehn Seiten
Service 88 Leserbriefe 89 Buch & Film 98 Kleine Bahn-Börse 98 Fachgeschäfte 104 Termine/TV-Tipps/ Veranstaltungen 114 Vorschau/Impressum
90 IC-Schnelltriebzüge der DB
Für unseren Testbeitrag standen die Elektrotriebzüge der Baureihe 403 als H0-Modelle von L.S. Models und Trix am Start. Was unterscheidet die Konstruktio- nen von heute bzw. von 2012 voneinander?
Titelbild: Die IC-Schnellverkehrstrieb- züge der DB-Baureihe 403 in H0 von Trix (links) und L.S. Models (rechts) sind gern fotografierte Stars auf Schienen
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eisenbahn magazin 9/2025
Eisenbahn: Impressionen
175 Jahre Geislinger Steige Großes Jubiläum
am Albaufstieg
Die Geislinger Steige im Jubiläumsjahr D as große Jubiläumsfest ist zwar vorbei, aber in Geislingen (Steige) steht die 175 Jahre alte Bahnstrecke das ganze Jahr im Mittelpunkt.
D as Fazit fällt positiv aus: „Brechend volle Züge, eine sehr gute Stimmung und bes- tes Hochsommerwetter“, so fasst der Geislinger Sachgebietsleiter für kulturelle Ein- richtungen Benjamin Decker das große Festwo- chenende am 28. und 29. Juni 2025 zusammen, das tausende Besucher und Eisenbahnfreunde nach Geislingen an der Steige gelockt hat. Ge- feiert wurde das Jubiläum „175 Jahre Geislinger Steige“. Es erinnerte an eine gewaltige Heraus- des 19. Jahrhunderts, als der Albaufstieg noch eine große Herausforderung für die Eisenbahn darstellte Volle Züge, gute Stimmung und Kaiserwetter: Das Jubi- läum „175 Jahre Geislinger Steige“ war für die Veranstal- ter ein großer Erfolg. Erinnert wurde dabei an eine beein- druckende Ingenieursleistung
Wanderungen „Mit dem Bahnwärter unterwegs“ an unterschiedlichen Terminen, Zugfahrt Geislingen – Amstetten, Führung an der Steige, Einkehr mit Bierbraumeister Uli Kumpf. Tel. (0170) 6356817 und www.bierexpedition.de Sommer der Verführungen: Veranstal- tungen rund um die Geislinger Steige. Tel. (07162) 7041420 und www.sommer-der-verfuehrungen.de Dampfzugfahrten Amstetten – Oppingen mit 99 7203. Info: Tel. (07331) 7979 (Heiner Biro), www.uef-dampf.de Fahrten mit altroter V 100 und Plattform- wagen Amstetten – Gerstetten, www.lokalbahn-lag.de. Freizeit-Express Amstetten – Gerstetten mit NE81-Trieb- wagen noch bis Ende Oktober an allen Sonn- und Feiertagen. Deutschland-Ticket und Nahverkehrsfahrscheine sind im Zug gültig. Tel. 0800 4447673 (kostenfrei), www.alb-bahn.com
Bis 2.11.2025: Fahrt mit 218 und n-Wagen ab Stuttgart Hbf über die Geislinger Steige nach Ulm und an den Bodensee. Jeweils Sa + So und an den Feiertagen, Deutschland- Ticket und Nahverkehrsfahrscheine sind im Zug gültig. Tel. (0745) 19180362, www.svg-freizeitexpress.com 19.09.–19.10.2025: Geislinger Kulturherbst mit Veranstaltungen rund um die Geislinger Steige. Tel. (07331) 24268 (Dr. Philipp Lintner, Stadtar- chivar) und www.kulturherbst-geislingen.de 20.–21.09.2025: Dampfzugfahrten von Göppingen nach Amstetten an den Märklin- Tagen. Tel. (07161) 608-0 und www.maerklin.de Filmvorführungen „175 Jahre Geislinger Steige“ von Manfred Bomm und Korbinian Fleischer im Gloria Kino in Geislingen. Tel. (07331) 931779 und www.gloria-geislingen.de
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175 Jahre Geislinger Steige
TEE-Fahrt mit dem Deutschlandticket: E 03 001 des DB Museums pendelt zum Steige-Jubiläum mit einer Fernzug-Garnitur zwischen Stuttgart und Ulm, der Zug ist mit Nahverkehrs- fahrkarten nutzbar – und ein beliebtes Fotoobjekt Korbinian Fleischer
Modell des Bahnhofs Geislingen im Zustand des Jahrs 1925. Diese Z-Modellbahnanlage im Städtischen Museum Geislingen bildet auf 28 Metern Gesamtlänge die Geislinger Steige mit den Bahnhöfen Geislingen und Amstetten im Maßstab 1:250 ab und wurde zum 150-jährigen Jubiläum 2000 erstmals vorgeführt Holger Späing
forderung, die Ingenieure und Eisenbahner im 19. Jahrhundert zu überwinden hatten. Große Hürde überwunden Am 29. Juni 1850 war es geschafft: Mit der Geis- linger Steige hatten die Königlich Württember- gischen Staats-Eisenbahnen die größte Hürde zwischen Stuttgart und Ulm überwunden. Die Wege nach Osten Richtung München und nach Süden zum Bodensee standen offen. Der Al- baufstieg war für die Eisenbahn anspruchsvoll – und ist es bis heute. Dennoch wird die Rampen- strecke, die zwischen Amstetten und Geislingen (Steige) ein Steigungsverhältnis von 1:44,5 (22,5 Promille) aufweist, bis in die Gegenwart sogar regelmäßig von ICE-Zügen befahren,
wenn auch deutlich seltener, seitdem die paral- lele Schnellfahrtrasse Wendlingen – Ulm vor Jahren in Betrieb ging. Die Bedeutung der Stre- cke für den Nah- und Güterverkehr wird sich aber auch in Zukunft nicht ändern. Mindestens alle 25 Jahre wird in Geislingen der Geburtstag der Geislinger Steige groß gefeiert. Zuletzt war das im Jahr 2000 der Fall, als die Pendelzüge noch zwischen Gerstetten über Amstetten und Geislingen bis Geislingen-Alten- stadt verkehren konnten. Leider sind die Gleise zwischen dem Bahnhof Geislingen und dem Bahnhof Geislingen-Alten- stadt an der ehemaligen Tälesbahntrasse (Stre- cke Geislingen – Wiesensteig) inzwischen ei-
Am 29. Juni 2025 hat ein Pendelzug mit 58 311 (als württ. G 12 mit der Betriebsnummer 58 504 gestaltet) und E 94 088 als Schublok bei Amstetten das obere Ende der Steige fast erreicht Oliver Scholz
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eisenbahn magazin 9/2025
Eisenbahn: Impressionen
Seit jeher befahren Fernzüge die Geislinger Steige. 110 131 passiert bei Streckenkilometer 62,6 mit einem Autoreisezug am 26. August 1978 die Geislinger Steige. An dieser Stelle überquert ein Fußgängersteg die Gleise und bietet heute ein tolles Panorama von Geislingen, weil inzwischen die großen Bäume gefällt wurden Werner Brutzer
Zahnradlok auf der Steigungsstrecke: Auch die Dampflok 97 501 der Freunde der Zahnradbahn Honau- Lichtenstein in Reutlingen befördert Züge beim Steige-Jubiläum Manfred Scheihing
nem Radweg gewichen. Auch die Sektion Lokalbahn der Ulmer Eisenbahnfreunde konnte sich mangels Personalkapazität und betriebsfä- higer Dampflokomotive nicht beim Fest- wochenende einbringen. Lok-Raritäten und Parallelfahrten Geboten wurden Parallelfahrten auf der Geislin- ger Steige, bei denen die Zahnradbahndampflok 97 501 und Dampflok 58 311 sowie die E 94 088 und eine V 100 und V 60 zum Einsatz kamen. Ein Hö- hepunkt war der Einsatz der württembergischen Personenwagen des „Kuckucksbähnel“ aus Neu- stadt an der Weinstraße vor der als 58 504 beschil- derten 58 311, die auch historische Lampen trug und somit einen stilreinen württembergischen Zug darstellen konnte. Als Ergänzung der Fahrten war das DB-Museum mit E 03 001 und vier Avmz- Abteilwagen als historischer TEE-Zug zwischen
Stuttgart und Ulm unterwegs. Die Nahverkehrs- gesellschaft Baden-Württemberg bestellte diesen Zug, sodass alle regulären Nahverkehrsfahrschei- ne darin gültig waren. Einteilig pendelte der Schie- nenbus von DB Regio (ehemals Schienenbus „Ul- mer Spatz“) zwischen Göppingen und Geislingen. Benjamin Decker denkt mit Freude an das Fest- wochenende am Eisenbahn-Albaufstieg zurück: „Es hat alles sehr gut funktioniert, insbesondere die Organisation des Bahnbetriebs, den wir der UEF Verkehrsgesellschaft mbH aus Germersheim übertragen haben. Trotzdem hatte ich aufgrund der großen Trockenheit das ganze Wochenende etwas Sorge, dass es durch die Dampflokomoti- ven zu einem Böschungsbrand kommen könnte. Das umsichtige Verhalten des Lokpersonals ver- hinderte dies. Gebrannt hat es mit bahntypischer Verspätung zwei Tage nach der Veranstaltung an der Geislinger Steige“, so Decker weiter. Er ver- weist damit auf ein Feuer, das am 1. Juli 2025 den Bahnverkehr auf der Strecke zwischen Geislingen (Steige) und Amstetten für Stunden zum Erliegen gebracht hat – freilich ohne nachweisbaren Zu- sammenhang mit dem Eisenbahnfest am Wo- chenende zuvor. Nächstes Jubiläum schon 2033 Das nächste große Jubiläum der Geislinger Steige findet nicht erst 2050 statt, sondern ist bereits für 2033 angesetzt. Groß gefeiert werden soll dann „100 Jahre elektrischer Betrieb auf der Geislinger Steige“. Nach dem erfolgreichen Fest Ende Juni 2025 dürfen sich viele Eisenbahnfreunde auf die- sen Termin schon freuen. Korbinian Fleischer
Reisezüge mit E94 Berlin-Görlitzer Bahn Nebenjob fürs Eisenschwein Magistrale nach Niederschlesien
„Zug der Zeit“ DB-Ausstellung 1985
vereinigt mit
Lesetipp M ehr zur Geschichte der Geislinger Steige erfahren Sie in BahnExtra 3/2025, 175-jährigen
3.2025 Mai/ Juni
ISBN 978-3-98702-229-6 EUR 13,90 A: € 15,30 • CH: CHF 25,80 Be, Lux, NL: € 16,00 DK: DKR 140,00
Bw Wiesbaden 1965
Faszinierende Geislinger Steige • Streckengeschichte • Fahrzeuge und Betrieb • Besonderheiten Seit 175 Jahren auf die Schwäbische Alb
Otto Arndt im Porträt Das Leben des langjährigen DR-Generaldirektors Preußinnen in Hessen Zu Besuch bei 74 4 und 93 5
DR-Impressionen im Grenzgebiet 1977 Von Saalfeld über Probstzella und Lauscha bis Sonneberg
V 80 der DB und 2045 der ÖBB Pioniere für die Nebenbahn
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175 Jahre Geislinger Steige
Nur ein bisschen geschafft, aber glücklich vereint: Zum Abschluss der Veranstaltung versammelt sich das Organisationsteam zum Abschiedsfoto Mattis Abertshauser
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eisenbahn magazin 9/2025
Im Fokus
Die Baureihe 44 Öl bei Deutscher Bundes- und Reichsbahn „Öl-Jumbos“ Die Deutsche Bundesbahn wie auch die Reichsbahn in der DDR rüsteten ab 1958 insgesamt mehr als 120 Maschinen der Baureihe 44 mit einer Schwerölfeuerung aus. In beiden Teilen Deutschlands bildeten die Dreizylinder-Maschinen das Rückgrat im schweren Güterzugdienst. Während die Bundesbahn ihre letzten Ölloks 1977 abstellte, hatte die Baureihe 44 Öl bei der Reichsbahn erst 1982 ausgedient in Ost und West
H erbst 1981: Über den Wäldern und Feldern am Fuße des Hornberger Sattels, durch dessen Sandsteinmassiv Bergleute einst den 875 Meter langen Blankenheimer Tunnel getrieben haben, liegen Nebelschwaden, Tau bedeckt die Schienenköpfe. Aus der Ferne von Sangerhausen her erklingt ein Grummeln. Immer näher und näher kommt der unverwechselbare Drillingstakt zweier hart an der Leistungsgrenze arbeitender Dampflokomotiven der Baureihe 44 Öl . Die Hänge links und rechts des Bahn- damms verstärken das „Bellen“ der beiden „Jumbos“ zu einem wahren Getöse. An der Spitze des mit Gips beladenen 1.900-Tonnen-Güter- zuges Gdg 56405 Niedersachswerfen – Coswig (Anhalt) zeigt 44 0177 des Bahnbetriebswerkes Nordhausen, was in ihr steckt. Am Zugschluss schiebt 44 0789 des Bw Sangerhausen mit aller Kraft nach. Nur noch wenige hundert Meter bis zum Scheitelpunkt – dann ist es geschafft. Die beiden Heizer lehnen sich entspannt aus den Fenstern und beobachten die Abdampfwolken, die sich aus den Kaminen drängen. Kein Qualm, kein Rauch – eine perfekte Verbrennung vor der Einfahrt in den Tunnel. Die Ölhauptfeuerung macht es möglich. Doch die Tage der ölgefeuer- ten Dampfloks der Baureihe 44 sind gezählt: Bis zum 31. Dezember 1981 muss die Deutsche Reichsbahn aus energiepolitischen Gründen die Dreizylinder-Maschinen abstellen. Dann endet nach mehr als 20 Jahren die Ära der Baureihe 44 Öl , die einst bei der Deutschen Bundesbahn begann. Kosten sparen lautete die Devise Anfang der 1950er-Jahre befand sich die DB in einer angespannten betrieblichen Situation: Mit dem Wirtschaftswunder in der jungen Bundes- republik nahmen die Beförderungsleistungen auf der Schiene deutlich zu. Doch an einen schnellen Ausbau des elektrischen Streckennetzes sowie den umfassenden Einsatz von Dieseltriebfahr- zeugen im schweren Güterzugdienst war nicht zu denken. Parallel dazu stiegen die Ausgaben für die benötigte Steinkohle immer weiter an. Hatte die DB 1948 für eine Tonne Steinkohle im Durch- schnitt 47 D-Mark bezahlt, waren es Ende 1953
bereits mehr als 63 D-Mark. Der Preis für schwe- res Heizöl blieb hingegen nahezu konstant. Anfang 1954 waren die Kosten für Steinkohle und Heizöl bezogen auf die Wärmemenge je Kilo- gramm Brennstoff fast identisch. Außerdem war schweres Heizöl in der Bundesrepublik in ausrei- chender Menge vorhanden, da der zähfließende, bitumenähnliche Brennstoff bei der Erdölverar- beitung als Abfallprodukt anfiel. Mit der stetig steigenden Benzin- und Dieselherstellung auf- grund des wachsenden Individualverkehrs auf den Straßen nahm auch das Angebot an schwe- rem Heizöl zu. Steinkohle wurde hingegen auf dem deutschen Markt immer knapper, sodass die DB Anfang der 1950er-Jahre rund 20 Prozent ihres Bedarfs aus dem Ausland beziehen musste. Die dafür notwendigen Transporte trieben die Brennstoffkosten in die Höhe. Vor diesem Hin- Mit Gips beladene Ganzzüge waren für die DR-Öl-44er eine der schwersten Leistungen. Hier hat 44 0989 im Sommer 1976 auf der Blankenheimer Rampe die 1.900-Tonnen- Fracht am Haken Thomas Rieger/Slg. Dirk Endisch
Besonders auf der Ruhr-Emsland-Strecke waren die DB-Öl-44er im Dauereinsatz. Am 5. Juli 1977 legt 043 666 mit einem VW-Autozug ein Pause bei Aschendorf ein Egon Pempelforth
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Baureihe 44 Öl DB/DR
fe (...), schnelle Betriebsbereitschaft (...), rascheres Durchfahren von Steigungsstrecken, leichteres Einfahren von Verspätungen (...), größere allgemei- ne Sauberkeit des Betriebs (...), leichterer Trans- port, einfachere Lagerung und geringerer Lager- raum, Personaleinsparungen in der Lokomotiv- behandlung (...), größere Betriebssicherheit bei Wassermangel gegen Kesselschäden, größere Sicherheit (...) bei Fahrt unter Fahrleitung (...), bes- sere Streckenbeobachtung durch Entlastung bei der Feuerführung (...), geringere Gefahr von Schwellen-, Brücken- oder Wagenbränden (...) und eine geringere Verschmutzung der Züge (...).“ Aufgrund dieser Argumente stimmte die Hauptverwaltung der DB zunächst dem Umbau einiger Schnellzug-Maschinen der Baureihe 01 10 auf Ölhauptfeuerung zu. Das war keineswegs eine neue Technologie in Deutschland, denn schon Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich die Preußischen Staatsbahnen mit dieser Feue-
tergrund erwog das Bundesbahn-Zentralamt Minden die Umrüstung einiger hoch beanspruch- ter Dampfloks auf eine Ölhauptfeuerung. Neben den wirtschaftlichen Vorteilen sprachen auch betriebliche und technische Aspekte für die Ölhauptfeuerung. Dazu zählte der Bauart-Dezer- nent der DB, Friedrich Witte, vor allem die „… stär- kere Ausnutzung der Lokomotive durch höhere monatliche Laufleistungen und damit Einsparung von Lokomotiven (...), Gleichförmigkeit eines ho- hen Heizwertes, leichte Rückumstellbarkeit auf Kohlefeuerung, Senkung der Energiekosten, Sen- kung des Stillstandsverbrauchs, Verminderung der Brennstoffverluste, ideale Anpassung des Wärme- angebotes an den während der Fahrt schwanken- den Bedarf, thermische Verbesserung der Dampf- lokomotiven durch höhere Überhitzung, Fortfall der Feuerbehandlungszeiten vor und nach der Fahrt, Abkürzung der Wendezeiten (...), größere Betriebsstoffvorräte, längere Lokomotivdurchläu-
rungstechnik beschäftigt. Doch weder die Öl- haupt- noch die Ölzusatzfeuerung konnten sich seinerzeit durchsetzen, da die Brennstoffkosten aufgrund der Strafzölle des Deutschen Reiches, die zum Schutz der einheimischen Kohleindust- rie erhoben wurden, hoch waren. Im Ausland , wie beispielsweise in Russland, Rumänien oder den USA, verkehrten hingegen Anfang des 20. Jahrhunderts bereits zahlreiche ölgefeuerte Dampflokomotiven. Gleichwohl entwickelten auch deutsche Ingenieure betriebssichere Öl- feuerungen: Die Kasseler Lokfabrik Henschel & Sohn erwarb zum Beispiel die Patentrechte am rumänischen Brenner der Bauart Cosmovici, verbesserte diesen und rüstete damit Dampf- loks für Rumänien und die Türkei aus. Ölzusatz- oder Ölhauptfeuerung? Das BZA Minden konnte 1954 auf diesen Erfah- rungen aufbauen. Doch zunächst galt es, zu
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Im Fokus
klären, ob eine Ölzusatz- oder eine Ölhauptfeue- rung wirtschaftlicher war. Aus diesem Grund ließ das Zentralamt Anfang 1955 im Ausbesserungs- werk Göttingen 44 475 mit einer Ölzusatzfeue- rung ausrüsten. Anschließend wurde die Maschi- ne im Bw Bebra erprobt. Die Lok erbrachte zwar eine höhere Leistung als ihre kohlegefeuerten Schwestern, doch die Bedienung zweier Feue- rungssysteme auf einer Lok erwies sich als zu kompliziert. Noch während der Versuche mit der 44 475 konstruierten die Mindener 1955 in Koope- ration mit Henschel & Sohn eine neue Ölhaupt- feuerung. Der Brenner wurde am tiefsten Punkt des Stehkessels montiert und mit Heißdampf aus einem Überhitzerelement betrieben. Da der Brenner gegenüber der Feuertür lag, wurde diese durch eine neuentwickelte Spezialtür mit Luft- klappen und einer Schauluke ersetzt. Die untere Hälfte des Stehkessels wurde mit feuerfesten Steinen ausgemauert. Die notwendigen Arma- turen und Handräder, der Ölbunker im Tender sowie eine Vorwärmeranlage für das schwere Heizöl ergänzten die Ausrüstung. Als Baumuster für die Ölhauptfeuerung der DB diente 01 1100, die am 13. Juli 1956 in Kassel fer- tiggestellt wurde. Die anschließenden Mess- fahrten des BZA Minden bestätigten die erhoff- ten betrieblichen und technologischen Vorzüge der Ölhauptfeuerung. Außerdem konnte fortan die volle Leistungsfähigkeit des Kessels jederzeit genutzt werden. Als ein weiterer Vorteil erwie- sen sich die sinkenden Beschaffungskosten für schweres Heizöl. Da die Bundesrepublik im Sommer 1956 den Zoll auf Roherdöl aufhob, war schweres Heizöl jetzt um bis zu zehn Prozent Auch bei der DB wurden die Öl-44er vor schweren Ganzzügen eingesetzt wie hier am 9. September 1976 bei Elbergen die 043 636 und 043 364 vor dem „Langen Heinrich“ Burkhard Wollny/Eisenbahnstiftung
Schematischer Aufbau der Ölhaupt- feuerung bei Dampflokomotiven (oben) sowie der dafür umgebaute Verbrennungs- raum unterhalb des Stehkessels (unten) Slg. Dirk Endisch (2)
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Baureihe 44 Öl DB/DR
wurde umgebaut und am 10. April 1960 der Bundesbahn übergeben. Enorme Laufleistungen Die DB wies die Maschinen der Bau- reihe 44 Öl zunächst dem Bw Bebra zu, das die Lokomotiven bevorzugt im schweren Güterzugdienst auf der Nord-Süd-Strecke einsetzte. Hier er- brachten die 44er beachtliche Laufleis- tungen. Die Umläufe des Bw Bebra sahen im Sommer 1960 für die Ölloks tägliche Laufleistungen von bis zu 529 Kilometern vor. Damit zählte die Öl-44er zu den am höchsten belaste- ten Dampfloks der DB. Doch mit der fortschreitenden Elektrifizierung der Nord-Süd-Strecke verlor die Baureihe 44 Öl bereits im Sommer 1962 im Bw Bebra langsam an Bedeutung, sodass vier Maschinen zum Bw Kassel umgesetzt werden konnten. Hier be- stand ab 27. Mai 1962 ein dreitägiger Umlauf, der in erster Linie Güterzüge nach Hamm vorsah. Die tägliche Lauf- leistung betrug dabei bis zu 575 Kilo- meter. Damit nahmen die ölgefeuerten „Jumbos“ des Bw Kassel den ersten Platz bei den Laufleistungen der Gü- terzug-Dampflokomotiven der DB ein. Nach Aufnahme der elektrischen Zug- Typenskizzen der bei Deutscher Bundesbahn (oben) und Deutscher Reichsbahn (darunter) umgebau- ten Baureihe 44 mit Ölhauptfeue- rung und Witte-Windleitblechen Werner Dietmann/Slg. em (2)
günstiger als Steinkohle. Vor diesem Hintergrund ordnete die HVB am 30. Januar 1957 zunächst den Umbau von 34 Maschinen der Baureihe 01 10 auf Ölhauptfeuerung an. Ein Jahr später wurden mit 44 1131 (Abnahme 6. Januar 1958) und 44 1264 (15. Januar 1958) bei Henschel & Sohn die ersten beiden Exemplare der Baureihe 44 umgerüstet. Während das Bw Bebra 44 1131 gemeinsam mit kohlegefeuer- ten Maschinen im Plandienst einsetz- te, wurde 44 1264 im März 1958 im BZA Minden messtechnisch unter- sucht. Dank der Ölhauptfeuerung stieg die Leistung des „Jumbos“ auf bis zu 2.100 PSi. Außerdem verbrauchten die Ölloks im Vergleich zu den kohlege- feuerten Schwestern zwischen sechs und zehn Prozent weniger Brennstoff. Angesichts dieser Ergebnisse ließ die HVB unter der Sonderarbeitsnummer 244 ab Frühjahr 1960 weitere 30 Ma- schinen der Baureihe 44 mit einer Öl- hauptfeuerung ausrüsten. Diesen Um- bau übernahm das AW Braunschweig, wo 44 431 schon am 16. März 1960 ab- genommen wurde. Ihr folgten in den nächsten Monaten die Maschinen 44 087, 094, 100, 189, 326, 336, 375, 381, 438, 440, 469, 552, 606, 636, 665, 903, 1085, 1121, 1133, 1167, 1221, 1315, 1364, 1574, 1652, 1672 und 1746. Braun- schweig stellte als vorerst letzten „Jumbo“ mit Ölhauptfeuerung am 20. Juli 1960 die 44 1681 fertig. Auch die als Versuchsträger dienende 44 475
Technische Daten der Baureihe 44 Öl von DB und DR DB DR EDV-Baureihennummer 043 44.0 Bauart 1’E h3 1’E h3 Höchstgeschwindigkeit (v/r) 80/50 km/h 80/50 km/h Länge über Puffer 22.620 mm 1) 22.620 mm 1) Gesamtachsstand 19.190 mm 1) 19.190 mm 1) Zylinderdurchmesser 550 mm 550 mm Kolbenhub 660 mm 660 mm Treibraddurchmesser 1.400 mm 1.400 mm Laufraddurchmesser 850 mm 850 mm Kesselüberdruck 16 kp/cm 2 16 kp/cm 2 Strahlungsheizfläche 18,3 m 2 18,0 m 2 Rohrlänge zw. d. Rohrwänden 5.800 mm 5.800 mm Heizrohrdurchmesser 54 × 2,5 mm 54 × 2,5 mm Heizrohranzahl 128 mm 128 mm Rauchrohrdurchmesser 143 × 2,5 mm 143 × 2,5 mm Rauchrohranzahl 43 mm 43 mm Rohrheizfläche 143 × 4,25 m 2 143 × 4,0 m 2 Verdampfungsheizfläche 237,67 m 2 238,0 m 2 Überhitzerrohrdurchmesser 38 × 4 mm 38 × 4 mm Überhitzerheizfläche 100,0 m 2 85,0 m 2 Brennstoffvorrat 12,0 m 3 11,2 m 3 2) Wasservorrat 34,0 m 3 34,0 m 3 Fahrzeugleermasse 3) 100,2 t 99,9 t Fahrzeugdienstmasse 3) 109,6 t 109,8 t Fahrzeugmasse Lok + Tender 187,2 t 186,1 t 4) Reibungslast 94,9 Mp 95,0 Mp indizierte Leistung 2.100 PSi 1.950 PSi indizierte Zugkraft (0,8) 27,38 Mp 27,38 Mp 1) mit Tender der Bauart 2 ’ 2 ’ T 34; 2) Baumuster 44 195 mit 10,5 m 3 , später auf 13,5 m 3 vergrößert; 3) ohne Tender; 4) mit 11,2 m 3 Heizöl; 188,2 t mit 13,5 m 3 Heizöl
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Die ölgefeuerte 44 100 führt am 30. März 1965 bei Kirch-Göns einen Güterzug über die Main-Weser-Bahn (Frankfurt/Main – Gießen – Marburg – Kassel) in Richtung Süden. Auf den ersten Wagen sind fabrikneue VW geladen Dr. Rolf Brüning
1966 schränkte sich zwar das Einsatzgebiet der Baureihe 44 Öl erstmals ein, doch aufgrund feh- lender Triebfahrzeuge konnte das Bw Osna- brück Hbf noch nicht auf die Maschinen verzich- ten. Das änderte sich am 12. September 1968 mit der Freigabe der Verbindung Osnabrück – Bremen – Hamburg für den elektrischen Be- trieb: Die Bundesbahn setzte die Osnabrücker Maschinen zum Bw Rheine um. Von der 44 Öl zur Baureihe 043 Wenige Monate zuvor, am 1. Januar 1968, hatte die DB für ihre Triebfahrzeuge ein neues Num- mernsystem eingeführt, das der beginnenden elektronischen Datenverarbeitung Rechnung trug. Mit der Einführung dieses Nummernsys- tems wurden die ölgefeuerten „Jumbos“ zur Baureihe 043 umgezeichnet. Dabei wurde bei den vierstelligen Ordnungsnummern die erste Ziffer gestrichen. In der Zwischenzeit hatte die DB mit 44 552 des Bw Kassel am 22. Mai 1967 die erste Öl-44er ausgemustert. Als Ersatz rüstete das AW Braunschweig 44 1666 zum 2. Dezember 1966 mit einer Ölhauptfeuerung aus. Aufgrund von Kesselschäden schieden zwischen 1969 und 1974 außerdem die Lokomotiven 043 133, 431, 438, 440 und 652 vorzeitig aus dem Betriebs- park aus. Obendrein quittierten 043 189, 375 und 469 aufgrund schwerer Verschleißerscheinun- gen bis 1974 ihren Dienst. Um die entstandenen Lücken im Betriebspark zu schließen, stellte Braunschweig in den Jahren 1973/74 noch 043 196 (ex 44 1203) und 043 321 (ex 44 1321) fertig. Mit den Anlagen der ausgemusterten 043 652 baute das AW Braunschweig im Früh- jahr 1974 als letzten „Jumbo“ 044 737 zur 043 737 um. Im Sommer 1975 endete mit der Baureihe 043 die Dampflok-Unterhaltung im AW Braun- schweig – dem letzten Dampflok-Ausbesse-
rungswerk der DB. Ab dem Frühjahr leerten sich die Werkhallen des 1927 eröffneten Ausbesse- rungswerkes zusehends. Als letzte Dampflok der DB wurde 043 364 am 5. August 1975 feier- lich in Braunschweig verabschiedet. Bei der DB ausgedient Zu diesem Zeitpunkt waren die Tage der Baureihe 043 eh schon gezählt. Nachdem die ölgefeuerten Maschinen in den Bahnbetriebswerken Kassel und Osnabrück Hbf ausgedient hatten, konzen- trierte die DB die noch vorhandenen Maschinen im Bw Rheine. Dort hatte 1958 die Ära der „Jum- bos“ mit kohlegefeuerten Lokomotiven begon- nen, die die Dienststelle für die Beförderung von schweren Erzzügen von Emden in Richtung Ruhr- gebiet/Saarland benötigte. Die Ganzzüge hatten eine Planlast von 2.200 Tonnen. Bis Mitte der 1960er-Jahre stieg der Bestand der Baureihe 44 auf rund 30 Exemplare an, die in erster Linie auf der Verbindung Emden – Rheine – Dortmund im Einsatz waren. Mit der Anhebung der Lasten für die Erzzüge auf 4.000 Tonnen mussten diese mit zwei Maschinen bespannt werden. Die Eisenbah- ner gaben den Zügen den Spitznamen „Langer Heinrich“. Ab 1968 übernahm das Bw Rheine schrittweise alle noch bei der DB vorhandenen Maschinen der Baureihe 043. Im Gegenzug wur- den die Kohleloks der Baureihe 044 abgegeben. Rheine konzentrierte sich fortan auf ölgefeuerte Dampfloks. Im Zuge der Ölkrise 1973 kehrten einige Kohleloks kurzzeitig dorthin zurück. Nach der Auflösung des Kasseler Bestandes der Bau- reihe 043 trugen ab 1973 insgesamt 24 ölgefeuer- te „Jumbos“ die Anschrift „Bw Rheine“ an ihren Führerhäusern. Haupteinsatzgebiet der Maschi- nen war nach wie vor die Emsland-Strecke. Aller- dings musste das Bw Rheine 1974 einige Lokomo- tiven der Baureihe 043 nach Emden abgeben, da
förderung auf den Strecken Fulda – Bebra am 8. März 1963 und Bebra – Hannover am 26. Mai 1963 hatte die Baureihe 44 Öl im Bw Bebra de facto ausgedient. Die Maschinen wurden anschlie- ßend nach Kassel umgesetzt. Von dort gelangten einige Exemplare 1964 zum Bw Osnabrück Hbf. Das Bw Kassel bespannte mit seinen Ölloks in erster Linie schwere Eil- und Durchgangsgüter- züge nach Altenbeken, Hamm und Rheine. Aber auch Leistungen nach Gießen und Frankfurt (Main) standen in den Dienstplänen. Zeitweise wendeten die „Jumbos“ in Göttingen und Hanno- ver. Dank dieses weitgefächerten Einsatzberei- ches legten die Loks täglich teilweise bis zu 490 Kilometer zurück. Nach der Elektrifizierung der Nord-Süd-Strecke und der Main-Weser-Bahn Vor schweren Ganz- zügen zwischen Emden und Rheine bewiesen die DB-Öl-44er ihre Kraft verlagerte sich der Einsatzschwerpunkt der Bau- reihe 44 Öl Richtung Westfalen. Im Sommer 1970 waren im Bw Kassel 16 Maschinen stationiert, von denen täglich elf Maschinen für den Plandienst benötigt wurden. Im Winter 1972/73 bestand letztmalig ein Dienstplan für die ölgefeuerten „Jumbos“, deren Ära im Frühjahr 1973 endete. Das Bw Osnabrück Hbf übernahm im Novem- ber 1964 mit 44 431 und 606 die ersten Exempla- re der Baureihe 44 Öl . Bis Anfang 1967 stieg der Bestand auf 16 Maschinen an. Von Osnabrück aus brachten die Ölloks Güterzüge nach Bre- men, Hagen oder ins Ruhrgebiet. Mit der Auf- nahme der elektrischen Zugförderung auf der Strecke Hamm – Osnabrück am 12. September
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die dortige Werkstatt nach der Ausmusterung der Baureihe 044 nicht mehr ausgelastet war. Am 1. Januar 1975 waren sieben Maschinen im Bw Emden und 16 im Bw Rheine stationiert. Im Sommer 1977 waren die Maschinen der Bau- reihe 043 der Bw Emden und Rheine die letzten Dampflokomotiven der DB. Die noch betriebs- fähigen Ölloks teilten sich die verbliebenen Leis- tungen im Güterverkehr auf der Emslandstrecke zwischen Emden und Rheine. Starleistung der „Jumbos“ war noch immer der als „Langer Hein- rich“ bezeichnete Erzzug, der jedoch ab dem Frühjahr 1977 nur noch selten mit zwei Dampf- loks bespannt wurde. Am 30. Juni 1977 zählten noch zwölf Maschinen zum Betriebspark. Damit war das Ende der Dampftraktion nur noch eine Frage von wenigen Wochen. Nach dem Fahr- planwechsel am 25. September 1977 schrumpf- ten die Einsätze der „Jumbos“ auf ein Minimum zusammen. Im Bw Rheine beendete 043 196 am 26. Oktober 1977 das Dampflokzeitalter. Ab Ende September 1977 setzte das Bw Emden seine letzten vier betriebsfähigen Maschinen lediglich im Nahbereich ein. Neben Übergaben zwischen dem Erzhafen und dem Rangierbahn- hof Emden gehörten dazu Bauzüge auf dem Abschnitt Leer – Oldersum. Das war auch am Am 7. Juni 1971 hat 043 746 außerplanmäßig den aus Umbau-Vierachsern gebildeten N 2171 in Münster Hbf übernommen. In der Regel beförderte eine 23 diesen Zug Wolf-Dietmar Loos
26. Oktober 1977, dem letzten Tag der Dampf- traktion bei der DB, der Fall: Während 043 903 am Morgen einen Bauzug übernahm, schleppte 043 315 gemeinsam mit einer Diesellok einen Erzzug aus dem Hafen. Am Nachmittag des 26. Oktober 1977 wurden die beiden Maschinen abgestellt und anschließend aus den Unterlagen der Bundesbahn gestrichen. Die meisten Loko- motiven der Baureihe 043 wurden in der Folge-
zeit verschrottet. Lediglich die Loks 043 085, 100, 121, 196, 315, 381, 606, 681 und 903 blieben als Schaustücke oder Denkmale erhalten. Weitaus mehr Öl-44er bei der DR Zu diesem Zeitpunkt konnte die Deutsche Reichsbahn in der benachbarten DDR noch nicht auf die Dienste ihrer Dampflokomotiven der Baureihe 44 Öl verzichten. Fast zeitgleich
Am 6. Juli 1977 befördert 043 903 den aus zweiachsigen O-Wagen bestehenden Gag 57516 von Emden nach Rheine Egon Pempelforth
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mit der DB befasste sich auch die DR mit dem Thema Ölhauptfeuerung. Der Grundgedanke war hier aber, die Lokheizer von ihrer schweren körperlichen Arbeit zu entlasten. Das galt vor allem für die Männer auf den Maschinen der Baureihe 44. Im Bw Halle G lag beispielsweise der durchschnittliche Verbrauch eines rostge- feuerten „Jumbos“ zwischen 52 und 62 Tonnen Kohle auf 1.000 Streckenkilometern. In den Wintermonaten stieg der Verbrauch auf bis zu 74 Tonnen an. Der Leiter der Fahrzeug-Versuchs- anstalt Halle (Saale), Max Baumberg, griff das Thema auf und erläuterte am 12. März 1959 in einem Referat verschiedene Alternativen zur herkömmlichen Rostfeuerung. Dabei handelte es sich um Kohlenstaub-, Stoker- und Ölhaupt- feuerungen. Mit der Kohlenstaubfeuerung des Systems Wendler hatte die DR bereits Erfah- rungen gesammelt. Die zuständige Hauptver- waltung der Maschinenwirtschaft hatte jedoch in erster Linie aus Kostengründen den Umbau weiterer „Jumbos“ verworfen. Auch die Stoker- feuerung kam für Baumberg nicht in Betracht, da derartige Versuche bei der Neubaudampflok 25 001 ernüchternd verlaufen waren. Zwar gab es bei den Polnischen Staatsbahnen PKP, den Sowjetischen Staatsbahnen SŽD und den Tsche- choslowakischen Staatsbahnen ČCSD betriebs- sichere Stokerfeuerungen, doch für deren Be- schaffung standen der DR keine finanziellen Mittel zur Verfügung. Für Nachbauten durch die DDR-Industrie fehlten die Kapazitäten. Damit blieben nur noch die Ölzusatz- bzw. Ölhauptfeuerung. Die Ölzusatzfeuerung lehnte Baumberg ab, da sie nur zur Abdeckung von Leistungsspitzen geeignet war. Der Leiter der FVA Halle (Saale) sprach sich daher für die Ölhauptfeuerung aus. Das dafür benötigte schwere Heizöl stand der f DR damals in ausreichender Menge zur Ver- fügung, denn die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands hatte auf ihrem V. Parteitag Mitte
Im Sommer 1965 legt 44 504 mit einem Gipszug einen Halt in Berga-Kelbra ein Slg. Dirk Endisch
1970er-Jahre nicht weiterverarbeitet werden konnte. Sie besaß jedoch einen hohen Heizwert, der mit rund 9.600 Kilokalorien je Kilogramm etwa 30 Prozent über dem von guter Steinkohle lag. Dieser hochwertige, preisgünstige Brenn- stoff stand in großen Mengen zur Verfügung, da Erdöl zu 50 Prozent und mehr aus diesen soge- nannten Asphalten besteht. Bereits 1964 fielen im PCK Schwedt rund eine Million Tonnen des schweren Heizöls an. Die Verteilung des Brenn- stoffs oblag der Staatlichen Plankommission, die der DR schweres Heizöl für das Befeuern von rund 300 Lokomotiven in Aussicht stellte. Brenner unter der Feuertür Daher beschloss die DR, einige ihrer am höchs- ten belasteten Dampflokomotiven mit einer Ölhauptfeuerung auszurüsten. Bereits am 10. Februar 1959 entstand unter der Leitung von Hans-Joachim Krauss die Studienkommission „Mechanisierung der Lokfeuerung“, die auch für die Ölhauptfeuerung plädierte. Die HvM gründete am 14. März 1959 eine Arbeitsgruppe, die eine einfache und robuste Ölhauptfeuerung konstruieren sollte. Das von Krauss geführte Team wertete zunächst die Fachliteratur aus und schlug danach den Einbau eines Flachbren- ners unterhalb der Stehkesselvorderwand vor. Dazu musste die Feuerbüchse teilweise ausge- mauert werden. Die HvM stimmte dieser Idee zu und genehmigte den probeweisen Umbau der 44 195. Hans Schulze als zuständiger Refe- rent für die Bauart der Dampf- und Dieselloks änderte jedoch den Entwurf für die Ölhaupt- feuerung. Die beiden Schlitzbrenner wurden abweichend unterhalb der Feuertür eingebaut. Nach etwa 2.500 Arbeitsstunden konnte 44 195 am 23. September 1959 erstmals angeheizt wer- den. Die erste Probefahrt folgte am 29. Septem-
Juli 1958 das sogenannt Chemieprogramm be- schlossen. Damit begann der großzügige Aus- bau der chemischen Industrie in der DDR. Dazu zählte auch der Auf- und Ausbau der erdölver- arbeitenden Industrie. Zu den wichtigsten In- vestitionsvorhaben gehörten u. a. der Bau des VEB Petrolchemischen Kombinats Schwedt, der Erdölverarbeitungsanlagen in Leuna II und der etwa 4.000 Kilometer langen Erdölleitung „Freundschaft“ zwischen Schwedt und dem westsibirischen Kuibyschew. Die DDR bezog über diese Pipeline preiswertes Rohöl aus der Sowjetunion, das durch Destillation weiterver- arbeitet wurde. Dabei entstanden verschiedene Benzine, Paraffine, Diesel-, Leicht- und Schmier- öle. Als Rückstand fiel bei der Destillation eine bitumenähnliche schwere Masse an, die als Bunkeröl D bezeichnet wurde und bis Ende der
Das Bahnbetriebswerk Sangerhausen war über Jahre hinweg eine bedeutende Einsatzstelle für die DR-Baureihe 44 mit Ölhauptfeuerung. Am 22. September 1981 stehen hier 44 0040, 0093 und 0378 beisammen Slg. Klaus-Dieter Baedermann
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hausen und Sangerhausen zuhause waren. 1966 folgten weitere 31 ölgefeuerte „Jumbos“, von denen einige der Reichsbahn-Direktion Schwe- rin für die Bw Rostock und Wittenberge zuge- wiesen wurden. Mit der Abnahme der 44 398 endete am 21. Dezember 1966 formal der Umbau der Baureihe 44 auf Ölhauptfeuerung. Im Herbst 1967 rüstete das Raw Meiningen nachträglich 44 350 mit einem Ölbrenner aus, da 44 1207 im September 1967 bei einem Unfall irreparabel beschädigt wurde. Damit hatten insgesamt 95 „Jumbos“ der DR eine Ölhaupt- feuerung erhalten. Zwischen Ostsee und Thüringen Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Einsatz- gebiet der Baureihe 44 Öl in der Rbd Erfurt deutlich verändert: Mit der Aufnahme des elektrischen Zugbetriebes auf den Streckenabschnitten Wei- ßenfels – Bad Sulza am 26. Mai 1967, Bad Sulza – Apolda am 15. Juni 1967 und Apolda – Erfurt – Neudietendorf am 22. September 1967 verloren die Öllokomotiven des ehemaligen Bw Erfurt G einen erheblichen Teil ihrer Leistungen. Die auf diese Weise freigesetzten Maschinen wurden im Herbst 1967 meist dem Bw Saalfeld zugewiesen. Damit verteilten sich die 1’E-Maschinen am 1. Januar 1969 auf die Bahnbetriebswerke Erfurt, Halle G, Meiningen, Nordhausen, Rostock, Saal- feld, Sangerhausen und Wittenberge. Unange- fochtene Hochburg der Baureihe 44 Öl war das Bw Halle G, das 31 Maschinen in seinen Unterla- gen führte. Einige Hallenser Maschinen beheima- tete seit Herbst 1967 das Bw Röblingen.
Ölhauptfeuerung ausgerüstet werden sollten. Gleichwohl besaß die DR-Baureihe 44 aufgrund ihrer Bedeutung für den schweren Güterzug- dienst oberste Priorität. Die HvM und die Hauptverwaltung für die Reichsbahn-Ausbesse- rungswerke (HvRaw) einigten sich am 9. No- vember 1962 auf die Umrüstung von zunächst 29 Maschinen in den Jahren 1963/64. Den Um- bau übernahm das Raw Meiningen. Die ölgefeu- erten „Jumbos“ verteilte die DR zunächst auf die Bahnbetriebswerke Erfurt G und Halle G.
ber 1959. Dabei zeigte sich, dass noch einige Änderungen notwendig waren, bevor die Ölhauptfeuerung die Serienreife erreichte. Beispielsweise mussten aufgrund der hohen Heißdampftemperaturen die Überhitzerele- mente um einen Meter gekürzt werden. Die VES-M Halle (Saale) unterzog 44 195 an- schließend einer gründlichen messtechnischen Untersuchung. Die ölgefeuerte Maschine war ihren rost- und kohlenstaubgefeuerten Schwes- tern deutlich überlegen. 44 195 erreichte einen Kesselwirkungsgrad von bis zu 85 Prozent. Außerdem entwickelte die Lok eine um bis zu 100 PS höhere effektive Leistung. Einziger Kritik- punkt war die hohe Lärmbelastung für das Per- sonal. Dieses Problem konnte die DR jedoch nicht lösen, da die Brenner unterhalb der Feuer- tür platziert waren. Der Medizinische Dienst der DR wies daher für das Personal der ölgefeuerten „Jumbos“ das Tragen eines Gehörschutzes an. Nach den Versuchsfahrten mit der 44 195 über- arbeitete die Abteilung Technik der HvM ge- meinsam mit der VES-M Halle (Saale) sowie den Reichsbahn-Ausbesserungswerken Meiningen und Stendal die Zeichnungen für die Ölhaupt- feuerung. Als erste Serienmaschine wurde 44 1595 zwischen 4. September und 18. Oktober 1961 in Meiningen umgebaut. Die anschließen- den Probefahrten im Bw Halle G verliefen ohne Beanstandungen, sodass der Umrüstung weite- rer Maschinen nichts im Wege stand. Allerdings gab es seitens der HvM noch kein konkre- tes Konzept, das Dampflokomotiven mit einer
Erfurt und Halle waren die ersten Direktionen, die ölhauptgefeuerte DR-44er einsetzten
Im Herbst 1963 berieten Vertreter der HvM, der HvRaw und der Reichsbahndirektionen über die Umrüstung weiterer Maschinen. Das detaillierte Umbauprogramm lag am 11. Februar 1965 vor und sah insgesamt 300 Maschinen der Baureihen 01 5 , 03 10 , 44, 50 35 und 95 0 vor. Da die SPK der DR jedoch nicht genügend Heizöl bewilligte, musste das Programm auf etwa 200 Maschinen verringert werden. Das am 9. August 1966 vorgelegte Konzept umfasste insgesamt 94 Maschinen der Baureihe 44. Bereits 1965 hatte das Raw Meiningen weitere „Jumbos“ mit einer Ölhauptfeuerung versehen. Am 31. Dezember 1965 standen der DR insge- samt 63 Öl-44er zur Verfügung, die nun auch in den Bahnbetriebswerken Meiningen, Nord-
„Fahrt mit 40 km/h“ zeigte das Ausfahrsignal, als die DR-Schlepptenderlokomotive 44 0378 (ex 44 1378) mit einem langen Durchgangs- güterzug den Bahnhof Klostermansfeld im Frühjahr 1978 verlässt Thomas Rieger/Slg. Dirk Endisch
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endgültig entbehrlich machte. Am 26. Mai 1973 beendete das Bw Halle G den planmäßigen Ein- satz der Baureihe 44.0. Ähnlich verlief die Ent- wicklung in Erfurt, wo ebenfalls die Baureihen 130 und 131 bis 1973 die Ölloks ablösten. Während die Erfurter Maschinen meist innerhalb der Rbd nach Meiningen, Nordhausen, Saalfeld und Sanger- hausen umgesetzt wurden, fanden die meisten Maschinen des Bw Halle G in den Direktionen Greifswald und Schwerin eine neue Heimat. Neu im Kreis der Heimatdienststellen war das Bw An- germünde, das aber im Frühjahr 1972 die ölgefeu- erten „Jumbos“ an das Bw Eberswalde abgab. Etwa zeitgleich verteilte die Rbd Schwerin ihre Ölloks neu: Das Bw Rostock gab seine Maschinen nach Güstrow und Wittenberge ab. Nach der Ausmusterung der bei einem Brand schwer beschädigten 44 0224 Ende Juli 1974 zähl- ten noch 93 Öl-44er zum Betriebspark. Trotz des fortschreitenden Einsatzes der Großdieselloko- motiven der Baureihen 130, 131 und 132 waren die „Jumbos“ im schweren Güterzugdienst weiterhin unentbehrlich. Am 31. Mai 1975 endete der plan- mäßige Einsatz der Baureihe 44.0 im Bw Meinin- gen. Am 1. Januar 1977 verteilte sich der Bestand auf die Bahnbetriebswerke Eberswalde (12), Güstrow (4), Meiningen (4), Nordhausen (16), Rostock (1), Saalfeld (20), Sangerhausen (22) und Wittenberge (14). Die Planungen der HvM sahen vor, mit der 44.0 bis Mitte der 1980er-Jahre den Traktionswechsel zu beenden. Als sogenanntes Auslauf-Bw für die Öl-44er war Sangerhausen vorgesehen, wo im Frühjahr 1985 die letzten ölgefeuerten „Jumbos“ abgestellt werden sollten. Das schnelle Aus bei der DR Die wirtschaftlichen und politischen Rahmen- bedingungen warfen dieses Vorhaben über den Haufen. Auslöser dafür war die iranische Revolu- tion Anfang 1979. Ajatollah Chomeini rief nach dem Sturz des Schahs von Persien am 1. April 1979 im Iran eine Islamische Republik aus. Das führte zu einem deutlichen Anstieg der Rohöl-
Das Betanken der DR-Maschinen mit Schweröl war nur an speziellen Vorrichtungen möglich, die in einigen Bw vorhanden waren wie hier 1977 in Saalfeld Peter Gericke/Slg. Dirk Endisch
Dank der technischen, technologischen und wirt- schaftlichen Vorteile der Ölhauptfeuerung er- brachte die Öl-44er beachtliche Laufleistungen: DieEinsätzedesBwHalleG,dasMaschinenvorbis zu 3.000 Tonnen schweren Kesselwagenzügen auf der Relation Halle (Saale) – Berlin einsetzte, wären ohne Ölfeuerung gar nicht möglich gewesen. Täg- liche Laufleistungen von bis zu 430 Kilometern waren bei Maschinen des Bw Halle G an der Tages- ordnung. Die höchsten monatlichen Laufleistun- gen erbrachten in den 1960er-Jahren die Maschi- nen der Bw Erfurt, Halle G und Meiningen mit Werten zwischen 9.000 und 10.000 Kilometern. Zu den Spitzenreitern gehörte u. a. 44 1195 des BwErfurtG,dieimApril1964in26Tagen9.678und im August 1970 in 26 Tagen 9.690 Kilometer zu- rücklegte. Laufleistungen von mehr als 10.000 Ki- lometern dokumentierte u. a. der Betriebsbogen von 44 1040. Im Juni 1965 fuhr die Erfurter Lok beachtliche 10.277 Kilometer. Die höchste bekann- te monatliche Laufleistung erbrachte 44 196 des Bw Erfurt im Januar 1969 mit 12.298 Kilometern.
Mit der Einführung der EDV-gerechten Betriebs- nummern bei der DR am 1. Juli 1970 erhielten die Maschinen neue, 841 Millimeter lange Lokschil- der, die neben einer Baureihen- und einer Ord- nungsnummer eine Kontrollziffer enthielten. Die Baureihennummer blieb im Unterschied zur Bun- desbahn unverändert. Die Ordnungsnummer war fortan immer vierstellig. Die erste Ziffer war ent- sprechend den Festlegungen der DR für ölgefeu- erte Dampflokomotiven eine 0. Diese wurde den dreistelligen Ordnungsnummern vorangestellt, oder sie ersetzte die 1 bei den vierstelligen Ord- nungsnummern. Das führte dazu, dass 44 1195 und 44 1569 neue Ordnungsnummern erhalten mussten, da es sonst mit 44 195 und 44 569 zu Doppelbelegungen gekommen wäre. Aus 44 1195 wurde daher 44 0194 und aus 44 1569 die 44 0567. Etwa zeitgleich verlor die Baureihe 44.0 im Bw Halle G zusehends an Bedeutung, nachdem hier die ersten Dieselloks der Baureihe 130 aus der Sowjetunion eingetroffen waren. Ihnen folgte 1972/73 die Baureihe 131, was die „Jumbos“
Während 44 0600 im Sommer 1979 in den Bahnhof Saalfeld einfährt, lauert auf dem Nachbargleis schon eine „Ludmilla“ auf die Ablösung Thomas Rieger/Slg. Dirk Endisch
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